Die Entwicklung des Bodenreliefs der Neckaraue und ihrer Randbereiche zwischen Rottenburg und Tübingen


Examensarbeit, 2004

113 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Allgemeine Übersicht über die natürliche Fluvialgeomorphodynamik und deren Formenschatz im Auenbereich
2.1 Terminologie
2.2 Flussregime und Auendynamik
2.3 Fluviale Formungsprozesse und Formen
2.3.1 Denudation und fluviale Erosion
2.3.2 Fluviale Akkumulation und Sedimentation
2.3.3 Querprofile
2.3.4 Grundrissarten
2.3.5 Pleistozäne Terrassen
2.3.6 Talgrundterrassen nach Schirmer

3 Großräumige Einordnung des Neckars und die Tübinger Stufenrandbucht

4 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes
4.1 Lage und Eingrenzung des Untersuchungsgebietes
4.2 Literaturlage
4.3 Geologie des Festgesteinrahmens
4.4 Pleistozäne Entwicklungen und Schotterkörper
4.5 Holozäne Prägung und Böden
4.6 Rezente klimatische Verhältnisse und Abflussregime
4.7 Potentielle natürliche sowie rezente Vegetation und Bodennutzung

5 Einfluss von anthropogenen Eingriffen auf das Untersuchungsgebiet
5.1 Die Beziehung zwischen Mensch und Neckar vor dem 18. Jahrhundert
5.2 Die Neckarkorrektion und deren Folgen
5.2.1 Überblick über die anthropogenen Maßnahmen in historischem Kontext
5.2.2 Gründe und Ziele der Eingriffe
5.2.3 Folgen der anthropogenen Maßnahmen für die Reliefentwicklung der Aue
5.2.3.1 Veränderungen im natürlichen Flussregime und Wasserhaushalt der Aue
5.2.3.2 Veränderungen der natürlichen Fluvialgeomorphodynamik und des Formenschatzes der Aue
5.3 Rezente ökonomische Nutzung der Aue
5.3.1 Landwirtschaft
5.3.2 Wasserkraftwerke
5.3.3 Kieswerke und Baggerseen
5.3.4 Grundwassernutzung
5.3.5 Gewerbegebiete, Verkehrswege und Siedlungsausbau
5.4 Freizeit und Naherholung in der Aue
5.5 Ökologische Maßnahmen in der Aue
5.5.1 Naturschutzgebiet „Oberes Steinlach“
5.5.2 Renaturierungspläne bei Kilchberg

6 Die geomorphologische Kartierung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen
6.1 Zur Arbeitsmethodik
6.1.1 Geländemethoden
6.1.2 Die graphische Umsetzung der geomorphologischen Kartierung

7 Beitrag zur Reliefentwicklung des Untersuchungsgebietes anhand einer Auswertung der Kartierung
7.1 Geomorphogenese und Reliefgenerationen
7.2 Fluvialgeomorphogenetische Gliederung
7.3 Rezente geomorphologische Prozesse

8 Korrelation und Zusammenfassung der Teilergebnisse
8.1 Die Reliefentwicklung der Neckaraue als natürliche Fluvialgeomorphodynamik
8.2 Versuch einer Korrelation mit den Ergebnissen von Schirmer (1983)
8.3 Charakterisierung der Reliefentwicklung anhand anthropogener Maßnahmen
8.4 Zusammenfassung

9 Schlussworte

10 Quellenverzeichnis
10.1 Literatur
10.2 Karten und Luftbilder

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Modell von Fließstrukturen und Strömungsverhältnissen am Beispiel eines mäandrierenden Gewässers (Zepp 2002: 148)

Abb. 2: Erosion, Transport und Sedimentation in Abhängigkeit von Korngrößen und Fließgeschwindigkeit nach Hjulström (Briem 2002: 52)

Abb. 3: Schematischer Querschnitt durch die Flussaue eines mäandrierenden Flusses (Zepp 2002: 153)

Abb. 4: Abhängigkeit des Breiten-Tiefen-Verhältnisses vom Lehmgehalt in Sohle und Ufer (Lehmfraktion d < 0,074 mm) (Kern 1994: 45)

Abb. 5: Grundrisstypen in Beziehung zu Gefälle und Abfluss (Zepp 2002: 149)

Abb. 6: Entwicklungen und Formen eines mäandrierenden Flusses (Zepp 2002: 147)

Abb. 7: Holozäne Terrassensysteme nach Schirmer (1983) mit (1) Treppenterrassen, (2a-c) Reihenterrassen, (3) Sockelterrasse und (4) anstehendem Gestein (Kern 1994: 27)

