Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine


Trabajo de Seminario, 2002

13 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Zentralismus versus Regionalismus

Integration versus Nationalismus

Politische versus ökonomische Interessen

Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Bildung einer loyalen Staatsnation ist von besonderer Bedeutung für die Zukunft des ukrainischen Staates. Auf der Grundlage von drei für die nationalstaatliche Entwicklung der Ukraine markanten Interessenkonflikten sollen die unterschiedlichen Interessenlagen untersucht werden. Kernfrage ist dabei: Wie lassen sich die Konfliktlinien historisch, ökonomisch oder politisch begründen? Decken sich die artikulierten Interessen mit den tatsächlichen Zielen der Konfliktparteien?

In der vorliegenden Untersuchung zu den Konfliktlinien in der nationalstaatlichen Entwicklung wird das Dilemma der Gleichzeitigkeit unterstellt, nach dem zur politischen und wirtschaftlichen Transformation zeitgleich eine gesellschaftliche hinzukommt, die zu zahlreichen sozio-ökonomischen Problemen führt. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine zahlreiche Minderheiten. Die Untersuchung der Konfliktlinien beschränkt sich auf die Interessen der russischen Minderheit. Die Verhältnisse auf der Krim stellen einen Sonderfall dar, der hier nicht näher untersucht werden soll.

Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Akteure rational und interessengeleitet handeln. Das bedeutet, dass Interessenkämpfe, bargaining und Kompromisse im Vordergrund stehen, die Zugriff auf ökonomische und politische Ressourcen erlauben. Eine Nation entsteht im Ergebnis gegenseitiger Anerkennung und ist ein soziales Konstrukt. Aber Einzelinteressen können unter Umständen die Sozialordnung einer Nation instrumentalisieren. Auf Grund vorhandener Defizite in den nationalstaatlichen Funktionen haben Einzelinteressen konkreten Einfluss auf die Ausgestaltung des ukrainischen Nationalinteresses.

In der Ukraine erscheinen die Einzelinteressen in Form von Netzwerken. Wenn sich politische, ökonomische und soziale Akteure innerhalb eines übergeordneten institutionellen Rahmens über informelle Wege selbst koordinieren, indem Informationen und Ressourcen ausgetauscht werden, spricht man von Netzwerken.[1] Da die Vertrauensbasis der Mitglieder in der gemeinsamen Vergangenheit geschaffen wurde, scheint der Netzwerkansatz für post-sozialistische Gesellschaften besonders geeignet. Die Grenzen solcher Netzwerke zwischen politischem, ökonomischem und sozialem System sind fließend. Die Interessen der Bevölkerung werden erwähnt, wenn sie von den Einzelinteressen bestimmter Netzwerke differieren. Für die vorliegende Untersuchung wurde die Einteilung der Ukraine in Makroregionen gewählt.

Nach Darstellung der Ausgangslage folgt die Arbeit einer Dreiteilung. Zuerst werden dem staatlich „verordneten“ Zentralismus die regionalen Orientierungen und Traditionen der Bevölkerung gegenübergestellt. Im Anschluss folgt der Interessenkonflikt zwischen der von den Präsidenten beschworenen Integration und den nationalistischen Strömungen. Dann geht es um die sich gegenseitig beeinflussenden und blockierenden politischen und ökonomischen Interessen. Den Abschluss bilden einige Schlussbemerkungen.

Ausgangslage

„Die Ukraine ist tief gespalten in den unierten, nationalistischen, ukrainischsprachigen Westen und den orthodoxen russischsprachigen Osten.“[2] Nach Umfrageergebnissen verstehen sich 73% der erwachsenen ukrainischen Staatsangehörigen als „ethnische Ukrainer“. 22% bezeichnen sich als „ethnische Russen“ und weitere 5% gehören zu den nationalen Minderheiten.[3] Diese ethnische Identität deckt sich nicht mit der sprachlichen. Nur 37% sprechen Ukrainisch, 42% Russisch und 20% verwenden beide Sprachen unabhängig von ihrer Identität.[4] Diese widersprüchliche Selbsteinschätzung beruht auf der historischen Teilung des Landes und der Herrschaft unterschiedlicher kultureller und politischer Traditionen.

