Die Außenpolitik der Ukraine zwischen Westintegration und Ostbindung


Seminar Paper, 2001

22 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Geopolitisches Umfeld

2. Politische Entwicklung

3. Herrschaftsmuster

4. Wirtschaftssystem

5. Industrialisierungsprofil

6. Gesellschaftsstruktur

7. Sicherheitspolitik

Resümee

Literaturliste

Einleitung

Die Frage, in welche Richtung sich die Außenpolitik der Ukraine entwickeln wird, regt zu einer eingehenden Beschäftigung mit dieser Thematik an. Seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine 1990 gibt es Phänomene, die eine kontinuierliche Außenpolitik verkomplizieren. Zu nennen ist der innenpolitische Reformstau und die Abhängigkeit von ausländischen Krediten, der Einfluss der Oligarchen und die nicht trennbaren wirtschaftlichen und politischen Akteursgruppen, die Abhängigkeit von der Russischen Förderation und die langsame Annäherung an die Europäische Union (EU) und die NATO. Die ukrainischen Einflussfaktoren waren häufig Gegenstand von Untersuchungen der letzten Jahre.

Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich weitgehend auf die Jahre seit der Wahl Leonid D. Kutschmas zum Präsidenten der Ukraine 1994. Es wurde die Methode der Analyse der Bedingungsstrukturen auf innerstaatlicher Ebene gewählt. Das Hauptaugenmerk liegt auf den handelnden Akteuren innerhalb der jeweiligen Bedingungsebene. Besonders wichtig erschien die Untersuchung ihres Machtpotentials, der Handlungsspielräume sowie der Interaktion mit ausländischen Akteuren und die daraus folgenden Auswirkungen auf die Außenpolitik der Ukraine.

Maßgebend für die Außenpolitik sind die konkreten Bedingungsstrukturen seit der Unabhängigkeitserklärung 1990. Nach der Einordnung der Ukraine in das geopolitische Umfeld und einer Kurzdarstellung der politischen Entwicklung, folgt die Untersuchung der Herrschaftsmuster und des Wirtschaftssystems. Diese beiden Ebenen sind in der Ukraine besonders eng miteinander verflochten. Im Anschluss wird das Industriealisierungsprofil, die Gesellschaftsstruktur sowie die Sicherheitspolitik, die wiederum untrennbar mit der Außenpolitik verbunden ist, besprochen.

Die Auswahl der Ziele für die Außenpolitik erfolgt nach Maßgabe der innenpolitischen Kräfteverhältnisse und Wertvorstellungen. Außenpolitik ist daher eng mit der Innenpolitik verbunden. Die Ukraine hat auf ihre außenpolitischen Erfolge nur geringe Fortschritte im Inneren folgen lassen. Dabei ist Macht die zentrale Kategorie, die zur Ausübung von Politik befähigt. Wer sind nun die entscheidenden Akteure, nach welchen Kriterien sind sie strukturiert und wie versuchen sie auf politische und wirtschaftliche Prozesse in der Ukraine einzuwirken?

1. Geopolitisches Umfeld

Leonid Kutschma formulierte es in einer Pressekonferenz nach seiner Reise durch Polen folgendermaßen: „Die Ukraine befindet sich im geographischen Zentrum Europas und es wäre ungerecht, wenn die Ukraine am Rande der in Zentraleuropa vor sich gehenden Prozesse verbleiben würde“. Die Ukraine ist geostrategisch günstig gelegen und könnte bei der Errichtung eines eurasischen Transportkorridors als Bindeglied an Bedeutung gewinnen. Sie ist nach der Russischen Förderation der größte Staat Europas.

Im Norden der Ukraine besteht der Grenzabschnitt zum rückständigen Nachbarn Belarus. Auf ihrer westlichen Seite befinden sich die Beitrittskandidaten der EU: Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien. Daran schließt sich das innenpolitisch instabile Moldawien an. Im Süden besitzt die Ukraine einen Zugang zum Schwarzmeer, deren größter Anrainer, die Türkei, sich zunehmend zu einem Handelspartner entwickelt. Der wichtigste Nachbar mit dem längsten gemeinsamen Grenzabschnitt ist die Russische Förderation.

