Die Geschichte der Neuen Frauenbewegung und ihre Institutionalisierung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Kampf um § 3 Absatz 2 GG

3. Die Neue Frauenbewegung
3.1. Ursprung
3.2. Kampf um § 218
3.3. Entstehung einer feministischen Subkultur
3.4. Zwischenresumée

4. Erste Institutionalisierung
4.1. Wer fordert sie ein
4.2. Richtungsweisende Gesetzesänderungen und –neuerungen im Zuge der Neuen Frauenbewegung
4.3. Frauengleichstellungsstellen als Instrumente zur Durchsetzung der Gleichberechtigung
4.4. Innerparteiliche Frauenorganisationen

5. Das ambivalente Verhältnis von Feministinnen gegenüber der Institutionalisierung der Neuen Frauenbewegung

6. Wahlverhalten der Frauen

7. Fazit

8. Bibliographie

1. Einleitung

Durch die Einrichtung von Gleichstellungsstellen, sowie den Impulsen zur Frauen- und Geschlechterforschung – feministische Forscherinnen sind heute in vielen Disziplinen zu finden[1] – hat sich die Frauenbewegung weitestgehend institutionalisiert. Die Diskussionen um die gesellschaftliche Stellung der Frauen finden nunmehr vorrangig in den Parteien und anderen etablierten Organisationen statt. Vorliegende Hausarbeit geht der Fragestellung nach, wie diese Institutionalisierung der Neuen Frauenbewegung von Statten gegangen ist und aus welchen Reihen die InitiatorInnen dieses Institutionalisierungsprozesses kamen. Dabei soll zuerst vor dem historischen Hintergrund der Fixierung des Artikels 3 Absatz 2 des Grundgesetzes die Entstehung und phasenförmige Entwicklung der Neuen Frauenbewegung beleuchtet werden. Besonderes Augenmerk lege ich dabei auf den Kampf um die Abschaffung des § 218 StGB sowie die sich anschließende Herausbildung einer feministischen Subkultur. Im Anschluss dokumentiere ich die Anfänge der Institutionalisierung in Form von richtungsweisenden Gesetzesänderungen. Meine Darstellung bewegt sich im Zeitraum von 1949 bis in die 90er Jahre. Gesondert beleuchte ich im nächsten Kapitel die Entstehung von Frauengleichstellungsstellen bis hin zur Einrichtung von Frauenministerien. Mit Rücksicht auf den Umfang vorliegender Hausarbeit beschränke ich mich hierbei auf einen gekürzten Abriss einer chronologischen Entstehung dieser Einrichtung.[2] Um die Auswirkungen des sich entwickelnden Bewusstseins von frauenpolitischen Problematiken auf innerparteiliche Prozesse zu beleuchten, dokumentiere ich im Anschluss Frauenorganisationen in ausgesuchten bundesdeutschen Volksparteien. Da innerhalb der Neuen Frauenbewegung ein ambivalentes Verhältnis zu politischen Instrumentarien existiert, weise ich diese Kontroverse auf, um positive wie negative Aspekte der Institutionalisierung verdeutlichen zu können. Ein Exkurs über das Wahlverhalten von Frauen vom Ende der 50er bis in die 70er Jahre hinein soll als Spiegel der Wirksamkeit frauenpolitischer Debatten fungieren und das wachsende Selbstbewusstsein der Wählerinnen vor dem Hintergrund der Neuen Frauenbewegung dokumentieren.

2. Der Kampf um § 3 Absatz 2 GG

Die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz stellt den Beginn der formalen Gleichberechtigung im bundesdeutschen Recht dar. Deshalb werden im Folgenden die Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung dieses bedeutsamen Artikels dokumentiert, um die Wichtigkeit weiblichen Engagements für die Durchsetzung von Gleichberechtigung zu unterstreichen.

