Multiple Persönlichkeiten


Term Paper, 2000

20 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Multiple Persönlichkeiten
2.1 Zur Geschichte der Multiplen Persönlichkeit
2.2 Zur heutigen Definition der Multiplen Persönlichkeitsstörung
2.3 Erörterung der Definition
2.4 Diagnose: Multipel oder nicht?

3. Entstehung einer Multiplen Persönlichkeit
3.1 Wer kann Multipel werden?
3.2 Vorraussetzung: Schwerste Kindheitstraumata
3.3 Vorraussetzung: Weiblich (?)
3.4 Vorraussetzung: Dissoziieren können
3.5 Vorraussetzung: Keiner hilft

4. Wer sind die Täter?
4.1 Täter in der Familie
4.2 Täter von „Außerhalb

5. Abschließend

6. Literaturliste

1.Einleitung

In folgender Ausarbeitung versuche ich das Erscheinungsbild einer Multiplen Persönlichkeit, die Voraussetzungen, durch welche es zu einer Multiplen Persönlichkeit kommt und die dafür zu Verantwortenden, die Täter, darzustellen.

Dass es sich um die Folgeerscheinung einer kaum vorstellbaren erlebten Gewalt handelt, welche die Betroffenen seit ihrer frühesten Kindheit, teilweise sogar bereits im Mutterbauch, erleben und erdulden mussten.

Dass die jeweils Betroffenen nicht „verrückt“ sondern schwer traumatisiert sind.

Keiner Einweisung in eine geschlossene Anstalt bedürftig sind (nur wenn akute Verletzungsgefahr für die Person selber oder außenstehender Personen besteht), da ein Zwangsaufenthalt die persönliche Freiheit der PatientIn sowie deren ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis erheblich beschneiden würde und somit eine erneute Traumatisierung zur Folge haben könnte.

Multiple haben, zusätzlich zu den Auswirkungen ihrer verschiedenen gebildeten Persönlichkeiten und den damit verbundenen Verwirrungen der „Gesamtperson“, auch noch damit zu kämpfen, dass sie vielfach als „Verrückte“ oder Simultanten bezeichnet werden.

Da die Multiple Persönlichkeit bis heute (!) immer noch vielfach als Diagnose abgelehnt und in den Bereich der Schizophrenie abgeschoben wird, können Multiple Persönlichkeiten vielfach nicht geheilt werden, da keine entsprechende Kenntnisse von seiten der behandelnden Therapeuten / Psychologen bestehen.

2. Multiple Persönlichkeiten

2.1 Zur Geschichte der Multiplen Persönlichkeit

Beim Lesen historischer Texte und Begebenheiten, könnten, wenn man ein Augenmerk darauf richtet, viele Ereignisse bzw. Persönlichkeitsschilderungen auf eine Multiple Persönlichkeit schließen lassen.

Henry F. Ellenberger tat dieses und stellt in seinem Buch „Die Entdeckung des Unbewußten“ historisch dokumentierte Fälle von „Besessenheit“ dar:

„Das Phänomen der Bessenheit, das jahrhundertelang so häufig war, kann man sehr wohl als eine Variante der >multiplen Persönlichkeit> ansehen. Wir haben die zwei Formen der Bessenheit...genannt: luzide Bessenheit (in der der Mensch wahrnimmt, wie die zwei Seelen in seiner Brust ringen) und somnambule Bessenheit (bei der der Mensch das Bewußtsein seiner selbst verliert, während ein geheimnisvoller Eindringling von seinem Körper Besitz ergreift und als ein Individuum spricht, von dem der Mensch nichts weiß, wenn er zum Bewußtsein zurückkehrt). Man sieht, welche Parallele diese beiden Formen von Bessenheit zu...der >multiplen Persönlichkeit< bilden.“[1]

Die als „Hexen“ bezeichneten Frauen, welche oftmals dargestellt wurden als „vom Teufel besessen“ weil sie im Handumdrehen eine andere Person waren und dementsprechend anders sprachen ( „in fremden Zungen redete“), lassen vom heutigen Stand auch an Multiple Persönlichkeiten denken.

Von 1880 bis 1920 sind besonders hervorzuheben die Arbeiten von Pierre Janet, einem französischen Psychiater. In dieser Zeit wurde sich allgemein anscheinend gerne mit dem Thema der dissoziativen Störungen beschäftigt.

