Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1. Begriffserläuterung
1.1 Genossenschaftliches Wohnen
1.2 Wohnungsgenossenschaft
2. Einleitung
2.1 Die Historie der Wohnbaugenossenschaften
2.2 Aufbau einer Wohnbaugenossenschaft
3. Wohnbaugenossenschaften in Deutschland und in der Schweiz
3.1 Wohnbaugenossenschaften in Deutschland
3.2 Wohnbaugenossenschaften in der Schweiz
4. Genossenschaftliches Wohnen – eine dritte Wohnform
4.1 Vergleich zu Kaufen und Mieten
4.2 Soziale, ökonomische und ökologische Aspekte
5. Genossenschaftliche Wohnbauprojekte
5.1 Entstehung – Planung – Finanzierung
5.2 Zusammenarbeit mit Stadt und Politik
5.3 Konstruktion und Gestaltung
5.4 Chancen und Grenzen
6. Genossenschaftliche Wohnbauprojekte – Beispiele
6.1 Burgholzhof – Stuttgart Bad-Cannstatt
6.2 Am Lohsepark Shanghaiallee Baufeld 70 – Hamburg; Hafencity
6.3 Hunziker Areal – Zürich
6.4 Kalkbreite – Zürich
6.5 Vergleich der Projekte
7. Schlussbetrachtung
7.1 Ausblick – Ein Wohnkonzept im Aufschwung
7.2 Persönliche Stellungnahme
8. Literaturverzeichnis
8.1 Literaturquellen
8.2 Internetquellen
8.3 Bildquellen
Abbildungs-, Tabellen und Fotoverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abstract
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, den Ursprung genossenschaftlichen Wohnens des 19. Jahrhunderts bis heute zu betrachten und dabei die Funktionsweise, Bedeutung sowie die Stärken und Schwächen dieses Modells gegenüberzustellen. Die aktuelle Situation der Wohnbaugenossenschaften (WBG) und die Perspektiven für deren Zukunft werden herausgearbeitet und bewertet. Dabei wird insbesondere genossenschaftliches Wohnen und die WBG in Deutschland mit der Schweiz verglichen.
Die Auswertung wird unter anderem anhand von Beispielprojekten aus Deutschland und der Schweiz vorgenommen. Drei der vier vorgestellten Objekte werden dabei selbst besichtigt um sich ein umfassendes Bild machen zu können. Mithilfe einer Nutzwertanalyse werden die Objekte verglichen und bewertet.
Für die Vergleiche und Modelle werden teilweise im Rahmen der Erkenntnisse durch die Recherche plausible Annahmen getroffen.
Neben Recherchen in Literatur, Zeitschriften und Internet werden Interviews mit Experten von Baugenossenschaften aus dem ländlichen Raum, dem Raum Stuttgart und mit Personen aus dem Bereich des sozialen Wohnungsbaus durchgeführt. Sie geben Informationen über den aktuellen Stand der Branche und unterstreichen mit ihren Aussagen die gewonnenen Erkenntnisse.
Die Recherchen und Interviews haben ergeben, dass die Historie der Wohnbaugenossenschaften in Deutschland und in der Schweiz die Genossenschaftsstruktur in beiden Ländern bis heute beeinflusst. Des Weiteren bildet sich die aktuelle Entwicklung der WBG als ein Konzept mit Potential für die Zukunft ab. Probleme der Finanzierung solcher Projekte, das klischeebehaftete Image und die unzureichende Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand werden in der folgenden Arbeit deutlich gemacht.
1. Begriffserläuterung
Zu Beginn dieser Arbeit werden die Begriffe genossenschaftliches Wohnen und der Begriff der Wohnungsgenossenschaft mit seinen verschiedenen Unternehmensarten, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, genauer erläutert.
1.1 Genossenschaftliches Wohnen
Genossenschaftliches Wohnen besteht, wenn zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müssen die Bewohner Mitglied bei der jeweiligen Genossenschaft sein, zum anderen befinden sich die Wohneinheiten im Besitz der Genossenschaft und somit im gemeinschaftlichen Besitz aller Mitglieder. Bei der Vermietung an z.B. Studenten oder bei 100% geförderten Wohnungen ist eine Mitgliedschaft nicht unbedingt erforderlich. Das sind jedoch die Ausnahmen. Treffen diese zwei Merkmale zu, kann von genossenschaftlichem Wohnen gesprochen werden.
Die weiteren Facetten und Faktoren wie der Gemeinschaftsaspekt, Ökologische Ansätze u.v.m. können sich je nach Genossenschaft und der jeweiligen Hausgemeinschaft enorm unterscheiden, sind aber keine notwendige Charaktereigenschaft des genossenschaftlichen Wohnens.
1.2 Wohnungsgenossenschaft
Wohnungsgenossenschaften, im folgenden auch Baugenossenschaften oder Wohnbaugenossenschaften genannt, sind kooperative Wohnungsunternehmen. In der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) übernehmen sie im Wohn- und Immobilienbereich Aufgaben für ihre Mitglieder und übernehmen in Ihrer Funktion die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen.1
Sie können nach Unternehmensart und Funktion unterschieden werden:
Bei einer Vermietungsgenossenschaft handelt es sich überwiegend um die Nutzungsüberlassung von Wohnungen an die Mitglieder. Bauträgerwohnungsgenossenschaften treten, wie der Name schon sagt, selbst als Bauträger auf und erstellen Wohnungen für die Mitglieder.
