Charlotte und Ottilie - Zum Frauenbild in Goethes Wahlverwandtschaften


Seminar Paper, 2002

17 Pages, Grade: 2,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Frauenbild im 18. Jahrhundert
2.1.1 Ehe im 18. Jahrhundert
2.1.2 Die gute Ehefrau
2.1.3 Goethes Eheauffassung- Hoffnung und Kritik
2.2.1 Mädchen- und Frauenbildung der höheren Stände
2.2.2 Goethes Vorstellung von Schulischer Ausbildung

3. Charlotte
3.1 Kurzcharakterisierung: Charlotte
3.2 Charlotte und die Ehe
3.3. Charlotte als Frau des 18. Jahrhunderts

4. Ottilie
4.1 Kurzcharakterisierung: Ottilie
4.2 Ottilie und die Schule
4.3 Ottilie als Frau des 18. Jahrhunderts

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Roman „Die Wahlverwandtschaften“, von Johann Wolfgang von Goethe, ist im 18. Jahrhundert angesiedelt. Der Leser erfährt neben der Haupthandlung auch viele Details über das derzeitige Leben.

Die folgende Arbeit greift einen Aspekt aus dem täglichen Leben der „Wahlverwandtschaften“ heraus und beleuchtet das „Frausein“ im 18. Jahrhundert am Beispiel von Charlotte und Ottilie. Dabei wird unter Zuhilfenahme längerer Textpassagen jeweils eine Besonderheit der beiden Charaktere aufgezeigt und untersucht. Zum einen wird beleuchtet wie Charlotte mit ihrer Eheauffassung und zum anderen, wie Ottilie mit ihrem Verhalten im Pensionat mit dem Frauenbild zu ihrer Zeit zu verbinden sind. Zuvor gibt die Arbeit jedoch noch einen kurzen Überblick über die Situation der Frau und der Schülerin im 18. Jahrhundert und die jeweilige Auffassung Goethes zu Ehe und Ausbildung seiner Zeit.

2. Das Frauenbild im 18. Jahrhundert

Bis in das 18. Jahrhundert war das Frauenbild relativ klar definiert. Man bezog sich seit Jahrhunderten auf die Bibel, um die Unterdrückung der Frauen zu rechtfertigen:

Dann wandte Gott sich zur Frau. „Du wirst viel Mühe haben in der Schwangerschaft.

Unter Schmerzen wirst du deine Kinder zur Welt bringen. Du wirst dich nach deinem

Mann sehnen, aber er wird dein Herr sein.“ (Genesis 3,16)[1]

Die Männer fühlten sich somit von Gott berechtigt, sich über ihre Frauen zu stellen und diesen selbsterdachte, oft abenteuerlich begründete Regeln aufzuerlegen. Schon seit dem 16. Jahrhundert begann die Auseinandersetzung von Männern und Frauen auf Grund der unterschiedlichen Hierarchie der Geschlechter. Diese Auseinandersetzung nannte man „querelle des fêmmes“[2]. Hierbei wurden die Frauen von den Männern in ein sehr schlechtes Licht gerückt, da diese keine emanzipatorischen Akte gewöhnt waren und auf diese mit Be-schimpfungen und Herabsetzung der Frauen reagierten. Mit der Aufklärung, welche forderte, man solle sich seines eigenen Verstandes bedienen, für sich selbst Verantwortung übernehmen und aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit heraustreten, wurde die Abhängigkeit der Frau vom Mann in Frage gestellt, die sich aus der Bibel herausbegründete.[3] Eine solche Abhängigkeit schien mit dem Aufklärungsgedanken unvereinbar zu sein. Eine Neubegründung der weiblichen Unterordnung fand statt. Diese besagte, die Frau sei aus ihrer Natur heraus dem Mann unterworfen und schwächer als dieser. Diese Schwäche bezog sich nicht nur auf die Physiologie der Frau, sondern insbesondere auf ihre geistigen Fähigkeiten. Somit stand der Frau naturgemäß nur die häusliche Welt offen, die sie begreifen und bewältigen konnte. Weiterhin hielten die Männer den Raum, in dem sich die Frau entwickeln konnte sehr klein, um ihre übergeordnete Stellung aufrecht zu erhalten.

2.1.1 Ehe im 18. Jahrhundert

Die Zeit der „Wahlverwandtschaften“ war eine Zeit des Umbruchs von althergebrachten Ehevorstellungen. Die Ehe blieb zwar nach wie vor eine Klassenehe, es war jedoch möglich, innerhalb seiner Klasse bis zu einem gewissen Maße seinen Partner frei zu wählen. „...in der moralischen Theorie stand nichts unerschütterlicher fest, als das jede Ehe unsittlich, die nicht auf gegenseitiger Geschlechtsliebe und wirklicher freier Übereinkunft der Gatten beruht...“[4]. In der Realität jedoch, blieb diese moralische Theorie gerade im Adel unerfüllt. Die herrschende Klasse war zu stark beeinflusst von finanziellen Interessen an der Ehe, was die Schließung von Zweckehen notwendig machte.