Anhand des damals sehr berühmten Falles der Christine Beauchamp, welche in ihrer Kindheit schwer traumatisiert worden war, wurden zwei Standpunkte diskutiert:

„Dipsychismus“ hieß, dass das Gehirn geteilt sei in ein „oberes Bewußtsein“ und ein „Unterbewußtsein“.

Beim „Polypsychismus“ wurde die Meinung vertreten, dass das Gehirn in viele Bereiche unterteilt ist. Jeder davon mit einem „subego“ ausgestattet. Die Bereiche werden weiter kontrolliert und „regiert“ von einem sog. „Egos“[2]

Die Theorien Freuds führten zu einer dramatischen Verschlechterung für traumatisierte Frauen.

Zu Beginn erkannte Freud zwar an, dass seine als „hysterisch“ bezeichneten Patientinnen sexuelle Erlebnisse, bzw.

„..ein oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexueller Erfahrung..“[3]

hatten, doch dies dementierte er wenig später wieder zugunsten seiner „Verführungstheorie“. Diese besagte, dass die als „hysterisch“ diagnostizierten Frauen sich insgeheim wünschten, von ihrem Vater verführt zu werden.

Die führte also zu einer Verdrängung der Realität. Michalea Huber zitiert zu dieser Entwicklung die Traumforscherin Judith Hermann, welche bei ihren Forschungen zu folgendem Ergebnis kam:

„Aus seinen (Freuds) Briefen geht hervor, dass ihn die drastischen sozialen Konsequenzen, die seine Hypothese nahelegten, zunehmend beunruhigten. Weibliche Hysterie war weit verbreitet. Wenn seine Patientinnen die Wahrheit gesagt hatten und seine Theorie stimmte, blieb nur die Folgerung, dass das, was er >Perversion gegen Kinder< nannte, weit verbreitet war. Solche Dinge kamen demnach nicht nur im Pariser Proletariat vor, wo er die Hysterie zuerst erforscht hatte, sondern auch unter geachteten bürgerlichen Familien in Wien, wo er mittlerweile praktzierte. Dieser Gedanke war schlichtweg unannehmbar. Er überstieg das Vorstellungsvermögen. Konfrontiert mit dem Dilemma gab es Freud auf, seinen Patientinnen zuzuhören..“[4]

Es erfolgte mit wenigen Ausnahmen ein allgemeines Desinteresse an der Multiplen Persönlichkeit.

Weiter schien allgemein die Diagnose der „Schizophrenie“, welche 1908 von Bleuer ausgesprochen wurde, auf mehr Interesse zu stoßen.

Dazu bemerkt Michaela Huber „Diese Entwicklung ist heute noch wirksam: Rund

40% aller als „schizophren“ diagnostizierten Psychiatrie-Patienten sind vermutlich in Wirklichkeit multiple Persönlichkeiten.“[5]

Ein wichtiger Grund für das Desinteresse an der diagnostizierten Multiplen Persönlichkeit war die Entwicklung von Psychopharmaka, Neuroleptika.

Das zu behandelnde Problem wurde aus den Bereich der Psychotherapie, welche psychische Erkrankungen therapeutisch versucht zu heilen, in den Bereich der organisch biologischen Psychologie verschoben.

Das bedeutet für eine Multiple Persönlichkeit eine große Gefahr, da Psychopharmaka, falls überhaupt, bei Multiplen nur sehr sorgfältig eingesetzt werden dürfen. Die durch Dissoziation entstandenen verschiedenen Persönlichkeiten reagieren sehr unterschiedlich auf Medikamente. Dazu später mehr.

Erst 1980 (!) wurde eine „Dissoziative Störung“ aufgenommen in das internationale Diagnostik-Handbuch für psychische Störungen.

In der Folge erschienen aufsehenerregende Schilderungen von Multiplen Persönlichkeiten, u.a. das Buch „Sybil“, welches die Therapie einer Multiplen bei Cornelia Wilbur (verst.1991) dokumentiert.

Die „International Society for the Study of Multiple Personality and Dissociation (ISSMP&D)“ gründete sich 1984 und nannte sich zehn Jahre später um in die „International Society for the Study of Dissociation (ISSD).

Stationäre Kliniken speziell für Multiple entstanden in der USA und in Kanada.

