Regionale Warlords: Besserere Sicherheitsgaranten als das staatliche Gewaltmonopol in Afghanistan?


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

29 Pages, Note: 2,7


Extrait


Gliederung der Hausarbeit

1. Inhaltliche Einführung und Gliederung
1.1 Inhaltliche Einführung zur Hausarbeit
1.2 Gliederung der Arbeit

2. Historische Hintergründe zum Afghanistan-Konflikt
2.1 Afghanistan – ein Vielvölkerstaat
2.2 Königreich unter Mohammed Sahir Schah
2.3 Russische Besatzung, Mudschaheddin und Taliban
2.4 Internationale Intervention nach

3. Definition von Warlords und die wissenschaftliche Diskussion

4. Warlords in Afghanistan
4.1 Ahmed Shah Masud und Gulbuddin Hekmatyar
4.2 General Rashid Dostum und Ismail Khan
4.3 Warlords in der aktuellen afghanischen Politik

5. Diskussion der Anfangsthese

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Inhaltliche Einführung und Gliederung

1.1 Inhaltliche Einführung zur Hausarbeit

Das Gebiet des heutigen Afghanistan ist in seiner jüngeren Geschichte immer wieder Schauplatz von kriegerischen Auseinandersetzungen geworden, die nicht für nur weltweite Aufmerksamkeit gesorgt haben sondern auch den heutigen Staat Afghanistan zu einem „failed state“[1] entstellt haben. Afghanistan galt in den letzten Jahrhunderten als Schlüsselstaat bei Konflikten im Nahen Osten in seiner Verbindung zu Asien. Immer wieder wollten „Global Player“ das Land durch militärische oder wirtschaftliche Macht regieren, seien es England im 19. Jahrhundert, die UdSSR im 20. Jahrhundert oder die Mudschaheddin oder die Taliban im 21. Jahrhundert.

Mit der „Operation Enduring Freedom“ (OEF-A) und dem Einmarsch der Koalitionstruppen unter der Führung der USA im Jahre 2001 sollten neben den allseits bekannten Zielen „to bring [Osama bin Laden] and other Al Qa’ida leaders to justice; to prevent [Osama bin Laden] and the Al Qa’ida network from posing a continuing terrorist threat...“[2] auch noch weitergehende Ziele erreicht werden, unter anderem „reintegration of Afghanistan as a responsible member of the international community and an end to its self-imposed isolation.“[3]

Das so genannte „State-Building“[4] begann sofort dem Ende des Einmarschs der internationalen Truppen. Schon im Dezember 2001 fanden sich in Bonn (Deutschland) Vertreter Afghanistans und der internationalen Gemeinschaft zur Petersberger Afghanistankonferenz zusammen, auf der sich die Anwesenden auf das so genannte "Petersberger Abkommen" einigten, das einen Stufenplan zur Demokratisierung des Landes sowie die Bildung einer provisorischen Regierung mit dem paschtunischen Stammesführer Hamid Karsai als Vorsitzenden vorsah. Mit Unterstützung der ISAF- und OEF-Truppen sowie dem massiven Support diverser UN-Organisationen und anderer internationaler Organisationen wurden schnell eine Vielzahl von internationalen Hilfsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen im Land tätig. Zudem nahm die Regierung Karzai ihre Arbeit auf und wird seitdem dabei durch die „UN Assistante Mission in Afghanistan“ (UNAMA) unterstützt. Eines der sechs Ziele dieser UN-Mission benennt klar den Staatsaufbau: „assisting Afghanistan’s government towards implementation of the Afghanistan Compact“[5], da in diesem „Afghanistan Compact“ 2006 in London unter anderem die intensivere Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Regierung bei Gewährung von Sicherheit, der Umsetzung demokratischer Regierungsführung oder der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vereinbart wurden.

Doch auch sieben Jahre nach dem Einmarsch der Truppen, der massiven Unterstützung der internationalen Gemeinschaft durch UN und „Afghanistan Compact“ sowie dem „state-building process“ sind die Erfolge marginal. Hamid Karzai wird durch die internationalen Medien häufig abfällig als „Bürgermeister von Kabul“[6] verspottet und sieht sich mittlerweile von einer wachsenden Opposition von erstarkten Warlords und ehemaligen Getreuen (bspw. General Dostum) sowie einer fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung konfrontiert. Auf der anderen Seite stehen die Ambitionen und Forderungen der internationalen Gemeinschaft, der Geber und westlichen Staatschefs nach dem Aufbau einer stabilen Demokratie im Lande.

