Die Europäische Zentralbank (EZB) stand zu Beginn der Implementierung einer einheitlichen Geldpolitik für den Euroraum vor vielen Unsicherheitsfaktoren.
So war es ungewiss, wie sich der Transmissionsmechanismus in der Eurozone gestalten würde. Aufgrund der Problematik der so genannten Lucas-Kritik konnte man sich nicht auf ursprünglich verwendete Modelle zur Bestimmung des Transmissionsmechanismus verlassen, denn es musste befürchtet werden, dass sich durch die Einführung der einheitlichen Geldpolitik die Verhaltensweisen der ökonomischen Akteure ändern und somit die bislang zur Vorhersage des Transmissionsmechanismus verwendeten Modelle ihre Gültigkeit verlieren würden. Daher wurde vermutet, dass die Änderungen im Finanzsektor und im Bankensystem Einfluss auf die Übertragung der geldpolitischen Impulse haben würden.
Mit ebenso großer Unsicherheit stand man der Bewertung der makroökonomischen Daten gegenüber. Problematisch war hier vor allem, dass zuverlässige harmonisierte Daten nur begrenzt, gar nicht, mit zeitlicher Verzögerung oder in unterschiedlicher Qualität zur Verfügung standen.
Auch stand die EZB vor der Frage, ob eine gemeinsame Geldpolitik für einen heterogenen Währungsraum, wie es die Eurozone ist, asynchrone Konjunkturzyklen herbeiführen würde. Die bis zur Einführung des Euro festgestellten Abweichungen der Inflationsraten in den einzelnen Ländern sowie die asynchronen Konjunkturzyklen, die von asymmetrischen Schocks ausgelöst wurden, hatten diverse Gründe. Man ging davon aus, dass diese durch die Währungsunion an Bedeutung verlieren würden, da nun die Hauptquelle asymmetrischer Schocks, nämlich der Einfluss unterschiedlicher nationaler Geldpolitik, nicht mehr existieren würde.
Mit Hinblick auf diese Unsicherheitsfaktoren musste die gewählte Geldpolitik robust, gleichzeitig aber auch flexibel sein. Auf Grundlage praktischer Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse entschied sich der EZB-Rat im Oktober 1998 für eine stabilitätsorientierte Strategie.
Wie diese Strategie im Einzelnen aussieht und mit Hilfe welcher geldpolitischen Instrumente diese umgesetzt wird, soll im Folgenden erläutert werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die geldpolitische Strategie der EZB
2.1. Der Zwei-Säulen-Ansatz
2.2. Wirtschaftliche Analyse
2.3. Monetäre Analyse
3. Die geldpolitischen Instrumente der EZB
3.1. Mindestreserven
3.2. Offenmarktgeschäfte
3.2.1. Hauptrefinanzierungsgeschäfte
3.2.2. Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte
3.2.3. Feinsteuerungsoperationen
3.2.4. Strukturelle Operationen
3.3. Ständige Fazilitäten
3.3.1. Spitzenrefinanzierungsfazilität
3.3.2. Einlagefazilität
4. Resümee
Literaturverzeichnis
Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
1. Einleitung
Die Europäische Zentralbank (EZB) Stand zu Beginn der Implementierung einer einheitliehen Geldpolitik für den Euroraum vor vielen Unsicherheitsfaktoren.[1]
So war es ungewiss, wie sich der Transmissionsmechanismus in der Eurozone gestalten würde. Aufgrund der Problematik der so genannten Lucas-Kritik konnte man sich nicht auf ursprünglich verwendete Modelle zur Bestimmung des Transmissionsmechanismus verlassen, denn es musste befürchtet werden, dass sich durch die Einführung der einheitliehen Geldpolitik die Verhaltensweisen der ökonomischen Akteure ändern und somit die bislang zur Vorhersage des Transmissionsmechanismus verwendeten Modelle ihre Gültigkeit verlieren würden. Daher wurde vermutet, dass die Änderungen im Finanzsektor und im Bankensystem Einfluss auf die Übertragung der geldpolitischen Impulse haben würden.
