Humoralpathologie und Diätetik des Mittelalters. Grundlage für Prävention und Therapie von Krankheitsbildern vor dem Hintergrund des Arzneibuchs von Ortolf von Baierland


Trabajo Escrito, 2021

25 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung…

2. Die Humoralpathologie und die Vier-Säfte-Lehre.

3. Diätetik des Mittelalters: Die Lehre der gesunden Lebensführung

4. Ortolf von Baierland: Das Arzneibuch – Ausgewählte Textstellen….
4.1. Humoralpathologie in Ortolfs Arzneibuch: Die vier Elemente und die Vier-Säfte-Lehre…..
4.2. Empfohlene Verhaltensweisen und Ernährung nach Ortolfs mittelalterlicher Diätetik..

5. Esskultur im Mittelalter

6. Die Stellung der Diätetik in der Neuzeit: Von der antiken Diätetik zur heutigen Ernährungstherapie…..

7. Schlusswort…..…

Literaturverzeichnis.…

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

§ Tabelle 1: Schema der griechischen Elementen- und Säftelehre

Quelle: Neumaier, Ulrike: Die Rache des Placebos. Zur Wirksamkeit des Unwirksamen in der evidenzbasierten Medizin und in der Wissenschaftsforschung. Bielefeld: transcript, 2017,

§ Tabelle 2: Universales Erklärungsmodell nach Galen

Quelle: Neumaier, Ulrike: Die Rache des Placebos. Zur Wirksamkeit des Unwirksamen in der evidenzbasierten Medizin und in der Wissenschaftsforschung. Bielefeld: transcript, 2017,

§ Abbildung 1: Schematische Skizze des Verdauungsvorgangs nach Ortolf von Baierland

Quelle: Seminarmaterialien (Wise 2020/21), bereitgestellt von Prof. Dr. Bein

§ Abbildung 2: Camomilla, Eintrag aus dem „Tacuinum Sanitatis“

Quelle: Tacuinum sanitatis. Codex vindobonensis 2396. Dokumentation zur Faksimileausgabe. Bd. LXXVIII. Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, 1984 (= Codices Selecti),

§ Abbildung 3: Kamille, Transkription und Übersetzung

Quelle: Tacuinum sanitatis. Codex vindobonensis 2396. Dokumentation zur Faksimileausgabe. Bd. LXXVIII. Graz: Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, 1984 (= Codices Selecti),

1. Einleitung

„Erst kommt das Wort, dann die Arznei und dann das Messer.“

Theodor Billroth

Bereits in diesem Zitat kann man die antike und mittelalterliche Einstellung zu medizinischen Praktiken ablesen. Prävention von Krankheiten und ihre Therapie durch natürliche, nicht-invasive Mittel wurden bevorzugt. Nur wenn diese nicht wirkten, griff ein gelehrter Wundarzt auf Arznei und operative Eingriffe zurück. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die Humoralpathologie und die Lehre der Diätetik von der Antike bis ins Mittelalter ihre Prominenz und Gültigkeit hatten.

Diese Arbeit soll zunächst die Elementenlehre und die Vier-Säfte-Lehre als Grundlage der Humoralpathologie in ihrem Ursprung darstellen. Dabei wird die Entwicklung der Humoralpathologie von der Antike bis ins Mittelalter beleuchtet. Eng verknüpft mit der Humoralpathologie und der Vier-Säfte-Lehre ist die Diätetik, die im Anschluss daran definiert werden soll. Da die Medizin im Mittelalter nicht sehr fortschrittlich war, war die Diätetik die beste Art der Prävention und Therapie von Krankheiten. Die Ernährung ist dabei der Schlüssel zur Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit. Auch wenn die Medizin heutzutage viel mehr Möglichkeiten bietet, gewinnt die antike und mittelalterliche Idee der Diätetik an Aktualität. Neben der Ernährung geht es in der Gesundheitslehre dieser Diätetik vor allem, um eine gesunde Lebensführung.

