Hitler und Stalin: Führercharaktere im Vergleich


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

18 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einführung

Sendungsbewusstsein

Die Wege zur Macht
Stalin
Hitler

Instinkte und Charaktere

Minderwertigkeitskomplex und Paranoia
Stalin
Hitler

Fazit

Literaturverzeichnis

Einführung

Geschichte ist ein Prozess, in dem das Volk als träge, beeinflussbare Masse und Menschen mit politischen Ambitionen neben einander handeln und gegenseitig beeinflussen. Politisch erfolgreich wird derjenige, der die vorherrschenden Meinungen zu bündeln und mit seinen Interessen zu konkreten Zielen zu verbinden versteht. „Die Zeit sucht ihren Meister, aber in der Mehrzahl der Fälle findet sie ihn nicht; denken wir nur an die russische Revolution von 1905. Wenn aber ein Führer hervortritt – wie beispielsweise Kemal Pascha in der Türkei oder Mao in China -, dann kann er sich mitunter eine Position verschaffen, in der seine Persönlichkeit, seine individuellen Fähigkeiten und Anschauungen eine Bedeutung erlangen, die den Rahmen jeder normalen Erfahrung sprengt. Später, wenn sich seine Rolle erst einmal etabliert hat, ist es sehr schwierig, ihn wieder zu verdrängen, und ebendieser Fall ist, wie ich glaube, bei Hitler und Stalin eingetreten.“[1]

Der Zustand der Atomisierung und Entstaatlichung der Gesellschaft, wie er bei Hannah Arendt beschrieben wird, spielte für den Erfolg beider Führer und ihrer totalitären Parteien eine wesentliche Rolle. Und doch können weder die Verhältnisse noch die individuellen Persönlichkeiten allein eine ausreichende Erklärung der Geschichte bieten. Mit der vorliegenden Untersuchung der Charaktere beider Führer soll keinesfalls ein rein institutionalistischer Weg eingeschlagen werden. Vielmehr wird von der Formel „dem Führer entgegenarbeiten“ ausgegangen, wodurch sich eine Diskussion Intentionalismus versus Funktionalismus erübrigt. Longerichs Dreieck erscheint zur Beschreibung der Verhältnisse im Nationalsozialismus sehr anschaulich. Es bedarf eines Anschubs durch den Führer, die offene Legalisierung im Regime führt dann zur Radikalisierung durch Einzelne. Ein solcher Mechanismus arbeitete auch im Stalinismus.

„Neben Hitler und Stalin standen immer zahlreiche Männer, die die Situation in die Hand zu bekommen suchten. Eigenes Glück und fremde Fehler spielten eine wichtige Rolle, und doch war es eben Hitler, der es besser als Papen oder Hugenberg, und Stalin, der es besser als Trotzki und Sinowjew verstand, die Gunst der Stunde zu nutzen.“[2] Beim Vergleich beider Charaktere treten Ähnlichkeiten zutage, die zur Erklärung ihres politischen Aufstiegs beitragen können. Darüber hinaus liegt im Vergleich beider Führer der Kontrast nicht in der Persönlichkeit, sondern in ihrer jeweiligen Machtstellung. Hier treten deutliche Unterschiede zutage.

Erschreckend bleibt die Vorstellung, dass Menschen mit einer Halbbildung und derartigen Minderwertigkeitskomplexen durch Intrigen an die Macht gelangen, einem Größen- und Verfolgungswahn erliegen und den Tatsachen nicht mehr Rechnung tragen. Waren die Charaktereigenschaften für den Aufstieg beider Führer ausschlaggebend? Können solche politischen Entgleisungen durch die schonungslose Beschreibung der Verhältnisse und Charaktere vermieden werden?

Sendungsbewusstsein

Es ist kaum wahrscheinlich, dass Stalin und Hitler die Passagen in Hegels Werk gelesen haben, in denen er weltgeschichtliche Persönlichkeiten als Teil der Vorsehung bezeichnet. Mit Hilfe dieser Persönlichkeiten verwirklichte sich der Wille des Weltgeistes. Vor ihnen lägen Aufgaben, die gewaltige Opfer erforderten. Sie wären daher von den geltenden Normen menschlichen Verhaltens befreit.[3] Sowohl Stalin als auch Hitler teilten den Glauben an ihre weltgeschichtliche Rolle und eine historische Mission, die sie von den geltenden Normen menschlichen Verhaltens befreien würde.

Stalin verstand es als seine Mission, das rückständige landwirtschaftlich geprägte Russland in eine moderne Industriegesellschaft zu verwandeln und den Sozialismus zu errichten. Hitler sah seine Mission darin, die Niederlage des I. Weltkrieges auszulöschen, die Weimarer Republik zu zerschlagen und „dem deutschen Volk einen angemessenen Platz in der Geschichte“ zuzuweisen. Beide ersetzten die bestehende Politik durch ideologische Fernziele und beanspruchten Leib und Seele der Bürger. Beide versuchten, „die Herzen der jüngeren Generation zu gewinnen“ und einen „neuen“ von der entsprechenden Weltanschauung überzeugten Menschen, der anderen Anschauungen gegenüber intolerant ist, heranzuziehen. Die materialistische Einstellung beider schlug sich im Egozentrismus und ihrer Menschenverachtung nieder. Andere Menschen dienten lediglich als Werkzeuge zur Erreichung ihrer Ziele.

