Der Französische Senat


Hausarbeit, 2006

17 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

1 EINLEITUNG

2 ZUSAMMENSETZUNG DES SENATS
2.1 STATUS QUO
2.2 WAHL
2.3 SENATSPRÄSIDENTEN DER FÜNFTEN REPUBLIK

3 VERFASSUNGSRECHTLICHE STELLUNG DES SENATS
3.1 ROLLE DES SENATS IN DER GESETZGEBUNG
3.2 KONTROLLFUNKTION
3.3 REPRÄSENTATIONSFUNKTION

4 EMPIRIE: EINGRIFFE DES SENATS IN DEN ENTSCHEIDUNGSPROZESS
4.1 SPANNUNGEN MIT DEM „PALAIS DE L’ELYSÉE“: 1959-1969
4.2 ERFOLGREICHE ERNEUERUNG: 1969-1981
4.3 „NAVETTES“ SEIT 1981

5 AUSBLICK

6 BIBLIOGRAPHIE

ANHANG

1 Einleitung

„En mai 1975, le Sénat de la République célèbre ses cent ans en présence du président de la République, Valéry Giscard d'Estaing. La brouille entre l'Elysée et le Palais du Luxembourg n'est plus qu'un mauvais souvenir“.1

Im Mai 1975, feiert der Senat der Republik seinen hundertsten Geburtstag in Anwesenheit des Präsidenten, Valéry Giscard d'Estaing. Das Zerwürfnis zwischen dem Elysée und dem Palais du Luxembourg ist nichts mehr als eine schlechte Erinnerung.2

Der französische Senat, mag man seinem Internetauftritt glauben schenken, beschreibt seine eigene Position als „herausragend“ (vgl. Untertitel der Hausarbeit) seit Beginn der fünften Republik. Marcel Prélot, ehemaliger Senator und Universitätsprofessor, war geneigt sogar Frankreich als "République sénatoriale" zu beschreiben, sowie festzuhalten, dass der Senatspräsident der zweitwichtigste Mann im Staate sei. Am Senat ginge kein Gesetz vorbei und außerdem konnte keine Verfassungsänderung ohne Zustimmung des Senats Gültigkeit erlangen. Daraus leitete er die Stärke des Senats ab. Der Einfluss des Senats auf den Gesetzgebungsprozess ist allerdings nicht so leicht zu charakterisieren wie es hier versucht wurde, denn Jean Mastias Aufsatz über den französischen Senat beginnt mit den Worten „the French Senate is in search of its identity“.3 Ist der französische Senat heute auch noch in einer Identitätsfindungsphase?

So kommt man unweigerlich zu der Frage, inwieweit der französische Senat trotz seiner verfassungsrechtlich-schwachen Stellung den Entscheidungsprozess im Parlament beeinflussen kann, auf welche in dieser Hausarbeit näher eingegangen werden soll. Dazu wird zunächst der Status quo der verfassungsrechtlichen Stellung untersucht, dann ein geschichtlicher Rückblick der Entwicklungen in der fünften Republik gegeben und damit der Senat heute mit dem der letzten Jahrzehnte verglichen.

2 Zusammensetzung des Senats

2.1 Status quo

Seit Beginn der Senatsreform durch das Gesetz (loi n° 2003-696) vom 30 Juli 20034 ist der französische Senat im Umbruch, bis eben jene 2011/2012 abgeschlossen sein wird. Derzeit setzt sich der Senat seit den letzten Wahlen vom 26.09.2004 aus 331 Senatoren zusammen5, die, wie in Abb. 1 ersichtlich, folgenden verschiedenen Parteien angehören:

Abbildung 1: Senatszusammensetzung nach Parteizugehörigkeit (in absoluten Zahlen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung an Hand der Daten von http://www.senat.fr/listes/grp.html

Neben den Parteizugehörigkeiten versichern die Senatoren die Vertretung der französischen Gebietskörperschaften sowie der Auslandsfranzosen („Il assure la représentation des collectivités territoriales de la République. Les Français établis hors de France sont représentés au Sénat“6 ).