Abb. 8: Schema der fluviatilen Serie (Schirmer 1983: 25)

Abb. 9: Schematische Übersicht des würmzeitlichen und holozänen Terrassensystems am Obermain, oberen Mittelmain und Regnitz (Schirmer 1983: 16)

Abb. 10: Schotter-Umlagerungsphasen an Main und Regnitz seit der ausgehenden Würm-Eiszeit (Schirmer 1983: 22)

Abb. 11: Übersichtskarte Baden-Württemberg und Neckar mit grober Lage des Untersuchungsgebietes (Schön 1988: 2)

Abb. 12: Naturräumliche Einheiten bei Tübingen (Staatliche Archivverwaltung 1967: 152)

Abb. 13: Karte des grob eingegrenzten Untersuchungsgebietes (1), mit eingezeichneter Lage des Bodenprofils (2) und des Höhenprofils (3) (Landesvermessungsamt Baden-Württemberg 2002)

Abb. 14: Das südwestdeutsche Flussnetz und die Verbreitung von Malm vom unteren Pliozän bis vor die Mindel-Eiszeit (1) und bis gegen Ende der Mindel Eiszeit (2) (Mader 1978: 479)

Abb. 15: Geologische Karte des Neckartals zwischen Rottenburg und Tübingen (Huttenlocher 1966: 26)

Abb. 16: Längsprofil des Neckars zwischen Rottenburg und Tübingen (33-fach überhöht) (verändert nach Kleinert 1977: 385)

Abb. 17: Geologische Karte des Neckartals zwischen Rottenburg und Tübingen mit eingezeichneter Lage des Paläorinnensystems an der Kiesbasis (9) (Kleinert 1979: 269)

Abb. 18: Schotteranalyse von Kleinert (1976: 27)

Abb. 19: Schotteranalyse im Rahmen dieser Arbeit in der Kiesgrube Familie Bischoff

Abb. 20: Boden- und Schotterprofil in der Kiesgrube Familie Bischoff

Abb. 21: Jährliche Niederschlagssummen im Profil Schwarzwald-Donau nach Daubert (Schön 1988: 13)

Abb. 22: Hirschauer Brunnen, Kartenausschnitt, 1605 (Universitätsstadt Tübingen 2004: 43)

Abb. 23: Der Neckar bei Kilchberg, 1632 (Sannwald 1996: 71)

Abb. 24: Joseph Wild, Grundriss des Neckars von Kiebingen bis zum Spitzberg, 1741, kolorierte Federzeichnung, Original: Tiroler Landesarchiv Innsbruck (Sannwald 1996: 72/73)

Abb. 25: Der Neckarlauf vom Kiebinger Steg bis Kilchberg, 1757, Original: Kreisarchiv Landratsamt Tübingen (König 1993: 13)

Abb. 26: Adam Landenberger, Grundriss über den Lauf des Neckars vom Kiebinger Steg bis in das Gairenfeld bei Hirschau, 1761 (verändert nach Wetzel 1966: 65)

Abb. 27: Verlauf des Neckars von der Markungsgrenze Kiebingen bis Weilheim, aquarellierte Zeichnung, 1775 (Universitätsstadt Tübingen 2004: 52)

Abb. 28: K. Reichel, Grundriss des Neckars vom Jahr 1775 (verändert nach Wetzel 1966: 67)

Abb. 29: Krispin Strobel, Grundriss über den neuen Neckarbau zwischen Hirschau und Kilchberg, 1783, kolorierte Federzeichnung, Original: Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Sannwald 1996: 74)

Abb. 30: Bohnenberger, Charte der Gegend von Tübingen, 1822 (Sannwald 1996: 83)

Abb. 31: Karte der Durchstiche bei Kiebingen (Jeggle 1976: 9)

Abb. 32: Mittlere Aquifer-Mächtigkeit in der Kiesfüllung des Neckartals zwischen Rottenburg und Tübingen (Kleinert 1977: 377)

Abb. 33: Grundwasserhöhengleichenplan der mittleren Spiegelhöhen im Neckartal zwischen Rottenburg und Tübingen (verändert nach Kleinert 1977: 378)

Abb. 34: Formenelemente einer Stufe (Leser et al. 1975: 16)

Abb. 35: Vergleich zwischen verschiedenen Darstellungen einer deutlichen primären Mäanderrinne westlich der Kiesgrube Familie Bischoff:

