Beginnend bei der Frage, welche Faktoren das (moderne) Leben maßgeblich bestimmen, landet der Mensch über kurz oder lang bei einer Antwort: Beim Wissen und damit in Zusammenhang stehend den Wissenschaften. Wissen und Wissenschaft sind dabei sicher nicht synonym verwendbar. Wissenschaft – das sei hier definiert als die Tätigkeit des Erwerbs neuen Wissens durch gesicherte Methoden. Der Erwerb von neuem Wissen geschieht durch aktive, systematische Forschung in Form von Beobachtungen, Experimenten oder durch deduzierende Erkenntnis und in einem nächsten Schritt durch Lehre – zumeist in einem universitären Rahmen. Für Benoît Mandelbrot ist „das Ziel der Wissenschaft […] es immer gewesen, die Komplexität der Welt auf simple Regeln zu reduzieren." Für Francis Bacon ist „die Wissenschaft ist nichts als das Abbild der Wahrheit."
Aber sicher birgt dieser Schritt in eine Wissensgesellschaft nicht nur Vorteile. Nicht nur augenscheinlich negative beziehungsweise stark umstrittene Entwicklungen wie die Atombombe, die Genforschung oder die Globalisierung sind dabei zu nennen – die Kritik geht viel weiter. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist somit vor neue Aufgaben gestellt. Sie ist die Wissenschaft des Möglichen und muss sich neben der Beschäftigung mit Vernunftskriterien auf neuzeitliche Entwicklungen einlassen und moralische Bewertungsmaßstäbe finden.
In diesem Zusammenhang tritt gerade ein neuzeitlicher Denker hervor: Paul Feyerabend. Er erlangte vor allem durch seine provokanten Thesen des wissenschaftstheoretischen Anarchismus Bekanntheit. „Lange Zeit hat es im Wissenschaftsbetrieb und in der akademischen Philosophie als unfein gegolten sich auf Paul Feyerabend zu beziehen oder gar zu berufen. In weiten Kreisen ist es auch heute noch so […]“. Trotz der vielschichtigen Kritiken und der oftmals vorhanden Unterschätzungen dieses neuzeitlichen Denkers, gibt es besonders einen Ruf, dem man Beachtung schenken sollte: „Bürgerinitiative statt Erkenntnistheorie“. Feyerabends Forderung, die Bürger einer (demokratischen) Gesellschaft aktiv in den Staat als Kontrollorgan der Wissenschaften mit einzubeziehen gehört sicher zu den provokantesten Thesen der Neuzeit – gerade unter dem Anspruch, dass die Kritisierten aus seinen eigenen Reihen stammen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wissenschaft für freie Menschen oder Paul Feyerabends Sicht der Dinge
- Skizze der Wissenschaftsauffassung Feyerabends
- Paul Feyerabend und seine Gegenspieler
- Exkurs: Bewertung der (Rolle der) Sprache
- Zusammenfassende Kritik und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht Paul Feyerabends wissenschaftstheoretischen Anarchismus und seine Forderung nach „Bürgerinitiative statt Erkenntnistheorie“. Ziel ist es, Feyerabends Wissenschaftsverständnis zu beleuchten, seine Thesen zu analysieren und ihre praktische Umsetzbarkeit zu diskutieren. Die Arbeit bezieht sich dabei auf Feyerabends Kritik an etablierten wissenschaftstheoretischen Positionen.
- Feyerabends wissenschaftstheoretischer Anarchismus und dessen Kernpunkte
- Kritik an etablierten wissenschaftstheoretischen Ansätzen (z.B. Wiener Kreis, kritischer Rationalismus)
- Die Rolle der Tradition in der Wissenschaftsgeschichte
- Die Bedeutung von Methodenpluralismus
- Feyerabends Forderung nach Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Bedeutung von Wissenschaft in einer freien Gesellschaft. Das zweite Kapitel skizziert Feyerabends Wissenschaftsauffassung, ausgehend von seinen frühen Positionen bis hin zu seinem wissenschaftstheoretischen Anarchismus mit dem Motto „Anything goes“. Es wird auf seine Kritik an Rationalismus und etablierten Paradigmen eingegangen und Galilei als Beispiel angeführt. Das Kapitel beleuchtet auch Feyerabends Forderung nach der Einbeziehung von scheinbar unwissenschaftlichen Ansätzen wie Homöopathie.
Schlüsselwörter
Paul Feyerabend, Wissenschaftstheoretischer Anarchismus, Methodenpluralismus, Anything goes, Bürgerinitiative, kritischer Rationalismus, Wiener Kreis, Wissenschaftsgeschichte, Tradition, Wissenschaft und Gesellschaft.
- Citation du texte
- Pia Lamberty (Auteur), 2008, Bürgerinitiative statt Erkenntnistheorie. Über die Rolle der Wissenschaften in einer freien Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124180