Das Nürnberger Patriziat - Entstehungsprozess und Ausprägung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Nürnberger Patriziat – Herkunft und Entstehungsprozess
2.1 Versuch einer Begriffsbestimmung
2.2 Theorien zur Entstehung des Nürnberger Patriziats
2.3 Die Aufrichtung der Ratsherrschaft

3. Repräsentation und Standesidentität
3.1 Wirtschaftliche Tätigkeiten
3.2 Gesellenstechen und Eigenherrschaft

4. Das Nürnberger Tanzstatut

5. Der Ausklang der Herrschaft

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Quellen:

Darstellungen:

1. Einleitung

Als am 15. September 1806, im Zuge der Auflösung des Heiligen Römisches Reiches, die bis dahin unabhängige und ehemals freie Reichsstadt Nürnberg unter Verwaltung des Königreiches Bayern gestellt wurde, verschwanden damit auch die Machtbefugnisse einer kleinen Gruppe patrizischer Familien, welche seit über 500 Jahren die unmittelbare Herrschaft über die Stadt ausgeübt hatten und in ihrem Wesen und gesellschaftlicher Stellung eine herausragende Position einnahmen.

Dieser Umstand wurde in der Forschung zuletzt ausführlich diskutiert, wobei vor allem auf das ständische Bewusstsein und die damit verbundene adelige Repräsentation Bezug genommen wurde, welche sich durchaus qualitativ von dem Patriziat der meisten anderen Reichsstädte unterschied.[1] Schon Albrecht Dürer beklagte sich über seine mangelnde gesellschaftliche Anerkennung in Nürnberg und stellte fest, dass nur die Zugehörigkeit zum Patriziat Ansehen und Macht in der freien Reichstadt sichern konnte: „Hy [Venedig] pin jch ein her, doheim ein schmarotzer.“[2]

Diese Arbeit soll sich mit der Entstehung, Entwicklung und der Herrschaft des Nürnberger Patriziats beschäftigen. Ein Schwerpunkt liegt hierbei vor allem auf diversen Entstehungstheorien, der Aufrichtung der Ratsherrschaft, adeliger Repräsentation sowie den Beginn der sozialen Abschottung durch das Nürnberger Tanzstatut. Auf den Ausklang der patrizischen Herrschaft kann aufgrund des begrenzten Rahmens nur überblicksartig eingegangen werden.

Hierzu wird zunächst der Versuch einer Begriffbestimmung unternommen, um anschließend die Entstehungstheorien und die Aufrichtung der Herrschaft des Nürnberger Patriziats im Rahmen der Machterweiterung des Rates näher zu beleuchten. Der zweite Punkt befasst sich dann mit der Repräsentation und der Standesidentität, wobei wirtschaftliche Tätigkeiten und Stiftungen, Eigenherrschaft und Landbesitz sowie die Beziehung zum Landadel eine Rolle spielen. Der dritte Punkt stellt die Untersuchung des Nürnberger Tanzstatus in den Mittelpunkt und fragt nach den Ursachen und der Bedeutung dieses Prozesses der sozialen Abgrenzung und Festigung. Im Anschluss wird noch das Ende der patrizischen Herrschaft skizziert. Ein abschließendes Fazit rundet die Betrachtung ab und fasst nochmals die wichtigsten Standpunkte und Thesen zur Patriziatsherrschaft in Nürnberg zusammen.

2. Das Nürnberger Patriziat – Herkunft und Entstehungsprozess

2.1 Versuch einer Begriffsbestimmung

Die Bezeichnung der politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich führenden Familien einer Reichstadt als „Patrizier“ ist ein Gattungsbegriff aus dem Humanismus, der sich erst im Laufe der Frühen Neuzeit entwickelte. So lautete im späten Mittelalter die Selbstbezeichnung der patrizischen Familien noch „Geschlechter“, während sich der Begriff des „Patriziats“ erst ab dem 17. Jahrhundert durchzusetzen vermochte.[3] Der bekannte Nürnberger Stadtjurist Christoph Scheurl bezeichnete jedoch schon im Jahre 1516 in seiner Epistel über die Verfassung der Reichsstadt Nürnberg die Nürnberger Geschlechter als „patricii“, was als Anlehnung an römische Traditionen und römisches Recht verstanden werden kann und in der zeitgenössischen Rezeption schließlich zu „Patriziern“ oder dem „Patriziat“ rückübersetzt wurde.[4] Dennoch zeichnet sich der Begriff des „Patriziats“ durch eine gewisse Unschärfe aus, da bis in das 16. Jahrhundert eine Aufnahme in das Patriziat durch gesellschaftlichen Aufstieg, Heirat oder Zuzug aus einer anderen Stadt durchaus möglich war. Zudem stellt sich die Frage, ob der Begriff „Patriziat“ einheitlich auf die Führungsschichten spätmittelalterlicher Städte angewandt werden kann oder ob nicht spezielle Kriterien und Charakteristika notwendig sind, um von einem geschlossenen und einheitlichen Patriziat zu sprechen. Carl-Hans Hauptmeyer hat im Zuge dieser Diskussion den Versuch unternommen, anhand sechs Punkten den Patriziatsbegriff präziser zu fassen, welche im Folgenden näher ausgeführt werden sollen.[5]

Grundlage für die Entwicklung eines Patriziats sei zunächst ein hoher Grad an Selbstverwaltungskompetenz einer Stadt, was insbesondere freie Reichstädte favorisiere, welche die Herrschaft des Burggrafen ganz oder teilweise zurückdrängen konnten und schließlich eine Selbstverwaltung erlangten. Das Patriziat sei zudem immer Teil einer städtischen Oberschicht, die allein oder zumindest partiell die Herrschaftsgewalt ausübe, sodass die Ratsfähigkeit patrizischer Familien zu einem Schlüsselkriterium ihrer Zugehörigkeit zur städtischen Führungsschicht werde und die städtische Verfassung die Herrschaft des Patriziats zunehmend stütze. Weitere Kriterien seien wirtschaftliche Unabhängigkeit durch eigene Vermögensbildung sowie die Zugehörigkeit zu einem starken geschlossenen Familienverband, der sich durch Konnubium mit anderen gleichgestellten inner- oder außerstädtischen Familien beständig erweitere. Zuletzt pflegten diese Familien oder Geschlechter einen spezifisch patrizischen Lebensstil, der sich im Laufe der Zeit zunehmend diversifiziere und von anderen Standesidentitäten abgrenze.

Viele dieser genannten Kriterien treffen auf das Nürnberger Patriziat zu, was im Laufe dieser Arbeit noch genauer gezeigt wird. Zunächst sollen jedoch verschiedene Theorien zur Entstehung des Nürnberger Patriziats genauer betrachtet werden, um herauszufinden, aus welchen gesellschaftlichen Gruppen dieses Patriziat überhaupt entstehen konnte.[6]

2.2 Theorien zur Entstehung des Nürnberger Patriziats

Die Frage nach der Herkunft des Patriziats wird in der früheren Forschung vor allem hinsichtlich zweier ausgeprägter Theorien behandelt, welche auch die Kontroverse zwischen Sombart und Below maßgeblich bestimmten.[7] Sombart vertritt hierbei die Auffassung, das Vor- oder Frühpatriziat seien insbesondere Grundbesitzer, die aufgrund akkumulierten Grundrentenbezugs ein großes Vermögen erwirtschafteten und somit eine führende Rolle in der sich entwickelten Stadt einnehmen konnten. Hierbei kommen sowohl alteingesessene adelige Familien und Ministeriale mit viel Grundbesitz in Frage als auch in die Stadt gezogener Landadel, der seinen Reichtum vor allem aus den Grundrenten ländlicher Güter anhäufen konnte.[8] Die späteren umfangreichen wirtschaftlichen Tätigkeiten des Patriziats erklären sich nach dieser Theorie nur aus dem bereits erlangten Vermögen und nicht aus eigener wirtschaftlicher Leistung, was Meyer nochmals pointiert zusammenfasst:

„Nicht weil ein Kaufmann reich geworden, wird er Patrizier, sondern, weil ein Patrizier durch seinen Grundbesitz reich geworden ist, beteiligt er sich am Handel.“[9]

[...]


[1] Hans Hubert Hofmann bezeichnet die patrizischen Familien Nürnbergs als „ganz besonders geartetes Patriziat“.

Vgl.: Hirschmann, Gerhard: Das Nürnberger Patriziat, in: Ulshöfer, Kuno (Hg.): Aus Sieben Jahrhunderten Nürnberger Stadtgeschichte. Ausgewählte Aufsätze von Gerhard Hirschmann (Nürnberger Forschungen 25) Neustadt/Aisch 1988, S. 123-143, hier S. 137. [= Deutsches Patriziat 1430 – 1740, in: Büdinger Vorträge 3 (1968), S. 257-276.] Im Folgenden abgekürzt als: Hirschmann: Das Nürnberger Patriziat.

[2] Zit. nach: Diefenbacher, Michael: Stadt und Adel – Das Beispiel Nürnberg, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 141 (1993), S. 51- 70, hier S. 52. Im Folgenden abgekürzt als: Diefenbacher: Stadt und Adel.

[3] Vgl.: Isemann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 276.

[4] Vlg.: Endres, Rudolf: Adel und Patriziat in Oberdeutschland, in: Schulze, Winfried (Hg.): Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 12) München 1998, S. 221-239, hier S. 221. (Im Folgenden abgekürzt als Endres: Adel und Patriziat in Oberdeutschland)

[5] Vgl.: Hauptmeyer, Carl-Hans: Vor- und Frühformen des Patriziats mitteleuropäischer Städte, in: Die Alte Stadt 6 (1979), S. 1-21, hier S. 5f. im Folgenden abgekürzt als: Hauptmeyer: Vor- und Frühformen des Patriziats.

Die folgende Ausführung gibt die Kriterien sinngemäß wieder.

[6] Diese Theorien beziehen sich zunächst allgemein auf die Entstehung städtischer Oberschichten und werden dann auf die Nürnberger Situation umgelegt.

[7] Vgl. Hirschmann: Das Nürnberger Patriziat, S. 124.

[8] Vgl.: Meyer, Julie: Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg, in: Mitteilungen des Vereins für Gesichte der Stadt Nürnberg 27 (1928), S. 1-96, hier S. 5. Im Folgenden abgekürzt als: Meyer: Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg.

[9] Ebd., S. 7.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Nürnberger Patriziat - Entstehungsprozess und Ausprägung
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Städtewesen in Franken im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V125164
ISBN (eBook)
9783640308422
ISBN (Buch)
9783640306534
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nürnberger, Patriziat, Entstehungsprozess, Ausprägung, Städtewesen, Franken, Mittelalter, Neuzeit
Arbeit zitieren
Frank Hoyer (Autor:in), 2008, Das Nürnberger Patriziat - Entstehungsprozess und Ausprägung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125164

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