Diese Hausarbeit versucht, Antworten auf die folgenden Fragen zu geben: Was sind die Gründe, dass das gleiche historische Ereignis einen so unterschiedlichen Stellenwert im gesellschaftlichen Erinnern einnehmen kann? Welche Rolle spielt die Vergangenheit oder ‚die Geschichte‘ für ein Individuum oder eine Gesellschaft und auf welche Weise kann die Vergangenheit in die Gegenwart transportiert werden? Was macht den Polnisch-Sowjetischen Krieg auch heute noch so relevant im kollektiven Gedächtnis Polens und worin liegt beim kollektiven Erinnern die gesellschaftliche Aufgabe der Geschichtswissenschaft? Hierzu wird die Gedächtnistheorie der Eheleute Assmann dargestellt, um diese auf die Ereignisse und fachwissenschaftlichen Deutungsdebatten des Polnisch-Sowjetischen Krieges anzuwenden.
Abschließend wird ein Spielfilmbeispiel aus der gegenwärtigen Erinnerungskultur Polens an diesen Krieg auf seine historische Narration hin analysiert und diese in die Überlieferungs- und Deutungstradtionen eingeordnet. Der Polnisch-Sowjetische Krieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in der breiten deutschen Bevölkerung so gut wie unbekannt. In Polen wiederum wird die Erinnerung an diesen Krieg bis heute nicht nur in der Geschichtswissenschaft lebendig gehalten, sondern auch durch Vereine, Bauprojekte und jüngst durch die bis dato teuerste polnische Filmproduktion. Nicht nur in der öffentlichen Erinnerungskultur, sondern auch in der historischen Deutung wird dieser Krieg sehr unterschiedlich thematisiert und dargestellt.
Während die Erinnerung an den Krieg auf deutscher Seite verhältnismäßig in den Hintergrund tritt, wird auf polnischer Seite der Sieg Polens über die Rote Armee von einer Reihe polnischen Historiker als Rettung Europas vor dem Kommunismus gewertet. Diese unterschiedlichen Lesarten sind kein allein heutiges Phänomen, sondern können in unterschiedliche Deutungstraditionen, die schon während beziehungsweise unmittelbar nach dem Sieg Polens begannen, gestellt werden. Einen besonderen Stellenwert in den Debatten nimmt der damalige polnische Oberbefehlshaber und Staatsoberhaupt Josef Piłsudski ein, dessen Andenken von seinen Anhängern in besonderer Weise auch nach seinem Tod für ihre Zwecke weiter genutzt wurde. Die Diskursivität der Deutung der Vergangenheit wird an diesem Beispiel besonders deutlich.
Inhaltsverzeichnis
- 1.0 Einleitung
- 2.0 Die Kraft der Gedächtnisse - Zwischen Bedeutung und (Um)Deutung.
- 2.1 Der Prozess des Erinnerns.
- 2.2 Die Funktion des Erinnerns.
- 2.3 Die Rahmenbedingungen des Erinnerns
- 2.3.1 Die Form des Erinnerns..
- 2.3.2 Das Kommunikative Gedächtniss
- 2.3.3 Das kulturelle Gedächtnis
- 2.3.4 Das Funktions- und Speichergedächtnis.
- 2.4 Die Rolle der Geschichtswissenschaft im Kontext der Gedächtnisse.
- 3.0 Der Polnisch-Sowjetische Krieg – Ein Schlachtfeld von Deutungen..
- 3.1 Der Kriegsverlauf....
- 3.1.1 Der Kriegsausbruch...
- 3.1.2 Der Nordöstliche Kriegsschauplatz.......
- 3.1.3 Der Ostgalizische Kriegsschauplatz..........\n
- 3.1.4 Die Schlacht von Warschau....
- 3.1.5 Kriegsende und Friedensschluss......
- 3.2 Die verschiedenen Deutungen des Krieges.
- 3.2.1 Die Sowjetische Position ........
- 3.2.2 Die polnische Position.....
- 3.3 Der Piłsudski-Kult als besonderes Beispiel der Wirkungsmacht von Erinnerung.
- 3.3.1 Der Piłsudski-Mythos
- 4.0 Wirkungsmacht bis heute – „1920 – Die letzte Schlacht“ Verbindung von Altem und Neuem
- 5.0 Fazit..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Polnisch-Sowjetischen Krieg 1919-21 unter besonderer Berücksichtigung der Erinnerungskultur. Sie befasst sich mit den unterschiedlichen Deutungen des Krieges und analysiert die Rolle des Piłsudski-Kults im polnischen kollektiven Gedächtnis. Ziel ist es, die Wirkungsmacht der Erinnerung an den Krieg bis heute zu beleuchten.
- Das Phänomen des Erinnerns und des Gedächtnisses
- Die unterschiedlichen Deutungen des Polnisch-Sowjetischen Krieges
- Die Bedeutung des Piłsudski-Kults für die Erinnerung an den Krieg
- Die Instrumentalisierung der Vergangenheit im kollektiven Gedächtnis
- Der Einfluss der Erinnerungskultur auf die Gegenwart
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich dem Phänomen des Erinnerns und des Gedächtnisses und beleuchtet die Rolle der Geschichtswissenschaft in diesem Kontext. Es werden unterschiedliche Ansätze aus der Kulturwissenschaft, Soziologie und Geschichtsdidaktik beleuchtet, um das vielschichtige Wesen des Gedächtnisses zu verdeutlichen.
Das zweite Kapitel behandelt den Verlauf des Polnisch-Sowjetischen Krieges und skizziert die verschiedenen Deutungen des Krieges aus sowjetischer und polnischer Sicht. Es wird deutlich, dass der Krieg in beiden Ländern ein unterschiedliches Gewicht im kollektiven Gedächtnis hat.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Piłsudski-Kult als einem besonderen Beispiel für die Wirkungsmacht von Erinnerung. Es untersucht den Piłsudski-Mythos und seine Bedeutung für die polnische Erinnerungskultur. Das Kapitel analysiert, wie die Vergangenheit instrumentalisiert werden kann, um politische Ziele zu verfolgen.
Schlüsselwörter
Polnisch-Sowjetischer Krieg, Erinnerungskultur, Gedächtnis, Geschichtswissenschaft, Piłsudski-Kult, kollektives Gedächtnis, Instrumentalisierung der Vergangenheit, Deutung, Narrativ, Mythisierung, Spielfilm, "1920 – Die letzte Schlacht"
- Citar trabajo
- Gereon Arntz (Autor), 2021, Erinnerungskultur in Bezug auf den Polnisch-Sowjetischen Krieg. Der Piłsudski-Kult und die Gedächtnistheorie von Aleida und Jan Assmann, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1241261