Arbeitslosigkeit - Bildet sich eine Unterschicht von dauerhaft prekär oder nicht Beschäftigten in Deutschland heraus?


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was versteht man unter Prekarisierung ?

3. Erklärungsansätze über Arbeitslosigkeit vs. Armutsforschung

4. Grundsicherungsmodelle

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Seit einiger Zeit ist die Diskussion über die neue deutsche Unterschicht ein verstärkt politisches Thema. Laut der Studie „Gesellschaft im Reformprozess“ der Friedrich-Ebert-Stiftung sind acht Prozent der Deutschen der sozialen Unterschicht zuzurechnen, das sind circa 6,3 Millionen Menschen.[1] Angehörige der Unterschicht haben zumeist eine niedrige bis mittlere Bildung, üben oft eine einfache und somit unterbezahlte Tätigkeit aus oder sind in den meisten Fällen arbeitslos. Die Angst ist groß, sozial weiter abzusteigen und den, wenn vorhandenen, Job wieder zu verlieren. Es gibt zu viele, die keinerlei Hoffnung mehr haben, den Aufstieg zu schaffen; sie finden sich mit ihrer Situation ab und arrangieren sich materiell und sozial. Dabei stellt sich die Frage, ob sich eine Unterschicht von dauerhaft prekär oder nicht Beschäftigten in Deutschland herausbildet. Diese Frage soll in der vorliegenden Hausarbeit erläutert und analysiert werden. Grundlage dessen sind Definitionsansätze über die Prekarisierung, den Begriff der Armut und der Arbeitslosigkeit. Anhand der Darstellung verschiedener Grundsicherungsmodelle soll erläutert werden, welche positiven und negativen Aspekte diesen Modellen zugrunde liegen und wie sie miteinander verglichen werden können. Ausgehend davon soll analysiert werden, inwieweit die Theorien über Unterschicht und Arbeitslosigkeit miteinander in Zusammenhang stehen und sich gegenseitig beeinflussen.

2. Was versteht man unter Prekarisierung?

Im ersten Teil der vorliegenden Hausarbeit soll geklärt werden, ob sich eine Unterschicht von dauerhaft prekär oder nicht Beschäftigten in Deutschland herausbildet. Zunächst möchte ich den Begriff der Prekarisierung näher erläutern. Es bezeichnet die stetige Zunahme von Arbeitsplätzen mit geringer Arbeitsplatzsicherheit, niedrigem Lohn, Teilzeitbeschäftigung, befristeten Verträgen und mangelnden Kündigungsschutz in der Gesellschaft. Allerdings ist nicht jede atypische Beschäftigung wie Teilzeitarbeit auch gleichzeitig prekär: „Prekär ist Erwerbsarbeit in der Regel dann, wenn der Lohn deutlich unter dem Durchschnittseinkommen liegt, keine zuverlässige Zukunftsplanung für den einzelnen möglich ist und Arbeitnehmerschutzrechte reduziert sind.“[2] Die Ursachen für die Zunahme prekärer Beschäftigungsformen und das Zurückdrängen des Normalarbeitsverhältnisses sind mannigfaltig. Die Internationalisierung der Märkte und Globalisierungsprozesse erzeugen einen hohen Konkurrenzdruck für Wirtschaft und Betriebe. Sie sind gezwungen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, wobei die Lohnkosten eine enorm große Rolle spielen. Oft werden von der Arbeitgeberseite prekäre Beschäftigungsverhältnisse auch als Brücke zu gesicherten Arbeitsplätzen verstanden. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse führen nicht nur zu Unsicherheitsgefühlen bei den unmittelbar Betroffenen, sondern reflektieren dieses Gefühl auch auf die Beschäftigten in gesicherten Normalverhältnissen. Zukunftsangst und Gefühle der Unsicherheit breiten sich in weiten Teilen der Bevölkerung aus. Ebenfalls schränkt die Ausübung einer prekären Beschäftigung die Chancen einen rationalen, längerfristigen Lebensplan zu entwickeln, ein. Die Erwerbstätigen spalten sich zunehmend in zwei Gruppen auf, in jene, die fest angestellt sind, um es zu bleiben und in solche, die zu vielem bereit sind, um der Unsicherheit zu entfliehen. Aber was sind die Ursachen der fortschreitenden Prekarisierung? Es muss eine Erklärung für die Ausbreitung flexibler und häufig eben prekärer Beschäftigungsverhältnisse bei den ökonomisch- politischen Ursachen dieser Entwicklung ansetzen. Eine fortschreitende Marktsteuerung und Prekarisierung von Erwerbsarbeit ist nicht nur Folge, sondern auch in gewisser Weise eine Funktionsbedingung eines Kapitalismusmodells. Über das Ausmaß prekärer Beschäftigung wird jedoch höchst kontrovers geurteilt. Ein Indikator ist die Zunahme so genannter atypischer oder nicht- standardisierter Beschäftigungsverhältnisse. Deren Bandbreite reicht von häufig erwünschter und auch tariflich geschützter Teilzeitarbeit über befristete Beschäftigungsverhältnisse, Leih und Zeitarbeit bis hin zu abhängigen Selbständigen, Ich- AGs und Minijobs. Nicht jede dieser Beschäftigungsform wird als prekär empfunden, aber sie besitzen ein „prekäres Potential“. Die atypischen Beschäftigungen müssen nicht unbedingt prekär sein, wenn die Betroffenen sich nicht anderweitig abgesichert haben. Dennoch sehen sich die meisten atypischen Beschäftigungsformen einem Prekaritätsrisiko ausgesetzt, da sie weniger Einfluss auf Arbeitsbedingungen haben und flexible Arbeitsverträge meist einen Zwang zur Unsicherheit bedeuten. Die Auswirkungen der Flexibilisierung finden sich in manchen Branchen in konzentrierter Form, wie zum Beispiel im Baugewerbe und im Einzelhandel. Hier sind Normarbeitsverhältnisse nicht mehr erreichbar.[3] Der Einzelhandel gilt als Vorreiter für die Nutzung prekärer Beschäftigungsformen. Befristete Verträge, Teilzeitarbeit und die Verwandlung von Normarbeitsverhältnissen stehen an der Tagesordnung. Ein relativ kontinuierlich wachsender Teil der Erwerbsbevölkerung ist bei der Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf flexible Arbeitsformen angewiesen. Dennoch sind flexible Beschäftigungsverhältnisse kein neues Phänomen und es gibt auch keine dramatische Expansion solcher Beschäftigungsverhältnisse.