Ein neues Grundgesetz für die BRD auszuarbeiten, so lautete der Auftrag des Parlamentarischen Rates, der von 1948 bis 1949 bestand. Die Formulierung des bis 1989 bestehenden, für die Integration der Frauen unmissverständlich wichtigen Artikel 3 Absatz 2 war maßgeblich Elisabeth Selbert[3] (SPD) verantwortlich. Mit weiteren drei Frauen vertrat sie die weibliche Bevölkerungsmehrheit in dem insgesamt 65-köpfigen Gremium.[4] Sollte der Wortlaut zuerst wie folgt in das Grundgesetz aufgenommen werden: „Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte“, so ist es maßgeblich der Verdienst Selberts, dass er in der folgenden Form in das Rechtswerk eingegangen ist: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Die Juristin hatte erkannt, dass mit dem aus der Weimarer Republik übernommenen Wortlaut im Grundgesetz die patriarchalen Bestimmungen im Ehe- und Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches weiter Bestand gehabt hätten. Diese letztendlich nach langen Debatten insbesondere mit den Konservativen, nach wirksamer Öffentlichkeitsarbeit durch Selbert und waschkörbeweise Proteste und Eingaben von Einzelpersonen fixierte Formulierung umfasste alle Bereiche im gesellschaftlichen, sozialen und familiären Leben.[5] Da man sich der Konsequenzen des Artikels für andere Rechtsbereiche im Klaren war, wurde eine Übergangsfrist bis 1953 festgelegt.[6] Bis zu diesem Zeitpunkt sollte das Rechtswerk der BRD in Übereinstimmung mit dem Gleichberechtigungsartikel gebracht werden.[7]

3. Die Neue Frauenbewegung

3.1. Ursprung

Die neue Frauenbewegung ist im Zuge der antiautoritären Studentenbewegung entstanden. Protestierten Frauen und Männer 1968 gemeinsam gegen gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustände in der BRD, hinterfragten überlieferte Normen und Werte und forderten gemeinsam den Abbau autoritärer Strukturen, so separierte sich zu Beginn der 70er Jahre eine von Frauen getragene Bewegung. Anstoß hierzu waren vor allem persönliche Erfahrungen der Aktivistinnen im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Hier nämlich waren die Genossinnen und Mitkämpferinnen alles andere als gleichberechtigt gewesen. Die Aktivitäten der Studentinnen beschränkten sich meist auf Schreibtätigkeiten, Kinderbetreuung und die Versorgung des leiblichen Wohls.[8] Auf studentischen Versammlungen und in Diskussionsforen nahmen Frauen nur selten das Rederecht wahr, was mitunter auf die Resonanz ihrer Beiträge im Publikum zurückzuführen ist. Die Konsequenz dieser, für die Studentinnen unbefriedigenden Situation war die Gründung von Frauenräten. Die erste dieser Gruppen wurde von Mitgliedern des Sozialistischen Studentenbundes 1968 in Berlin gegründet und nannte sich „Aktionsrat zur Befreiung der Frau“.[9] Weitere regionale Gruppen, so zum Beispiel der „Frankfurter Weiberrat“ folgten dem Beispiel der Berlinerinnen und organisierten sich in separierten Gruppen. Die Gründung von Organisationsverbänden mit weiblichen Mitgliedern bedeutete aber nicht, dass andere Zielinhalte als die des SDS oder anderer progressiver Gruppen im Fokus standen.[10]

3.2. Der Kampf um § 218 StGB

Außerhalb der linken Studentenszene entstanden zahlreiche Fraueninitiativen gegen den § 218 StGB, der – mit Ausnahme einer medizinischen Indikation – Abtreibung generell verbot. Als sich am 3. Juni 1971 in der Zeitschrift Stern 374 zum Teil prominente Frauen zum illegalen Abbruch einer Schwangerschaft bekannten, wurde mit dieser spektakulären Aktion auch nach außen die Existenz einer Frauenbewegung deutlich. Diese Aktion hatte es bereits in Frankreich gegeben, und Alice Schwarzer hat die öffentlichkeitswirksame Idee nach Deutschland importiert. Die Aktion führte zur Gründung mannigfaltiger Frauengruppen in verschiedensten bundesdeutschen Städten, die über den Abtreibungsparagraphen und dessen Abschaffung diskutierten. Bei Großkundgebungen, nationalen Kongressen und Tribunalen forderte die Bewegung, die sich den Namen „Aktion 218“ gegeben hatte, die ersatzlose Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch, Bezahlung des Schwangerschaftsabbruches durch die Krankenkassen, Pille auf Krankenschein und umfassende Sexualaufklärung. Demonstrationen, Störungen von Ärztekongressen, Unterschriftenaktionen, kollektive Kirchenaustritte und weitere Selbstbezichtigungen von Frauen und Ärzten begleiteten den Prozess.

