Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Verhältnis von Geschlecht, Gewalt und Gesellschaft
2.1 Geschlecht und Gewalt als Strukturzusammenhang
2.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation
2.3 Traditionell verankerte Rollenbilder und Geschlechterhierarchien
2.4 Hegemoniale Männlichkeit*
2.5 Misogynie
3 Dimensionen häuslicher Gewalt
3.1 Definition häuslicher Gewalt
3.2 Erscheinungsformen häuslicher Gewalt
3.2.1 Physische Gewalt
3.2.2 Psychische Gewalt
3.2.3 Sexuelle Gewalt
3.2.4 Soziale Gewalt
3.2.5 Ökonomische Gewalt
3.3 Ursachen häuslicher Gewalt
3.4 Folgen häuslicher Gewalt
3.4.1 Psychische Folgen
3.4.2 Gesundheitliche Folgen
3.4.3 Soziale Folgen
3.4.4 Volkswirtschaftliche Folgen
3.5 Gewaltspirale
4 Auswirkungen der Pandemie auf die Geschlechter
5 Stand der Forschung
6 Zusammenführung
7 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Statistiken zufolge musste jede dritte Frau* schon einmal Gewalt durch den (Ex-)Partner erleiden (vgl. FRA 2014, S. 20). Doch was geschieht, wenn eine Krise auf die andere trifft? Die Pandemie stellt die Gesellschaft vor viele Herausforderungen, besonders soziale Probleme sind hiervon betroffen. Gewalt ist kein neues Phänomen der Gesellschaft, es entsteht allerdings der Eindruck, als würden die Bedarfe Betroffener derzeit gesellschaftlich nicht priorisiert, insofern als während der Corona-Krise eine deutliche Zunahme von häuslicher Gewalt gegenüber Frauen* und Kindern zu vermerken ist (vgl. Fickermann & Edelstein 2020, S. 21). Das Hilfetelefon gilt in Deutschland als niedrigschwelliges Angebot für gewaltbetroffene Frauen* und hat für das erste Corona-Jahr Folgendes erfasst: Bei 39600 Beratungen ging es bei 24012 um häusliche Gewalt, gefolgt von sexualisierter (4661 Fälle), psychischer (2611 Fälle) und körperlicher Gewalt (2045) (vgl. BAFzA 2021, S. 33). Für gewaltbetroffene Frauen* gilt der soziale Nahraum als unsicher und gefährlich. Die politischen Maßnahmen berücksichtigen das Risiko für betroffene Frauen* nicht ausreichend, da diese durch soziale Isolation und finanzielle Einbußen stärker an den Partner gebunden sind (vgl. Scheuermann 2020, S. 327). Häusliche Gewalt an Frauen* und Femizide gibt es schon seit langer Zeit. Patriarchale Strukturen, in denen traditionelle Geschlechterrollen verankert sind, werden auch heute noch reproduziert (vgl. Backe & Bettoni 2021, S. 184). Es stellt sich die Frage, inwiefern die Corona-Krise das Geschlechterverhältnis beeinflusst.
Zu Beginn des Jahres 2020 wurde die Coronavirus-Krankheit, auch bekannt unter der Bezeichnung COVID-19, entdeckt. Die Krankheit weist grippeähnliche Symptome auf, der Verlauf vollstreckt sich relativ unterschiedlich. Während einige die Infektion leicht überstehen, führt sie bei anderen sogar zum Tod. Die Fallzahlen nahmen drastisch zu, sodass weltweit von einer gesundheitlichen Notlage ausgegangen wurde. Die Gesamtbevölkerung befand sich in einer Pandemie, um sich vor einer Infektion sowie dem Ausbruch des Virus schützen zu können. So wurden Sicherheitsmaßnahmen wie soziale Distanzierung und strenge Hygienevorschriften eingeleitet (vgl. WHO 2021). Die auferlegten Kontaktbeschränkungen beeinflussen und steuern noch immer den Alltag vieler Menschen, da soziale Kontakte größtenteils eingedämmt und reduziert werden mussten. Die Pandemie trägt daher viele negative Effekte mit sich (vgl. Beck 2020, S. 54). UN-Woman macht darauf aufmerksam, dass die Auswirkungen der Pandemie besonders Frauen* treffen, da Krisen dafür sorgen, dass bereits existierende Ungleichheiten verstärkt werden (vgl. UN-Woman 2021). Die Bundesfrauen*ministerin Franziska Giffey berichtete bei der Verkündung des Jahresberichts des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen* einen Anstieg um 15% im Vergleich zum Jahr 2019. Betroffene Frauen* holten sich um 20% häufiger Beratung und Hilfe im Kontext häuslicher Gewalt. Der Anstieg während der Corona-Pandemie sei überproportional (vgl. BMFSFJ 2021).