Vermietungs- und Eigentumswohnungsgenossenschaften sind eine Kombination aus beidem und stellen in Deutschland die Mehrzahl der Wohnungsgenossenschaften dar.
Dienstleistungsgenossenschaften sind neben Vermietung und Vermittlung auf das Geschäftsfeld „rund um das Wohnen“ fokussiert.
2. Einleitung
Der Wohnungsbau ist seit vielen Jahren ein Thema, das in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Die Nachfrage, vor allem in den deutschen Ballungszentren, wird immer größer. Der momentane Wohnungsmarkt kann diesen Zuwachs nicht decken. Vielmehr wird der Wohnungsmarkt durch die Weiterentwicklung der Gesellschaft und den demographischen Wandel vor weitere Herausforderungen gestellt, welchen er aktuell nicht gewachsen ist.2
Wohnraum für neue Lebensformen und Familienstrukturen, sowie die steigende Anzahl von Singlehaushalten und die daraus entstehenden Folgen, müssen in zeitgenössischen Wohnkonzepten aufgegriffen werden.
Aus diesem Grund erlebt genossenschaftliches Wohnen, ein Modell aus dem 19. Jahrhundert, eine Renaissance in unserer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Betroffene ergreifen wieder zunehmend selbst die Initiative, Städte bauen vermehrt auf die Unterstützung von Wohnbaugenossenschaften um der Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum nachzukommen.
Dabei zeigt die folgende Arbeit auch, dass genossenschaftliches Wohnen noch viel mehr kann als nur günstigeren Wohnraum bieten.
2.1 Die Historie der Wohnbaugenossenschaften
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Einflüsse auf die Entwicklung des genossenschaftlichen Wohnens (Eigene Darstellung)
Mitte des 19. Jahrhunderts, während der industriellen Revolution, gründeten Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) und Hermann Schulze- Delitzsch (1808-1883) erste genossenschaftlich geprägte Organisationen in Deutschland.3 Ihr Ziel war es, den vielen Bauern und Handwerksbetrieben aus der finanziellen Notlage zu helfen. Durch den „Zusammenschluss einzelner, schwacher Einheiten und den Abbau von Fremdbestimmung sollte eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Betroffenen herbeigeführt werden.“4
Es war der erste Zusammenschluss, der nach dem Genossenschaftsgedanken mit den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung handelte. Diese drei Prinzipien sind maßgeblich für den Aufbau und das Funktionieren von Genossenschaften, deshalb wird im Folgenden genauer darauf eingegangen.
Selbsthilfe
Das Zitat „Was einer nicht alleine schafft, das Schaffen viele“ kommt von dem Gründervater der deutschen Genossenschaften, Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Die Betroffenen einer Not schließen sich zusammen und können so, mit dem gemeinsamen Kapital und ihrer Arbeitskraft zum Vorteil der Mitglieder tätig werden, denn „Miteinander geht es besser“ sangen Genossenschaftler in den 1950er Jahren.5
Während der Industrialisierung war es die Wohnungsnot, die die Betroffenen zusammenbrachte und mit vereinten Kräften günstigen Wohnraum für die Mitglieder schuf und ihnen so aus der Not half.
Selbstverwaltung
Genossenschaften sind unabhängig von der öffentlichen Hand. Sie verwalten sich selbst und haben für ihre Aufgaben eigene Ämter. Das Vermögen der WBG steht ausschließlich im Eigentum der Mitglieder. Sie organisieren, kontrollieren und leiten die Genossenschaft selbst. Diese Aufgaben werden innerhalb der Organe von Mitgliedern ausgeführt.
Selbstverantwortung
Das Prinzip der Selbstverantwortung ist eng mit dem Identitätsprinzip verknüpft. Es bedeutet, dass die Nutzer gleichzeitig auch Miteigentümer der Wohnungsgenossenschaft sind. Miteigentümer bedeutet auch mit verantwortlich. Somit haftet jedes Mitglied mit für das Handeln der Genossenschaft. Früher hafteten die Mitglieder sogar mit ihrem Privatvermögen, heute ist die Haftung begrenzt und in der Satzung meist auf die gezeichneten Anteile begrenzt.
Die ersten theoretischen Ansätze zur Gründung von Wohnungsgenossenschaften hatte der Literaturprofessor und Politiker Victor Aimé Huber (1800-1869).
In der Zeit der Industrialisierung lebten vor allem die Industriearbeiter in sehr schlechten Wohnverhältnissen. Victor Aimé Huber wurde das nach einem Besuch in Manchester in einem Fabrikarbeiterviertel bewusst. Daraufhin entwickelte er Konzepte für den Wohnungsbau, die den Grundstein für den heutigen Genossenschaftsbau sowie den sozialen Wohnungsbau legten.
Die „Häuserbau-Genossenschaft zu Hamburg“ war die erste Wohnungsgenossenschaft in Deutschland und wurde 1862 gegründet.