Gerade die Sicherheitslage ist nicht nur nach Angaben vieler Nicht-Regierungsorganisationen sondern beispielsweise auch nach dem UNHCR-Reports vom 25. April 2007 völlig unbefriedigend: „Die Sicherheitssituation in Teilen Afghanistans (einigen Provinzen und Distrikten) ist weiterhin von unterschiedlichen Bedrohungen für Leib und Leben sowie der allgemeinen Stabilität charakterisiert.“[7]

Es gelingt dem Staatskonstrukt Afghanistan unter der Regierung Karzai nicht die notwendige Stabilität und Sicherheit gerade im Süd-Westen Afghanistans abzusichern, so dass teilweise sogar die Arbeit von UN-Organisationen in einigen Provinzen nur eingeschränkt bzw. gar nicht stattfinden kann. Damit wird eine der Kernfunktionen der Staatsdefinition nach M. G. Schmidt: „eine politisch-rechtliche Ordnung, die eine Personengemeinschaft auf der Grundlage eines Staatsvolkes innerhalb eines räumlich abgegrenzten Gebietes zur Sicherstellung bestimmter Zwecke auf Dauer bindet und einer souveränen Herrschaftsgewalt unterwirft“[8] trotz massiver internationaler Hilfe nicht erfüllt. Stattdessen werden oftmals die staatlichen Aufgaben der Gewährleistungen von Sicherheit in diesen Gebieten durch regionale Warlord – Konfigurationen übernommen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Aufstockung der internationalen Truppen in Afghanistan, verstärkter und besserer Ausbildung der afghanischen Polizei- und Sicherheitskräfte und der Zukunft des afghanischen Staates möchte ich mich diesem Problem des „Zentrum – Peripherie“ – Konfliktes widmen und versuchen Erklärungen zu finden, wieso es dem afghanischen Staat nicht gelingt seinen Bürgern Sicherheit als Gut allgemeingültig zur Verfügung zu stellen.

1.2 Gliederung der Arbeit

Dazu möchte ich die Hausarbeit mit einer Darstellung der historischen Entwicklungen Afghanistans beginnen, die ich für das Verständnis des Prozesses für enorm wichtig erachte, in dem ich mich mit den letzten zwei Jahrhunderten beschäftige und besonders auf der konstitutionellen Monarchie sowie drei Krisenzeiten eingehen: der russischen Besetzung (1979 – 1989), der Kämpfe unter der Mudschaheddin und der anschließenden Eroberung durch die Taliban sowie der internationalen Intervention durch die Koalitionstruppen ab 2001 und versuchen die Entwicklungen nachzuzeichnen.

Im drauffolgenden Kapitel versuche ich darzustellen, wie „Warlord“ als politikwissenschaftlicher Begriff im Rahmen der Diskussion um nicht-staatliche Gewaltakteure verwendet wird und die wissenschaftliche Diskussion dazu verläuft. Dazu führe ich zum einen die Definition von Jutta Bakony/Kristi Stuvoy[9] als auch von Paul Jackson[10] an und versuche diese auf den afghanischen Kontext anzuwenden. Anschließend möchte ich anhand von vier Warlord – Beispielen aus dem afghanischen Kontext die Rolle von Warlords vor und nach der internationalen Intervention 2001 untersuchen. Dabei habe ich mich für Ahmed Shah Masud aus dem Panjishir-Tal sowie Gulbuddin Hekmatyar als zwei Beispiele für die Zeit vor der internationalen Intervention 2001 und für General Rashid Dostum von der Nord-Allianz und Ismail Khan, dem heutigen Gouvaneur der Herat-Provinz, für die Zeit nach der Intervention, entschieden.

Ich möchte die abschließende Diskussion nutzen, um zu zeigen wie die Warlords für die Bevölkerung Sicherheit zur Verfügung stellen und worauf ihre Machtstrukturen basieren. Dazu werde ich den aktuellen „Zentrum – Peripherie“ – Konflikt darstellen, bei dem die Sicherheit häufig von regionalen Warlords und nicht von staatlichen Strukturen bereitgestellt wird. Weiterführend möchte ich die These diskutieren, ob aufgrund der geographischen und ethnischen Beschaffenheit des afghanischen Staatsgebietes ein Gewaltmonopol effizient und direkt nur von regionalen Warlords garantiert werden kann und aufgrund der mangelnden Einbindung dieser regionalen Machtzentren das momentane staatliche Machtvakuum begründet werden kann. Die historischen Klan-Strukturen wurden niemals aufgelöst sondern gewährten immer zuerst Sicherheit für die betroffenen Klan-Mitglieder und die Region, deshalb ist meiner Meinung nach ein Staatsaufbau ohne die Einbeziehung dieser Strukturen auch wenig Erfolg versprechend.

Ich würde diese These mit der schwierigen geographischen Lage Afghanistans, das zu fast 80 Prozent durch Berge gekennzeichnet ist und der historisch geprägten ethnischen Vielfalt durch die Paschtunen, Usbeken, Turkmenen oder Hazara sowie den damit verbundenen jahrhundert alten Konflikten begründen.