Mit ebenso großer Unsicherheit Stand man der Bewertung der makroökonomischen Daten gegenüber. Problematisch war hier vor allem, dass zuverlässige harmonisierte Daten nur begrenzt, gar nicht, mit zeitlicher Verzögerung oder in unterschiedlicher Qualität zur Verfügung standen.[2]
Auch stand die EZB vor der Frage, ob eine gemeinsame Geldpolitik für einen heterogenen Währungsraum, wie es die Eurozone ist, asynchrone Konjunkturzyklen herbeiführen würde. Die bis zur Einführung des Euro festgestellten Abweichungen der Inflationsraten in den einzelnen Ländern sowie die asynchronen Konjunkturzyklen, die von asymmetrischen Schocks ausgelöst wurden, hatten diverse Gründe. Man ging davon aus, dass diese durch die Währungsunion an Bedeutung verlieren würden, da nun die Hauptquelle asymmetrischer Schocks, nämlich der Einfluss unterschiedlicher nationaler Geldpolitik, nicht mehr existieren würde.[3]
Mit Hinblick auf diese Unsicherheitsfaktoren musste die gewählte Geldpolitik robust, gleichzeitig aber auch flexibel sein. Auf Grundlage praktischer Erfahrungen und wissen- schaftlicher Erkenntnisse entschied sich der EZB-Rat im Oktober 1998 für eine stabili- tätsori enti erte Strategie.[4]
Wie diese Strategie im Einzelnen aussieht und mit Hilfe welcher geldpolitischen Instrumente diese umgesetzt wird, soll im Folgenden erläutert werden.
2. Die geldpolitische Strategie der EZB
Um eine erfolgreiche Geldpolitik Umsetzen zu können, kann sich die EZB nicht auf nur ein wirtschaftliches Modell stützen. Vielmehr müssen alle wichtigen Informationen bekannt sein, um wirtschaftliche Entwicklungen erkennen zu können. Daher wurde von der EZB eine Strategie beschlossen und bekannt gegeben, auf deren einheitlichen und systematischen Ansatz sich geldpolitische Beschlüsse beziehen sollen. Diese Strategie bildet einen Handlungsrahmen, innerhalb diesem es möglich sein soll, die Höhe der kurzfristigen Zinsen zu Steuern. Im Mittelpunkt dieser Strategie steht die zahlenmäßige Festsetzung der Preisstabilität.[5] Die Gewährleistung von Preisstabilität wird zwar laut EG- Vertrag als vorrangiges Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken vorgegeben, jedoch liefert der Gesetzestext keine genaue Definition für Preisniveaustabilität.[6] Eine genauere Bestimmung dieses Ziels wurde vom EZB-Rat 1998 bekannt gegeben. Er definierte mittelfristige Preisniveaustabilität als ״Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HPVI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2% gegenüber dem Vorjahr.“ Im Jahr 2003 wurde nach einer eingehenden Überprüfung der geldpolitischen Strategie vom EZB-Rat klargestellt, dass er darauf abziele, die Preissteigerungsrate mittelfristig zwar unter, aber nahe bei 2% zu halten.[7] Mit diesem angestrebten Ziel einer Inflation unter, aber nahe 2% berücksichtigt die EZB eventuelle Messfehler bei der Ermittlung des HVPI, zu denen es kommen kann, wenn die Preise nicht im angemessenen Umfang um Qualitätsänderungen bereinigt werden oder wenn wichtige Transaktionen bei der für den HPVI verwendeten Warenkorb nicht erfasst werden. Studien haben gezeigt, dass bei den nationalen Verbraucherpreisindizes ein geringer Messfehler auftritt, so dass durch die Nichtberücksichtigung von Qualitätsverbesserungen bei einer gemessenen Inflationsrate von null tatsächlich ein leichter Preisniveaurückgang zu verzeichnen ist.