Jedoch erst mit der Reformierung des Genossenschaftsgesetzes im Jahr 1889 erhielten die Wohnungsgenossenschaften einen Aufschwung. Das neue Gesetz befreite die Mitglieder einer Genossenschaft von der vollen persönlichen Haftung und beschränkte sie auf die einbezahlten Mitgliedsanteile. Somit wurde die Mitgliedschaft attraktiver, da sich das Risiko minimierte.
Trotzdem kamen die ersten Gründungen von Wohnungsgenossenschaften nicht durch Selbstorganisation der Mitglieder und damaligen Wohnungssuchenden, sondern vor allem aus dem Bürgertum, denn die Wohnungssuchenden selbst besaßen oft zu wenig Wissen und Kapital.
Am Ende des Deutschen Kaiserreichs 1918 existierten insgesamt 1400 Baugenossenschaften6
Die Initiierung der Wohnbaugenossenschaften änderte sich mit der Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg. Mit Einführung der Hauszinssteuer im Jahr 1924, wurde der Höhepunkt ihrer bisherigen Geschichte erreicht. Die Hauszinssteuer subventionierte mit staatlichen Darlehen den Wohnungsbau durch Genossenschaften. Daraufhin wurden Betroffene der Wohnungsnot erstmals selbst aktiv und schlossen sich zusammen. Durch die bauliche Selbsthilfe und den Arbeitseinsatz der Mitglieder, konnten die Baukosten reduziert und individuelle, auf die Mitglieder zugeschnittene Wohnprojekte realisiert werden.
Folglich stieg die Anzahl der Wohnungsgenossenschaften bis 1928 auf über 4000 und die Wohnbaugenossenschaften wurden zu einer der wichtigsten Säule des Wohnungsmarktes.7
Die Nationalsozialisten teilten den Genossenschaftsgedanken, verbunden mit den Genossenschaftsprinzipien, nicht. Deshalb wurden in der Zeit von 1939 bis 1942 Genossenschaften, darunter auch Wohnbaugenossenschaften zwangsfusioniert.
Nach Kriegsende verblieben in Westdeutschland ca. 1400 Genossenschaften und eine deutlich geringere Mitgliederzahl.
Im Krieg wurde in den deutschen Städten viel zerstört, die Wohnungsnot war dementsprechend gewaltig. Sowohl in der DDR als auch in Westdeutschland musste der Staat eingreifen. In Westdeutschland wurde durch Darlehen und Zuschüsse der Mietwohnungsbau gefördert. So auch der Genossenschaftsbau. Schon damals waren die Förderungen mit Auflagen und Anforderungen an die gebauten Objekte verbunden. Die erhöhte Mitbestimmung des Staat widersprach dem Grundsatz der demokratischen Selbstbestimmung innerhalb einer WBG.
Erst als sich um 1980 die Lage um die Wohnungsnot in Westdeutschland entspannte, wurde die staatliche Förderungen reduziert. Bis zum Jahr 1989 erhielten jedoch gemeinnützige Wohnungsgenossenschaften nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) eine Förderung durch Steuervergünstigungen.
Gleichzeitig wurden in der DDR sogenannte Arbeiterwohnungsgenossenschaften (AWG) gebildet, die eine wesentliche Rolle im Wohnungsneubau einnahmen.
AWGs waren Werkswohnungen, vorrangig für die Arbeiter und an finanzielle und materielle Eigenleistungen der Mitglieder gekoppelt.
Des Weiteren unterstützte der ostdeutsche Staat die Genossenschaften durch zinslose Kredite und die unentgeltliche Zuweisung von Bauland zur Dauernutzung.
Die Unterstützung war groß, dem stand allerdings ein direkter Einfluss und Mitsprache des ostdeutschen Staat gegenüber. Diese kommunistische Lebensform innerhalb der AWGs prägen noch sehr lange das Image der Genossenschaften.
Bis heute gehen große Wohnungsgenossenschaften wie z.B. die WG Aufbau Dresden aus diesem System hervor und beeinflussen die Genossenschaftsstruktur in Deutschland.
Mit der Wiedervereinigung änderten sich auch die Rahmenbedingungen für die Wohnbaugenossenschaften in Deutschland. Die Privatisierungspflicht führte dazu, dass in Ostdeutschland 47 neue Wohnungsgenossenschaften entstanden. Bis 2006 wurde durch die Eigenheimzulage der Erwerb von Genossenschaftsanteilen an eigentumsorientierten Wohnungsgenossenschaften gefördert.
Ein weiterer wichtiger Einfluss für die Entwicklung der Wohnungsgenossenschaften kam schon sehr früh aus der Stadt Wien in Österreich.
