Wie soll sich das Individuum verhalten, wenn von Seiten des Staates Unrecht ausgeht?
Gerade die totalitären Herrschaftssysteme des 20. Jahrhunderts spiegeln die Aktualität jener Frage in bisher noch nie da gewesener Intensität wider. Für jeden, für den Humanität nicht nur ein abstraktes Konstrukt, sondern ein staatliches Leitprinzip darstellt, ergibt sich die Frage, wie man ein derartig inhumanes Terrorregime stürzen kann.
Aus diesem Grund ist es das Anliegen der Arbeit, den Perspektiven für effektiven Widerstand in totalitären Systemen auf den Grund zu gehen. Aus dem Begriff des totalitären resultiert implizit die Ausschaltung jeder Art von Widerstand, was in der Konsequenz erhebliche Obstruktionen für oppositionelle Gruppen bedeutet. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Leitfrage für die Arbeit, ob Widerstand in einem derartigen System a priori chancenlos ist oder nicht.
Zu Beginn wird auf den Nationalsozialismus als totalitäres System eingegangen, wobei dessen charakteristische Strukturelemente untersucht werden sollen. Im folgenden Punkt erfolgt die Auseinandersetzung mit Art sowie Umfang des Widerstandes. Um den Begriff als solchen präzise erfassen zu können, muss er zunächst nominaldefinitorisch analysiert werden, bevor dann auf dessen Umfang und Probleme eingegangen werden kann. Hierbei wird gemäß den Strukturmerkmalen des Totalitarismus evident, welche personellen und organisatorischen Probleme daraus resultieren. Der sich anschließende Abschnitt der Arbeit befasst sich ferner mit der Kontroverse um Stauffenbergs Attentat am 20. Juli 1944. Innerhalb dieses Punktes wird zunächst begründet, warum nur das Militär für effektiven Widerstand in Frage kommt. Dann wird explizit auf die Erfolgsbedingungen des Widerstands eingegangen, wobei technisch-administrative Aspekte ebenso beleuchtet werden wie die Haltung des Auslandes. In der Geschichtswissenschaft entwickelte sich eine kontroverse Debatte über die Motive des Kreises um Stauffenberg. Diese soll kurz nachgezeichnet werden, weil die Motive Aufschluss darüber geben, ob der exogene Zusammenbruch des Systems für erfolgreichen Widerstand erforderlich ist oder nicht. Zuletzt soll die komparative Analyse der gelungenen italienischen Opposition aufzeigen, welche weiteren Faktoren für die Erfolgsaussicht von Widerstand bedeutsam sind, bevor dann die Frage nach der apriorischen Chancenlosigkeit evaluiert wird.
Inhaltsverzeichnis
- Humanitäre Moral und das höhere Gebot
- Der Nationalsozialismus als totalitäres System
- Strukturmerkmale eines totalitären Systems
- Der totalitäre Charakter des Nationalsozialismus
- Art und Umfang des Widerstandes
- Widerstand - ein facettenreicher Begriff
- Umfang und Probleme des Widerstands
- Die Träger des Widerstands
- Die Probleme des Widerstands
- Die Kontroverse um den 20. Juli 1944
- Das Militär als einziger Träger effektiven Widerstands
- Erfolgsfaktoren für effektiven Widerstand
- Technisch-administrative Aspekte
- Die Haltung des Auslandes
- Motive für den Widerstand und deren Interpretation
- Widerstand aus Moral und Ethik
- Realpolitische Kalkulationen
- Das faschistische Italien als Vorbild für erfolgreichen Widerstand
- Der Widerstand und seine Erfolgschancen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Möglichkeiten effektiven Widerstands in totalitären Systemen am Beispiel des Nationalsozialismus. Im Fokus steht die Frage, ob Widerstand in einem solchen System a priori chancenlos ist. Die Analyse berücksichtigt historische Fakten, bewertet diese jedoch im Hinblick auf politikwissenschaftlich relevante Faktoren für erfolgreichen Widerstand.
- Der Nationalsozialismus als totalitäres System und dessen Strukturmerkmale
- Art und Umfang des Widerstands im Nationalsozialismus
- Die Kontroverse um das Attentat vom 20. Juli 1944 und dessen Erfolgsfaktoren
- Motive des Widerstands (Moral, Ethik, Realpolitik)
- Vergleich mit dem italienischen Widerstand
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet das Spannungsfeld zwischen staatlichem Recht und höherer Moral anhand von Antigone und Cicero, um die historische Bedeutung von Widerstand gegen ungerechte Herrschaft zu etablieren. Kapitel 2 analysiert den Nationalsozialismus als totalitäres System, beschreibt dessen Strukturmerkmale und die daraus resultierenden Herausforderungen für Oppositionelle. Kapitel 3 untersucht Art und Umfang des Widerstands, einschließlich der Probleme und der Akteure. Kapitel 4 befasst sich mit der Kontroverse um das Attentat vom 20. Juli 1944, den möglichen Erfolgsfaktoren und den Motiven der Beteiligten. Kapitel 5 vergleicht die Situation mit dem Widerstand im faschistischen Italien.
Schlüsselwörter
Totalitäres System, Nationalsozialismus, Widerstand, 20. Juli 1944, Stauffenberg, Moral, Ethik, Realpolitik, Erfolgsfaktoren, Italien, Dissidenz.
- Quote paper
- Steffen Radtke (Author), 2009, Widerstand im totalitären System - a priori chancenlos?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125468