Des Weiteren berücksichtigt die Zielsetzung der EZB auch die Inflationsdifferenzen zwi- sehen den einzelnen Regionen der Währungsunion. Es soll vermieden werden, dass in einzelnen Regionen deflationäre Entwicklungen auftreten. Zwar sind unterschiedliche Inflationsraten zwischen den Regionen einer Währungsunion normal und zumeist zeitlich begrenzt und damit unbedenklich. Jedoch besteht die Gefahr, dass bei unvollständiger realer Konvergenz der Regionen strukturelle Inflationsunterschiede zwischen den Regionen entstehen. Um dies zu vermeiden, wird für die gesamte Eurozone eine Inflationsrate angestrebt, die hoch genug ist, um Regionen mit strukturell niedrigen Preissteigerungsraten vor dem Eintritt in eine Phase anhaltender Deflation zu schützen.[8] Um das Ziel, PreisStabilität zu gewährleisten, erfolgreich verfolgen zu können, muss die EZB die wirtschaftlichen Entwicklungen genauestens analysieren. Der Ansatz zur Aufbereitung der für die Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung relevanten Daten basiert auf zwei analytischen Perspektiven, auch als zwei Säulen bekannt.[9]
2.1 Der Zwei-Säulen-Ansatz
Die geldpolitische Strategie hat die EZB auf zwei Säulen aufgebaut. Als Erste Säule wird die Überwachung und die Steuerung des Wachstums des Geldmengenaggregats м3 beschrieben. Mit der zweiten Säule wird eine breite Palette wirtschaftlicher Indikatoren berücksichtigt. Es gibt hier keine Bezugsgröße wie bei der ersten Säule, sondern es soll anhand einer sorgfältigen Analyse der jeweils aktuellen ökonomischen Lage eine passende Geldpolitik gefunden werden.[10]
Mit dem Zwei-Säulen-Ansatz soll laut EZB-Rat sichergestellt werden, dass keine wichtigen Informationen verloren gehen und dass unterschiedlichen Sichtweisen und der Gegenprüfung von Informationen angemessen Rechnung getragen wird.[11] Jedoch gibt es Kritik am Zwei-Säulen-Ansatz, unter anderem, weil die geldpolitischen Richtungen der beiden Säulen nicht miteinander vereinbar sind. So ließ die heute als monetäre Analyse bekannte erste Säule auf eine restriktive Geldpolitik schließen, während die heute als wirtschaftliche Analyse bekannte zweite Säule eine expansive Geldpolitik impliziert. So stand die EZB im Frühjahr 2003 vor dem Dilemma, dass die Geldpolitik nicht mehr mit Hilfe der Zwei-Säulen-Strategie verfolgt werden konnte. Die Säulen wurden in monetäre und wirtschaftliche Analyse umbenannt und der ursprünglich zweiten Säule, also der wirtschaftlichen Analyse, die Hauptrolle zugewiesen, während die monetäre Analyse nun nicht mal mehr jährlich durchgeführt werden sollte.[12] Welche Rollen den beiden Analysen heute zukommen, soll im Folgenden beschrieben werden.
2.2. Wirtschaftliche Analyse
Die wirtschaftliche Analyse fokussiert die kurz- bis mittelfristigen Bestimmungsfaktoren für die Preisentwicklung, also vor allem die realwirtschaftlichen Entwicklungen und die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft. Zu diesen gehören insbesondere die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die Finanzpolitik, die Bedingungen am Kapital- und am Arbeitsmarkt, Preis- und Kostenindikatoren, die Wechselkursentwicklung, die Entwicklung der Weltwirtschaft und die Entwicklung der Zahlungsbilanz sowie die Finanzmärkte und die Bilanzpositionen von Wirtschaftssektoren des Euroraums. Mit Hilfe der wirtschaftlichen Analyse soll es mög- lieh sein, wirtschaftliche Schocks und deren Aussichten für ihre Ausbreitung zu erkennen und mit angemessenen geldpolitischen Entscheidungen entgegensteuem zu können.[13]
2.3. Monetäre Analyse
