Die Stellung der Witwe im antiken Athen


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die gesellschaftlich-rechtliche Stellung der athenischen Frau

3. Das weibliche Erbrecht im antiken Griechenland

4. Die Witwe

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Zuge des verstarkten Aufkommens feministischer Bewegungen kam es in der Forschung immer mehr zu der Untersuchung der Rolle der Frau in der Geschichte. Diverse Bucher wurden veroffentlicht sowohl in der neuzeitlichen und mittelalterlichen Historik, als auch im antiken Forschungsbereich. Tanja Scheer, eine deutsche Althistorikerin, beispielsweise verbindet das Aufkommen neuer Standpunkte und die Zunahme der Interessen bezuglich der Stellung der Frau mit der Entstehung der amerikanischen Frauenbewegung der 60er und der 70er Jahre. So argumentiert sie, dass es nicht “zufallig [ist, dass] im Jahr 1976 ein Gesamtentwurf zu diesem Thema die Monographie von S.B. Pomeroys mit dem Titel 'Goddesses, Whores, Wives and Slaves. Women in classical antiquity', der si ch inzwischen zum Klassiker entwickelt hat [erschien]”1.

Diese Hausarbeit soll sich nun nicht nur mit der allgemeinen Lage der Frau im Athen der Klassik beschaftigen sondern auch im speziellen einen Fokus auf die Situation einer Witwe in dieser Zeit legen. Das Thema umfasst somit soziokulturelle, normative, religiose und zu groBen Teilen auch rechtliche Aspekte des Lebens als Hinterbliebene. Der zeitliche Rahmen der Klassik wurde ausgewahlt, um die rechtliche und soziale Gerechtigkeit der noch jungen Demokratie zu uberprufen und um die Stellung der Witwe in dieser besonders langzeitig pragenden Ara am Beginn eines Veranerungsprozesses zu betrachten.

Schwierigkeiten bei der Erforschung dieses speziellen Themengebietes sind vor allem die Unterscheidung, welche uberlieferten Praktiken im Bezug auf Witwen, deren weiteres Leben und deren rechtlichen Status, als allgemeingultiges Gesetz verstanden werden durfen und welche Handlungsweisen lediglich den gewohnlichen Umgang einer Familie oder eines Kreises darstellten. Bei der Auswertung der Quellen kann nicht auf den ersten Blick erkannt werden, wo rechtliche Regularien beginnen und wo die variablen Handlungsfreiraume der Familien enden.2

Die folgende Hausarbeit stutzt si ch inhaltlich auf verschiedenste Werke und Forschungsbeitrage, von denen einige besonders zu nennen und hervorzuheben sind. So erwies sich Lin Foxhalls Vortrag “Female inheritance in Athenian law” gehalten auf der Konferenz “Women and property” an der Harvard University als ausgesprochen hilfreich zum Verstandnis der Rechtslage von Frauen und ihrem Recht auf Besitz. Auch Linda-Marie Gunthers Aufsatz zum Thema Witwen in der griechischen Antike in Historia Band 42 bildete eine Grundlage fur die Erkenntnisse dieser Arbeit, vor allem im Hauptabschnitt uber die konkrete Lage der Witwe und nannte viele hilfreiche Beispiele. Zuletzt ist noch die Rolle der Reden des Demosthenes zu erwahnen, von denen viele hier als Beispiel fur das Erarbeitete hatten gelten konnen, von denen aber stattdessen eine genauer untersucht wird.

Um dem Thema methodisch gerecht zu werden soll zuerst ein breiter Uberblick uber die Stellung der athenischen Frau gegeben werden. Besonders wird dabei auf rechtliche Aspekte und Einschrankungen eingegangen, aber auch eine philosophische Grundlage fur das wahrgenommene Rollenbild einer Frau in Griechenland zusammengefasst. Dabei wird in einem uber die Situation der verheirateten Frauen vieles uber die juristischen Ablaufe vor und wahrend der Ehe erklart. Die Frau als Teil des Oikos3, als Ehefrau und Mutter wird hier rechtlich, wie auch gesellschaftlich, kontextualisiert.