(1) Orthophoto (Forstdirektion Tübingen 2000), (2) Ausschnitt aus der TK 25 (Landesvermessungsamt Baden-Württemberg 2002), (3) Ausschnitt aus der geomorphologischen Kartierung, (4) fotografische Darstellung mit Blick nach Nord-Westen

Abb. 36: Überlagerung der geomorphologischen Kartierung mit historischen Neckargrundrissen, Legende zur Kartierung vgl. Tab. 5

Abb. 37: Höhenprofil von der Niederterrassenkante bis zum Neckar, 40-fach überhöht

Abb. 38: Fluvialgeomorphogenetische Gliederung der geomorphologischen Kartierung, Legende zur Kartierung vgl. Tab. 5

Abb. 39: Versuch einer Überlagerung des Höhenprofils der Neckaraue von der Niederterrassenkante bis zum Neckar mit Schirmers Umlagerungsphasenmodell (1983), 40-fach überhöht

Abb. 40: Niederschlag und Abfluss in Abhängigkeit von unterschiedlich starken Eingriffen in die Waldvegetation (Briem 2002: 91)

Tabellen

Tab. 1: Tendenzielle Entwicklung zu unterschiedlichen Grundrissarten von Fließgewässern durch verschiedene Einflussfaktoren („+“ bedeutet eine tendenzielle durchschnittliche Erhöhung des jeweiligen Faktors, „ –“ eine Verminderung), eigener Entwurf nach Briem (2002), Kern (1994) und Zepp (2002)

Tab. 2: Erläuterungen zur Legende von Abb. 17 (verändert nach Kleinert 1979: 269)

Tab. 3: Legende zu Abb. 23 (Sannwald 1996: 70)

Tab. 4: Legende zu Abb. 24 (Sannwald 1996: 70/71)

Tab. 5: Signaturen zur geomorphologischen Kartierung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen im Maßstab 1:10 000

1 Einleitung

Noch im Mittelalter erschien dem Menschen die Natur „zwielichtig, gebend und nehmend, versorgend und versagend“ (Jeggle 1977: 28). Er war schutzlos ihrer Willkür ausgeliefert, stets mit der Hoffnung und der Angst, dass sie alles zum Leben Notwendige spendet oder im nächsten Moment wieder nimmt. Versuche, ihre Undurchschaubarkeit durch komplexe Bauernregeln und Heiligenrituale begreifbar zu machen, blieben ohne Erfolg. Nicht zuletzt waren es unheimlich tief greifende Naturkenntnisse, weshalb einzelne Mitmenschen der Hexerei angeklagt wurden (Jeggle 1977: 29). Insbesondere der wilde Lauf des Neckars verbreitete auf seinem Weg zwischen Rottenburg und Tübingen Angst und Schrecken. Bei jedem Hochwasser konnte er spontan seinen Lauf ändern, neue Mäanderrinnen bilden oder Altarme neu beleben. Die Aue zwischen den beiden Städten war zum Leid der armen Bevölkerung geprägt durch unberechenbare und komplizierte Mäandersysteme. Der Neckar verursachte damit besonders in der Landwirtschaft langjährige Schäden mit weit reichenden Konsequenzen für die Nahrungsmittelversorgung. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts konnte diese, für den damaligen Menschen unfassbare Naturgewalt durch aufwendige Korrektur-maßnahmen allmählich gemindert werden.

Die vielseitige Dynamik des Neckars schuf seit dem Beginn des Pleistozäns ein weites Tal zwischen Tübingen und Rottenburg, in welchem der Neckar nun auf seinem eigenen Schotter fließt und sich in diesen noch bis ins späte Holozän weiter eingeschachtelt hat. Die durch das wilde und unberechenbare Fließen des Neckars entstandenen ehemaligen Mäanderrinnen sind heute als komplexe muldenförmige Tiefenlinien auf der Oberfläche im gesamten jüngeren Auenbereich noch zu erkennen. Die Neckaraue ist damit ein Gebiet, dessen natürliches Relief durch die fluviale Formung des Neckars entwickelt wurde. Dabei ist jedoch noch nichts über Zeiträume, Phasen oder die Kontinuität dieser Reliefentwicklung ausgesagt. Die fluviale Formung des Neckars könnte durch externe Faktoren wie Klima oder Mensch manipuliert, wenn nicht sogar kontrolliert worden sein. Obwohl die einleitenden Worte zunächst eine völlige Machtlosigkeit des Menschen vermuten lassen, wären dennoch indirekte Einflüsse durch verstärkte anthropogene Eingriffe im umliegenden Naturhaushalt denkbar.

