Bildungspolitik und Schulreform im 19. Jahrhundert


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2008

17 Pages, Note: "-"


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Entwicklungen im 19. Jahrhundert

3. Das Höhere Bildungswesen
3.1 Das Gymnasium
3.2 Die Realschulen
3.3 Die Mädchenschulen

4. Das Niedere Schulwesen
4.1 Die Volksschule

5. Die Universitäten

6. Zusammenfassung

1. Einleitung

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird ein "Recht auf Bildung" nicht ausdrücklich normiert. Jedoch ergibt sich das Recht auf Bildung(-smöglichkeiten) aus den im Grundgesetz festgeschriebenen Grundrechten. Das Recht auf Bildung gehört zu den kulturellen Menschenrechte. „Es ist eine Sache, jedem Menschen das Recht auf Bildung zuzugestehen. Eine andere Sache ist es, die gesellschaftlichen und schulischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jedem Einzelnen erlauben, von diesem Menschenrecht Gebrauch zu machen. Gerade dies ist die Aufgabe der Bildungs- und Schulpolitik.“ (vgl. Böhm/Grell 2002, S. 3) Die wesentlichen Elemente des heutigen Schulsystems gehen vor allem „auf die politischen Entscheidungen zurück, die bereits in der Weimarer Republik getroffen worden sind.“ (vgl. Böhm/Grell 2002, S.3)

In der folgenden Ausarbeitung sollen die Schulgeschichte und Bildungspolitik des 19. Jahrhunderts dargestellt werden. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den Reformen und Entwicklungen in Preußen, wobei in anderen deutschen Ländern ähnliche Entwicklungen und Reformen des Schulsystems von statten gingen, deren Darstellung an dieser Stelle aber zu weit führen würde.

Meine Ausführungen gehen zuerst auf die allgemeinen Entwicklungen und Reformen des Schulsystems in Preußen ein und anschließend auf die einzelnen Schulformen, wie die Höheren Schulen (Gymnasium, Realschule und Mädchenschule), das Niedere Schulwesen und die Universitäten.

Da die Entwicklungen des Elementarbereichs völlig losgelöst von der restlichen Bildungspolitik verlief und der Elementarbereich zu dieser Zeit nicht Teil des Bildungswesens war, möchte ich darauf in dieser Arbeit nicht näher eingehen.

Erst im 20. Jahrhundert, nach dem Ersten Weltkrieg, gab es Bestrebungen den Kindergarten dem Bildungssystem zuzuordnen. Dieser sollte zur untersten Stufe der Volksschule werden und somit den Kindergartenbesuch für alle Kinder verbindlich machen. Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 beließ es allerdings bei dem freiwilligen Kindergartenbesuch. (vgl. Rossbach, H.-G. 2003, S. 256) Noch heute wird die Kindergartenbildung nicht zum Bildungswesen zugeordnet. Sie wird als Aufgabe der Eltern bzw. Familien angesehen und unabhängig vom Bildungswesen betrachtet.