Sowohl Stalins als auch Hitlers Weltanschauung waren alles andere als originell. Ersetzte man „Rasse“ durch „Klasse“, „Rassenelite“ durch die Kommunistische Partei, das „Werkzeug der Vorsehung“ durch das „Werkzeug der Geschichte“, die Unterordnung des Einzelnen unter das Volk, dieses wiederum unter die Ideologie, so erhielte man aus Hitlers Weltbild die Grundzüge der Weltanschauung Stalins. Die Originalität beider lag nicht in der Ideologie und ihren Ideen, sondern in der Brutalität und Organisation der Umsetzung. Anders als Hitler erhob Stalin nicht einmal im engsten Kreis Anspruch auf ideologische Originalität.[4]

Das Leben bestand für beide einzig aus Politik und Macht. Deshalb führten die ein uninteressantes und spärliches Privatleben. Beide lebten in dem Bewusstsein, ihr Leben einem höheren weltgeschichtlichen Zweck zu opfern, das sogenannte Sendungsbewusstsein. So waren sie nicht allein durch ihr Machtstreben getrieben, sondern durch ihr ideologisches Fernziel, das man nicht beweisen konnte, an das man lediglich zu glauben vermag. Beide wussten, dass ihre Ziele gewaltige Opfer erfordern würden. Aber sie waren überzeugt, dass ihre Taten einst durch die Geschichte gerechtfertigt würden.

Die Wege zur Macht

Markante Unterschiede liegen in der Legitimation und dem Aufstieg beider Führer. Stalin legitimierte sich durch die Partei und die Revolution. Er war an die Rituale der Partei gebunden und musste sich dem Mehrheitsprinzip unterordnen. Er war gezwungen, jeden Einzelnen seiner Anhänger von seinem Machtanspruch zu überzeugen und ihn durch Posten, Mittäterschaft oder Repressalien dauerhaft zu binden. Hitler legte die Legitimation in seine Person und berief sich auf die Mission. Er besaß ein Charisma, dass ihm die Anerkennung und Loyalität seiner Anhänger dauerhaft sicherte. Spätestens seit 1934 war der Führerwille oberstes Gebot. Stalin besaß eine entsprechende Macht allenfalls faktisch ab 1937. Entsprechend verfügte Hitler über die größere Selbstsicherheit während Stalin die größere Kontrollmacht ausübte. Daraus resultiert auch der unterschiedliche Einsatz der Druckmittel. Stalin setzte verstärkt auf Terror, Hitler dagegen auf Propaganda, während beide gleich großen Wert auf ihre Personalpolitik und die Organisation legten.

Stalin

Stalins Weg zur Macht bleibt unverständlich, wenn man nicht die sich seit 1917 verfestigende eigene Atmosphäre in der KPdSU, deren Psychologie, Sprache und Kampfmittel in Betracht zieht. Die Glaubenssätze der marxistisch-leninistischen Ideologie waren heilig. Jeder hatte seine Ansichten mit entsprechenden Zitaten Lenins zu belegen. Stalin hielt sich für einen Schüler Lenins und beteiligte sich vor allem dort am Lenin-Kult, wo er sich frühzeitig als Mitglied des Zentralkomitees und der Partei präsentieren wollte. Dies war auch der Sinn seiner berühmten „Schwurrede“ bei der Totenfeier für Lenin im Januar 1924[5].

Zwischen 1924 und 1928 wurden die Weichen für Stalins politischen Sieg gestellt.[6] Er trat als Generalsekretär der Partei und gleichzeitig als Mitglied der vier wichtigsten Gremien – des Politbüros, des Zentralkomitees, des Sekretariats und des Org(anisations)büros faktisch die Nachfolge Lenins schon an. Es gab aber noch zu viele prominente Mitbewerber, die schließlich Stalins personalpolitische Kleinarbeit besiegte. Im Dezember 1927 gelang es ihm, im Streit um die Neue Ökonomische Politik die linke Opposition um Trockij, Zinov`ev und Kamenev auszuschalten. 1928 begann parallel zu den Fragen der Umsetzung der Industrialisierung die Kampagne gegen die rechte Opposition um Bucharin, Rykov und Tomskij. Ab 1929 war es üblich, von Stalin als dem Führer der Partei zu sprechen. Zugleich begann der Stalinkult als eine offiziell gesteuerte Kampagne. Stalin wurde in Anlehnung an Lenin zur neuen Identifikations- und Integrationsfigur stilisiert.

[...]


[1] Bullock, Alan, Hitler und Stalin. Parallele Leben, dt. Berlin 1999, S. 1271.

[2] Bullock, 1999, S. 1272.

[3] Hegel, G., Die Vernunft in der Geschichte, herausgegeben von Hoffmeister, J., Hamburg 5. Auflage 1955, S. 74ff.

[4] Bullock, 1999, S. 554f.

[5] Stalin, Josef W.; Rede auf dem II. Sowjetkongress der UdSSR am 26.01.1924, in: Stalin, J. W., Werke, Band. 6. Berlin 1952, S. 41-46.

[6] Ennker, Benno, Politische Herrschaft und Stalinkultur 1929-1939 in: Plaggenborg, Stefan, Hg., Stalinismus. Neue Forschungen und Konzepte, Berlin 1998, S. 159.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Hitler und Stalin: Führercharaktere im Vergleich
Université
Free University of Berlin  (Osteuropa-Institut FB Geschichte)
Cours
PS Einführung in die vergleichende Geschichtswissenschaft: Stalinismus und Nationalsozialismus
Note
2,3
Auteur
Année
2002
Pages
18
N° de catalogue
V12557
ISBN (ebook)
9783638184113
ISBN (Livre)
9783638787550
Taille d'un fichier
470 KB
Langue
allemand
Mots clés
Charakter, Hitler, Stalin, Vergleich, Sendungsbewußtsein, Machterlangung, Bullock
Citation du texte
Andrea Friemann (Auteur), 2002, Hitler und Stalin: Führercharaktere im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12557

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