Der Kampf gegen den Artikel 218 schweißte feministische, reformistische und sozialistische Frauenorganisationen zusammen und sprach auch viele Frauen der verschiedensten Parteien und der Gewerkschaften an. Das Ende der gemeinsamen Aktionen sollte der Entscheid des Bundesverfassungsgerichtes sein: Durch die erfolgreiche Klage der CDU/CSU, die die parlamentarische Entscheidung der sozial-liberalen Koalition nicht akzeptierte, zersplitterte die Frauenbewegung erneut und verlor sich in vielerlei Kanälen. Es folgt eine Art Rückzugsphase, die im folgenden beschrieben werden soll.

[...]


[1] 1982 wurde die erste Frauenforschungsprofessur eingerichtet; vgl.: Hoecker, Beate: Frauen, Männer und die Politik, Dietz 1998, S. 14.

[2] Eine genauere Beschreibung der Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte solcher Frauengleichstellungsstellen findet sich bei: Rudolph, Clarissa: Die Institutionalisierung von Frauenpolitik im Parteienstaat; in: Elke Biester u.a. (Hg.): Gleichstellungspolitik – Totem und Tabus: eine feministische Revision, Frankfurt a. M./ New York 1994, S. 72ff.

[3] Elisabeth Selbert (1896-1986) nahm nach dem 2. Weltkrieg, in dem sie ihre Familie aufgrund der Inhaftierung ihres Mannes alleine ernähren musste, die politischen Aktivitäten wieder auf. 1946 wurde sie Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung des Landes Hessen, zog in den Hessischen Landtag ein und blieb bis 1958 Abgeordnete. Von 1946-1955 gehörte sie auch dem SPD-Parteivorstand an. 1948 wurde sie Mitglied des Parlamentarischen Rates und kämpfte hier vorrangig für die Gleichstellung von Mann und Frau. Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik konzentrierte sie sich auf ihre Anwaltskanzlei in Kassel, die sie bis ins hohe Alter führte; vgl. Hoecker 1998: 37.

[4] Neben den Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert und Frieda Nadig waren die Christdemokratin Helene Weber und die Zentrumsabgeordnete Helene Wessel Mitglieder des Gremiums; vgl. Hoecker 1998: 35.

[5] Vgl. Hoecker 1998: 34.

[6] Vgl. Artikel 117 Absatz 1. Hiermit war insbesondere eine Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1900 gemeint, das die Unmündigkeit und Ungleichbehandlung von Frauen nach wie vor festschrieb.

[7] Der Gesetzgeber kam diesem Anpassungsgebot nur sehr zögernd nach, was sicherlich auch damit zusammenhing, dass Frauen im ersten Deutschen Bundestag – wie auch in den folgenden Legislaturperioden – mit einem Anteil von unter zehn Prozent nur marginal repräsentiert waren. Statt dessen mussten immer wieder Frauen und Frauenverbände den Weg über das Bundesverfassungsgericht nehmen, um die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu erzwingen; Hoecker 1998: 38.

[8] Vgl. Hoecker 1998: 11; Haug, Frigga: Frauenpolitiken, Berlin 1996, S. 179.

[9] Vgl. Haug 1996: 180.

[10] Doormann, Lottemi: Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Köln 1983, S. 67.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte der Neuen Frauenbewegung und ihre Institutionalisierung
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Politikwissenschaftliches Institut HU)
Veranstaltung
Hauptseminar: „Gender Mainstreaming – Vergleichende Analyse der Regierungspolitik „für Frauen“ in ausgewählten west- und osteuropäischen Ländern sowie den USA“
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V124646
ISBN (eBook)
9783640298167
ISBN (Buch)
9783640303427
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichte, Neuen, Frauenbewegung, Institutionalisierung, Hauptseminar, Mainstreaming, Vergleichende, Analyse, Regierungspolitik, Frauen“, Ländern, USA“
Arbeit zitieren
Christine Scheiter (Autor:in), 2005, Die Geschichte der Neuen Frauenbewegung und ihre Institutionalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124646

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