Der Zusammenhang von häuslicher Gewalt gegen Frauen* und der Corona-Krise wurde bereits in kleinem Umfang erforscht (vgl. Steinert & Ebert 2021), allerdings weist die Forschung Lücken auf. Aktuelle Studien und Angaben des Hilfetelefons gehen von einem Anstieg aus. Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich daher thematisch mit häuslicher Gewalt gegen Frauen* während der Corona-Krise. Es wird Bezug auf die Relevanz und die Rückkehr tradierter Geschlechterhierarchien genommen. Das Ziel ist es, herauszufinden, in welchem Ausmaß Frauen* Gewalt erleben, welche Rolle alte Geschlechterbilder spielen und inwiefern die Corona-Pandemie das Gewaltpotenzial verstärkt hat. Im Rahmen der Arbeit wird von cis-männlichen* und cis-weiblichen* Personen ausgegangen. Frauen* sind stärker von männlicher* Gewalt betroffen, nichtsdestoweniger sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Männer sowie LQBT+ ebenso Opfer von häuslicher Gewalt werden. Häusliche und Partnerschaftsgewalt werden synonym verwendet. Die Arbeit bedient sich der Methode der Literaturrecherche.
Im ersten, theoretischen Teil wird das Verhältnis von Geschlecht, Gewalt und Gesellschaft analysiert. Kapitel 3 ist den Dimensionen häuslicher Gewalt gewidmet. Es erfolgt zunächst eine terminologische Klärung. Darauf aufbauend werden Formen, Ursachen und Folgen von Gewalt aufgegriffen. Im nächsten Kapitel werden die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft und die Geschlechter beleuchtet. Kapitel 5 gibt einen Einblick in den Forschungsstand zu häuslicher Gewalt vor und während der Pandemie. Schließlich werden die gesammelten Fragmente zusammengeführt und diskutiert. Die Arbeit endet mit dem Fazit.
2 Verhältnis von Geschlecht, Gewalt und Gesellschaft
Dieses Kapitel widmet sich dem Verhältnis von Geschlecht und Gewalt im gesellschaftlichen Kontext. In Kapitel 2.1 wird zunächst ein Überblick über Geschlecht und Gewalt als Strukturzusammenhang gegeben. In 2.2 wird geschlechtsspezifische Sozialisation erläutert. Das nächste Kapitel (2.3) widmet sich traditionell verankerten Rollenbildern und Geschlechterhierarchien. Darauf aufbauend werden in den letzten zwei Kapiteln hegemoniale Männlichkeit* (2.4) und Misogynie (2.5) definiert.
2.1 Geschlecht und Gewalt als Strukturzusammenhang
Die sozialtheoretische Geschlechterforschung geht von der Idee aus, dass die Gesellschaft ein Konstrukt ist. Innerhalb dieses soll Ordnung hergestellt werden. Geschlecht wird hier als generatives Muster verstanden, um die soziale Ordnung zu schaffen. Die Geschlechterforschung beschäftigt sich allerdings auch mit der Analyse von Geschlechterhierarchien und der damit einhergehenden Ungleichheit (vgl. Glammeier 2011, S. 30). Es wird zwischen zwei Ausprägungen von Geschlecht differenziert: sex wird als biologisches und gender als soziales Geschlecht bestimmt (vgl. Reheis 2016, S. 56). Die Kategorie „Geschlecht“ soll der Strukturierung und Kategorisierung der Gesellschaft dienen. Diese Klassifikation bestimmt tradierte Geschlechterverhältnisse (vgl. Scherger 2013, S. 287). Innerhalb des Konstruktes werden Muster und Strukturen bestimmt, die das Leben miteinander steuern. Wenn Individuen diese Muster und Strukturen verinnerlichen und reproduzieren, tun sie dies in Hinblick auf gesellschaftliche Geschlechterhierarchien. Indem sie nach Gender-Idealen agieren, produzieren sie genauso Herrschafts- und Machtverhältnisse (vgl. Glammeier 2011, S. 32). In strukturtheoretischen Ansätzen wird Geschlecht anhand der Zweipoligkeit der binären Geschlechter männlich* und weiblich* begründet (vgl. Scherger 2013, S. 288). Durch diese Zweiteilung werden beiden unterschiedliche Merkmale und Charakteristika zugeschrieben. Das Konstrukt dieser Zweigeschlechtlichkeit wird als etwas Naturgegebenes gesehen. Die Zugehörigkeit zu einem der beiden Geschlechter ist nach dieser Ansicht somit angeboren und nicht veränderbar (vgl. Hohendorf 2019, S. 44). Entlang der Zuschreibung der Geschlechtercharakteristika entsteht eine hierarchische Ordnung im Geschlechterver- hältnis. Männlichkeit* und Weiblichkeit* werden in der Theorie des Biologismus als Gegenpole gesehen. Der Mann* wird als positiv gewertet, was durch die Überlegenheit im Hinblick auf physische Eigenschaften erklärt wird. Soziale Fähigkeiten sind dabei eher zweitrangig (vgl. ebd.). Es stellt sich hierbei die