Welche Faktoren wirklich die Reliefentwicklung in mitteleuropäischen Auenbereichen dominierend gelenkt haben, ist noch nicht vollkommen geklärt und soll daher eine Grundfrage der Diskussion sein. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich deshalb auf den jüngeren, im Holozän entstandenen Auenbereich des Neckars zwischen Rottenburg und Tübingen und die darin vorkommenden geomorphologischen sowie anthropogenen Formen, Prozesse und Entwicklungen. Trotz des vielseitigen wissenschaftlichen Interesses am Untersuchungsgebiet existiert bis jetzt noch keine zusammenhängende geomorphologische Kartierung der Neckaraue, welche die Gesamtstruktur und unter Umständen auch deren Entwicklung deutlich machen könnte. Die empirische Basis der Arbeit stellt daher eine geomorphologische Kartierung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen im Maßstab 1:10 000 dar[1]. Vor der Auswertung der Kartierung werden als Grundlage zunächst die allgemeine Fluvialgeomorphodynamik sowie deren Formenschatz und allgemeine Theorien zur Reliefentwicklung in mitteleuropäischen Auen vorangestellt. Des Weiteren folgen eine geographische Charakterisierung des Untersuchungsgebietes anhand bereits vorhandener wissenschaftlicher Literatur und historischer Zeugnisse sowie eine Vorstellung der anthropogenen Eingriffe und deren Einfluss auf die aktuelle Reliefentwicklung. Eine Interpretation der geomorphologischen Kartierung mit dem Versuch einer Korrelation der empirischen Beobachtungsergebnisse mit den anfangs vorgestellten allgemeinen Theorien und durchgeführten Recherchen soll schließlich einen Beitrag zur Reliefentwicklung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen leisten.

2 Allgemeine Übersicht über die natürliche Fluvialgeomorphodynamik und deren Formenschatz im Auenbereich

Es ist davon auszugehen, dass der geomorphologische Formenschatz im Untersuchungsgebiet fluvialen Ursprungs ist. In diesem Kapitel werden daher die allgemeinen natürlichen fluvialgeomorphologischen Prozesse und deren Formenschatz, welche für das Untersuchungsgebiet und die Fragestellungen dieser Arbeit von Bedeutung sind, vorgestellt und erläutert. Dadurch können spätere Kapitel und Diskussionen in dieser Arbeit auf eine einheitliche Terminologie zurückgreifen und andere Faktoren zur Fluvialgeomorphodynamik in eine wechselseitige Beziehung gesetzt werden.

2.1 Terminologie

Flüsse sind fließende Gewässer mit oberflächlichem Gerinnebett. Sie entwässern durch Oberflächenabfluss den Niederschlag eines abgegrenzten Einzugsgebietes. Das Wasser wird dabei durch die Schwerkraft dem Gefälle folgend von einem höheren in ein niedrigeres Höhenniveau abtransportiert. In den humiden mittleren Breiten geschieht dieser Abtransport linear. Die Prozesse des fließenden Wassers in den Gerinnebetten, die den Gesetzen der Hydraulik unterliegen, werden Fluvialdynamik genannt. Der Begriff „fluvial“ bedeutet soviel wie „vom Fluss geschaffen“ oder „zum Fluss gehörig“ (Leser 1997: 221). Die Fluvialgeomorphodynamik beschreibt die wechselseitigen Auswirkungen der Fluvialdynamik auf das Georelief, also die eigentlichen fluvialen Formungsprozesse. In den Gerinnebetten und an den Gerinnerändern vollziehen sich damit die fluvialen Hauptprozesse der Fluvialerosion, des Transports und der Fluvialakkumulation (Leser 1997: 222).

Bei der Reliefentwicklung durch fluviale Formungsprozesse werden durch den oberflächengestaltenden Einfluss des Wassers von Flüssen ganz typische Georeliefformen geschaffen. Es ist jedoch keine Aussage darüber getroffen, ob diese Vorgänge rezent oder vorzeitlich geschehen (Leser 1997: 221). So kann der Impuls für eine fluviale Umgestaltung des Reliefs zu unterschiedlichen Zeiten stets von anderen dominanten Faktoren ausgelöst worden sein. Gerade bei der fluvialen Formung werden somit in verschiedenen Reliefgenerationen rezente und vorzeitliche Prozesse und Formen sichtbar, die für die Gestaltung vieler Landschaften maßgeblich sind. Da sich hierbei die Geomorphogenese fluvial vollzieht, können völlig unterschiedliche impulsgebende Faktoren einen ähnlichen Formenschatz hervorrufen, was eine Differenzierung und Interpretation der Reliefgenerationen unter Umständen schwierig macht.