„Die volle Freiheit der Eheschließung kann also erst dann allgemein durchgeführt werden, wenn die Beseitigung der kapitalistischen Produktion und der durch sie geschaffenen Eigentumsverhältnisse alle die ökonomischen Nebenrücksichten entfernt hat, die jetzt noch einen so mächtigen Einfluss auf die Gattenwahl ausüben. Dann bleibt eben kein anderes Motiv als die gegenseitige Zuneigung.“[5]

2.1.2 Die gute Ehefrau

Schon frühzeitig wurden Mädchen und Frauen auf ihre Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter vorbereitet. Erst mit ihrer Verheiratung gelangten sie in den Status einer vollwertigen Frau. Die Eheschließung gehörte somit selbstverständlich zur Lebensplanung dazu. Mit der Heirat bekam die Frau durch ihren Ehemann das Bürgerrecht[6]. Bedeutete dieses für den Mann das Recht zu wählen und in der Politik mitzuwirken, war die Frau dadurch lediglich eine Bürgerin ohne Rechte, deren Kompetenzen sich ausschließlich auf das Privatleben, also auf Haushalt und Erziehung, beschränkten. An eine gute Ehefrau wurden ganz klare Forderungen gestellt. Sie musste sich aufopfernd und gehorsam um Ehemann, Kinder und Haushalt kümmern, hatte sich unterzuordnen und ihre eigenen Bedürfnisse zurückzu- stellen.[7] Sie sollte sparsam und selbständig wirtschaften und dem Gatten, unabhängig von ihrer eigenen Gemütslage, eine gute Unterhaltung sein, ihn aufmuntern, wenn es ihm schlecht geht und ihn natürlich nicht mit ihren Sorgen belasten. Diese musste sie für sich im Stillen ausfechten.

„Die Mädchen sind zum häuslichen Leben bestimmt. Sie können sich... nicht so wie die Männer außerhalb ihrer Häuser zerstreuen. Sie müssen einst ihren Kummer in der Stille ohne Zeuge, unbemerkt ertragen. Sie müssen vielmehr ihre Gefühle des Missmuts im Innern des Herzens einzwängen, sie nicht aus ihrem Gesichte hervorstechen lassen, recht geflissentlich ein heiteres und munteres Gesicht zeigen, um den mit Geschäften belasteten Gatten nicht zu beunruhigen.“[8]

Frauen sollten, zur Wahrung von Zucht und Ehrbarkeit, so wenig wie möglich das Haus verlassen. Mildtätigkeit, Duldsamkeit, Sanftmut und Zurückhaltung galten als unverzichtbare Tugenden. Mit ihrer rastlosen Betriebsamkeit demonstrierten die Frauen ihre Untergebenheit. Die Frau war zur sexuellen Treue verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Regel kam einer Katastrophe gleich. Beim Mann hingegen wurde dasselbe Vergehen wesentlich weniger streng verurteilt. Auch beim ehelichen Verkehr sollten die Rollen entsprechend verteilt sein. Der Mann war der aktive und starke Part, die Frau war passiv und schwach.[9]

„Man kann sagen, dass die am meisten vertretene Ideologie des 18. Jahrhunderts die Annahme ist, der Mann sei der Endzweck der Frau.“[10]

2.1.3 Goethes Eheauffassung- Hoffnung und Kritik

Goethes Eheauffassung eindeutig an dem Roman „Die Wahlverwandtschaften“ festzumachen ist nicht ganz leicht, da es ihm hier weder um die Ehe an sich, noch um die freie Liebesentscheidung geht. Eines wird jedoch deutlich, er übt starke Kritik an der feudalistischen und der bürgerlichen Zweckehe. Goethe verurteilt diese zwar nicht von Grund auf, er nutzt seinen Roman jedoch um zu zeigen, dass neue Wege beschritten werden müssen, und die alten moralischen Vorstellungen von Ehe überholt sind.[11] Deswegen stellt er Ottilie und Eduard, das Liebespaar, nicht als Verbrecher der Handlung dar, er zeigt vielmehr auf, wie schwierig die Lage derer ist, die ihrer Natur folgen und nicht dem Sittengesetz. Goethe stellt aber auch die Gefahren vor, welche das Überschreiten gesellschaftlicher Normen bergen.[12] Goethe sucht eine Art Mittelweg zu propagieren, eine Ehe, in der die gegenseitige Liebe nicht in Widerspruch zur Gesellschaft stehen muss.