Frage, welche Rolle Gewalt und Macht erhalten? In fachlichen Diskursen wird das Phänomen der Gewalt stets im Zusammenhang mit der Kategorie „Geschlecht“ diskutiert. Gewalt wird als männlich* bestimmt, wodurch sich traditionell verankerte Stereotype innerhalb der Alltagstheorien ergeben (vgl. Boatca & Lamnek 2003, S. 13). Diese Stereotype resultieren aus der Normsetzung und -anwendung in sozialstrukturellen Machtverhältnissen. Die sogenannte Labeling-Theorie determiniert die sozialstrukturelle Ordnung anhand der binären Geschlechter-trennung. In symbolischen Rollenbildern finden sich demnach diese Stereotype. Gewalt gilt als Ausdruck von Männlichkeit* (vgl. Hohendorf 2019, S. 66). Hohendorf (2019, S. 67) beschreibt hierzu, dass männliche* Gewalt ausgehend von den Stereotypen toleriert und akzeptiert wird, wohingegen Gewalt, die von Frauen* ausgeht, tabuisiert und stigmatisiert wird. Dies führt zur wirtschaftlichen, sexuellen sowie emotionalen Unterdrückung der Frau*. Simone de Beauvoir, zitiert von Peter (2016, S. 27), erklärt die Ausbeutung und Entmachtung des weiblichen* Geschlechts als Resultat der gesamtgesellschaftlichen Geschichte. Die Frau* erhält ihren Status aufgrund einer männerdominanten Welt, was auf das Patriarchat zurückzuführen ist. Geschlechtertrennung resultiert aus Gewalt und Macht über ökonomische und politische Mittel. In Gesellschaft und Kultur verbreitet sich demnach eine misogyne Haltung (vgl. Peter 2016, S. 37). Häusliche, Partnerschafts- und Beziehungsgewalt sind die Prototypen von Gewalt im Geschlechterverhältnis (vgl. Hohendorf 2019, S. 86). Trotz sich wandelnder Geschlechterverhältnisse sind tradierte Strukturen der Geschlechtertrennung auch heute noch zu finden. Dies hat zur Folge, dass Macht- und Herrschaftsverhältnisse rekonstruiert werden. Wenn also über Gewalt gegen Frauen* diskutiert wird, handelt es sich um misogyne männliche* Gewalt, die angesichts tradierter Strukturen zur Benachteiligung des weiblichen* Geschlechts führt (vgl. ebd., S. 86f.).
2.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation
Sozialisation bedeutet die Beeinflussung eines Menschen durch die soziokulturelle Umwelt. Der Mensch nimmt hierbei die Einflüsse der Gesellschaft auf. Zum Sozialisationsprozess gehört auch die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung, indem die Einflüsse der Außenwelt verarbeitet und verinnerlicht werden (vgl. Hagemann-White 2004, S. 148). Während der Sozialisation soll die menschliche Entwicklung sich herausbilden und entfalten (vgl. Nestvogel 2008, S. 159). Nestvogel (ebd.) zitiert Hurrelmanns Verständnis vom Sozialisationsbegriff, das folgendermaßen lautet:
„Sozialisation bezeichnet den Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt“ (Nestvogel 2008, S. 159).
Geschlecht und Sozialisation werden in unmittelbarem Zusammenhang analysiert, da geschlechtstypische Merkmale die soziale Integration der Individuen beeinflussen (vgl. Becker-Schmidt 2008, S. 65). Um geschlechtstypisches Verhalten erklären zu können, wird der Ansatz der Zwei Welten genutzt, worin das Verhalten von Mädchen* und Jungen* in binären Geschlechterkategorien erfasst wird. Anhand des Modells kann auf die Unterschiede beider Geschlechter im Erwachsenenalter geschlossen werden. Der Terminus der Zwei Welten wird des Öfteren mit Zweigeschlechtlichkeit gleichgesetzt. Für Kinder bedeutet dies von Geburt an, dass sie sich das symbolische System der Geschlechterdifferenz aneignen müssen, was wiederum dazu führt, dass tradierte Geschlechterhierarchien von Geburt an akzeptiert werden (vgl. Rohrmann 2008, S. 32). Während der Sozialisation entwickeln Mädchen* und Jungen* ein unterschiedliches Geschlechtskonzept, das entweder eine maskuline oder feminine Identität aufweist (vgl. Hohendorf, S. 39). Sowohl Identität als auch Konzept können sich im Laufe des Lebens entwickeln, formen und verändern. Um die Unterschiede der Geschlechter zu analysieren, wird der Blick auf Einstellungen, Verhaltensweisen, Interessen, Werte und Eigenschaften gerichtet (vgl. Rieker 2013, S. 45). Reheis (2016, S. 56) fasst im Allgemeinen zusammen, dass der männliche* Blick auf die Gesellschaft daraus besteht, Macht und Ordnung anzustreben. Er verfolgt daher einen politischen Sinn, wohingegen der weibliche* Blick sich nach Harmonie und Konsens orientiert und soziologischen/psychologischen Sinn verfolgt.