2.2 Flussregime und Auendynamik

Flussregime oder Flusshaushalt bezeichnen den durchschnittlichen typischen Jahresgang des Abflusses eines Fließgewässers (Zepp 2002: 117). Das Regime ist durch das Klima, aber auch durch andere ökologische Faktoren gesteuert. Grundsätzlich gliedert es sich in Niedrigwasser und Hochwasser. Ein nivo-pluviales Regime ist für Mittelgebirgsflüsse wie den Neckar kennzeichnend (Leser 1997: 221). Durch die Schneeschmelze besitzen solche Flüsse einen typischen höchsten Wasserstand mit häufigem Hochwasser von Januar bis April, also im Winterhalbjahr, und ein weiteres Abflussmaximum durch hohe Niederschläge zum Winteranfang (Hohmann 1995: 28).

Die Flussaue ist das Hochwasserbett eines Flusses. Es handelt sich bei ihr um einen natürlichen, durch fluviale Akkumulation und Sedimentation entstandenen, flächenhaften Retentionsraum. Hochwasser, welches vom Fluss in den Auenbereich übertritt, wird durch Pflanzen und Boden abgebremst und zurückgehalten (Leser 1997: 706). Die ankommende Hochwasserwelle wird auf Grund von Wasserentzug sowie zeitlich verzögerten Rückfluss des Wassers in den Fluss in der Aue verformt. Durch diese Retentionsverformung wird der Scheitel der Hochwasserwelle gemindert und entschärft (Mock 1992: 181). Das im Hochwasser mitgeführte feine Lockermaterial akkumuliert in der Talaue und bildet dadurch die fruchtbaren Auenlehme. Grobes Material setzt sich bereits in Ufernähe ab, was zur Entstehung natürlicher Uferwälle führt. Die Auendynamik mit ihrem periodischen und episodischen Hochwasser schafft die Voraussetzung für eine bandartige, flussparallel zonierte azonale Vegetation in der Aue (Gallusser 1992: 22).

2.3 Fluviale Formungsprozesse und Formen

2.3.1 Denudation und fluviale Erosion

Mit Denudation ist vor allem die flächenhafte Abtragung an den Talhängen gemeint (Leser 1997: 136). Die Hangabtragung entsteht durch Verwitterung und Spülprozesse, die unter anderem bei abfließendem Schmelzwasser oder starken Niederschlägen stattfinden. Bei einer Hangversteilung durch den Fluss und fehlender Vegetation werden diese Vorgänge noch weiter verschärft. Das durch Denudation in den Fluss fallende Verwitterungs- und Locker-material fordert eine erhöhte Transportleistung des Flusses.

Zunächst wird die potentielle und kinetische Energie des fluvialen Systems verwendet, um die innere Reibung des Wassers und die Reibung an der Gewässersohle sowie am Ufer zu überwinden. Erst wenn ein Gewässer dadurch nicht ausgelastet ist, kann es sich dem Transport und der Erosion widmen, wodurch das Flussbett verbreitert und vertieft wird (Zepp 2002: 138). Fluvialerosion ist als lineare Abtragung für die Talbildung verantwortlich. Man unterscheidet Tiefenerosion, die für die vertikale Talvertiefung maßgeblich ist, und Seiten-, oder Lateralerosion, welche durch Uferunterschneidung das Tal breiter und die Talhänge steiler macht und auch für die Gewässerverlagerung verantwortlich ist. Tiefenerosion kann über sehr lange Zeiträume vor sich gehen und durch eine relative Tieferlegung der Erosionsbasis zum Gerinnebett stets neue Impulse erhalten. Bei der Annäherung des Flusses an das Gleichgewichtsprofil wird die Tiefenerosion durch zunehmend laterale Umlagerungen ersetzt. Die Seitenerosion wird dominant, welche etwa bei Mäandern kontinuierliche oder bei Hochwasser und Laständerungen auch spontane Laufveränderungen verursachen kann. Oft wird noch die Breitenerosion unterschieden, welche das Bestreben des Fließgewässers kennzeichnet, durch Verbreiterung und Verflachung des Querschnitts ein Gleichgewicht im Belastungsverhältnis herzustellen. Dieser Vorgang ist bei Gewässern mit Grobgeschiebe reichen Auen unter Wegnahme der Uferbefestigungen zu beobachten (Briem 2002: 57).