Ab den 1920er Jahren spielte die Stadt eine wichtige Rolle im sozialen Wohnungsbau und beeinflusste mit ihrem Konzept die Entwicklung der Wohnungsgenossenschaften wesentlich. Schon damals setzten sie auf ein 4-Säulen-Modell, das neben der Planung und den Kosten auch die Ökologie und Soziale Nachhaltigkeit miteinbezieht. Diese 100 jährige Wohnungspolitik hat sich bewährt. Heute wohnen rund 62% aller Haushalte in geförderten Wohnungen und die Stadt Wien besitzt ca. 25% des gesamten Wohnungsbestandes. Dank des Wiener Modells kann eine gute Wohnsituation gewährleistet werden. Es trägt dazu bei, dass Wien eine Stadt mit sehr hoher Lebensqualität ist.8
2.2 Aufbau einer Wohnbaugenossenschaft
Nach §1 des Genossenschaftsgesetztes (GenG) handelt es sich bei dem Wesen der Genossenschaft um „Gesellschaften [...] deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder [...] durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“. Dieser Paragraph gilt auch für die Wohnbaugenossenschaften.
Das bedeutet, der primäre Zweck einer Wohnbaugenossenschaft ist, die Mitglieder der jeweiligen Wohnbaugenossenschaft durch preiswerten Wohnraum zu fördern.
Eine Wohnbaugenossenschaft wird in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) gegründet. Sie wird auch als offene Gemeinschaft bezeichnet, da durch die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen jedem der Eintritt in die Genossenschaft möglich ist.
Die Mitgliederversammlung/ Die Vertreterversammlung
Die Mitglieder bilden den wichtigsten Grundstein einer Wohnbaugenossenschaft. Die Mitgliederversammlung, welche mindestens einmal im Jahr stattfindet, ist das wichtigste Organ. Jedes Genossenschaftsmitglied hat eine Stimme, ganz gleich der Höhe der gezeichneten Anteile (one man, one vote). Je nach Größe der Genossenschaft, wählen die Mitglieder den Aufsichtsrat direkt oder sie wählen ihre Vertreter, die dann wiederrum den Aufsichtsrat wählen.
Der Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat besteht aus den Mitgliedern der Genossenschaft. Dieses Organ führt, berät, überwacht und bestellt den Vorstand.
Der Vorstand
Der Vorstand einer Wohnbaugenossenschaft setzt sich aus mindestens drei Personen zusammen und wird für zwei bis vier Jahre gewählt. Er führt die laufenden Geschäfte und gestaltet die Unternehmenspolitik der Genossenschaft. Er hat als primäre Aufgabe sich für die Interessen der Mitglieder einzusetzen. Hierfür können vom Vorstand Mitarbeiter beschäftigt werden.
Jedes Mitglied hat ein aktives Wahlrecht, das bedeutet zu einer Stimmabgabe berechtigt zu sein und ein passives Wahlrecht, das bedeutet die Möglichkeit zu haben sich als Kandidat für ein Amt aufstellen zu lassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Die Organe und ihre Aufgaben9
Durch den Beitritt in eine Wohnbaugenossenschaft und den Einzug in eine Genossenschaftswohnung erhalten die Mitglieder Rechte und Pflichten. Sie profitieren vor allem von günstigen Mietzinsen, Flexibilität und einem Dauernutzungsrecht auf Lebzeiten. Dem stehen neben den gewöhnlichen Pflichten eines Mieters, die Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft entgegen.
Statt eines Mietvertrages unterschreiben die Bewohner einen Dauernutzugsvertrag. Dieser orientiert sich am Genossenschaftsrecht (GenG), der jeweiligen Satzung der Wohnungsbaugenossenschaft und dem Mietrecht.
3. Wohnbaugenossenschaften in Deutschland und in der Schweiz
Die nachstehende Tabelle soll zu Beginn die generelle Verschiedenheit beider Länder verdeutlichen. Die Historie, die Wirtschaft und die Politik haben unter anderem einen wesentlichen Einfluss auf die Mentalität, die Lebensbedingungen und das Zusammenleben der Bewohner im jeweiligen Land. Diese Faktoren haben ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf die Wohnbaugenossenschaften und auf genossenschaftliches Wohnen. Die Unterschiedlichkeit beider Länder sollte während des gesamten Vergleichs im Hinterkopf behalten werden, um sich ein differenziertes und ganzheitliches Bild machen zu können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Ländervergleich Deutschland Schweiz URL5 (Eigene Darstellung)
3.1 Wohnbaugenossenschaften in Deutschland
Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 2000 Wohnungsbaugenossenschaften und etwa drei Millionen Mitglieder. Die meisten Genossenschaften werden durch den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) vertreten.
Zu den fünf größten Wohnungsgenossenschaften in Deutschland gehören Stand November 2018:10
1. Aufbau Dresden eG 17.040 Wohnungen, 18.461 Mitglieder
2. Neue Lübecker Norddeutsche Baugenossenschaft eG 15.379 Wohnungen, 17.796 Mitglieder
3. Bauverein der Elbgemeinden eG 13.817 Wohnungen, 21.303 Mitglieder
4. „Glückauf“ Süd Dresden eG 13.021 Wohnungen, 14.482 Mitglieder
5. Spar- und Bauverein Dortmund eG (Sparverein) 11.577 Wohnungen; 20.159 Mitglieder Es fällt auf, dass die fünf größten Wohnungsgenossenschaften aus den nördlichen und östlichen Bundesländern kommen. Zum Vergleich werden zwei der größten Wohnungsgenossenschaften aus dem Raum Baden-Württemberg betrachtet.
6. Mieter- und Bauverein Karlsruhe eG11 (Sparverein) 7.015 Wohnungen,
7. Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg eG12 5.432 Wohnungen, 6.070 Mitglieder
Die Anzahl der Wohnungen der Wohnbaugenossenschaften in Baden-Württemberg sind deutlich hinter den Spitzenreitern. Umso bemerkenswerter ist die hohe Anzahl der Mitglieder von über 28.000 im Mieter- und Bauverein Karlsruhe. Das liegt allerding daran, dass diese Genossenschaft gleichzeitig als Sparverein tätig ist. Bedeutet, die Genossenschaft beschafft sich ihre Kredite für die Investitionen vor Ort von ihren Mitgliedern und bezahlen ihnen dafür gute Zinsen. Das erklärt die große Differenz zwischen Wohnungsbestand und Mitgliederanzahl, ebenso beim Spar- und Bauverein Dortmund eG.
Wie das Kapitel Historie der Wohnbaugenossenschaften zeigt, ist die Struktur der Wohnbaugenossenschaften in Deutschland historisch gewachsen.
Vor allem die Teilung in Ost- und Westdeutschland war noch sehr lange spürbar. Bis vor ca. 10 Jahren spielte genossenschaftliches Wohnen in den neuen Bundesländern mit 12% am gesamten Wohnungsbestand eine bedeutendere Rolle als in den alten Bundesländern mit nur 4%.13
Heute, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, ist die Verteilung ausgewogener. Der bewirtschaftete Wohnungsbestand von WBG belief sich 2017 auf ca. 2 Mio. Wohnungseinheiten. Dabei fallen 53,5% auf die alten Länder und 46,5% auf die neuen.14
Die alten Bundesländer haben aufgeholt und WBG nehmen auch hier vor allem aufgrund der steigenden Mietpreise an Bedeutung zu.
Mietpreisindex für Deutschland von 1995-2017
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Mietpreisindex für Deutschland von 1995-201715
Die Aktuelle Situation des Wohnungsmarktes spiegelt sich auch bei den WBG ab. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in Ballungszentren ist enorm. Aus diesem Grund steigt seit einigen Jahren auch die Nachfrage nach genossenschaftlichem Wohnen.
Ebenso untermauern Statistiken des Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) von den Jahren 2012 bis 2017 diesen Trend.
Die Investitionen der WBG sind von 4 Mrd.€ auf rund 5,2 Mrd.€ gestiegen. Das entspricht einer Steigerung um 30%. Dabei sind vor allem die Investitionen in den Neubau deutlich gewachsen. Hier gab es von 2012 bis 2017 einen Anstieg um 123%. Im Gegenzug sind die Investitionen in Instandhaltungen nur leicht angestiegen, Investitionen in Modernisierungen sind sogar zurückgegangen.16 17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Investitionen in Neubau und Bestand von 2012 und 2017 (Eigene Darstellung)18
3.2 Wohnbaugenossenschaften in der Schweiz
Genau wie in Deutschland entstanden die ersten Schweizer Genossenschaften aus der Wohnungsnot zur Zeit der Industrialisierung um 1860-1890. Aus dieser Zeit bestehen heute allerdings keine bedeutenden Genossenschaften mehr. Erst nach dem Ende des ersten Weltkrieges, als erneut eine große Wohnungsnot herrschte, wurden die ersten bedeutenden Genossenschaften gegründet und Wohnungen gebaut.
Heute gibt es in der Schweiz ca. 1500 Wohnbaugenossenschaften mit rund 160.000 Wohnungen. Davon sind ca. 1200 WBG Mitglied im Dachverband der Wohnbaugenossenschaften Schweiz.19
Die Bedeutung der WBG ist aufgrund des föderalistischen Systems der Schweiz von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Mit 384 Wohnbaugenossenschaften ist der Kanton Zürich vor dem Kanton Bern mit 278 Wohnbaugenossenschaften am stärksten vertreten. Schlusslicht ist der Kanton Glarus mit nur 10 Wohnbaugenossenschaften.20 Somit spielt sich der aktuelle, moderne Genossenschaftsbau mit vorzeige Projekten wie dem Hunziker Areal und der Genossenschaft „Kalkbreite“ vor allem im Kanton Zürich ab. (s. Abbildung)
Aus diesem Grund wird im Folgenden dieser Abschlussarbeit hauptsächlich auf den Kanton Zürich eingegangen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Wohnungen der Schweizer WBG nach Kantonen (Eigene Darstellung)21
Den Anstoß für Wohnbaugenossenschaften machte im Jahr 1907 die Stadt Zürich mit einem Gesetz, das die Stadt dazu verpflichtete, „billigen und gesunden“ Wohnraum zu schaffen. Dieses Ziel konnte nur zusammen mit den Zürcher Wohnungsgenossenschaften erreicht werden.
So begann die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Zürich und den Wohnbaugenossenschaften, die bis heute sehr nachhaltig ist.
Grundstücksflächen wurden günstig an Genossenschaften verkauft und die benötigte Eigenkapitalquote für eine Finanzierung wurde gesenkt. Zürich schaffte die passenden Rahmenbedingungen für die Baugenossenschaften und die Stadt kam ihrem Ziel näher „billigen und gesunden“ Wohnraum zu schaffen.
