Grundlinien der Konsenstheorie bei Nikolaus von Kues


Seminararbeit, 2009

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Vorbemerkungen
2.1 Zur Person des Nikolaus Cusanus
2.2 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund
2.2.1 Der Weg zum Konzil von Basel und der Aufschwung des Konziliarismus
2.2.2 Kontroverse mit den Hussiten

3 de concordantia catholica - Einführung, Entstehung und Aufbau

4 Grundlinien der Konsenstheorie des Cusaners in de concordantia catholica
4.1 Natürliche Gleichheit und Freiheit als Grundlage für die Frage nach der Begründung von Herrschaft
4.2 Die Anwendung dieser Theorie auf die Kirche
4.2.1 Papst
4.2.2 Konzilien
4.3 Das "Endziel" des Konsenses: Konkordanz

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Man übertreibt kaum, wenn man urteilt: Nikolaus von Kues war wohl der bedeutendste Denker des 15. Jahrhunderts.“[1] So summiert Kurt Flasch, einer der Cusanus-Biographen das Leben des Universalgelehrten.

Nikolaus von Kues verdient nicht nur aufgrund seiner metaphysischen Überlegungen Beachtung, sondern auch wegen seiner Studien zur Politik. Als Kardinal und damit als Kirchenmann war er eng eingebunden in die kirchenpolitischen Veränderungen und Herausforderungen seiner Zeit und hat diese aktiv mitgestaltet.

Die vorliegende Arbeit will einen groben Einblick in seine Theorie von Konsens und Repräsentation bieten und sich dabei vor allem auf die Gedanken beschränken, die Cusanus während des Basler Konzils entwickelt hat. Weitere Reformbestrebungen, wie sie Watanabe in seinem Werk „Concord and Reform“ schildert[2] können aufgrund des Umfangs leider nicht berücksichtigt werden.

Über die Rezeption der cusanischen Gedanken zu Konsens und Repräsentation schreibt Flasch: „Vor allem seine Lehre von der Kirche und ihrer Autorität wurde studiert; das Thema des Konziliarismus tauchte wieder auf; in der Frage der religiösen Toleranz schien Cusanus als Vordenker tauglich.“[3] Gerade die enge Verknüpfung seines Lebens und Wirkens mit der Entwicklung seiner Philosophie lassen Cusanus als einen sehr interessanten und interessierten Menschen hervortreten: Am Beispiel der Konziliarismusfrage kann man so auch eine vielschichtige Veränderung und Entwicklung seiner Position im Laufe der Zeit erkennen.

Primäre Quelle der vorliegenden Arbeit stellt das Werk de concordantia catholica dar, auf das sich Jedin mit größtem Lob folgendermaßen bezieht: „An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit steht in Nikolaus von Kues ein Geist, der in einem unbändigen und hartnäckigen Willen zum Ganzen die widerstreitenden Kräfte seiner Zeit zu einer "katholischen Konkordanz" zusammenzwingt und gleichzeitig die schöpferischen Ansätze bietet, die den Brückenschlag in eine neue Zeit möglich gemacht hätten.“[4]

Die concordantia catholica wurde im Laufe der Zeit vielfach kommentiert. Die für mich und diese Arbeit wertvollsten Kommentare stellen dabei Posch[5], Sigmund[6], Watanabe[7] und Lücking-Michel[8] dar.

Nachdem ich auf Grundlagen wie die Vita des Cusaners und den zeitgeschichtlichen Hintergrund eingegangen bin, möchte ich dem Leser eine Einführung in die concordantia catholica geben, um dann zu den Grundlinien der cusanischen Konsenstheorie überzugehen. Überaus beachtenswert erscheint mir hier das methodische Vorgehen des Cusaners: Ausgehend von den naturrechtlichen Grundsätzen von Herrschaft und damit von der Frage wie sich Herrschaft konstituiert und legitimiert, wendet er seine Erkenntnisse dann auf die Kirche und ihre (Ämter)Struktur an, um dann in einem dritten Schritt auf die Konkordanz, die Einheit zu kommen. Diese Konkordanz ist nicht nur ein philosophisch-theologisches Konstrukt, sondern scheint mir teilweise auch wieder auf den philosophischen Hintergrund des Cusanus, den Neoplatonismus, rückführbar zu sein.