Wie viel erosive Leistung das fließende Wasser vollbringen kann, hängt mit der Schleppkraft des Wassers, der Last sowie der Widerstandsfähigkeit des Gesteins, das erodiert werden soll, zusammen. Die kinetische Energie E der Schleppkraft kann annähernd durch die Formel E = 0,5 * m * v2 beschrieben werden, wobei m die Masse des Wassers und v die Fließgeschwindigkeit darstellt (Kugler et al. 1997: 181). An der Formel ist zu erkennen, dass neben der Wassermasse insbesondere die Fließgeschwindigkeit die Schleppkraft steigen lässt. Somit stellt die Fließgeschwindigkeit, welche direkt mit dem Gefälle zusammenhängt, einen bedeutenden geomorphologischen Faktor für die Akkumulation und Erosion dar (Zepp 2002: 212).

Als Last wird die Menge und die Korngröße des Feststoffmaterials bezeichnet, welches zum Beispiel, wie bereits erwähnt, durch Denudation in das Gewässer gelangt. Dabei entsteht ein Belastungsverhältnis (BV) zwischen der Schleppkraft (E) und der Last (L), welches durch die Formel BV = L * E-1 beschrieben werden kann. Werte von BV, die größer als 1 sind, bedeuten Akkumulation, während Werte, die kleiner als 1 sind, Abtransport und Tiefenerosion bedeuten (Kugler et al. 1997: 182).

Fließgewässer streben stets ein Gleichgewicht an. Aus der Hydraulischen Geometrie stammt die Kontinuitätsgleichung Q = v1*A1 = v2*A2 (Q = Abfluss (m3/s), v = Geschwindigkeit (m/s), A = Fließquerschnitt (m2) aus Breite (m) * Tiefe (m) für rechteckige Fließquerschnitte). Die Formel besagt, dass bei gleich bleibender Wassermenge im Gerinne jede Veränderung einer Variablen durch eine Änderung der anderen wieder kompensiert wird. So bedeutet zum Beispiel eine Gerinneverengung die Zunahme der Fließgeschwindigkeit und Wassertiefe, während eine Gerinneweitung das Gegenteil verursacht.

Nun ist die für Erosion und Umlagerung sehr relevante Fließgeschwindigkeit nicht im gesamten Flusslauf gleich. An den Ufern und der Gewässersohle wird sie geringer, da sie dort durch Reibung abgebremst wird. Normalerweise herrscht in der oberen Mitte des Fließgewässerquerschnitts, dem Stromstrich, die höchste Strömungsgeschwindigkeit. Der Stromstrich zieht an der Oberfläche durch seine schnellere Geschwindigkeit Wasser aus den seitlichen Bereichen an. Das Wasser sinkt dort ab und wird von den Uferbereichen wieder angezogen. Dadurch kommen zwei spiralenförmige Stromkreise rechts und links des Stromstrichs zustande (vgl. Abb. 1), welche Tiefen- und Lateralerosion verursachen können (Schiffers 1984: 216).

Die Gesamtreibung an Ufer und Gewässersohle nimmt bei zunehmender Wassertiefe ab, weil mit Anstieg des Wasservolumens proportional weniger Wasser mit der Gewässersohle und dem Ufer in Kontakt ist. Dieser Tatbestand ist der Grund für den Anstieg der Fließgeschwindigkeit und erosiven Tätigkeit bei seitlicher Einengung eines Fließgewässers oder bei Zunahme der Wassermasse, etwa bei Hochwasserereignissen (Zepp 2002: 119).

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Abb. 1: Modell von Fließstrukturen und Strömungsverhältnissen am Beispiel eines mäandrierenden Gewässers (Zepp 2002: 148)

2.3.2 Fluviale Akkumulation und Sedimentation

Ist die Schleppkraft eines Flusses durch den Transport von zu viel Material oder durch zu geringe oder zu langsame Wasserführung voll ausgelastet, also das Belastungsverhältnis größer als 1, beginnt er zu akkumulieren. Das heißt, die transportierten Feinmaterialien und Geschiebe sammeln sich an einer bestimmten Stelle am Rand oder am Grund des Flusses an und setzen sich dort ab. Wie im Hjulström-Diagramm in Abb. 2 dargestellt, akkumulieren Feststoffmaterialien mit geringer Korngröße erst bei sehr niedriger Fließgeschwindigkeit, während Materialien großer Korngröße schon bei hoher Fließgeschwindigkeit akkumulieren. Dadurch findet eine Sortierung von Grob- zu Feinmaterial entlang des Flusslaufes oder auch in Biegungen und Auen des Flusses statt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Erosion, Transport und Sedimentation in Abhängigkeit von Korngrößen und Fließgeschwindigkeit nach Hjulström (Briem 2002: 52)

Schwebstoffe werden auf Grund des geringeren Widerstandes mit der Längsachse zur Fließrichtung eingeregelt, während rollendes Material quer zur Fließrichtung und dachziegelartig aneinandergelegt abgelagert wird (Kugler et al. 1997: 184).