Geschlechtsspezifische Sozialisation aus zwei Perspektiven
Innerhalb der Sozialisationstheorien sind unterschiedliche Definitionen von Sozialisation verbreitet.
Um geschlechtsspezifische Sozialisation beschreiben zu können, stützt sich Hohendorf (2019, S. 146) auf die Theorie des Strukturfunktionalismus, die von dem Soziologen Talcott Parsons begründet wurde. In der Auslegung wird beispielsweise Sozialisation als ein biologisch determinierter Prozess und die Kategorie Geschlecht als etwas naturgegebenes verstanden. Männern* und Frauen* werden aufgrund ihrer geschlechtstypischen Körperfunktionen und -merkmale geschlechtsspezifische Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Charakteristika zugeschrieben. Innerhalb dieser biologisch konstruierten Geschlechterstereotype wird dem weiblichen* Geschlecht eine eher defizitäre Attribuierung beigemessen (vgl. Nestvogel 2008, S. 160). Parsons, zitiert nach Hohendorf (2019, S. 146), weist dem männlichen* Geschlecht eine höhere Rolle in der Geschlechterordnung zu, da der Mann* für außerfamiliäre Aufgaben und Pflichten aufkommen muss. Neben dem biologisch determinierten Verständnis herrscht die Idee davon, dass Sozialisation ein gesellschaftlich strukturierter Prozess ist. Sozialisation dient hier als Mittel, um das Individuum in die Gesellschaft zu integrieren. Diese Art der Integration betrifft beide dichotome Geschlechter. Im Strukturzusammenhang wird von hegemonial-gesellschaftlichen Geschlechterrollen gesprochen (vgl. ebd., S. 161). Dieser Strukturzusammenhang ist der Grund für die Geschlechtertrennung (vgl. Hagemann-White 2004, S. 147). So wurden den binären Geschlechtern weiblich* und männlich* Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeordnet, die kulturell und gesellschaftlich geformt und so nicht natürlichen Ursprungs sind. Es ist hier allerdings zu erwähnen, dass die erste Traditionslinie in diesem Kontext nicht außer Acht gelassen werden darf. In diesem Sozialisationsverständnis werden Frauen* als Benachteiligte der patriarchalen Macht- und Herrschaftsverhältnisse bestimmt, da in sozialisationsbedingten Geschlechterverhältnissen die Geschlechter unterschiedlich sozialisiert werden und demnach auch die Charaktere sich voneinander differenziert entwickeln (vgl. Nestvogel 2008, S. 161). Im 20. Jahrhundert wurde davon ausgegangen, dass die Entmachtung und Ausbeutung der Frau* in ihrer Sozialisation internalisiert wird (vgl. Hagemann-White 2004, S. 147). Den Frauen* wurde unterstellt, sie seien mitverantwortlich für ihren niedrigen Platz in der Herrschaftshierarchie, da sie sich passiver sozialisieren würden (vgl. Nestvogel 2008, S. 161). Problematisch wird es also, wenn Frauen* die Unterdrückung und Benachteiligung verinnerlichen, die sie durch die Gesellschaft erfahren, und so in der Rolle der Benachteiligten verharren. Weiblichkeit* ist das Konstrukt der Gesellschaft, da gesellschaftliche Überzeugungen die Trias Erziehung, Bildung und Sozialisation füllen (vgl. Hagemann-White 2004, S. 149). Hagemann-White (2004, S. 147f.) stützt sich dabei auf Simone De Beauvoirs Thesen, die sich auf die soziale Konstruktion von Weiblichkeit* beziehen. Die Frau* lernt und verinnerlicht in ihrer Sozialisation demnach, dass sie einen niedrigen Status in der Gesellschaft einnimmt und Objekt und Besitz des Mannes* ist. Die Phasen der Kindheit und Jugend von Mädchen* zeichnen sich demzufolge eben durch Unterwerfung und Passivität aus (vgl. ebd., S. 148). In diesem Kontext wird auch von Identitätszwang gesprochen, da in Aussagen und Formulierungen wie „Frauen*/Mädchen* müssen, lernen, sollen…“ Aspekte der Benachteiligung auftauchen. So sind weibliche* Personen dem gesellschaftlichen Druck und Zwang ausgesetzt (vgl. ebd., S. 151). Becker-Schmidt (2008, S. 68) geht davon aus, dass Weiblichkeit* aus zwei grundlegenden Prozessen besteht. Entweder passen Frauen* sich den sozialen Normen des Geschlechterverhältnisses an oder konstruieren ihre eigene Weiblichkeit*.
Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
Im Zuge der geschlechtlichen Persönlichkeitsstrukturen wird auch von Unterschieden in der Arbeitsteilung ausgegangen (vgl. Becker-Schmidt 2008, S. 65). Dieses Meinungsbild geht zurück auf die 1970er Jahre. Frauen* arbeiteten in schlechter bezahlten Berufen, weil aufgrund der Geschlechterstereotype davon ausgegangen wurde, dass sie im Gegensatz zu den Männern* nicht mehr Arbeit leisten könnten. Die Begrifflichkeit des „weiblichen Arbeitsvermögens“ beschreibt Femininität anhand der Aufgaben der Familienversorgung und des Haushalts. Von dieser Auffassung wurde im Endeffekt auch ausgegangen, ohne dies zu hinterfragen (vgl. Hagemann-White 2008, S. 148). Männer* sind demnach im Gegenzug dazu für die Finanzierung der Familie zuständig. Die männliche* Geschlechterrolle zeichnet sich „durch Wettbewerbs-, Leistungsorientiertheit und Rationalität“ (Hohendorf 2019, S. 146) aus. Als Folge dieser geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ergab sich ein Geschlechterverhältnis, das sein Fundament im binären Klassifikationssystem hat (vgl. Becker-Schmidt 2008, S. 65). Arbeit wurde in diesem Kontext als eine männliche* Tätigkeit determiniert. Hausarbeit wurde als weibliche* Aufgabe eingestuft, wodurch dies nicht in den Begriff der Arbeit fiel (vgl. ebd., S. 66). Das heißt für das Sozialisationsverständnis, dass die Geschlechter durch die sozial konstruierten Normen sowie Erwartungen beeinflusst werden. In diesem Kontext ist es wichtig zu erwähnen, dass Bildungsprozesse ebenfalls geprägt und auch gehemmt werden (vgl. ebd.). Hagemann-White (2004, S. 149) wendet dagegen ein, dass gesellschaftliche Geschlechterstereotype die Wirklichkeit nicht widerspiegeln, wobei heute davon ausgegangen wird, dass die Realität ein Konstrukt und demnach abhängig von gesellschaftlichen Veränderungen ist. In der Sozialforschung gilt die Annahme, dass Peergroups einen großen Einfluss auf das geschlechtsspezifische Verhalten haben und so als sekundäre Sozialisationsinstanz eine wichtige Rolle einnehmen (vgl. Rohrmann 2008, S. 33f.). Rohrmann (ebd., S. 34) erwähnt allerdings, dass geschlechtstypische Unterschiede in der Entwicklung von Kindheit und Jugend eher gering sind.
2.3 Traditionell verankerte Rollenbilder und Geschlechterhierarchien
Im Voraus konnte festgestellt werden, dass im Laufe der Zeit an die soziale Kategorie des Geschlechts normative Erwartungen gestellt wurden. Im folgenden Kapitel wird genauer auf die Rollenbilder und Geschlechterhierarchien eingegangen, die sich im gesellschaftlichen Kontext etabliert haben. Es wird vorab kurz definiert, was unter Stereotypen zu verstehen ist.
Unter Stereotype fallen verallgemeinerte Annahmen über Personen(gruppen). Diese Annahmen werden während des Sozialisationsprozesses als kognitives Wissen verinnerlicht. Der Mensch beobachtet und nimmt Verhaltensweisen und Merkmale wahr und speichert diese in Form von Clustern und Dimensionen ab (vgl. Alfermann 1999, S. 7). Die Kategorie „Geschlecht“ umfasste im späten Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert eine Personengruppe, die entweder weiblich* oder männlich* war. Anhand dieser Unterscheidung wurde der soziale Status zugewiesen (vgl. Rendtroff & Moser 1999, S. 29). Psychische und anthropologische Geschlechterstereotype stammen aber erst aus dem 18. Jahrhundert. Um Weiblichkeit* und Männlichkeit* benennen zu können, wurden geschlechtsspezifische Merkmale aufgestellt. Anhand dieser Charakteristika wurde die gesellschaftliche Ordnung und Struktur begründet (vgl. Baader 2018, S. 15). So wurden Weiblichkeit* und Männlichkeit* als Ausdruck von Macht- und Herrschaftsverhältnissen verstanden. Margaret Mead machte in ihren Forschungen deutlich, dass Geschlechterrollen soziale Konstrukte darstellen, die abhängig von gesellschaftlichen Veränderungen sind (vgl. Quente 2020, S. 17). Quente (vgl. ebd., S. 20f.) definiert Gender als soziales Geschlecht, worunter weibliche* und männliche* Geschlechterstereotype und Rollenbilder fallen, wohingegen Doing Gender die Zuweisung der Geschlechterkategorien abhängig vom Verhalten meint. In dem Ansatz der Zweigeschlechtlichkeit werden die Geschlechter in männlich* und weiblich* getrennt, allerdings folgt innerhalb der Geschlechter-konstruktionen noch die Einteilung in öffentlich/privat, rational/emotional sowie passiv/aktiv (vgl. BMFSJ 2008). Der Mann* war demnach für die Tätigkeiten in der Öffentlichkeit zuständig, während die Frau* im Privaten verweilen musste (vgl. Brenner 1991, S. 11). Diese Differenzierung bildet das Geflecht der geschlechts-spezifischen Arbeitsteilung ab.