2.2 Wahl

Die Mitglieder des französischen Senats werden indirekt nach Artikel 24 der französischen Verfassung gewählt7: „le Sénat est élu au suffrage indirect“8, d.h. sie werden gewählt durch ein Wahlmännergremium, welches sich aus Abgeordneten der Nationalversammlung, aus Mitgliedern der Räte der Départements (conseil général) und aus „Delegierten der

Gemeinderäte“9 (conseil municipal) zusammensetzt.10 Die Senatoren werden seit 2003 auf sechs Jahre gewählt (zuvor auf neun) und die Wählbarkeit wurde auf 30 Jahre herabgesetzt. Der Senat wird nun alle 3 Jahre zur Hälfte neu gewählt (zuvor jeweils ein Drittel), wobei der Wahlmodus abhängig von der Größe11 des Départements ist, d.h. bei bis zu vier Senatoren wird nach Mehrheitswahlverfahren in zwei Wahlgängen mit Panaschieren gewählt und ab fünf Senatoren wird nach dem Proporz-System, der représenation proportionelle, gewählt.12 Die Senatsreform erweitert den Senat um 25 Sitze bis 2011 und dient der Anpassung an die Bevölkerungsentwicklung nach einer Bevölkerungszählung. Der Senat wird im Jahre 2011 346 Senatoren umfassen, welche, wie folgt, die Regionen vertreten:

- 326 aus den Départements auf dem Festland und aus Übersee
- 3 von den Übersee-Territorien Polynésie française, Wallis-et-futuna
- 2 von Nouvelle Calédonie
- 2 von Mayotte
- 1 von Saint-Pierre-et-Miquelon
- 12 Repräsentanten der Français de l'étranger13

2.3 Senatspräsidenten der Fünften Republik

Seit Beginn der Fünften Republik gab es vier verschiedene Senatspräsidenten:

- Gaston Monnerville (1958-1968)
- Alain Poher (8 Mandate à 3 Jahren, 1968-1992)
- René Monory (1992-1998)
- Christian Poncelet (seit 1998)

Der Präsident ist vom Plenum des Senats auf drei Jahre gewählt nach jeder Teilneuwahl des Senats („Le Président du Sénat est élu après chaque renouvellement partiel“14 ). Außerdem ist er im Falle der Demission oder des Todes des Staatspräsidenten Interimspräsident („les fonctions du Président de la République, [...], sont provisoirement exercées par le Président du Sénat“15 ). Somit ist er verfassungsrechtlich dann die „2. Person“ im Staat, was bislang zweimal vorkam. Alain Poher war während seines Mandats zweimal Interimspräsident der Republik nach dem Rücktritt de Gaulles (28.04.1969-19.06.1969) und dem Tod Pompidous (02.04.1974-27.05.1974) und hatte dadurch die Möglichkeit den Erhalt der zweiten Kammer in ihrer derzeitigen Form zu sichern (s.u.).

3 Verfassungsrechtliche Stellung des Senats

3.1 Rolle des Senats in der Gesetzgebung

Nachdem die Assemblé eine Gesetzesvorlage votiert, geht das Gesetz in die zweite Kammer, welche nach eingehender Beratung nach Art. 45 der Verfassung diesem auch zustimmen muss.16 Der Senat spielt somit laut Verfassung eine wichtige Rolle in der Gesetzgebung und insbesondere bei verfassungsändernden Gesetzen, denn die Assemblé und der Senat müssen sich zu Verabschiedungen eines Gesetzes auf einen gemeinsamen Wortlaut einigen.17 Damit wird der Senat mit der Assemblé formal gleichgestellt („Tout projet ou proposition de loi est examiné successivement dans les deux assemblées du Parlement en vue de l'adoption d'un texte identique“18 ). Ausnahme ist hier die Möglichkeit des Eingriffs der Regierung, welche in den Prozess eingreifen kann indem sie der Assemblé „das letzte Wort“19 überlässt.20 Ein eingebrachter Gesetzentwurf kann von der zweiten Kammer theoretisch unendlich oft zurückgewiesen werden (sogenannte navette) und damit zur Überarbeitung gegeben werden, sofern die Regierung den Text nicht als dringlich ausgewiesen hat.21 Alternativ kann die Regierung den Vermittlungsausschuss (Commisions mixtes paritaires22 ) anrufen, sofern eine Einigung zwischen den Kammern nicht absehbar ist nach frühestens zwei navette-Runden. „Diesem Ausschuss, der sich in jedem Einzelfall neu konstituiert, gehören je sieben Mitglieder des Senats und der Nationalversammlung an.“23 Die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss sind Abbilder derer der jeweiligen Kammer und die Ausschussmitglieder werden aus den jeweils beteiligten Ausschüssen beider Kammern bestellt.24 Ist daraufhin auch hier keine Einigung zu erzielen, darf die Regierung das ursprüngliche Gesetz noch mal zur Lesung in beide Kammern geben und schließlich zur Abstimmung in die Assemblé und „the government can always ask the national assembly to make the final decision“25 und somit den Senat übergehen (s.o.):26