Als nachstes folgt ein Kapitel uber das Erbrecht im griechischen Raum im Bezug auf Frauen. In diesem wird auf den gesonderten Status der Frau und auf ihre potentielle Rolle als epikleros verwiesen.

SchlieBlich wird das Hauptaugenmerk auf den Witwenstatus per se gelegt. Hier werden Beispiele von Witwen in der antiken griechischen Literatur genannt, aber auch die Probleme, die sich aus diesen Quellen ergeben behandelt. Der Umgang einer Witwe mit der Trauer, mit ihrem neuen Status und den finanziellen Folgen stehen im Fokus, bevor ein Fazit die Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst.

2. Die gesellschaftlich-rechtliche Stellung der athenischen Frau

Um zu untersuchen, welche Besonderheiten bei der Betrachtung des Witwenstatus gefunden werden konnen soll an dieser Stelle eine allgemeine Zusammenfassung der Position einer athenischen Frau gegeben werden.

Aus einer gesetzlichen Perspektive wurde der Frau keine eigenstandige Position zugestanden. So bezeichnete man diese fast nie als polites also Burgerin. Der Begriff polites war dem mannlichen Vollburger vorbehalten, der alle politischen und legalen Rechte in der Polis genoss. Eine Frau hingegen nannte man aste, also ubertragen etwa weibliche Angehorige der Stadt oder auch attike gune, was einfach als attische Frau zu verstehen ist. Das Adjektiv athenaios, also athenisch war in der Regel auch den mannlichen Burgern vorbehalten. So wurden auch weder die Namen der Frauen als Burger eingetragen noch waren sie in einer Phratrie reprasentiert4.

Betrachtet man die Ansichten Xenophons5, welche zweifellos konservative waren, so erkennt man deren Einschatzung der Frau als wichtiges, mit vielen Aufgaben beladenes Mitglied des Oikos. Als Ehefrau, Mutter und Hausverwalterin tragt sie viele Pflichten im Haus, sollte sich laut diesen Denkern aber auch auf das Haus als die ihr zustehende Sphare beschranken. Der angestammte Platz der athenischen Frau war das Haus der Familie, wo sie auch den GroBteil ihrer Verpflichtungen erfullte. Das Haus allerdings meint hier weit mehr als nur das Gebaude, da ihm groBe spirituelle Bedeutung gerade im Bezug auf Hausgotter und das Herdfeuer zugewiesen wurde. Diese Vorstellung, wo die Frau idealerweise hingehore lasst sich sowohl in philosophischen Texten als auch in der Literatur finden6.

Die athenische Frau hatte zwar in vielen Fallen kein Recht auf Eigentum (dieser Sachverhalt wird an spaterer Stelle naher erlautert) aber genoss das Recht der Freiheit der Nutzung ( free usage ) von Sklaven, Mobiliar, Kleidungsstucke und Schmuck. In einem gewissen Sinne konnte man die athenischen Frauen somit durchaus als Eigentumer bezeichnen, allerdings nur mit geringeren Freiheiten und Kontrolle uber die Guter.7

Das Klagerecht der Frauen im Falle eines Verdachts unrechtmaBiger Misshandlung des Eigentum war ausgeschlossen. Frauen durften nicht in ihrem eigenen Namen eine Klage erheben sondern bedurften mannlicher Reprasentanten in einem Gerichtsfall. Die Historikerin Bonnie MacLachlan bringt ein Beispiel einer Witwe an, die die Frau des Handlers und Kriegsgefallenen Diodotus war. Diese klagte ihren Vater, der der Bruder ihres Ehemanns war mit der Behauptung an, er habe die Erbschaft von Diodotus zwischen den Sohnen unrecht verteilt. Im Gerichtshof wurde sie dabei von ihrem Schwiegersohn reprasentiert.8

Die dargelegte rechtliche Abhangigkeit der Frau von ihren mannlichen Verwandten lasst sich auf sozialer Ebene gleichermaBen feststellen. Als Hinweis hierauf kann man beispielsweise ihre Rolle als Teil des Oikos beschreiben, um ihre grundlegende und strukturelle gesellschaftliche Position im Alltag zu verdeutlichen.

Der Oikos war eine wichtige gesellschaftlich-kulturelle Einheit der griechischen Polis, welche der Familie grundlegenden Schutz bot und daher als Heiligtum gilt. Die wesentlichsten Bestandteile des Oikos waren das Ehepaar bestehend aus dem Kyrios (Herr des Haushaltes) und seiner Ehefrau mit deren Kindern, sowie die Gruppe der Bediensteten des Hauses. Letztere waren in der Regel Sklaven im Besitz des Kyrios.

Viele gesellschaftliche Normen und Gegebenheiten lassen sich aus den gegenseitigen Abhangigkeitsverhaltnissen und Verhaltensmustern der Mitglieder eines Oikos schlussfolgern. Auch die Rolle, die eine Frau in der Regel im Griechenland der Antike innehatte bzw. die von ihr erwartet wurde wird durch die Untersuchung des Oikos klarer.

Schon im Oikos geborener weibliche Nachwuchs, der dazu bestimmt war in einem fruhen Alter zu heiraten wurde im Vergleich zu mannlichen Nachkommen als eine schlechte Investition betrachtet, da letztere einfacher zu versorgen waren und im heiratsfahigen Alter keiner Mitgift bedurften.9

Eine athenische Frau hatte keinerlei rechtlich unabhangige Existenz vor dem Gesetz. Ihre rechtliche Stellung bzw. Vormundschaft wurde amtlich immer als Korperschaft in den Oikos eingetragen.10 Somit war der Kyrios ihre rechtliche Vertretung und ihr Vormund in samtlichen gesetzlichen Belangen.11 12 Sowohl im offentlichen Leben als auch in den vertraglichen Angelegenheiten wurde die athenische Frau vom Kyrios reprasentiert.

[...]


1 Vgl. Tanja Scheer: Forschungen uber die Frau in der Antike. Ziele, Methoden, Perspektiven, in: Gymnasium 107, 2000, Heidelberg, Universitatsverlag C. Winter Heidelberg, 2000, S. 143.

2 Vgl. Lin Foxhall, Female inheritance in Athenian law, in: D. Lyons and R. Westbrook

Women and Property in the Ancient World, Centre for Hellenic Studies (Washington), Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2003, S. 1.

3 Das Haus, die Familie.

4 Vgl. D.M. Pritchard,The Position of Attic Women in Democratic Athens, in: Greece and Rome, 61.2, Cambridge, 2014, S. 3.

5 Siehe Xen. Oec. 7,30. Hierzu Christine Schnurr-Redford, Frauen im klassischen Athen. Sozialer Raum und reale Bewegungsfreiheit, Berlin, 1996, S. 74.

6 Vgl. Christine Schnurr-Redford, (ebd.), S. 73.

7 Vgl. Sue Blundell, Women in Ancient Greece, Massachusetts,1995, S.114.

8 Siehe Lys. 32. Gegen Diogeiton, 12-13 und 15-17. Hierzu Bonnie MacLachlan, Women in Ancient Greece. A sourcebook, London, 2012, S. 88.

9 Vgl. Nancy Demand, Birth, Death and Motherhood in Classical Greece, London, 1994, S. 31.

10 Patrilokalitat meint die Residenzregel, bei der nach der Hochzeit, ein Ehepaar zum Wohnort des Vaters eines der beiden Ehepaare umzieht.

11 Vgl. Sue Blundell, Women in Ancient Greece, Massachusetts,1995, S.114.

12 Vgl Barbara Levick, Women an Law, in: A Companion to Women in the Ancient World, Sharon L. James, Sheila Dillon, Oxford, 2012, S. 102.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Stellung der Witwe im antiken Athen
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V1245149
ISBN (eBook)
9783346670908
ISBN (Buch)
9783346670915
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antike, Athen
Arbeit zitieren
Vanessa Anderson (Autor:in), 2018, Die Stellung der Witwe im antiken Athen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1245149

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