Die fluviale Fazies ist insgesamt gekennzeichnet durch Lockersedimente mit zugerundeten und geschichteten Komponenten. Die Schichtung hängt mit der Art des Ablaufs der Akkumulation zusammen. Ruhiger Abfluss erzeugt Parallelschichtung, während turbulenter Abfluss zu Kreuz- oder Diagonalschichtung führt (Leser 1997: 222). Das vom Fluss transportierte, bearbeitete und akkumulierte Material unterschiedlicher Korngröße (vgl. Abb. 2) wird unscharf als Schotter bezeichnet (Leser 1997: 755).

Häufige fluviale Akkumulationsformen sind Schotterterrassen, Gleithänge sowie Kies- und Schotterbänke. Diese Formen stellen in Verbindung mit Laufverlegungen des Flusses die Basis für den flächenhaften Aufbau einer Aue dar (Zepp 2002: 153). In Abb. 3 sind die Formeneinheiten einer akkumulativ entstandenen Flussaue im Querschnitt schematisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Schematischer Querschnitt durch die Flussaue eines mäandrierenden Flusses (Zepp 2002: 153)

2.3.3 Querprofile

Talquerprofile mit ihren ganz charakteristischen Talformen, die sich sowohl innerhalb einer Klimazone als auch zwischen den unterschiedlichen Klimazonen unterscheiden, gelten als die „Leitformen der fluvialen Reliefprägung“ (Kugler et al. 1997: 186). Sie entstehen durch den Einfluss von Hangdenudation sowie Seiten- und Tiefenerosion. Diese Faktoren werden wiederum durch das Großrelief, die Lagerung und Härte des anstehenden Gesteins, tektonische Bewegungen sowie durch Klima und Vegetation gesteuert (Schiffers 1984: 221). Das Belastungsverhältnis des Flusses muss im Initialstadium aber auf jeden Fall kleiner als 1 sein, damit es zu einer Talbildung kommen kann. Mittelgebirgsflüsse sind häufig Talauengewässer, welche durch Veränderung der Abflussverhältnisse ihre Täler phasenhaft teilweise aufgeschüttet haben und sich in diese Aufschüttung wieder langsam einschneiden. In der Aufschüttungssohle oder Aue, welche durch ihr Anwachsen die Fläche zwischen den Talhängen vergrößert, findet der Fluss Platz für ein neues Flussbett mit meist gewundenen Laufformen (Briem 2002: 32).

Das Querprofil des Gewässerbettes ist abhängig vom Material, in welchem das Gewässer fließt und befindet sich in Beziehung zur Fließgeschwindigkeit, dem Breiten-Tiefen-Verhältnis, der Gewässerbettstrukturierung sowie der Grundrissstruktur (Briem 2002: 49). Das Breiten-Tiefen-Verhältnis ist dabei abhängig vom Anteil der Feinsedimente Schluff (d<0,063mm) und Ton (d<0,002 mm) am Ufer und an der Sohle. Die Abflussmenge hat auf das Querprofil kaum Einfluss, jedoch nimmt bei einer Abflusszunahme die Breite schneller zu als die Tiefe. Durch molekulare Bindungskräfte steigt bei hohem Feinmaterialanteil die Erosionsresistenz. So sind periglaziale verwilderte Flüsse mit Grobmaterial breit und flach, während Flüsse im Auelehm schmal und tief sind. Braided Rivers besitzen damit normalerweise ein größeres Breiten-Tiefen-Verhältnis als vergleichbare mäandrierende oder gestreckte Flüsse (vgl. Abb. 4) (Kern 1994: 44).