Leider muss ich auf die tiefergehende Analyse von Themen wie dem neoplatonistischen Hintergrund des Cusaners, das decretum Gratiani, die explicatio Petri, oder aber auch die Veränderung seiner philosophischen Position im Laufe der Zeit verzichten. Obgleich dieses Sachverhaltes hoffe ich trotzdem, mit diesen meinen Ausführungen einen angemessenen Einblick in die cusanische Konsenstheorie, ihrer Entwicklung aus dem Naturrecht und der Anwendung auf die Kirche zeichnen zu können.

2 Vorbemerkungen

2.1 Zur Person des Nikolaus Cusanus

Nikolaus von Kues, der Universalgelehrte des 15. Jahrhunderts trägt laut Röd „bereits Züge des modernen Denkens“[9][10] in sich. Der anbrechende Humanismus prägte sein Denken mit Sicherheit mit. Einer seiner Biographen, Kurt Flasch, hat richtigerweise darauf hingewiesen, welche Profession die Basis für das Denken des Cusaners gab: „Das Denken des Nikolaus von Kues ... war in ständiger Bewegung. ... Wie Leibniz war Cusanus Jurist, kein professioneller Philosoph oder Theologe. Aber wie bei Leibniz überstiegen seine Interessen alle Fachgrenzen.“[11].

Nach seiner Geburt im Jahre 1401 in Kues an der Mosel wächst er in einer wohlhabenden Familie auf. Seine Studien in Heidelberg und Padua beschränken sich nicht nur auf die Jurisprudenz, sondern umfassen auch die Mathematik, Astronomie, Physik und Medizin. Spätestens mit seiner Zuwendung zur Philosophie und seinen Reformbestrebungen der Kirche kann man ihn als Universal-gelehrten bezeichnen. Flasch schreibt über den Werdegang des Cusaners: „Domkapitular in Trier oder Mainz hätte er nie werden können; um dort gar Erzbischof zu werden, fehlte ihm die wichtigste Voraussetzung: die adlige Geburt. Insofern handelte es sich schon um den seltenen Aufstieg eines Außenseiters. Cusanus war ein Bürgerlicher, der in einer ständischen Gesellschaft durch Studium, Diplomatie und Leistung den Weg nach oben suchte.“[12].

Nach seinem großen Engagement für die Kirche nach dem Basler Konzil wurde er in den Rang eines Kardinals erhoben und stieg zum Bischof von Brixen auf.

Um unseren heutigen Vorstellungen eines Kardinals Einhalt zu gebieten, sei wiederrum auf Flasch verwiesen: „Das war keine dekorative Angelegenheit; es war auch kein rein religiöser Rang mit dem einmaligen Recht zur Papstwahl; ein Kardinal war als tatsächliches Mitglied der päpstlichen Regierung verwickelt in alle politischen und militärischen Unternehmungen einer wichtigen Mittel-macht ... er war Diplomat, Gerichtsherr und Heerführer...“[13]. Nachdem er Tirol wegen einiger gewaltsamer Auseinandersetzungen verlassen musste, floh er nach Italien, wo er 1464 auch starb.

In Cusanus sehen viele den „Bahnbrecher des deutschen Humanismus“[14]. In dieser geistesgeschichtlichen Strömung ging es „nicht nur darum, schreiben zu können wie Cicero. Man wollte auch bauen wie Vitruv, man wollte die Physik kennen wie Archimedes; man wollte die Ge-schichte ansehen, wie Thukydides sie zu analysieren gelehrt hatte.“[15].

In den Handschriften der Antike suchte man dieses Wissen zu finden. Auch Cusanus wird im Laufe seines Lebens viele Schriften in seiner Bibliothek in Kues ansammeln. Durch sein Quellen-studium entlarvte er die konstantinische Schenkung als Fälschung, seine Sammelleidenschaft ließ ihn unter anderem 12 verlorengegangene Komödien des römischen Dichters Plautus wiederentdecken. Flasch beschreibt die Umfangenheit des Cusaners von mancher humanistischen Strömung, indem er den Wechsel des Rechtswissenschaftsstudiums von Heidelberg nach Padua folgendermaßen kommentiert: „Cusanus trat in eine neue Welt. Hier herrschte nicht mehr der Pariser Stil. Hier fühlte er Luft von anderen Planeten. ... Vor allem: In Padua bekam er den Eindruck, die Wissenschaft sei nicht schon fertig. Alles neu zu machen, das war die Grundstimmung. ... Und dazu brauchte man die Antike.“[16].