2. Allgemeine Entwicklungen im 19. Jahrhundert

Die Eroberungen von Napoleon und die Niederlage Preußens im Jahr 1806/1807 führten zu Bemühungen der Vereinheitlichung des Bildungswesens mit Hilfe von Verwaltungsstrukturen. (vgl. Fend, H. 2006, S.150) Der äußere Druck der Niederlage erzwang die grundlegende Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens durch entschiedene Reformen, denn nach der politischen Neuordnung Europas bestand für zahlreiche Einzelstaaten des deutschen Bundes die Notwendigkeit, die neugewonnenen Territorien mit den alten zu verschmelzen. Die Landesfürsten strebten danach, alle Bereiche ihres Staates administrativ durch Verwaltungsreformen und schulpolitischen Maßnahmen zu integrieren und bei der Bevölkerung ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen. Dies war zum Beispiel in Preußen erkennbar, als Gebiete katholischer und protestantischer Konfession zusammengeführt wurden. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 6) Gleichzeitig zwang ein Prozess wirtschaftlicher und sozialer Umwälzungen die Regierung zu wirtschaftspolitischen Maßnahmen. So waren die Veränderungen im Bildungssystem des 19. Jahrhunderts nicht nur von Erziehungsideen und den Bildungsinstitutionen selbst abhängig, sondern von den sich schnell und grundlegend ändernden allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 1) „Die Neu- und Umgestaltung der politisch – staatlichen Umstände im Napoleonischen Zeitalter schuf den absolutistischen Verwaltungsstaat, [der] es erlaubte, aus den Forderungen des 18. Jahrhunderts nach staatlicher Schulhoheit den realen „Schulstaat“ zu machen.“ (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 1) Die Jahrzehnte der industriellen Revolution begannen sich nicht nur auf die Wirtschaft sondern auch auf die Gesellschaft stark auszuwirken. Die Industrialisierung und die Ausweitung des Handels und Verkehrs, die die Anforderungen an die Qualifikationen der Arbeiter und die Formen, in denen sie erworben wurden, steigerten, machten sich bemerkbar. Außerdem entstand die Vorstellung, dass Investitionen in Bildung langfristig die Produktivitätskraft des Landes erhöhen würden. Hinzu kamen verschiedene Veränderungen der Bevölkerung, wie die Bevölkerungsvermehrung in der Zeit zwischen 1800 und 1900, in der sich die Einwohnerzahl Preußens mehr als verdoppelte. Dies wurde durch verschiedene technische Errungenschaften, wie den Kunstdünger, aber auch durch fortschrittliche medizinische Entdeckungen möglich. Weiterhin kam es zu einer verstärkten Binnenwanderung, da die arme Landbevölkerung vermehrt Arbeit in den Städten suchte. Somit lösten sich alte soziale Strukturen auf und es kam zu der Entstehung neuer Schichten und Klassen. Die politischen Bewegungen und Revolutionen, die sozialen Krisen und die technisch-wirtschaftlichen Fortschritte stellten die herkömmliche Art von Bildung vor ganz neue Herausforderungen und Fragen. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 1)

Während die sich nun auflösende ständische Gesellschaft Erziehung und Bildung als eine abgeleitete Funktion des Standes gekannt hatte, wurde sie nun zu einem Kriterium der sozialen Stellung. „Der Mensch schafft sich mittels Bildung seinen eigenen gesellschaftlichen Stand.“ (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 2) Bildung, Amt und Besitz wurden also die Kriterien des politischen Anspruchs, der wirtschaftlichen Macht und der gesellschaftlichen Bedeutung.

Das 19. Jahrhundert war weiterhin gekennzeichnet durch den Fortschritt der Lese- und Schreibfähigkeit und der praktischen Überwindung des Analphabetismus. Die zentrale und elementare Voraussetzung für die Volksbildung war der Prozess der Alphabetisierung. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Schulwesen und die Alphabetisierung von religiösen Impulsen vorangetrieben und von kirchlichen Institutionen getragen. (vgl. Fend, H. 2006, S.150) Erziehung und Unterricht war bis dahin im Inhalt Sache der Kirche, jedoch in der Organisation und Trägerschaft Sache der Magistrate, Patronen und Stifter. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 105) Der Staat hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Einfluss. Im Laufe des 19. Jahrhunderts lösten sich Schule und Lehrer von der Geistlichkeit und Kirche. Im Gefolge des napoleonischen Code civil wurden Schulregelungen als Kernaufgabe eines national verstandenen Staates konzipiert. Schule und Schulpolitik wurden nun staatlich gelenkt. „…[D]ie Kirche trat dabei in den Dienst des Staates und wurde zugleich auf ihren engeren Bezirk, den Religionsunterricht, als Aufsichtsinstanz, begrenzt.“ (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 5) Allerdings war die Alphabetisierung in den ländlichen Regionen weit weniger vorangeschritten als in den Städten. (vgl. Fend, H. 2006, S. 161) Jedoch spielte die Kirche im 19. Jahrhundert noch eine entscheidende Rolle im Bezug auf Bildung. Der kirchliche Unterricht vor der Kommunion oder Konfirmation, der Gottesdienst selbst mit seinen Lehren, die Auslegung der Bibel und die Einprägung des Liedgutes blieben für den größten Teil der Bevölkerung prägende Bildungsmächte. Auch spielte der Religionsunterricht in der Schule noch eine wichtige Rolle, welcher in der Hand von Theologen lag bzw. in der Volksschule unter deren Aufsicht blieb. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 16)