Hier stellt sich die Frage, was genau unter den tradierten Geschlechterstereotype zu verstehen ist. Alfermann (1996, S. 11) führt an, dass Stereotype nicht nur kognitive, sondern auch motivationale Funktionen erfüllen, die dazu dienen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu erklären und zu konstruieren. Aus diesem Grund war die Zuweisung von Stärke und Schwäche besonders wichtig. Die dominante und somit stärkere Personengruppe erhält die positiv gewertete Attribuierung. Im 18. Jahrhundert wurde die Auffassung vertreten, dass Männer* die dominante Gruppe der Gesellschaft repräsentieren, weshalb ihnen überwiegend positive Eigenschaften zugeschrieben wurden. Das männliche* Geschlecht wurde so als wertvoller bestimmt (vgl. ebd.). Stärke und Aktivität waren in der Gesellschaft angesehen, weshalb die Zuweisung dieser beiden Eigenschaften an das männliche* Geschlecht ebenso zu der Zuweisung des höheren gesellschaftlichen Rangs führte (vgl. ebd., S. 12). Um seine Gedanken zu bestärken, bezieht sich Alfermann auf eine Analyse der Stereotypenforschung aus den 1960er Jahren, die von Brovermann und ihrem Arbeitskreis durchgeführt wurde. Nach einer internationalen Befragung zum Thema der Geschlechterstereotype kamen sie zu dem Ergebnis, dass dem maskulinen Geschlecht mehr Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben wurden als dem femininen. Aus den Daten geht hervor, dass Männern* die Merkmale aggressiv, dominant, kräftig, unabhängig, maskulin, robust, selbstherrlich, stark, unnachgiebig und unternehmungslustig beigemessen wurden. Den Frauen* wurden die Eigenschaften liebevoll, einfühlsam, feminin, gefühlvoll, träumerisch und unterwürfig zugeschrieben (vgl. ebd., S. 16f.). Jean-Jacques Rousseau begründete in seiner Erziehungstheorie geschlechtstypische Eigenschaften und Verhaltensweisen als naturgegeben. Das männliche* Geschlecht erhält bei Rousseau die Merkmale Rationalität, Aktivität und Stärke, wohingegen der Frau* Emotionalität und Passivität zugesprochen werden (vgl. Beyer et al. 2019, S. 42). Er legitimierte das hierarchische Geschlechterverhältnis, indem die Frau* ihrem Ehemann* gegenüber unterwürfig und -geordnet ist. Die Frau* hat laut ihm nur eine Aufgabe, und zwar die der Sittlichkeit, Sorge und Pflege ihres Ehemannes* und ihrer Kinder, was durch die Mütterlichkeit begründet wurde (vgl. Strotmann 1999, S. 121). Beyer et al. (2019, S. 43) nennen diesen Umstand auch „Ausbildung weiblicher* Tugenden und ihre Unterordnung in das Geschlechtsverhältnis“. Obwohl der Frau* ein niedriger gesellschaftlicher Status zugesprochen wird, spielt sie in der sexuellen und emotionalen Beziehung eine wichtige Rolle, da sie den Mann* verführen und mit ihrer Art seine Persönlichkeit und seinen Charakter formen soll (vgl. ebd., S. 44). Rousseau war der Ansicht, der Mann* könne von sich aus Eigenschaften wie Empathie und Menschlichkeit nicht entfalten, weshalb er die Frau* benötigt (vgl. Strotmann 1999, S. 121). Es ist allerdings zu betonen, dass das männliche* Geschlecht nicht vom weiblichen* abhängig ist, was umgekehrt jedoch der Fall ist (vgl. Beyer et al. 2019, S. 44). Ab den 1960er/70er Jahren etablierte sich die Frauen*forschung. In ersten feministischen Ansätzen wurden die traditionell verankerten Geschlechterrollen kritisiert (vgl. Quente 2020, S. 19). In den 1990er Jahren geriet dann besonders Männlichkeit* in den Fokus der Forschung, sodass männliche* Macht und Herrschaft ebenfalls kritisch betrachtet wurden (vgl. Baader 2018, S. 15).
Seit den 1970er Jahren kann ein Paradigmenwechsel des Geschlechterverhältnisses verzeichnet werden. Das traditionelle männliche* Ernährermodell ging in die Brüche, sodass Frauen* sowohl im Bildungssystem als auch auf dem Arbeitsmarkt aufstiegen. Es kam zudem zu einer Pluralisierung von Lebens- und Familienformen, sodass das Geschlechterverhältnis sich durch eine Verschiebung und Lockerung auszeichnet (vgl. Possinger 2019, S. 1283f.). Meuser (2019, S. 57) spricht von einem flexibilisierten Geschlechterverhältnis. Die Kategorie des Geschlechts dient dennoch weiterhin als Strukturierungs- und Ordnungsmerkmal.