2. Politische Entwicklung

Der Name „Ukraina“ – Grenzland – bringt zum Ausdruck, dass das Land in der Geschichte von den Nachbarn nicht als eigenständig wahrgenommen wurde[1]. Bereits im Jahre 1664 wurde die Ukraine von Russland annektiert. 1867 geriet sie unter die Kontrolle Österreich-Ungarns. Sie gehörte von 1918 bis 1991 zur UdSSR als deren Kornkammer und Schwerindustriezentrum.

Hinsichtlich der geschichtlichen Einflüsse bildet der Fluss Dnjepr eine Grenze innerhalb der Ukraine. Dabei ist die Bevölkerung westlich des Dnjepr eher westlich orientiert und in der Landwirtschaft tätig. Während sich das Gebiet östlich des Flusses und der Süden durch jahrhundertelange Einflüsse eher an Russland orientiert und industriell entwickelt ist.

Die ukrainische Souveränitätserklärung vom 16.07.1990 hatte einen friedlichen Austritt aus der UdSSR zum Ziel. Sie schrieb fest, „ein konstant neutraler Staat zu sein und keinem Militärbündnis anzugehören“[2]. Es ging den Ukrainern vor allem um die Anerkennung ihrer Souveränität. Zu Beginn der neunziger Jahre befand sich die Ukraine in internationaler Isolation. Die Ursache lag in der Furcht des Westens, die zur Zeit der UdSSR gewährleistete Kontrolle über das weltweit drittgrößte Nuklearwaffenarsenal in der Ukraine zu verlieren. Erst der nachhaltige Druck der USA und Russlands führten 1994 dazu, dass die Ukraine der nuklearen Entwaffnung zustimmte und später dem Atomwaffen-Sperrvertrag beitrat. Daraufhin verbesserten sich die politischen Beziehungen zu den Staaten Westeuropas und den USA deutlich.

Das Jahr 1994 brachte beträchtliche Veränderungen innerhalb des politischen Systems der Ukraine in Bezug auf die Zusammensetzung der politischen Elite. Der neu gewählte Präsident Leonid Kutschma besetzte die wichtigsten Posten der Staats- und Regionalverwaltung mit Personen aus seinem Umfeld. Er veröffentlichte ein umfassendes Programm zur Wirtschaftsreform, das ihm Zugang zu den wichtigsten internationalen Geldquellen sicherte.

Die Überwindung der Isolation ist eine bedeutende Leistung der ukrainischen Außenpolitik. Sie führte zum Ausbau der Beziehungen zu den Nachbarstaaten und zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Neben den außenpolitischen Erfolgen kam es wiederholt zu innenpolitischen Spannungen. Dem Präsidenten stand ein weitgehend linksorientiertes Parlament gegenüber, das über weitreichende reale Kompetenzen verfügte. Erst die Annahme der neuen Verfassung im Juni 1996 beendete den Streit um die Abgrenzung der Macht.

Am 29.03.1998 entfielen von den 450 Sitzen im Parlament: 136 auf die Unabhängigen, 123 Sitze auf die Kommunistische Partei, 41 auf die Volksfront Ruch, 29 Sitze auf die Allianz aus Bauernpartei und Sozialistischer Partei und 28 auf die Demokratische Volkspartei Kutschmas[3].Die Kommunisten und Sozialisten gehen gestärkt hervor. Kutschma verfügt im Parlament über keine stabile Mehrheit.

Bei dem Präsidentschaftswahlen am 31.10.1999 erhielt keiner der 13 Kandidaten die erforderliche Mehrheit. In der Stichwahl wurde der amtierende Präsident Leonid Kutschma wiedergewählt, nachdem er einem seiner schärfsten Kritiker einen lukrativen Posten verschafft hatte. Die Wahlbeobachter der OSZE stellten zahlreiche Unregelmäßig-keiten sowie die Beschneidung der Pressefreiheit fest. Sie kritisierten den Wahlkampf wegen einseitiger, verleumderischer Berichterstattung der Medien. Sie verurteilten die weit verbreitete Einmischung staatlicher Institutionen in den Wahlkampf zugunsten von Kutschma.