In Europa entstand ausschließlich in den Niederlanden eine Klinik, in welcher es zwei Stationen mit etwa einhundert ausgebildeten Psychotherapeuten für Multiple gibt.

Es gibt wenig Studien zur Ausbreitung einer dissoziativen Störung, geht man von dem spärlichen Material aus, welches vorhanden ist (Studien aus Nordamerika), haben „rund 10% der Bevölkerung eine dissoziative Störung, etwa 1% könnte eine Multiple Persönlichkeitsstörung haben. Bei ambulanten und stationären Psychiatrie-PatientInnen scheint die Rate weitaus höher zu liegen, nämlich zwischen 5 und 15 %.“[6]

2.2 Zur heutigen Definition der Multiplen Persönlichkeitsstörung

Die Definition der Multiplen Persönlichkeit lautet im DSM-III-R (internationales Diagnostikhandbuch für psychische Störungen) von 1987:

„A)Existenz von zwei oder mehr unterschiedlichen Persönlichkeiten oder Persönlichkeitszuständen innerhalb einer Person (jede mit einem eigenen, relativ überdauernden Muster, die Umgebung und sich selbst wahrzunehmen, sich auf sie zu beziehen und sich gedanklich mit ihnen auseinanderzusetzen).
B)Mindestens zwei dieser Persönlichkeiten oder Persönlichkeitszustände übernehmen wiederholt die volle Kontrolle über das Verhalten des Individuums.“[7]

2.3 Erörterung der Definition

Bei dem unter A geschilderten Phänomen handelt es sich um die Dissoziation, Abspaltung in die verschiedenen Personen, welche als diese weiterleben.

Bei B wird die Tragweite deutlich, dass es sich nicht um eine „innere Stimme“ oder ähnliches handelt, sondern das die jeweilige Persönlichkeit die volle Kontrolle über den Körper übernimmt.

Denken, Fühlen, Handeln wie auch äußere Merkmale wie Handschrift, Gestik, Sprechweise, Wortschatz, Haltung verändern sich der jeweiligen „bestimmenden“ Persönlichkeit entsprechend bis hin zu einer Veränderung der Augenfarbe (!), welche gemeinhin als ein festes und unveränderliches Merkmal gilt.

Die Folge von so einem „switch“, einem Persönlichkeitswechsel ist, dass eine Person nicht weiß, was ihr Körper im nächsten Moment macht und was sie selber unter Umständen nie tun würde.

Für die Zeit, in welcher eine andere Person handelte und den Körper „besaß“, fehlt den anderen Persönlichkeiten in diesem Körper jegliche Erinnerung.

Es entstehen damit komplette Amnesien und „Zeitlöcher“ welche die PatientInnen in eine große und kaum vorstellbare Hilflosigkeit stürzen, da sie oft an einem Ort und zu einer Zeit „wieder zu sich kommen“, welche sie nicht einordnen können.

2.4 Diagnostik: Multipel oder nicht?

Wie wird eine Multiple Persönlichkeitsstörung erkannt und diagnostiziert?

Es gibt eine Vielzahl von Dissoziierungsstörungen, welche nicht immer eine Multiple Persönlichkeitsstörung zur Ursache haben.

Multiple selber weisen eine Vielzahl von unterschiedlichen Symptomen auf welches die Schwierigkeit erhöht eine Multiple Persönlichkeitsstörung zu erkennen.

Spekulativ äußert sich Ross über sogenannte „unspezifische“ Merkmale:

„Ich würde spekulieren, dass annähernd 100% derjenigen, die sich mit folgenden Merkmalen vorstellen, an klassischer MPS leiden:

1.Geschichte von sexueller und /oder körperlicher Mißhandlung in der Kindheit.
2.Geschlechtweiblich.
3.Alter von 20-40 Jahre.
4.Zeitverlust, Gedächtnislücken (blank spells).
5.Stimmen im Kopf oder andere Schneidersche Symptome.
6.DSM-III-R-Kriterien für Borderline-Persönlichkeit werden (fast) alle erfüllt.
7.Vorherige psychotherapeutische Behandlungen erbrachten keine substanzielle Besserung.
8.Selbstzerstörerisches Verhalten.
9.Keine Gedankenstörung.
10. Kopfschmerzen“[8]

„Vorraussetzungen zur Entstehung einer Multiplen Persönlichkeit", folgendes Kapitel, setzt sich ausführlicher mit dem Bereich der sexuellen und körperlichen Mißhandlung auseinander. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass schwere Traumatisierungen bei Multiplen Persönlichkeiten vorliegen.