Die monetäre Analyse erfasst einen längeren Zeitraum und nutzt hierfür den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisen. Sie dient laut EZB-Rat vor allem der überprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse.[14] Elm eine Orientierungsgröße für die Beurteilung der monetären Entwicklung aufzustellen, hat die EZB für das Geldmengenaggregat м3 eine Wachstumsrate von 4,5% pro Jahr festgelegt. Die Monetäre Analyse soll die Zentralbank daran erinnern, dass sie zwar auf wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren hat, dabei aber im Auge behalten muss, dass die Wachstumsrate über einen längeren Zeitraum betrachtet mit dem primären Ziel der Preisstabilität vereinbar sein muss. Eine mechanische Reaktion auf Abweichungen des M3-Wachstums vom Referenzwert von 4,5% ist jedoch nicht vorgesehen.[15] Es stellt sich allerdings die Frage, wieso überhaupt an der Geldmengensteuerung festgehalten wird, obwohl die Änderung der Geldmenge für die kurzfristige Geldpolitik nicht erkennbar ist und die Abstände zwi- sehen den Überprüfungen des Geldmengenaggregats nun mehr als ein Jahr betragen sollen. Dass trotzdem nicht gänzlich von der Geldmengensteuerung abgesehen wird, trägt nicht zur Transparenz der Geldpolitik der EZB bei. Vielmehr ist diese Vorgehensweise ein Indikator dafür, dass die Zwei-Säulen-Strategie niemals für durchführbar befunden wurde, sondern eher ein Kompromiss zwischen zwei Lagern im EZB-Rat gewesen ist.[16]
3. Die geldpolitischen Instrumente der EZB
Der EZB stehen eine Reihe von geldpolitischen Instrumenten und Verfahren zur Verfügung. Diese bilden den Handlungsrahmen für die Umsetzung ihrer Geldpolitik. Der Handlungsrahmen legt fest, wie das in der Strategie der EZB festgelegte Ziel der mittelfristigen Preisstabilität mit Hilfe der dazu erforderlichen Zinssätze erreicht werden kann.[17] Die EZB kann die Zinssätze einerseits durch Li qui ditäs Steuerung beeinflussen, andererseits kann sie anhand der Bedingungen, zu denen sie bereit ist, mit den Geschäftsbanken Transaktionen durchzuführen, ihren geldpolitischen Kurs signalisieren. Die Durchführung der Geldpolitik im Euroraum erfolgt dezentral, d.h. dass die EZB die Operationen koordiniert und die Nationalen Zentralbanken (NZB) sie durchführen.[18]
3.1. Mindestreserven
Die EZB verlang von den Kreditinstituten, dass sie eine Pflichteinlage auf Girokonten der Nationalen Zentralbanken als Mindestreserve hinterlegen. Die Höhe der Mindestreserven richtet sich nach der Mindestreservebasis, die aus verschiedenen kurzfristigen passiven Bilanzpositionen eines jeden Kreditinstitutes besteht und dem Mindestreservesatz, mit dem die Mindestreservebasis multipliziert wird. Der Mindestreservesatz der EZB liegt bei 2%. Die EZB erlaubt den Banken, die Mindestreservepflicht nur durchschnittlich zu erfüllen, also eine Erfüllung nach dem durchschnittlichen Tagesreserveguthaben innerhalb einer ca. einmonatigen Erfüllungsperiode.[19] Daher ist es den Banken möglich, zum Ausgleich von Liquiditätsengpässen kurzfristig auf ihre Mindestreserven zurückzugreifen und damit die Inanspruchnahme der Spitzenrefmanzierungsfazilität zu umgehen. Die Mindestreserve dient also als Liquiditätspuffer[20] und stabilisiert damit die Geldmarktzinsen. Eine weitere Wirkung der Mindestreserven liegt darin, dass sie die Liquidität im Bankensystem vermindern und damit die Nachfrage nach Zentralbankgeld erhöhen, was wiederum der EZB die Steuerung der Zinsen über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte erleichtert.[21] Um zu verhindern, dass das Mindestreservesystem das Bankensystem belastet oder den Einsatz von Ressourcen behindert, werden die Mindestreserveguthaben
[...]
[1] Agl. Issing (2004), s. 382
[2] vgl. Ebenda, s. 383
[3] vgl. Ebenda, s. 384 f.
[4] gl. Issing (2004), s. 386
[5] vgl. Europäische Zentralbank (2004), S.51 f.
[6] vgl. Heine / Herr (2008), s. 57 f.
[7] vgl. Europäische Zentralbank (2004), s. 53
[8] vgl. Europäische Zentralbank (2004), S.55 ff.
[9] vgl. Ebenda, S.57
[10] vgl. Heine / Herr, s. 62 ff.
[11] vgl. Europäische Zentralbank (2004), S.58
[12] vgl. Heine / Herr (2008), s. 64
[13] vgl. Europäische Zentralbank (2004), S.57 ff.
[14] gl. Ebenda, s.57
[15] vgl. Ebenda, s. 65 f.
[16] vgl. Heine / Herr (2008), s. 64 f.
[17] vgl. Europäische Zentralbank (2004), s. 75
[18] vgl. Ebenda, s. 76
[19] vgl. Ebenda, s. 81 f.
[20] vgl. Heine / Herr (2008), s. 77
[21] vgl. Europäische Zentralbank (2004), s. 84
- Citar trabajo
- Janine Kowalla (Autor), 2009, Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125743