Im Januar 2000 erkannte der reformfeindliche Parlamentspräsident Tkatschenko von der Bauernpartei seine Abwahl durch die Mehrheit der Abgeordneten nicht an. Es kam darauf hin zur Spaltung des Parlaments. Auf der einen Seite standen die reformfeindlichen kommunistischen und sozialistischen Fraktionen. Andererseits gab es die rechts-zentristische Mehrheit der Abgeordneten, die die Wirtschaftsreformen der Regierung unterstützen. Im April 2000 war die Spaltung des Parlaments überwunden und das Parlament billigte das Reformprogramm der Regierung für die Jahre 2000 bis 2004.

Bei der verfassungsrechtlich umstrittenen Volksabstimmung im April 2000 sprachen sich über 80% für Verfassungsänderungen aus, die die Kompetenzen des Präsidenten erweitern. Die vier Änderungen betreffen die Möglichkeit zur Auflösung des Parlaments, wenn innerhalb eines Monats keine Mehrheit für oder gegen einen Gesetzentwurf zustande kommt oder der Staatshaushalt nicht binnen drei Monaten verabschiedet wird. Darüber hinaus sollte die Zahl der Abgeordneten auf 300 verringert und ihre Immunität eingeschränkt werden. Weiterhin sollte eine zweite Parlamentskammer geschaffen werden. Das Parlament verabschiedete im Juli 2000 das Gesetz mit den von Kutschma angestrebten Änderungen. Diese treten allerdings erst in Kraft, wenn zwei Drittel der Abgeordneten jede der vier Änderungen gebilligt hat.

3. Herrschaftsmuster

Die Verfassung der Ukraine verankert ein präsidentiell-parlamentarisches Regierungssystem, in dem der Präsident im Abstand von 5 Jahren direkt vom Volk gewählt wird. Ein zentralistischer Staats- und Verwaltungsaufbau ist in der Verfassung fest geschrieben. Dessen zentrale Figur ist der Präsident. Er bestimmt de facto die Richtlinien der Politik, da er für die nationale Sicherheit, Außenpolitik und Verteidigung gemäß Verfassung zuständig ist[4] und ihm die entsprechenden Ministerien direkt unterstellt sind. Art. 10 Ziff. 18 legt seine Aufgabe als Vorsitzender des Rats der Nationalen Sicherheit und Verteidigung der Ukraine (im folgenden: Sicherheitsrat) fest. Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Instrument zur Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Für das Amt des Sekretärs des Sicherheitsrates, bei dem alle Fäden der außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsfindung zusammenlaufen, hat Kutschma einen Vertrauten aus seinem Dnipropetrowsker Umfeld, Volodimir Horbulin, ausgewählt. Der Premierminister mit dem Kabinett ist eher ein ausführendes Organ, dessen Personen von Kutschma entsprechend den Erfordernissen ausgetauscht werden.

[...]


[1] Müller 1998: 97.

[2] Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine, Gesetz Nr. 55-XII vom 16.07.1990, Titel 9, Abs. 5.

[3] Der Fischer Weltalmanach 2001: 815f.

[4] Art. 102 Abs. 2 Art. 106 Ziff. 1, 3, 17.

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Details

Title
Die Außenpolitik der Ukraine zwischen Westintegration und Ostbindung
College
Free University of Berlin  (Osteuropa Institut/FB Politik)
Course
PS Überleben ohne die EU?
Grade
2,0
Author
Year
2001
Pages
22
Catalog Number
V12416
ISBN (eBook)
9783638183048
ISBN (Book)
9783638642392
File size
481 KB
Language
German
Keywords
Ukraine, Transformation, Herrschaftsmuster, Wirtschaftssystem
Quote paper
Andrea Friemann (Author), 2001, Die Außenpolitik der Ukraine zwischen Westintegration und Ostbindung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12416

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