Ortolf von Baierland war ein Würzburger Wundarzt des 13. Jahrhunderts. Sein Arzneibuch, welches sich an den ausgebildeten Wundarzt richtet, stellt er um 1280 fertig. „Als einem Meister von Wissensorganisation und Wissensvermittlung gelingt ihm so etwas wie ein fachwissenschaftliches Kunstwerk, das ärztliches Handlungswissen in geballter Bündigkeit zur Imago hominis verdichtet.“1 Die Autoren solcher medizinischen Werke richteten sich nicht nur an Wundärzte, sondern an die ganze Bevölkerung. Sie haben das Ziel die Menschen zur Gesundheit zu erziehen und ihr Gesundheitsbewusstsein zu wecken. Im Folgenden werden die Artikel aus Ortolfs Arzneibuch näher betrachtet, die sich mit der Humoralpathologie und Diätetik befassen und damit den mittelalterlichen Wissensstand beleuchten.

Im Anschluss wird die mittelalterliche Esskultur näher betrachtet, um eine Vorstellung davon zu bekommen, inwieweit die Humoralpathologie und die Diätetik diese beeinflusst haben.

Zu guter Letzt soll nun ein Bezug zur Gegenwart hergestellt werden. Dazu wird die Stellung der Diätetik in der Neuzeit betrachtet und inwiefern die antiken und mittelalterlichen Lehren sich in der heutigen Ernährungstherapie wiederfinden beziehungsweise sich unterscheiden und vielleicht sogar als Vorbild genutzt werden können.

Zum Schluss können wir anhand der gewonnenen Erkenntnisse erörtern, welche Bedeutung die Humoralpathologie und Diätetik für die mittelalterliche Medizin hatte und wieso sie, solange ihre Gültigkeit hatte. Eventuell lassen sich aus den Erkenntnissen der Vergangenheit auch Empfehlungen für die Zukunft ableiten.

2. Die Humoralpathologie und die Vier-Säfte-Lehre

Die Humoralpathologie ist eine in der Antike entwickelte und bis ins 19. Jahrhundert gültige Krankheitslehre von den Körpersäften, deren richtiges Mischverhältnis im Körper die Voraussetzung für Gesundheit ist, wohingegen deren Ungleichgewicht zu Krankheit führen kann. Diese Vorstellung hat ihren Ursprung bereits in der griechischen Antike, vor allem bei Hippokrates. Sie wird in der römischen Antike wesentlich von Galen beeinflusst und daraufhin immer wieder bearbeitet bis es ins europäische Mittelalter gelangt. Zur näheren Begriffsbestimmung der Humoralpathologie schreibt Schweikle:

Humor, m. [lat. = Feuchtigkeit] in der Dichtung; die Bedeutungsgeschichte von >H.< geht zurück auf die antike und mal. Lehre von 4 Körpersäften (humores), deren spezif. Mischung als ausschlaggebend für Temperament und Charakter galt. Das Wort erscheint danach als Synonym für Laune, Temperament.2

Bei der Humoralpathologie steht die Vorstellung im Zentrum, dass der Mensch zu gleichen Teilen aus Blut, Schleim sowie gelber und schwarzer Galle besteht. Diese Körperflüssigkeiten werden auch die vier Säfte genannt und sie sollen in einem stetigen Gleichgewicht existieren. Laut Rippmann geht es vor allem darum „[d]en Körper im humoralen Gleichgewicht zu halten, [dass] erfordert im täglichen Lebensvollzug die stete Suche nach der richtigen Mitte, der mediocritas oder symmetria. Ganz allgemein kommt es, in den Worten Hildegards von Bingen formuliert, darauf an, dass man die „recta mensura“ beachtet.“3 Als Grundlage der Humoralpathologie kann die sogenannte Vier-Säfte-Lehre gesehen werden, welche eine von der Antike bis ins 18. Jahrhundert allgemein anerkannte medizinische Lehre zur Erklärung allgemeiner Körpervorgänge und als Grundlage für die Prävention und Therapie von Krankheitsbildern entwickelt wurde. In der antiken Schrift des Hippokrates „Über die Natur des Menschen“ (ca. 400 v. Chr.) und dem „Corpus Hippocraticum“ (ca. 430 v. Chr. bis 50 n. Chr.), einer Sammlung von medizinischen Schriften, finden sich erste Beschreibungen dieser Lehre. Im „Corpus Hippocraticum“ wird „[a]nalog zum Aufbau der Welt aus den vier Elementen […] der Mensch bestehend aus vier Säften gedacht. Mikrokosmos, der Mensch, und Makrokosmos, die Welt, bilden sich ineinander ab.“4 Den vier Körpersäften werden nun verschiedene Eigenschaften oder auch Qualitäten zugeschrieben, die in folgender Kombination auftauchen: warm/feucht, warm/trocken, kalt/feucht, kalt/trocken. Das Schema der griechischen Elementen- und Säftelehre sah folgendermaßen aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Schema der griechischen Elementen- und Säftelehre (Quelle: vgl. Neumaier (2017), S. 49)