Es begann die Pionierzeit der Zürcher Genossenschaften.
In den 1950er Jahren änderte die Stadt ihre Politik. Zu wenig bezahlbarer Wohnraum war kein aktuelles Thema das die Zürcher beschäftigte. Die Stadt sah keinen Bedarf, weshalb die enge Zusammenarbeit mit den Genossenschaften „einschlief“. Die folgenden Jahrzehnte wurde der Wohnungsneubau von der Politik vernachlässigt. Die Folge war, als in den 90er Jahren die Nachfrage nach Wohnraum stieg, dass Neubauten fehlten.
Die Stadt Zürich erkannte das Problem und setzte sich wie 1907 erneut ein eigenes Ziel: 10.000 Wohnungen in 10 Jahren. Dabei griffen sie ebenso auf dieselbe Strategie zurück wie 100 Jahre zuvor. Sie boten Genossenschaften günstig Bauland an.
So begann die Renaissance der Zürcher Wohnbaugenossenschaften die mit herausragenden Projekten als ein Vorreiter des modernen Genossenschaftsbaus des 21. Jahrhunderts gilt.
Heute sind ca. 20% aller Mietwohnungen in Zürich im Besitz von Genossenschaften. Das entspricht 40.000 Wohnungen. 5% aller Schweizer sind Mitglied einer Genossenschaft oder Bewohner einer gemeinnützigen Wohnung. Damit spielen sie eine bedeutende und unverzichtbare Rolle im Mietwohnungsmarkt der Stadt.22
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Anteil Mieter, Eigentümer und Genossenschafter in der Schweiz23
4. Genossenschaftliches Wohnen – eine dritte Wohnform
4.1 Vergleich zu Kaufen und Mieten
Durchschnittlich wohnen 70% der Europäer im Eigenheim.24 Umso bemerkenswerter ist die Wohnsituation in Deutschland und in der Schweiz (siehe Abb.7). Über die Hälfte der Menschen in Deutschland und in der Schweiz wohnen zur Miete. Damit liegen sie im EU-Vergleich auf den letzten beiden Plätzen.25 26 27
Neben Kaufen und Mieten, ist das Wohnen in einer Genossenschaftswohnung, eine dritte mögliche Wohnform. Das folgende Netzdiagramm vergleicht die drei Wohnformen in einigen Merkmalen. Dabei wird in monetären und nicht monetären Faktoren unterschieden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Netzdiagramm zum Vergleich der drei Wohnformen (Eigene Darstellung)
Das Sterndiagramm lässt die Schwächen und Stärken jeder Wohnform erkennen.
Vor allem im Bereich der nicht monetären Faktoren zeigt genossenschaftliches Wohnen klare Vorteile.
Die Punkte Wohnsicherheit, Gemeinschaft und Flexibilität werden sehr hoch bewertet. Klare Schwächen zeigt es hingegen bei dem Kriterium Vermögensaufbau. Da kein Eigentumsrecht sondern ein Dauernutzungsrecht auf Lebzeiten besteht, kann die Wohnung nach dem Tod nicht vererbt werden. Für viele ist das ein schwerwiegendes Argument. Allerdings steht einem Vermögensaufbau durch Kauf einer Immobilie ein hoher Kapitalbedarf zu Beginn gegenüber.
Möchte man in eine Genossenschaftswohnung einziehen müssen Pflichtanteile für die Mitgliedschaft und weitere Anteile, je nach Größe der Wohnung, gezeichnet werden. Das Kapital wird für die Dauer des Wohnens in der Genossenschaftswohnung gebunden. Allerdings gibt es hierfür Förderkredite z.B. von der KfW28 und der L-Bank, einige Genossenschaften verzinsen dieses Kapital (Bsp.: BG Ellwangen 3% Dividende)29.
Ein weiteres Kriterium ist das Mitspracherecht. Beim Kauf einer Immobilie kann der Eigentümer selbst entscheiden was damit geschieht und muss sich bis auf äußere Einflüsse wie Vorschriften durch den Bebauungsplan o.ä. mit niemandem Abstimmen. Die Mitglieder einer Hausgemeinschaft haben ebenso Mitspracherecht, allerdings eingeschränkt, da jeder eine Stimme hat und nicht die Interessen des Einzelnen, sondern die Interessen der Gemeinschaft im Vordergrund stehen. Diesem Recht steht in beiden Wohnformen eine Verantwortungspflicht, z.B. in Form von Pflege und Erhaltung der Immobilie, gegenüber.
Als Mieter ist das Mitspracherecht sehr gering, dafür ist die Verantwortung auch nicht sehr groß.
Der mtl. Nutzungszins ist ein wesentliches Argument, der viele Menschen von genossenschaftlichem Wohnen überzeugt. Dieser liegt bei Genossenschaftswohnungen i.d.R. unter den marktüblichen Mieten. Hinzu kommt, dass den Bewohner, solange sie ihre mietvertraglichen Pflichten erfüllen, nicht gekündigt werden kann. Das sorgt, wie beim Kauf, für eine große Wohnsicherheit. Der in Miete lebende kann hingegen jederzeit aus Eigenbedarf gekündigt werden.