Im Laufe des 19. Jahrhunderts lösten sich Schüler und Lehrer zunehmend von Geistlichkeit und Kirche und diese Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche erreichte in den 1870ern/1880ern einen Höhepunkt und führte zu einer stärkeren Trennung zwischen kirchlicher und weltlicher Schulaufsicht. Dies bewirkte eine Separation des gelehrten Schulwesens, das nun der Aufsicht des Staates unterlag sowie dem Niederen Schulwesen (der Volksschule), das weiterhin der Aufsicht der Kirche unterlag. Aus diesem Grund war die Aufsicht der Volksschule bis 1872 bei der Kirche angesiedelt. Dies hatte außerdem zur Folge, dass diese beiden Schulzweige auch wenig aufeinander bezogen waren. Erst Bismarck unterstellte die Volksschule der staatlichen Aufsicht. (vgl. Fend, H. 2006, S.166)

Bildung und Erziehung wurden zu wichtigen Faktoren der Veränderung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung und wurden mehr und mehr Vorraussetzung und Bedingung wirtschaftlicher und sozialer Verbesserung des Daseins. (vgl. Jeismann, K.-E. 1987, S. 2ff.)

„Im Prozess der Institutionsbildung der deutschen Volksschulen […] ging es im Kern ebenfalls um die Durchsetzung der Schulpflicht, also der Ansprüche der Obrigkeit auf Beschulung aller Kinder, […]“. (vgl. Fend, H. 2006, S. 162) Die Schulpflicht wurde eigentlich schon im 18. Jahrhundert vom preußischen König eingeführt (Generaledikt 1717), jedoch war diese mit Lücken durchsetzt, da man zu dieser Zeit große Rücksicht auf die Feldarbeit und später die Fabrikarbeit der Kinder nahm. Kinder, schon ab dem schulpflichtigen Alter von fünf Jahren, arbeiteten auf dem Feld und in der Fabrik – statt die Schule zu besuchen – bis zu 13 Stunden täglich, unter gesundheitlichen unzumutbaren Bedingungen, bei schlechter Bezahlung und ohne für den weiteren Arbeits- und Lebensprozess qualifiziert zu werden. „Das Allgemeine Landrecht von 1794 hatte zudem schon die rechtliche Legitimation für den staatlichen Eingriff in das Schulwesen gegeben.“ (vgl. Tenorth, H.-E. 2000, S. 141) Dieses `Grundgesetz` des preußischen Staates regelte primär das Verhältnis der traditionellen und der modernen Erziehungseinrichtungen, besonders von Familie und Schule, zueinander. Die Eingriffe des Staates vollziehen sich bis 1870 in mehreren Etappen. 1839 wird ein „Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter“ in den Fabriken erlassen, was beinhaltet, dass Kinder erst nach dem vollendeten 9. Lebensjahr arbeiten dürfen. Zudem müssen sie einen dreijährigen Schulbesuch nachweisen, ihre zulässige Arbeitszeit wird auf 10 Stunden für 9- bis 16jährige begrenzt, Nachtarbeit wird verboten und die Fabrikinhaber werden bei der Beschäftigung von Kindern zur Berichterstattung an die Inspektion verpflichtet. 1853 sind in Preußen jedoch weitere Erlasse nötig, da die Fabrikherren versuchen sich den Auflagen zu widersetzen. Das Mindestalter für die Beschäftigung wird jetzt auf 12 Jahre heraufgesetzt, die Arbeit für Kinder bis zu 14 Jahren auf täglich sechs Stunden begrenzt und drei Schulstunden werden zusätzlich gefordert. Außerdem werden wesentlich höhere Strafen angedroht. (vgl. Tenorth, H.-E. 2000, S. 173) Die Standardisierung des Schulangebots erstreckte sich nicht nur auf die Kontrolle der Schulpflicht, sondern auch auf die Kontrolle der Stundentafeln, den Aufbau von Lehrplänen und Bauplänen für Schulen. Die Durchsetzung der Schulpflicht und der Prozess der Alphabetisierung der Bevölkerung in Preußen hatten einen erheblichen Vorsprung gegenüber anderen europäischen Ländern. (vgl. Tenorth, H.-E. 2000, S.166)

[...]

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Bildungspolitik und Schulreform im 19. Jahrhundert
Université
University of Würzburg
Note
"-"
Auteur
Année
2008
Pages
17
N° de catalogue
V124282
ISBN (ebook)
9783640288359
ISBN (Livre)
9783640293865
Taille d'un fichier
407 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bildungspolitik, Schulreform, Jahrhundert
Citation du texte
Franziska Wilhelm (Auteur), 2008, Bildungspolitik und Schulreform im 19. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124282

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