Die Bildung einer loyalen Staatsnation ist von besonderer Bedeutung für die Zukunft des ukrainischen Staates. Auf der Grundlage von drei für die nationalstaatliche Entwicklung der Ukraine markanten Interessenkonflikten sollen die unterschiedlichen Interessenlagen untersucht werden. Kernfrage ist dabei: Wie lassen sich die Konfliktlinien historisch, ökonomisch oder politisch begründen? Decken sich die artikulierten Interessen mit den tatsächlichen Zielen der Konfliktparteien?
In der vorliegenden Untersuchung zu den Konfliktlinien in der nationalstaatlichen Entwicklung wird das Dilemma der Gleichzeitigkeit unterstellt, nach dem zur politischen und wirtschaftlichen Transformation zeitgleich eine gesellschaftliche hinzukommt, die zu zahlreichen sozio-ökonomischen Problemen führt. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine zahlreiche Minderheiten. Die Untersuchung der Konfliktlinien beschränkt sich auf die Interessen der russischen Minderheit.
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Akteure rational und interessengeleitet handeln. Das bedeutet, dass Interessenkämpfe, bargaining und Kompromisse im Vordergrund stehen, die Zugriff auf ökonomische und politische Ressourcen erlauben. Eine Nation entsteht im Ergebnis gegenseitiger Anerkennung und ist ein soziales Konstrukt. Aber Einzelinteressen können unter Umständen die Sozialordnung einer Nation instrumentalisieren. Auf Grund vorhandener Defizite in den nationalstaatlichen Funktionen haben Einzelinteressen konkreten Einfluss auf die Ausgestaltung des ukrainischen Nationalinteresses.
In der Ukraine erscheinen die Einzelinteressen in Form von Netzwerken.1 Wenn sich politische, ökonomische und soziale Akteure innerhalb eines übergeordneten institutionellen Rahmens über informelle Wege selbst koordinieren, indem Informationen und Ressourcen ausgetauscht werden, spricht man von Netzwerken. Da die Vertrauensbasis der Mitglieder in der gemeinsamen Vergangenheit geschaffen wurde, scheint der Netzwerkansatz für post-sozialistische Gesellschaften besonders geeignet.
Die Grenzen solcher Netzwerke zwischen politischem, ökonomischem und sozialem System sind fließend. Die Interessen der Bevölkerung werden erwähnt, wenn sie von den Einzelinteressen bestimmter Netzwerke differieren.
Für die vorliegende Untersuchung wurde die Einteilung der Ukraine in Makroregionen gewählt.
Inhaltsverzeichnis
- Ausgangslage
- Zentralismus versus Regionalismus
- Integration versus Nationalismus
- Politische versus ökonomische Interessen
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Untersuchung befasst sich mit den unterschiedlichen Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine. Im Fokus steht die Analyse von drei zentralen Konfliktlinien, die die nationalstaatliche Entwicklung des Landes maßgeblich prägen. Ziel ist es, die historischen, ökonomischen und politischen Begründungen für diese Konflikte zu beleuchten und zu erforschen, ob die artikulierten Interessen mit den tatsächlichen Zielen der Konfliktparteien übereinstimmen.
- Der Konflikt zwischen Zentralismus und Regionalismus in der Ukraine
- Die Spannung zwischen Integration und nationalistischen Strömungen
- Der Einfluss politischer und ökonomischer Interessen auf den Prozess der Staatsbildung
- Die Rolle ethnischer Minderheiten und ihrer Interessen im Kontext der nationalen Identität
- Die Herausforderungen der Staatsbildung im Kontext der post-sozialistischen Transformation
Zusammenfassung der Kapitel
Ausgangslage
Das Kapitel beleuchtet die gespaltene Identität der Ukraine, die sich in ethnischer und sprachlicher Vielfalt zeigt. Der Name "ukraina" selbst verweist auf die Rolle des Landes als Grenzgebiet zwischen unterschiedlichen Kulturen und politischen Einflüssen. Die historische Entwicklung hat zu tiefgreifenden kulturellen und politischen Unterschieden zwischen dem Westen und dem Osten des Landes geführt, was die Staatsbildung erheblich erschwert. Die gespaltene Identität der Ukraine stellt eine große Herausforderung für den Prozess der Nationalstaatsbildung dar.
Zentralismus versus Regionalismus
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Konflikt zwischen dem staatlich verordneten Zentralismus und den regionalen Orientierungen und Traditionen der ukrainischen Bevölkerung. Die Geschichte der Ukraine ist geprägt von einer fehlenden Kontinuität, da einzelne Regionen des heutigen Staats zu verschiedenen Zeiten zu unterschiedlichen Ländern gehörten. Die regionalen Unterschiede und die fehlende historische Einheit erschweren die Durchsetzung eines zentralen Staatsmodells und fördern die regionalen Interessen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Nationsbildung, Ukraine, Interessenkonflikte, Zentralismus, Regionalismus, Integration, Nationalismus, politische Interessen, ökonomische Interessen, ethnische Minderheiten, post-sozialistische Transformation, Netzwerkansatz.
- Arbeit zitieren
- Andrea Friemann (Autor:in), 2002, Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12558