2. Historische Hintergründe zum Afghanistan-Konflikt

2.1 Afghanistan – ein Vielvölkerstaat

Als heutige „Islamische Republik Afg]hanistan“ liegt Afghanistan in Zentralasien und grenzt an die islamischen Staaten Iran und Pakistan sowie weiterhin an Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und sogar China im Nord-Osten. Das Land weist eine Fläche von 647.500 Quadratkilometer auf und ist in 34 Provinzen unterteilt, in denen etwa 31 Millionen Einwohner leben. Zudem geht man davon aus, dass nochmals 3,5 Millionen Afghanen in der Diaspora leben, vorwiegend im Iran oder Pakistan. Nach dem Einmarsch der internationalen Truppen im Jahre 2001 sind aber bereits fünf Millionen Afghanen zurückgekehrt. Dabei sind mehr als 45 Prozent der Bevölkerung unter 14 Jahre alt, was einem Durchschnittsalter von 17,6 Jahren entspricht.[11]

Die Bevölkerung teilt sich auf in 42 Prozent Paschtunen, 27 Prozent Tadschiken, neun Prozent Hazara, neun Prozent Usbeken sowie kleineren Anteilen an Aimak, Turkemen und Balochen. Die offiziellen Sprachen der Republik sind Dari und Paschto, wobei Dari von etwa einem Drittel der Bevölkerung als Muttersprache und Paschto eher von der paschtunischen Bevölkerungsgruppe im Osten und Süden des Landes gesprochen wird. Von der Bevölkerung können nur etwa 29 Prozent lesen und schreiben, wobei besonders die Männer mit 43 Prozent führend sind. Auch wenn die Bevölkerung ethisch sehr heterogen ausfällt, sind fast 99 Prozent der Einwohner Muslime, davon 80 Prozent sunnitische Muslime und nur 19 Prozent schiitische Anhänger.[12]

[...]


[1] nach der Definition von Noam Chomsky: „The definition of ´failed states´ is hardly scientific. But they share some primary characteristics. They are unable or unwilling to protect their citizens from violence and perhaps even destruction. They regard themselves as beyond the reach of domestic or international law, hence free to carry out aggression and violence. And if they have democratic forms, they suffer from a serious "democratic deficit" that deprives their formal democratic institutions of real substance.“ aus Noam Chomsky, 2006: „ Noam Chomsky, 2006: „Failed States - The Abuse of Power and the Assault on Democracy“

[2] siehe British Goverment: „Defeating international terrorism: campaign objectives“; Dep 01/1460, 16. Oktober 2001

[3] Ebenda.

[4] Francis Fukuyama, 2004: „State Building. Governance and World Order in the Twenty-First Century“, Ithaca, N.Y.: Cornell University Press

[5] Building on Sucess: The London Conference on Afghanistan: „The Afghanistan Compact“, Februar 2006

[6] vgl. „Präsident Karzai entgeht Taliban-Anschlag unverletzt“ vom 10. Juli 2007, auf
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,487733,00.html (vom 8. April 2008)

[7] UNHCR, Juni 2007: „Die Sicherheitslage in Afghanistan mit Blick auf die Gewährung ergänzenden Schutzes“

[8] M. G. Schmidt (Hrsg.), 1995: „Wörterbuch zur Politik: Staat“, S. 896

[9] aus Jutta Bakonyi/Kirsti Stuvoy, 2006: „Zwischen Warlordfiguration und Quasi-Staat – Ansätze zu einer Typologie bewaffneter Gruppen“ aus Jutta Bakonyi/Stephan Hensell/Jens Siegelberg, 2006: „Gewaltordnungen bewaffneter Gruppen. Ökonomie und Herrschaft nichtstaatlicher Akteure in den Kriegen der Gegenwart“

[10] Paul Jackson, 2003: „Warlords as Alternative Forms of Governance“, in: „Small Wars and Insurgencies“, 14: 2, S. 131-150

[11] CIA, 2008: „The World Factbook“, nach https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html vom 8. April 2008

[12] US Department of State, Bureau of South and Central Asian Affairs, 2007: „Background note: Afghanistan“, nach http://www.state.gov/r/pa/ei/bgn/5380.htm#history vom 8. April 2008

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Regionale Warlords: Besserere Sicherheitsgaranten als das staatliche Gewaltmonopol in Afghanistan?
Université
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Cours
Hauptseminar: "Nicht-Staatliche Akteure in der Weltpolitik"
Note
2,7
Auteur
Année
2007
Pages
29
N° de catalogue
V124948
ISBN (ebook)
9783640299669
ISBN (Livre)
9783640304561
Taille d'un fichier
583 KB
Langue
allemand
Mots clés
Warlords, Afghanistan
Citation du texte
Dipl.-Pol. Björn Richter (Auteur), 2007, Regionale Warlords: Besserere Sicherheitsgaranten als das staatliche Gewaltmonopol in Afghanistan? , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124948

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