2.4 Hegemoniale Männlichkeit*
Hegemonie beschreibt eine Macht- und Herrschaftsform über sich und andere. Das Verhältnis der Geschlechter ist in hegemonialen Strukturen ein Konstrukt. Männlichkeit*, Dominanz und Autorität werden hier miteinander verknüpft, sodass gesellschaftliche Macht und Herrschaft dem männlichen* Geschlecht zugeschrieben werden. Das weibliche* Geschlecht ordnet sich so dem männlichen* unter (vgl. Meuser & Scholz 2011, S. 60). Die Soziologin Raewyn Connell entwickelte in den 1980er Jahren das Konzept der hegemonialen Männlichkeit*. Innerhalb dieses wird das Geschlechterverhältnis anhand der Dimensionen Macht, Arbeit und Sexualität gekennzeichnet (vgl. Scholz 2004, S. 35). Im Jahr 1985 publizierte sie das Konzept gemeinsam mit den Soziologen Tim Carrigan und Lohn Lee in dem Aufsatz „Toward a New Sociology of Masculinity“. Es prägte die Männer*forschung und gilt auch heute noch als Klassiker und Referenzrahmen (vgl. Connell 2015, S. 9). Mit dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit* wollte die Soziologin nicht nur das Geschlechterverhältnis zwischen den binären Geschlechtern, sondern auch verschiedene Konstruktionen von Männlichkeit* beschreiben und zusammenfassen. Letztere erfolgt in der sogenannten männer*dominanten Welt, in der Herrschaft und Wettbewerb erkämpft werden (vgl. Meuser 2008, S. 33). Der Begriff Libido Dominandi, der von Bourdieu eingeführt wurde, bestimmt die Dominanz des hegemonialen Mannes* gegenüber Frauen* und anderen Männern*. Hierarchie wird somit nicht nur im Verhältnis zum anderen Geschlecht, sondern auch innerhalb der homosozialen Gruppe hergestellt (vgl. ebd., S. 35). Es wird demnach von der heterosozialen und homosozialen Dimension gesprochen (vgl. Connell 2015, S. 10). Die Konstruktion von Männlichkeit* geschieht in doppelter Relation. Das Verhältnis von Frau* und Mann* ist durch Dominanz, Macht und Unterordnung charakterisiert. Die Frau* erhält hier den untergeordneten Status, wohingegen das homosoziale Verhältnis von Männern* hierarchisch strukturiert, also entweder durch Über- oder Unterordnung gekennzeichnet ist (vgl. Scholz 2004, S. 35). Quente (2020, S. 29) spricht auch von den Dimensionen Hegemonie, Macht, Dominanz, Wettbewerb und Marginalisierung sowie Ermächtigung. Connell, zitiert nach Meuser und Scholz (2011, S. 60), nennt dies auch die Asymmetrie des Geschlechterverhältnisses, da Frauen* laut ihm nicht die Merkmale dafür besitzen, hegemonial zu leben. Connell betont allerdings, dass Frauen* diese Unterordnung dem männlichen* Geschlecht gegenüber akzeptieren und auch verinnerlichen. Hegemoniale Männlichkeit* wird als Norm und Handlungspraxis verstanden, in der Dominanz, Hierarchie und Macht ausgebildet und reproduziert werden (vgl. ebd., S. 61). Das weibliche* Geschlecht wird daher als Normabweichung eingestuft (vgl. Quente 2020, S. 27).
Scholz (2004, S. 41) betont, dass soziale Ungleichheit nicht durch Herrschafts-strukturen entsteht, sondern durch Hegemonie, da in hegemonialen Strukturen männliche* Werte und Ideale überwiegen. Wie schon in vorherigen Kapiteln aufgefasst wurde, dient die Kategorie des Geschlechts vor allem dazu, Ordnung zu schaffen. Ausgehend von tradierten Geschlechterrollen unterlag die Frau* der Vormundschaft des Mannes*. Kontrolle ist in diesem Rahmen besonders wichtig, da sie dazu eingesetzt werden soll, die soziale Umwelt und auch die Körper der Untergeordneten zu beherrschen. Auf diese Weise übte der Mann* seine Macht aus (vgl. Bauer & Luedtke 2008, S. 9f.). Scholz (2004, S. 36) geht davon aus, dass jede Gesellschaft ein hegemoniales Männlichkeits*muster entwickelt, was dazu führt, dass Männer* aus der Ausbeutung und Ausgrenzung des weiblichen* Geschlechts ihren eigenen Nutzen ziehen. Dies wird auch patriarchale Dividende genannt. Es ordnen sich nicht nur Frauen* dem gesellschaftlichen Männlichkeits*ideal unter, sondern auch andere Männer*, die nicht unbedingt hegemoniale Strukturen vertreten (vgl. Quente 2020, S. 30). In der männer*dominanten Welt gelten bestimmte Bereiche als besonders maskulin, wie z. B. Wissenschaft, Technik und Sport. Hieraus folgt auch die geschlechtsspezifische Berufswahl. Männer* beweisen sich ebenso in typisch männlichen* Berufen, indem sie „Durchsetzungsfähigkeit, Leistungs- und Erfolgsorientierung“ (Bauer & Luedkte 2008, S. 14) zeigen. Erwerbstätigkeit wurde so als soziale Aufgabe des Mannes* institutionalisiert. Wenn also über einen typischen Vollzeitbeschäftigten gesprochen wird, fällt meistens das Bild eines Mannes* ins Gedächtnis. In tradierten Geschlechterrollen wird dem Mann* die Aufgabe des Ernährers und finanziellen Versorgers zugesprochen, was dazu führt, dass er hegemonial lebt und sich über die Dominanz in der Erwerbstätigkeit definiert (vgl. ebd., S. 13f.).