Neben dem Argument der niedrigen mtl. Ausgaben spricht eine hohe Flexibilität der Bewohner für das Wohnen in einer Genossenschaftswohnungen aber auch für das Wohnen in Miete. Ändert sich der Arbeitsplatz oder die Lebenssituation kann der Vertrag in beiden Wohnformen fristgerecht gekündigt werden. Sieht man von den Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche in den Großstädten ab, so sind beide Wohnformen sehr flexibel.
Beim Kauf einer Immobilie für den Eigenbedarf bringt eine solche Veränderung sehr viel mehr Aufwand mit sich.
Es fällt auf, dass genossenschaftliches Wohnen in vielen Punkten entweder mit den Vorteilen eines Kaufs oder dem Wohnen in Miete Parallelen hat. Somit stellt diese Wohnform so etwas wie ein Kompromiss oder den Mittelweg dar. Welche Wohnform für welche Person letztendlich die richtige ist, hängt aber auch von der jeweiligen Lebenssituation und der persönlichen Einstellung des Einzelnen ab.
4.2 Soziale, ökonomische und ökologische Aspekte
Gemeinschaftliche Konzepte nehmen zunehmend eine wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft ein. Genossenschaften nehmen diesen Trend auf und planen vermehrt gemeinschaftsorientiert. Durch die besondere Beachtung sozialer, ökonomischer und ökologischer Aspekte wird diese Wohnform erst zu einer besonderen, die sich von den anderen unterscheidet. Als solches leisten Wohnungsgenossenschaften mit diesem Ansatz einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit, Demokratie und der Solidarität.30
Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass Genossenschaftliche Projekte grundsätzlich alle drei Aspekte berücksichtigen.
Soziale Aspekte
Genossenschaftliche Projekte verfolgen soziale und gesellschaftliche Ziele. Sie streben nach einer heterogenen Bewohnerstruktur. Menschen aus allen Lebensphasen, aus verschiedenen Kulturen und Menschen mit Behinderung sind nicht nur willkommen, sondern fester Bestandteil dieses Konzepts.
Wer sich für das Wohnen in einer Genossenschaft entscheidet, sucht i.d.R. den aktiven Kontakt zu anderen Menschen. Aufgrund dessen finden sich bei solchen Projekten „meist Menschen mit ähnlichen Interessen, sowie ähnlichen Erwartungen und Einstellungen zusammen, die in der Regel eine hohe Engagementbereitschaft mitbringen.“31 In der Praxis zeigt sich, dass das zunehmend ältere Menschen sind, die nicht alleine leben möchten, aber vor allem sind es Familien mit Kindern und Alleinerziehende, die vermehrt die Gemeinschaft suchen.
Die Graphik der Genossenschaft „mehr als wohnen“ zeigt, wer sich um eine Wohnung im Hunziker Areal beworben hat und unterstreicht diese Erkenntnis.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Wer hat sich im Hunziker Areal beworben?32
Gemeinschaftsräume und gemeinschaftlich genutzte Außenflächen sind zentrales Element für den Dialog zwischen den Bewohnern. Die zusätzliche Einplanung von Gewerbeeinheiten die an kulturelle und soziale Einrichtungen vermietet werden, steigert das Angebot im direkten Umfeld der Bewohner und somit deren Aktivität. Die regelmäßige Begegnung und die gegenseitige Unterstützung sorgt für ein größeres Gemeinschaftsgefühl bei Einzelnen. Daraus entstehen zwischen den Bewohnern aller Altersklassen Freundschaften und Nachbarschaften, wobei gemeinsame Aktivitäten wie Fahrradtouren, Spaziergänge oder sogar gemeinsame Urlaube das Ergebnis sein können.
Die verhältnismäßig intensive Gemeinschaftskultur ist unter anderem dafür verantwortlich, dass genossenschaftliches Wohnen in der breiten Gesellschaft mit Skepsis betrachtet wird. Dabei sind viele über diese Wohnform unzureichend informiert, weshalb von außenstehenden oft eine Art Kommune mit Bewohnern der unteren Gesellschaftsschichten suggeriert wird. Diese Annahmen sind jedoch veraltet und längst nicht mehr zeitgemäß. Die WBG und deren Konzepte haben sich mit der Gesellschaft und deren Anforderungen weiterentwickelt.
Die sozialen Aspekte sind von zentraler Bedeutung. Sie geschehen nicht zufällig. Alle Bestandteile werden durch die Genossenschaftsprinzipien, Architektur der Gebäude, Durchmischung und Anordnung vorab geplant und tragen dazu bei, dass aus „normalem“ Wohnen genossenschaftliches Wohnen mit einem Mehrwert für die Bewohner wird.