3. Erklärungsansätze über Arbeitslosigkeit vs. Armutsforschung

Nun komme ich zu dem zweiten Teil meiner Hausarbeit. Hierbei stelle ich verschiedene Erklärungssätze von Arbeitslosigkeit vor. Später wird ein Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armut hergestellt.

Es gibt viele neue Erklärungssätze für Arbeitslosigkeit. Einige davon möchte ich im folgenden vorstellen: Zunächst soll geklärt werden, wie Arbeitslosigkeit definiert wird. Hierbei gibt es verschiedene Definitionsmöglichkeiten: „Arbeitslosigkeit ist ein Zustand in der Marktwirtschaft, in dem mehr Menschen eine Erwerbsarbeit suchen als finden, weil weniger Arbeitskräfte gebraucht werden als vorhanden sind. Anders ausgedrückt: Das Angebot (an Arbeitskräften) ist größer ist als die Nachfrage.“[4] Eine weitere Definition wäre: „Grundsätzlich scheint es sich bei Arbeitslosigkeit um einen einfachen Sachverhalt zu handeln, nämlich um die Nichtübereinstimmung von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften, genauer gesagt: um ein Angebot, das die Nachfrage übersteigt.“[5] Die Marktungleichgewichte sind aus ökonomischer Sicht jedoch kein Problem, sie treten auf allen Märkten auf und werden laut dem neoklassischen Modell auf eine einfache Art und Weise behoben, was ich im näheren erläutern möchte. Im neoklassischen Ansatz heißt es am Beispiel von Arbeitslosigkeit: „Die Arbeitslosen- die Anbieter von Arbeitskraft – suchen nach Arbeitgebern, die sie zu einem bestimmten Preis (dem angestrebten Lohn) zu beschäftigen bereit sind. Stellen sie fest, dass ein solcher Arbeitgeber nicht zu finden ist, so senken sie den Preis für ihre Arbeitskraft so lange, bis entweder ein Arbeitgeber bereit ist, sie einzustellen, oder bis ein Lohnniveau unterschritten ist, zu dem sie überhaupt bereit sind ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.“[6] Jedoch wenn dieser so genannte „Anspruchslohn“ nicht gezahlt wird, gehen viele in die „freiwillige Arbeitslosigkeit“, damit schaffen sie sich den damit verbundenen Gewinn an Freizeit. Es kann sich bei diesem Modell der Arbeitslosigkeit nur um eine kurzfristige Dauer handeln, da sich eine anhaltende Arbeitslosigkeit nur durch Störungen der Marktkräfte entwickeln kann. Solche Störungen sind im neoklassischen Ansatz das Eingreifen des Staates auf den Markt. Hierbei gehören zum Beispiel hohe Steuerlasten, hohe (erzwungene) Lohnnebenkosten, wie Sozialabgaben und auch gesetzlich vorgeschriebene Flächentarifverträge, die einzelne Unternehmen dazu zwingen, kaum Flexibilität bei den Lohnvereinbarungen zu lassen. Als ein weiterer Eingriff wäre hier auch die Schaffung der gesetzlichen Mindestlöhne zu nennen. Die Folgen dieser Eingriffe im neoklassischen Modell ist eine Verteuerung von Arbeitskraft, die über den Marktpreis hinaus geht, die jedoch nicht nur beschäftigungsfeindlich ist, sondern auch in mittel- und längerfristiger Perspektive zur Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit niedrigeren Lohnkosten führt und die Unternehmen im Inland zur Produktivitätssteigerung zwingt. Als Folge dessen werden weitere Arbeitsplätze abgebaut. Als eine wirksame Gegenmaßnahme sieht man in dieser Theorie den Abbau von „Lohnrigiditäten“, also die Notwendigkeit, vereinbarte Löhne zu zahlen, ebenso die Verringerung von gesetzlichen Regelungen und die Senkungen von Abgaben. Jedoch können nicht nur staatlich Regelungen zu hohen Arbeitskosten führen, sondern auch das Verhalten der Gewerkschaften, welches die Interessen der Erwerbstätigen an hohen Löhnen stärker berücksichtigt als die der Arbeitslosen.[7] Dieses Modell ist auch innerhalb der Ökonomie sehr umstritten.