Das richtige Mischverhältnis im Körper eines Menschen, die Eukrasie, ist ausschlaggebend für die Gesundheit, wohingegen ein Missverhältnis der Säfte zu einer Dyskrasie führt und der Mensch krank wird. Doch wodurch kann dieses Mischverhältnis gestört werden, wie entsteht daraus eine Erkrankung und wie kann man diese diagnostizieren und behandeln? Von nun an war es das Ziel der Medizin durch Beobachtungen Erkenntnisse darüber zu erlangen, was die Gründe für ein übermäßiges Vorkommen eines Saftes sind und wie durch gezielte medizinische Behandlung ein Ausgleich der Säfte erreicht werden kann. So entstand im Laufe der Zeit ein recht komplexes System an Qualitäten, die die verschiedenen Säfte charakterisieren. So wurde beispielsweise dem Schleim die Qualitäten feucht und kalt, als auch die Jahreszeit Winter zugeordnet. Dies resultierte wahrscheinlich aus der Beobachtung, dass es im kalten, feuchten Winter zu einer vermehrten Schleimbildung, durch beispielsweise Erkältungen kam. Damit der mittelalterliche Wundarzt eine Diagnose stellen konnte, musste dieser sich also zuerst über die Mischungsverhältnisse der Körpersäfte seines Patienten klar werden. Ausschlaggebend dafür sind wie auch die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse der vier Jahreszeiten und in welcher Lebensphase sich der Patient befindet. Die Harmonie der Körpersäfte wird durch diese Faktoren erheblich beeinflusst. Der erste Schritt der Diagnostik ist die Untersuchung der Ausscheidungen des Körpers, wie Urin, Blut, Kot, Erbrochenes, Schweiß, aber auch Wunden und Eiter, sowie Fieber und die Atmung. Anhand der Analyse konnte dann der Körpersaft ausgemacht werden, der für die gesundheitlichen Probleme verantwortlich ist. Um die richtigen Mischungsverhältnisse wiederherzustellen und das geeignete Mittel zur Heilung zu finden, „galt als therapeutisches Prinzip contraria contrariis, Gegensätzliches mit Gegensätzlichem, zu behandeln.“5 Das bedeutet, dass das was zu viel war, reduziert werden musste und umgekehrt, das was zu wenig war, angereichert werden musste. Gemäß diesem Prinzip musste Fieber also gekühlt werden und bei einer Unterkühlung musste Wärme zugeführt werden. Neben diesen Praktiken war es üblich eine Reduktion des überschüssigen Körpersaftes durch Aderlass, Schwitzkuren, Erbrechen, Einläufe oder Abführmittel oder durch harntreibende Mittel herbeizuführen. Des Weiteren wurde auch die Färbung der Organe mit den verschiedenen Körpersäften in Beziehung gebracht. Beispielsweise wurde der gelben Galle wegen ihrer Farbgebung die Leber zugeordnet. Wenn ein Patient eine gelbliche Färbung der Haut aufwies, wurde somit ein Rückschluss auf eine Lebererkrankung gezogen. Neben dem Auslass von Körpersäften waren auch „Arzneimittel, insbesondere pflanzliche, […] bereits bekannt und sollten eine Verschiebung der Säfteharmonie bewirken. Die Störung der Physis war kein magischer Vorgang mehr, sondern ein Naturprozess, der erklärt werden konnte.“6 Die Vier-Säfte-Lehre übte einen großen Einfluss auf die Medizin des Mittelalters aus und galt als allgemein bekannt und anerkannt. Sie wurde beispielsweise in Schriften wie dem „Buch der Natur“ von Konrad von Megenberg behandelt und ihre Lehren wurden in der mittelalterlichen Lyrik und auch in den Artusromanen aufgegriffen.