« Si la commission mixte ne parvient pas à l'adoption d'un texte commun [...], le Gouvernement peut, après une nouvelle lecture par l'Assemblée nationale et par le Sénat, demander à l'Assemblée nationale de statuer définitivement. En ce cas, l'Assemblée nationale peut reprendre soit le texte élaboré par la commission mixte, soit le dernier texte voté par elle, modifié le cas échéant par un ou plusieurs des amendements adoptés par le Sénat. »27

Sofern der Vermittlungsausschuss keine Einigung bezügliche eines gemeinsamen Textes erzielen kann […], so kann die Regierung nach neuerlicher Lesung der Nationalversammlung und des Senats die Nationalversammlung dazu auffordern ein endgültiges Votum abzugeben. In diesem Fall kann die Nationalversammlung sowohl den durch den Vermittlungsausschuss veränderten Gesetzestext, als auch den von ihr zu letzt beschlossenen, oder gegebenenfalls den durch ein oder mehrere Änderungsanträge des Senats veränderten Text beschließen.28

Dies kam z.B. im Zeitraum 1981-1986 regelmäßig vor, da die Nationalversammlung insgesamt 26,2% aller Gesetze allein entschieden hat. Daher ist ein echtes Vetorecht hier dem Senat nicht gegeben, weil dieser immer ausgehebelt werden kann durch diese Möglichkeit der Umschiffung, d.h. der Begriff des Zweikammersystems scheint in bestimmten Situationen oder Konstellationen nicht zutreffend zu sein, bzw. der Senat erscheint in jenen Fällen nur als Ratgeber im Gesetzgebungsprozess zu fungieren.

Ein echtes Vetorecht hat der Senat nur im Bereich der Verfassungsänderungen und bei verfassungsergänzenden (lois organiques) Gesetzen.29 Hier besteht die Möglichkeit den Kongress, der sich aus beiden Kammern zusammensetzt, einzuberufen vom Präsidenten der Republik, und d.h. der Senat besitzt eine Sperrminorität, da die Gesetze mit 3/5-Mehrheit verabschiedet werden müssen.

So sieht der Senat seine Existenzberechtigung darin, Gesetze durch „konstruktive Kritik zu ergänzen und dabei vor allem ihre Auswirkungen auf lokale und regionale Gegebenheiten zur Geltung kommen zu lassen“30 (chambre de refléxion). Die Hauptaufgabe des Senats besteht also darin Gesetze zu erweitern oder zu ändern. In den 80er Jahren fanden solche Änderungsanträge zu ca. 53% Eingang in den Prozess.

[...]


1 www.senat.fr

2 eigene Übersetzung

3 Mastias 1999: 162

4 www.senat.fr

5 ebd.

6 Verfassungsartikel 24

7 vgl. Müller-Brandeck-Bocquet 2000: 133

8 Verfassungsartikel 24

9 Lasserre 1997: 80

10 vgl. ebd.

11 eine Liste mit den aktuellen Sitzaufteilungen pro Département ist im Anhang

12 vgl. Müller-Brandeck-Bocquet 2000: 137

13 http://www.senat.fr/role/senate.html

14 Verfassungsartikel 32

15 Verfassungsartikel 7

16 vgl. Kempf 1992: 191

17 vgl. Converse 1986: 532f

18 Verfassungsartikel 45

19 Haensch 1993: 72

20 vgl. Kempf 1992: 191

21 vgl. Lasserre 1997: 85

22 Mastias 1999: 175

23 Kempf 1992: 197

24 vgl. ebd.

25 Tsebelis: 372

26 vgl. Verassungsartikel 45, Abs. 4

27 Verfassungsartikel 45, Abs.4

28 eigene Übersetzung

29 vgl. Verfassungsartikel 89

30 Kempf 1992: 192

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Französische Senat
Hochschule
Universität Mannheim  (Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung)
Veranstaltung
Bikameralismus im Int. Vergleich
Note
2,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V125672
ISBN (eBook)
9783640311620
ISBN (Buch)
9783640326600
Dateigröße
2201 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Französische, Senat
Arbeit zitieren
Tobias M. Täuber (Autor:in), 2006, Der Französische Senat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125672

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Französische Senat



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden