Das Ziel dieser Arbeit ist die systematische Untersuchung, inwieweit die Verhandlungsmöglichkeiten über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Unternehmensebene in einer SE Grund für die Rechtsformwahl sein könnten. Es wird geprüft, ob der rechtsformspezifische Nutzen in der Chance für Unternehmen einer Mitbestimmungsumgehung liegt und folglich in der Praxis eine Flucht aus der deutschen Unternehmensmitbestimmung bewirken könnte.
Im fortlaufenden Bestreben einen Raum ohne Grenzen zu schaffen ist die Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte und die Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen in der Europäischen Union ein maßgebliches Ziel. Teil dieses Bestrebens des EU-Rates sollte die Verwirklichung einer Europäischen Aktiengesellschaft sein.
Am 8. Oktober 2004 ist die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO) in Kraft getreten und bietet seither allen Unternehmen in den EU-Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Wirtschaftsraum die Möglichkeit einer einheitlichen Rechtsform, der Societas Europaea (SE), die ihren Ursprung im supranationalem Recht hat.
Mit der SE steht Unternehmen eine nicht national gebundene Gesellschaftsform für Aktiengesellschaften in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum zur Verfügung, die weitgehend einheitlichen Rechtsprinzipien unterliegt, eine größere Mobilität innerhalb der Gemeinschaft aufweist und leichter Anerkennung findet.
Die Entwicklung einer überstaatlichen Rechtsform erforderte von den einzelnen Mitgliedsstaaten eine Einigung auf wesentliche Kernpunkte trotz der Abweichungen in ihren nationalen Statuten. Gleichzeitig sollte das nationale Recht des Sitzstaates nicht ausgehebelt werden, sondern einschlägig sein. Die SE befindet sich somit in einem Spannungsfeld zwischen Einheitlichkeitsanspruch und zunehmender Nationalisierung der Rechtsform.
Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die SE ein interessantes Rechtskonstrukt, da die Wahl der Rechtsform Freiheiten und Restriktionen mit sich bringt. Die SE bringt Gestaltungsvarianten und Wahlmöglichkeiten mit sich, die für Betriebswirte Erleichterungen und Flexibilität bedeuten können. Insbesondere die verhandelbare Arbeitnehmermitbestimmung könnte das Rechtskleid der SE für Unternehmen äußerst attraktiv gestalten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Themeneinordnung und Zielsetzung
- 2. Der Rechtsrahmen der SE
- 2.1 Anwendbares Recht
- 2.2 Entstehungsgeschichte der SE
- 2.3 Der Aufbau der SE: Merkmale und Besonderheiten
- 3. Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE
- 3.1 Wesentliche Bestimmungen der SE-RL und des SEBG
- 3.2 Beteiligung der Arbeitnehmer im Verhandlungsprozess
- 3.2.1 Einsetzen des besonderen Verhandlungsgremiums
- 3.2.2 Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer
- 3.2.3 Beendigung der Verhandlungen
- 4. Konservierung des Mitbestimmungsstatuts
- 4.1 Exkurs: Die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland
- 4.2 Problematik der Konservierung des Mitbestimmungsstatuts
- 4.3 Beispiele aus der Praxis
- 4.4 Die Unternehmensmitbestimmung aus betriebswirtschaftlicher Sicht
- 4.5 Die Erosion der Unternehmensmitbestimmung als Kernstück der Wirtschaftsdemokratie
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Problematik einer möglichen Flucht aus der deutschen Unternehmensmitbestimmung durch die Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Der Fokus liegt auf der systematischen Darlegung des Rechtsrahmens der SE im Kontext der Arbeitnehmerbeteiligung und der Frage, ob und inwiefern das deutsche Mitbestimmungsrecht in der SE-Struktur erhalten bleiben kann.
- Der Rechtsrahmen der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)
- Die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE
- Die Konservierung des Mitbestimmungsstatuts in der SE
- Die betriebswirtschaftliche Sicht auf die Unternehmensmitbestimmung
- Die Erosion der Unternehmensmitbestimmung als Kernstück der Wirtschaftsdemokratie
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik ein und erläutert die Zielsetzung der Arbeit. Kapitel 2 befasst sich mit dem Rechtsrahmen der SE, einschließlich der anwendbaren Rechtsnormen, der Entstehungsgeschichte und der charakteristischen Merkmale der SE-Struktur. In Kapitel 3 wird die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE im Detail beleuchtet, wobei die wesentlichen Bestimmungen der SE-Richtlinie und des SE-Beteiligungsgesetzes sowie die Verfahren der Arbeitnehmerbeteiligung im Verhandlungsprozess im Vordergrund stehen. Kapitel 4 untersucht die Problematik der Konservierung des deutschen Mitbestimmungsstatuts im Rahmen der SE-Gründung, beleuchtet die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland, betrachtet praktische Beispiele und analysiert die betriebswirtschaftlichen Aspekte sowie die Folgen einer möglichen Erosion der Unternehmensmitbestimmung.
Schlüsselwörter
Europäische Aktiengesellschaft (SE), Unternehmensmitbestimmung, Arbeitnehmerbeteiligung, Rechtsrahmen, SE-Richtlinie, SE-Beteiligungsgesetz, Konservierung, Mitbestimmungsstatut, betriebswirtschaftliche Sicht, Wirtschaftsdemokratie.
- Citar trabajo
- Anthea Brüggemann (Autor), 2022, Der Rechtsrahmen der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und die Problematik einer möglichen Flucht aus der deutschen Unternehmensmitbestimmung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1253589