Bereits der Name „ukraina“ verweist auf die Bedeutung als Grenzland oder Randgebiet zwischen Polonisierung und dem Habsburgerreich auf der einen und Russifizierung auf der anderen Seite. Bis heute rufen die geschichtlichen Ethnisierungsbestrebungen sprachliche, religiöse und kulturelle Unterschiede westlich und östlich des Dnepro hervor.

Bei dieser Ausgangslage gibt es erhebliche Schwierigkeiten im Prozess der Nationalstaatsbildung. Die Gesellschaftsgruppe, die politische Herrschaft innerhalb des Territoriums legitimiert – die Nation -, muss mit dem territorial definierten Nationalstaat in Übereinstimmung gebracht werden. Dies ist nur bei einem anhaltend stabilen staatlich-nationalen Konsens und der Regelung fremder Territorialansprüche erreichbar.[5] Trotz der mehrfachen Dichotomie der Ukraine gelang zwischen 1989 und 1991 ein Konsens unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen. In dessen Folge befürwortete eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die Unabhängigkeit der Ukraine.

Während der Amtszeit des Präsidenten Kravčuk 1991 bis 1994, die als Zeit der Transformation und des Schocks ohne Therapie beschrieben wird[6], wurde der Konsens in Frage gestellt. Der Überschätzung des eigenen Potentials nach sowjetischer Tonnenideologie folgte die wirtschaftliche Enttäuschung. Durch die Überbetonung von Konsenspolitik, Nationalstaatsbildung und Stabilität wurden darüber hinaus ökonomische und politische Reformen in den Hintergrund gedrängt. Folgen dieser Entwicklung waren der Reformstau, hohe Korruption bei anhaltender Schattenwirtschaft, sowie die verzögerte Herausbildung einer Zivilgesellschaft und nationalen Identität. Die Konsolidierung des ukrainischen Nationalstaates begann 1994 unter dem Präsidenten Leonid Kučma.

[...]


[1] Robus 2000: 30ff.

[2] Huntington 1997: 216.

[3] Die Prozentangaben entsprechen 11,4 Mio. Russen und 2,7 Mio. andere Minderheiten nach Wilson 1997: 147. Hierzu zählen nach ihrem Anteil: Juden, Belorussen, Moldauer, Bulgaren, Polen, Ungarn, Rumänen, Griechen, Tataren, Armenier, Sinti und Roma, Krimtataren, Deutsche u.a. Angaben nach Volkszählung 1989 nach Jewtuch 1993: 272ff.

[4] Diese Daten sind Ergebnisse der Repräsentativbefragung „Die Ukraine und ihre Regionen zwischen Russland, NATO und EU“ vom Forschungsverbund Socis Gallup. Berlin, Kiev, Zürich. 23. Juni 1997.

[5] Wittkowsky 1998: 2 i.V.m. 4.

[6] Wittkowsky 1998: 122.

Final del extracto de 13 páginas

Detalles

Título
Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine
Universidad
Free University of Berlin  (Osteuropa-Institut / AB Politik)
Curso
PS: Der Wandel der Früheren Sowjetunion
Calificación
2,3
Autor
Año
2002
Páginas
13
No. de catálogo
V12558
ISBN (Ebook)
9783638184120
ISBN (Libro)
9783638787567
Tamaño de fichero
479 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Ukraine, Nationsbildung, Nationalismus, Regionalismus, politisch-ökonomische Interessen, Akteure, Netzwerke
Citar trabajo
Andrea Friemann (Autor), 2002, Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12558

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Título: Interessenlagen im Nationsbildungsprozess der Ukraine



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