2.2.1 Mädchen- und Frauenbildung der höheren Stände

Die Hauptintention der Mädchenbildung war das Heranführen an ihre spätere Aufgabe als Hausfrau, Mutter und Ehegattin[13]. Dementsprechend gestaltete sich auch der Unterricht und die Bandbreite der Schulfächer. Mädchen höherer Stände sollten im allgemeinen nicht darauf vorbereitet werden, später einmal für jemanden für zu arbeiten. Dieses war nur der Fall, wenn das Mädchen verwaist war oder Verarmung drohte. Die Mädchen sollten Tugenden verinnerlichen wie beispielsweise Sparsamkeit, Fleiß, Ordnung, Reinlichkeit, aber auch Fertigkeiten wie Spinnen, Stricken und Nähen, um einen Haushalt möglichst perfekt führen zu können. Ihr Unterricht war entsprechend ausgerichtet. Reichere Familien schickten ihre Töchter in Pensionate, wo sie wohnen und lernen konnten. Das kostete je nach Schule mehr oder weniger viel Geld. Die Schülerzahlen variierten ebenfalls stark. Dort erhielten sie eine Ausbildung in den Fächern Deutsch, Französisch, Geschichte, Geographie, Naturgeschichte, Naturlehre und Rechnen. Den Mädchen wurde jedoch nicht etwa profundes Wissen vermittelt, sondern lediglich in dem Maße, dass es für ihre Pflichten als Hausmutter gerade reichte. Außerdem sollten die Mädchen ein sicheres Auftreten in der Gesellschaft lernen. Für einen Extrabetrag konnte man zusätzlich in den Fächern Schreibkunst, Zeichnen, Malen, Musizieren und Tanzen Fertigkeiten erwerben. Religionsunterricht und Handarbeit nahmen den größten Stundenumfang der Schulwoche ein. Diese Mädchenschulen kann man jedoch in keiner Weise mit denen der Jungen vergleichen. Die Mädchen wurden auf die Ehe vorbereitet, die Jungen auf das Leben.

2.2.2 Goethes Vorstellung von schulischer Ausbildung

Man kann Goethe als eine Art Gegner des in Kapitel 2.3.1 vorgestellten Schulsystems bezeichnen. Für ihn ist dieses System ein „...Abrichten von beschränkten Spezialisten ohne Grundlegende Bildung...“ Nach Goethe sei die Ausbildung der Persönlichkeit des Schülers, was er als immens wichtig empfindet, keines Wegs gewährleistet, da sich schulische Ausbildung lediglich auf das Einüben feudalistischer Regeln und Lebensweisen beschränke. Goethe fordert ein Heranziehen des Menschen zur Tüchtigkeit und frühzeitige Aneignung von Berufsfertigkeiten in Verbindung mit musischer Erziehung des ganzen Menschen.[14]

[...]


[1] Vgl. dazu Die Bibel, Hoffnung für alle (1990), S. 3

[2] DUBY, Georges/PERRA, Michelle, Geschichte der Frauen: Frühe Neuzeit, Bd.3 (1994), S.12-13

[3] DUBY/PERRA, (1994), S. 94-96

[4] Vgl. ENGELS, „der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“, 1884, Ausgabe

Berlin 1950, S.80

[5] Vgl. ENGELS, s.o.

[6] DUBY/PERRA, (1994), S.358

[7] DUBY/PERRA, (1984), S.338-343

[8] Vgl. GERMERSHAUSEN, Christian, „Die Hausmutter in allen ihren Geschäfften”1778-81, S. 616

[9] DUBY/PERRA, (1994), S. 344

[10] Vgl. DUBY/PERRA, 1994, S. 365

[11] GEERDS, Hans-Jürgen, “Goethes Roman_ `Die Wahlverwandtschaften´ „, 1975, S.119

[12] GEERDS, (1975), S.119

[13] DUBY7PERRA, (1994), S.355

[14] GEERDS, (1956), S.122-127

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Charlotte und Ottilie - Zum Frauenbild in Goethes Wahlverwandtschaften
College
Technical University of Braunschweig  (Institut für neuere deutsche Sprache)
Course
Proseminar: Einführung in die Literaturwissenschaft
Grade
2,7
Author
Year
2002
Pages
17
Catalog Number
V12421
ISBN (eBook)
9783638183086
File size
513 KB
Language
German
Keywords
Charlotte, Ottilie, Frauenbild, Goethes, Wahlverwandtschaften, Proseminar, Einführung, Literaturwissenschaft
Quote paper
Andrea Deutsch (Author), 2002, Charlotte und Ottilie - Zum Frauenbild in Goethes Wahlverwandtschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12421

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