Diese kurze Einführung zur Person des Cusanus soll genügen. Wichtig scheint mir, dass Cusanus als Kind seiner Zeit von so mancher humanistischer Strömung umfangen war, die sein Denken entscheidend mitgeprägt hat.

2.2 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund

2.2.1 Der Weg zum Konzil von Basel und der Aufschwung des Konziliarismus

Ausgangspunkt für den spätmittelalterlichen Konziliarismus ist das „Große abendländische Schisma“, dass durch die doppelte Papstwahl im Jahre 1378 hervorgerufen wurde. Nachdem man Urban VI. gewählt hatte, bezweifelte man wenige Monate später die Rechtmäßigkeit der Wahl und wählte einen neuen Papst, Clemens VII., der wieder nach Avignon zog. Diese beiden Päpste sind für spätere Kommentatoren die beiden Pole, an denen sich die kirchliche Meinung spaltet. Urban VI., der die Kurie wieder stärker nach Italien ausrichtete und damit die französischen Kardinäle benachteiligte, und Clemens VII. als Franzose, der für den französischen Episkopat kämpft. Frank schreibt dazu: „In der Absetzungsbewegung von Urban und der Wahl Clemens' wirkte sich auch ein kardinalizischer Präkonziliarismus aus, bei dem die Kardinäle als pars corporis papae auf ein Mitregiment pochten. Urban VI. mit seiner eigenartigen Persönlichkeitstruktur war dazu jedoch weder willens noch fähig. Am Ende beharrten beide Parteien auf ihrem Prinzip und riskierten den Bruch, der zum Schisma führte. ... Die abendländische Christenheit spaltete sich in eine avignonesische und eine römische Obedienz.“[17][18][19].

[...]


[1] Siehe FLASCH, Kurt: Nicolaus Cusanus, 12.

[2] WATANABE, Morimichi: Concord and Reform.

[3] Siehe FLASCH, Kurt: Nicolaus Cusanus, 162.

[4] Siehe JEDIN, Hubert (Hrsg.): Kirchengeschichte, 699f.

[5] POSCH, Andreas: Concordantia catholica.

[6] SIGMUND, Paul: Nicholas of Cusa.

[7] Anm.: verschiedene Werke, siehe Literaturverzeichnis.

[8] LÜCKING-MICHEL, Claudia: Konkordanz und Konsens.

[9] Vgl. zu diesem Abschnitt: RÖD, Wolfgang: Weg der Philosophie, Art. Cusanus; FLASCH, Kurt: Nicolaus Cusanus; FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit; FRANK, Isnard Wilhelm: Kirchengeschichte; JEDIN, Hubert (Hrsg.): Kirchengeschichte; MEUTHEN, Erich: Zwischen Konzil und Papst.

[10] Siehe RÖD, Wolfgang: Weg der Philosophie, 408.

[11] Siehe FLASCH, Kurt: Nicolaus Cusanus, 11.

[12] Siehe FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit, 6.

[13] Siehe FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit, 14.

[14] Siehe JEDIN, Hubert (Hrsg.): Kirchengeschichte, 700.

[15] Siehe FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit, 12.

[16] Siehe ebd., 11f.

[17] Vgl. zu diesem Abschnitt: FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit; KRÄMER, Werner: Konsens und Rezeption; HAUBST, Rudolf: Leitgedanke der repraesentatio; HALLAUER, Hermann: Hussiten; JEDIN, Hubert (Hrsg.): Kirchengeschichte.

[18] Vgl. zum Basler Konzil: FLASCH, Kurt: Cusanus in seiner Zeit, 23–31.

[19] Siehe FRANK, Isnard Wilhelm: Kirchengeschichte, 181.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Grundlinien der Konsenstheorie bei Nikolaus von Kues
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Seminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V125221
ISBN (eBook)
9783640308675
ISBN (Buch)
9783640306770
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlinien, Konsenstheorie, Nikolaus, Kues, Seminar
Arbeit zitieren
Christian Baltes (Autor:in), 2009, Grundlinien der Konsenstheorie bei Nikolaus von Kues, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125221

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