Nun komme ich zu einem weiteren Erklärungsansatz: dem keynesianischen Modell. Hierbei handelt es sich um Theorien, die Arbeitslosigkeit auf Defizite der Güterfrage zurückführen. „Diese führen der Theorie zu Folge zu Absatzschwierigkeiten und in der Folge zu einem Beschäftigungsabbau und zu Unternehmenspleiten (mit der Folge der Vernichtung von Kapital, welches später erst mühsam wieder aufgebaut werden muss). Das beste Gegenmittel gegen Arbeitslosigkeit, wie üblicherweise angewendet gegen Wirtschaftsflauten, ist demnach eine Stärkung der (Binnen-)Nachfrage, so dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt und neue Arbeitsplätze entstehen.[8] Jedoch sind diese Folgerungen der reinen neoklassischen Theorie genau entgegengesetzt. Da sich der Staat zur Stärkung der Nachfrage gerade in der Wirtschaftsflaute verschulden sollte, um selbst Investitionen zu tätigen und darauf zu achten, dass die Löhne nicht zu stark sinken, da dies weitere Nachfrageausfälle zur Folge hätte.[9] Da sich beide Modelle mit der Erklärung des langjährigen Bestehens von Arbeitslosigkeit äußerst schwer tun, spricht man nun von einer neuen Theorie: der Hysteresis- Theorie, bei der die Arbeitslosigkeit nicht nur von den genannten Faktoren, sondern auch von früherer Arbeitslosigkeit abhängt. Es spielt hierbei die bisherige Entwicklung der Arbeitslosigkeit eine enorme Rolle. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen, beispielsweise die Entwertung von Humankapital oder der Selektions-Prozesse von Arbeitgebern. Ein Beispiel ist hierfür die Situation in Deutschland nach der Ölkrise von 1974/75. Damals schossen die Arbeitslosenzahlen in die Höhe und es fand keine Rückentwicklung des vorherigen Niveaus statt. Die Arbeitslosigkeit verharrte nun auf dem neuen Niveau. Die einzelnen Grundideen sind zwar wichtig, jedoch äußerst unbefriedigend, da sie meist sehr allgemein formuliert sind und zu stark von den konkreten Gegebenheiten von Arbeitsmärkten abstrahieren. Es wird zum einen darauf hingewiesen, dass in den einzelnen Berufen ein Mangel an Arbeitskräften herrscht, trotz hoher Arbeitslosigkeit. Das liegt daran, dass die Arbeitnehmerschaft in Deutschland zu stark verberuflicht ist. Die Arbeitnehmer sind sehr gut in ihrem Beruf ausgebildet, das hat allerdings zur Folge, dass sie schlecht in einem anderen Bereich einzusetzen sind. Jeder Beschäftigte ist mit einem speziellen Humankapital ausgestattet, welches sich nicht auf jede beliebige Tätigkeit übertragen lässt. „Man spricht in diesem Zusammenhang von mismatch-Arbeitslosigkeit, also Arbeitslosigkeit, die durch fehlende „Passung“ (match) zwischen der Nachfrage und dem Angebot Arbeitskräften entsteht.“[10] Als Beispiel zu nennen wäre hier die Ausbildung der Arbeitskräfte. In Deutschland besteht eine relativ geringe Nachfrage an unqualifizierten Arbeitskräften. Eine Lösung hierfür wäre wie in den USA die Schließung der „Dienstleistungslücke“ und eine Einführung der „Dienstbotengesellschaft“. Das heißt für wenig Geld entsprechende Tätigkeiten auszuführen. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Vision in Deutschland realisierbar wäre und ob es das Arbeitslosigkeitsproblem wirklich reduzieren würde. Ein weiteres Problem in der heutigen Gesellschaft stellt die Technisierung dar. Manuelle Tätigkeiten werden durch moderne Technologien ersetzt. Jedoch entstehen dadurch meist neue Arbeitsplätze. Es bleibt die Frage, ob man die durch die Produktivitätsfortschritte eingesparten Arbeitsplätze komplett ersetzen kann oder nicht? Da die Dienstleistungsarbeit schwerer zu rationalisieren ist, hat man lange Zeit angenommen, dass dies die optimale Lösung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei. Es hängt auch von der Bereitschaft ab, für diese zu bezahlen. Allerdings hängt diese mit einem funktionierenden Produktionssektor zusammen. Also wird hier der Trend zu höher qualifizierten Berufen unverkennbar. Der Wissensfortschritt ist unbedingt nötig, dieser wird durch Aus- und Weiterbildungen unterstützt. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass eine höhere Bildung und der Fortschritt von Wissen unabdingbar ist.

[...]


[1] Vgl. „Gesellschaft im Reformprozess“ – eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, aus: http://www.fes.de/aktuell/documents/061017_Gesellschaft_im_Reformprozess_komplett.pdf (30.09.2008)

[2] Zitat aus: Brinkmann: Prekäre Arbeit: S.5

[3] Vgl: Brinkmann S. 41

[4] Vgl: http://www.bpb.de/suche/?all_search_action=search&all_search_text=arbeitslosigkeit

[5] Zitat aus: Mayerhofer: Arbeitslosigkeit. S. 201

[6] Zitat aus: Mayerhofer: Arbeitslosigkeit. S. 202

[7] Vgl: Ludwig- Mayerhofe Arbeitslosigkeit S.202/203

[8] Zitat aus: Ludwig- Mayerhofer: Arbeitslosigkeit S.203

[9] Vgl: : Ludwig- Mayerhofer Arbeitslosigkeit: S.203

[10] Zitat aus: Ludwig- Mayerhofer Arbeitslosigkeit: S. 204

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Arbeitslosigkeit - Bildet sich eine Unterschicht von dauerhaft prekär oder nicht Beschäftigten in Deutschland heraus?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Soziologie)
Veranstaltung
Soziale Ungleichheit und Arbeitsmarktstruktur
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V124849
ISBN (eBook)
9783640299249
ISBN (Buch)
9783640304226
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitslosigkeit, Bildet, Unterschicht, Beschäftigten, Deutschland, Soziale, Ungleichheit, Arbeitsmarktstruktur
Arbeit zitieren
Anika Geldner (Autor:in), 2008, Arbeitslosigkeit - Bildet sich eine Unterschicht von dauerhaft prekär oder nicht Beschäftigten in Deutschland heraus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124849

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