Wie bereits zu Beginn erwähnt, wurde die Vier-Säfte-Lehre von Galenos von Pergamon (Galen) erweitert, mit dem Ziel diese zu systematisieren und durch ihre geordnete Darstellung für die Bevölkerung erlernbar zu machen. Neumaier fasst die Neuerungen folgendermaßen zusammen:

Genauere Zuordnungen der Säfte zu den Körperteilen wurden getroffen, die vier Elemente wurden in die Systematik aufgenommen und den vier Säften wurden unterschiedliche Temperamente zugeordnet. […] Das Schema wurde um Tierkreiszeichen, die Vierteilung des Tages in Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend, unterschiedliche Fieber- und Tonarten, Planeten und Sternbilder erweitert. Auch die vier Apostel wurden in verschiedene Entwürfe integriert.7

Die daraus resultierenden vier Charaktertypen oder auch Temperamente können aus dem Lateinischen und Griechischen hergleitet werden: der Sanguiniker (lat. sanguis = Blut), der Choleriker (griech. chloē = Galle), der Melancholiker (griech. melangcholía = Schwarzgalligkeit) und der Phlegmatiker (griech. phlégma = Schleim)8 . In diesen spiegelt sich auch der Charakter beziehungsweise das Temperament eines Menschen wider, so ist der Sanguiniker ein beispielsweise ein heiterer, lebhafter und leichtsinniger Mensch, wohingegen der Choleriker ein leicht erregbarer, jähzorniger Mensch ist.

Das universale Erklärungsmodell nach Galen kann folgendermaßen dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Universales Erklärungsmodell nach Galen (Quelle: vgl. Neumaier (2017), S. 52)

Eng verknüpft mit der Humoralpathologie und der Vier-Säfte-Lehre ist die Diätetik, die man im Mittelalter als Lehre der gesunden Lebensführung bezeichnen kann. Die Diätetik ist bei der Umsetzung der Vier-Säfte-Lehre und für eine erfolgreiche Heilung zwingend zu beachten.

[...]


1 Keil, Gundolf: Ortolf von Baierland (von Würzburg). In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 7. Berlin: De Gruyter, 1989, Sp. 72.

2 Schweikle, Irmgard: Humor. In: Metzler-Literatur-Lexikon. Begriffe und Definitionen. Hg. v. Günther Schweikle. Stuttgart: Metzler, 1990, S. 211.

3 Rippmann, Dorothee: Der Körper im Gleichgewicht. Ernährung und Gesundheit im Mittelalter. In: Medium Aevum Quotidianum 52 (2005), S. 29.

4 Neumaier, Ulrike: Die Rache des Placebos. Zur Wirksamkeit des Unwirksamen in der evidenzbasierten Medizin und in der Wissenschaftsforschung. Bielefeld: transcript, 2017, S. 48.

5 Neumaier, Ulrike: Die Rache des Placebos. Zur Wirksamkeit des Unwirksamen in der evidenzbasierten Medizin und in der Wissenschaftsforschung. Bielefeld: transcript, 2017, S. 50.

6 Ebd., S. 50.

7 Neumaier, Ulrike: Die Rache des Placebos. Zur Wirksamkeit des Unwirksamen in der evidenzbasierten Medizin und in der Wissenschaftsforschung. Bielefeld: transcript, 2017, S. 51.

8 Vgl. Schipperges, Heinrich: Geschichte der Medizin in Schlaglichtern. Mannheim/Wien/Zürich: Meyers Lexikonverlag, 1990, S. 50.

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Humoralpathologie und Diätetik des Mittelalters. Grundlage für Prävention und Therapie von Krankheitsbildern vor dem Hintergrund des Arzneibuchs von Ortolf von Baierland
Universidad
RWTH Aachen University
Calificación
2,0
Autor
Año
2021
Páginas
25
No. de catálogo
V1240189
ISBN (Ebook)
9783346664433
ISBN (Libro)
9783346664440
Idioma
Alemán
Palabras clave
Humoralpathologie, Diätetik, Mittelalter, Essen, Trinken, Gesundheit, Krankheit, Ortolf von Baierland, Arzneibuch, Therapie, Prävention, Krankheitsbilder, Säftelehre, Medizin
Citar trabajo
Kim Dovern (Autor), 2021, Humoralpathologie und Diätetik des Mittelalters. Grundlage für Prävention und Therapie von Krankheitsbildern vor dem Hintergrund des Arzneibuchs von Ortolf von Baierland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1240189

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