Connell hebt hervor, dass die Bilder und Vorstellungen von Männlichkeit* unterschiedlich sind und in Abhängigkeit zu Kultur, sozialer Schicht und sozialem Milieu stehen (vgl. Bauer & Luedtke 2008, S. 10). Die Pluralisierung von Familienformen und Lebensstilen gilt als Indikator dafür, dass die hegemonialen Ehe- und Familienformen geschwächt wurden. Für einen Wandel der Familien- und Geschlechterbeziehungen sorgten besonders die Häufigkeiten von Trennung und Scheidung, die steigende Rate von Alleinerziehenden, eine Abneigung zur Ehe sowie die Pluralisierung von alternativen Lebensformen (vgl. Stolz-Willig 2004, S. 124). Das Konstrukt ist also historisch und traditionell etabliert, d. h. es ist veränderbar. Es ist daher wichtig, das Muster hegemonialer Männlichkeit* neu zu konstruieren (vgl. Connell 2015, S. 12). Hegemoniale Männlichkeit* wird des Öfteren mit gewalttätiger Männlichkeit* gleichgesetzt. Die Autorin kritisiert dies allerdings, da sie der Auffassung ist, dass Gewalt und Hegemonie nicht zwangsläufig zusammengehören. Gewalt ist für sie ein Ausdruck von Faschismus (vgl. ebd., S. 22).
2.5 Misogynie
Frauen*hass und Frauen*feindlichkeit sind elementare Bausteine antifeministischer Ideologie. Misogynes Verhalten wird demnach in diesen Strukturen entwickelt und ist so kein neues Phänomen. Diese Arbeit beschränkt sich auf das Misogynie-verständnis von Kate Manne, einer amerikanischen Philosophin, die selbige als genderbasierte Unterdrückung beschreibt.
Zur Wiederholung: Wodurch zeichnet sich die patriarchale Ordnung aus?
Frauen* sind dem Mann* untergeordnet, es herrscht eine männliche* Dominanz in allen Bereichen. Von beiden Geschlechtern werden zudem bestimmte Verhaltens-weisen erwartet, was in Geschlechterstereotypen verankert ist (vgl. Manne 2019, S. 97). Was genau ist hierbei problematisch? Die Autorin sieht das Problem bei der Umsetzung dieser Struktur, da zur Durchsetzung auch zu feindseligen und gewalttätigen Mechanismen gegriffen werden kann (vgl. ebd.). Misogynie wird von Manne als eine Charaktereigenschaft bestimmt, die sich durch Hass, Abneigung und Feindlichkeit gegenüber Frauen* auszeichnet. Diese Abneigung wird per se durch die schlichte Geschlechtszugehörigkeit begründet. Die Frauen* begegnen diesem Verhalten in der Konstruktion hegemonialer Männlichkeit*, weil sie hier nicht den patriarchalen Normen entsprechen (vgl. Kracher 2021, S. 15). Männer* werden strukturell begünstigt, während Frauen* marginalisiert werden (vgl. Hahn 2020, S. 14). Die Misogynie ist dabei in der Asymmetrie des Geschlechterverhältnisses verwurzelt. Das Ziel dieser Haltung ist es, die gesellschaftlich konstruierten Geschlechterhierarchien aufrecht zu halten, denn misogynes Verhalten dient in erster Linie dazu, die patriarchale Ordnung fortzuführen. Es ist also Mittel zum Zweck (vgl. Geier 2020, S. 2). Die Frau* bzw. das weibliche* Geschlecht wird innerhalb dieser Ordnung negativ stigmatisiert, was sich in normativen Erwartungen und Vorstellungen an die Geschlechter widerspiegelt (vgl. Wannenmacher 2020, S. 3). Manne hat ihr Werk „Down Girl - die Logik der Misogynie“ genannt. Mit diesem Titel hat sie versucht, die Rolle der Frau* mit nur zwei Worten zu beschreiben. Der Ausdruck „down“ wird verwendet, um Hunden eine Anweisung zu geben, damit sie gehorsam sind, er beschreibt also ein Machtverhältnis (vgl. Lenhart 2019, S. 2). „Down Girl“ wird hier als eine Aufforderung verstanden, eine Art der Platzanweisung innerhalb der patriarchalen gesellschaftlichen Ordnung. Mit der Benennung „girl“ wird die Frau* verniedlicht (vgl. Keul 2020, S. 2).
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