Ökonomische Aspekte
Wie bereits beschrieben, erlebt genossenschaftliches Wohnen aktuell eine Renaissance. Neben dem Wunsch nach mehr Gemeinschaft in der Bevölkerung, sind die steigenden Mieten in den Großstädten ein wesentlicher Auslöser. Genossenschaften können aus zwei Gründen Ihre Wohnungen zu unterdurchschnittlichen Mieten anbieten. Zum einen erhalten genossenschaftliche Projekte finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand, zum anderen haben sie im Gegensatz zu privaten Wohnprojekten keine oder nur geringe Renditeerwartungen. Ein weiterer kostensenkender Beitrag kann durch die Beteiligung der Bewohner bei der Planung erbracht werden. Darauf wird im darauffolgenden Kapitel 5.1 genauer eingegangen.
Die Betriebskosten sind, wie die Kaltmieten, im lokalen Vergleich günstiger. Auch hier bietet die Gemeinschaft wieder Vorteile.
Durch die gemeinschaftliche Nutzung z.B. von Waschmaschinen, Werkzeug u.v.m. können Anschaffungskosten sowie Strom- und Wasserkosten minimiert werden.
Durch die Gemeinschaftsflächen wird es möglich, die privaten Wohneinheiten ca. 15% kleiner als normale Wohnungen ohne Zugang zu Gemeinschaftsflächen zu gestalten. Damit wird in vielen genossenschaftlichen Projekten erreicht, dass die Pro-Kopf-Fläche sehr viel geringer ist. Das führt insgesamt zu einem geringeren Flächenverbrauch und somit zu niedrigeren Verbrauchskosten. (siehe Abb.10)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Wohnfläche pro Person nach Eigentumsform von 2000 und 2010-1433
Die persönliche Eigenschaften und die Einstellung der Bewohner, welche bei den sozialen Aspekten angesprochen wurden, haben bei den ökonomischen Aspekten ebenso einen positiven Effekt. Es zeigt sich, dass Menschen die sich für diese Wohnform entscheiden umweltbewusster und ressourcenschonender handeln und leben. Dieses selbstselektive Verbraucherverhalten trägt unter anderem zu einer positiven ökonomischen Bilanz bei. Die Nutzung der Verkehrsmittel der Bewohner z.B. der Genossenschaft „Kalkbreite“, ein genossenschaftliches Wohnquartier in Zürich, bestätigen das umweltbewusste Verhalten.
[...]
1 Prof. Dr. Eduard Mändle, Wohnungsgenossenschaften, 2018, URL1
2 Annette Becker et al., Bauen und Wohnen in Gemeinschaft, Birkhäuser Basel, 2015, S.8
3 Hg. DGRV die Genossenschaften: Historie der Genossenschaften, o.J., URL2
4 Hg. DGRV die Genossenschaften: Historie der Genossenschaften, o.J., URL2
5 Ursula Storost, 2008, URL3
6 Barbara Crome – Entwicklung und Situation der Wohnungsgenossenschaften in Deutschland S.212ff.
7 Barbara Crome – Entwicklung und Situation der Wohnungsgenossenschaften in Deutschland S.212ff.
8 W.Förster, W.Menking; Das Wiener Modell – Wohnbau für die Stadt des 21. Jahrhunderts, S.5-10
9 Die Wohnbaugenossenschaften Deutschland, o.J., URL4
10 Wohnbaugenossenschaften Berlin, 2018, URL6
11 Mieter- und Bauverein Karlsruhe eG, o.J., URL7
12 Landes-Bau Genossenschaft Württemberg eG, 2017, URL8
13 Barbara Crome – Entwicklung und Situation der Wohnungsgenossenschaften in Deutschland; S.214
14 GdW Jahresstatisik 2017 – Tabelle 9
15 Statista, 2018, URL9
16 GdW Jahresstatisik 2017 – Tabelle 5
17 GdW Jahresstatisik 2012 – 2.3 Investitionen
18 GdW Jahrestatistik 2012 und 2017)
19 Geschäftsbericht 2017 – Wohnbaugenossenschaften Schweiz Verband der gemeinnützigen wohnbauträger, S.13
20 Vgl. Die Wohnbaugenossenschaften der Schweiz – eine Bestandsaufnahme
21 P.Schmidt – Die Wohnbaugenossenschaften der Schweiz – Eine Bestandsaufnahme, Tab.10, S.50
22 Vgl. Dominique Boudet - Wohngenossenschaften in Zürich Gartenstädte und neue Nachbarschaften – S.9ff.
23 Der Gemeinnützige Wohnungsbau in der Schweiz.pdf; Hrsg. Verband der Wohnbaugenossenschaften Schweiz; S.20
24 Vgl. FAZ, 2017, URL10
25 Bundesamt für Wohnungswesen, 2011,URL11
26 Statista, 2016, URL12
27 Bundesamt für Wohnungswesen, 2008, URL13
28 KfW, o.J., URL14
29 BG Ellwangen, o.J., URL15
30 Vgl. C. Henseling et al. Soziale, ökologische und ökonomische Effekte und Potentiale gemeinschaftlicher Wohnformen, 2018
31 C. Henseling et al. Soziale, ökologische und ökonomische Effekte und Potentiale gemeinschaftlicher Wohnformen, 2018 - S.8
32 Vgl. Mehr als Wohnen; 2017 Diagramm S.129
33 Sotomo, 2017, Gemeinnütziges Wohnen im Fokus, S.26