Die sogenannte „Gastgeberpersönlichkeit“, welche meist vorstellig wird bei dem Psychologen, hat meist keine Erinnerungen an ihre Kindheit. Bei Nachfragen diesbezüglich, um sexuellen Mißbrauch zu erfahren, weicht die Person oft aus oder es kann bereits hier zu einem „Personenwechsel“ kommen.

Die Beantwortung der Frage übernimmt dann eine andere Person.

Zu Punkt 2. führt die Meinung, dass anscheinend eine große Mehrheit der mißhandelten und sexuell mißbrauchten Kinder weiblichen Geschlechts sind.

Hierzu ist allerdings hinzuzufügen, dass es sicherlich eine Dunkelziffer zu den Multiplen männlichen Geschlechts gibt, welche unter Umständen höher ist, als wir ahnen.

Das ist soziologisch erklärbar, da dass „Männerbild“ diese in ihren emotionalen Äußerungen erheblich einschränkt, bzw. „Klagen“ und „Jammern“ (eventuell bei einer Therapie?) als deutlich „unmännlich“ abwertet. Bei Frauen und Mädchen hingegen ist der (sexuelle) Mißbrauch gerade zur heutigen Zeit durchaus thematisiert, so dass Fragen welche in diese Richtung zielen, (zum Glück) fast schon normal geworden sind (im Gegensatz zu Jungen und Männern).

Punkt 3. soll nicht heißen, dass eine Multiple Persönlichkeitsstörung erst im Alter von 20 Jahren entsteht. Im Gegenteil, die MPS ensteht vor der Zeit der Persönlichkeitsentwicklung. Also in dem Alter vor dem fünften Lebensjahr.

Meist kommen die Multiplen allerdings erst in dem genannten Alter zu einer Therapie, teilweise bedingt durch die jahrelangen Verzögerungen unseres Gesundheitssystems.

Das steht, wie bei vielen anderen Behandlungen, welche durch äußere Umstände verzögert werden, konträr zu den therapeutischen Zielen, da eine Behandlung auch bei Multiplen eine höhere Erfolgsaussicht hat, je eher die Behandlung stattfinden kann.

Punkt 4. nennt die Zeitverluste, welche ein wesentliches Kennzeichen für MPS sind.

Dabei sollte deutlich unterschieden werden zwischen aktuellen Zeitverlusten und wesentlichen Lücken in der Vergangenheit.

[...]


[1] Ellenberger, H.F.: Die Entdeckung des Unbewußten, 1985, S.186f.

[2] Prince, M.: Dissociation of a Personality, 1906.

[3] Freud, S.: Zur Ätiologie der Hysterie, 1896, in: ders.: Gesammelte Werke, hg. von A.Freud et al, Imago Ausgabe, Bd.1, London, 1952, S.439, zitiert in: Huber, M.:Multiple Persönlichkeiten, 1995, S.22

[4] Hermann, J.: Die Narben der Gewalt, S.26 zitiert in: Huber, M: Multiple Persönlichkeiten, 1995, S.23

[5] Rosenbaum,M: The role of the term schizophrenia in the decline of multiple personality,

in:Huber,M.: Multiple Persönlichkeiten, 1995, S.:24

[6] Ross, C.A.: Epidemiologie of multiple personality disorder and dissociation, in: Huber,M.:Multiple Persönlichkeiten, 1995, S.26

[7] Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, DSM-III-R, 1989, S.:332

[8] Ross, C.A.:Multiple Personality Disorder..,1988, S.102

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Multiple Persönlichkeiten
College
University of Duisburg-Essen  (FB Pädagogik)
Author
Year
2000
Pages
20
Catalog Number
V12484
ISBN (eBook)
9783638183567
File size
385 KB
Language
German
Notes
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand. Die Arbeit baut hauptsächlich auf das Werk "Multiple Persönlichkeiten - Überlebende extremer Gewalt" von Michaela Huber auf.
Keywords
Multiple Persönlichkeiten, Identitätspsychologie, Identitätsstörung
Quote paper
Anke Grams (Author), 2000, Multiple Persönlichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12484

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