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Abb. 4: Abhängigkeit des Breiten-Tiefen-Verhältnisses vom Lehmgehalt in Sohle und Ufer (Lehmfraktion d < 0,074 mm) (Kern 1994: 45)

2.3.4 Grundrissarten

Geradlinige Fließgewässer kommen in der Natur so gut wie nie vor. Tendenzen findet man bei hohem Gefälle in jungen Gebirgen sowie bei epigenetischen und antezedenten Talanlagen, also einer Einengung des Profils (Zepp 2002: 146). Die zehnfache Flussbreite ist etwa die längste Strecke eines gestreckten Laufs. Als „gestreckt“ können aber auch alle Flüsse bezeichnet werden, welche nicht mäandrieren oder sich nur sehr unregelmäßig winden (Kern 1994: 36). Die rezent geradlinig fließenden Mittelgebirgsflüsse sind somit anthropogenen Ursprungs und ein Produkt weit reichender Flusskorrektionen.

Ist ein Fließgewässer, besonders in Periglazialgebieten, mit grober Sedimentfracht, welche dem Fluss zuvor etwa durch Solifluktion und mechanische Verwitterung von den Hängen zugeführt wurde, sehr überlastet und besitzt er eine stark periodisch schwankende Wasserführung mit kurzen konzentrierten Abflüssen, spaltet er sich in viele verzweigte Arme auf und „verwildert“. Untersuchungen zeigen ein Verhältnis zwischen Abflussmenge und Gefälle (vgl. Abb. 5). So genannte „Braided River“ bilden sich demnach bei einem hohem Abfluss und sehr geringem Gefälle oder bei hohem Gefälle und niedrigem Abfluss (Zepp 2002: 149). Die meisten Autoren setzen für deren Entstehung jedoch allgemein ein mittleres bis größeres Gefälle voraus (Mangelsdorf 1980: 111).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Grundrisstypen in Beziehung zu Gefälle und Abfluss (Zepp 2002: 149)

Eine Verlagerung der Flussarme und ein Umschichten der Sand- und Kiesbänke des Braided River ist nur bei Hochwasser möglich. Die Flussarme, die durch Grobmaterialüberlastung immer mehr zu den Rändern gedrängt werden, sorgen für vermehrte Seitenerosion mit einer daraus resultierenden Bettverbreiterung. Dieser Vorgang der Breitenerosion wird begünstigt durch mangelnde Uferbefestigungen, etwa bei fehlender Vegetation. Die ständige Geschiebeüberlastung verursacht eine Aufhöhung der Talsohle (Kern 1994: 36).

Wird das Belastungsverhältnis durch eine geringere Schuttbelastung und eine gleichmäßigere Wasserführung für den Fluss günstiger, ändert er seine Fließdynamik. Dabei fasst er mehr und mehr seine verwilderten Arme zu einem einheitlichen, größeren, sich durch die Talsohle windenden Gerinne zusammen, welches sich langsam durch Tiefenerosion in die zuvor aufgeschüttete Talsohle eintieft. Es entstehen gewundene oder mäandrierende Fließgewässer ab einem Verhältnis von Fließ- zu Tallänge größer als 1,5 (Sinuosität) (Zepp 2002: 146). Der ideale Mäander entspricht einer sinuserzeugten Kurve (Kern 1994: 38). Es ist davon auszugehen, dass periglaziale Flüsse in den Warmzeiten des Pleistozäns mäandrierende Gewässer waren (Kern 1994: 37). Das Wort „Mäander“ ist benannt nach dem kleinasiatischen Fluss „Mäander“, heute „Menderes“ genannt (Schiffers 1984: 217). Ihre genaue Entstehung ist nicht vollständig geklärt. Entgegen eines ersten Eindrucks erweisen sich Mäander als eines der stabilsten energetischen Gleichgewichte in Beziehung von Gerinnebett und Gewässer. Sie befinden sich nahe am Gleichgewichtsprofil, wodurch die häufige laterale Umlagerung der Sedimente und die besonders starke Seitenerosion bei nur geringer und langsamer Tiefenerosion begründet sind. Jedoch vollzieht sich über lange Zeiträume durchaus eine Tieferlegung des Gleichgewichtprofils auf seiner gesamten Länge (Strahler 1999: 388). Außerdem sind Flüsse nahe am Gleichgewichtszustand sehr empfindlich auf externe Veränderungen, besonders was das Verhältnis von Wassermenge und Last angeht (Strahler 1999: 390).

Mäandrierende Flüsse mit zunehmendem Windungsgrad findet man besonders an Unter- oder Mittelläufen bei abnehmendem Gefälle, geringerer Fließgeschwindigkeit und abnehmenden Geschiebekorngrößen (Briem 2002: 64). Je höher die Abflussmenge ist, desto kleiner muss das Gefälle für die Mäanderbildung sein (Kern 1994: 37). Die Mäandergeometrie ist dabei zwar abhängig von der Geschiebegröße, jedoch ist nach einigen Autoren die Mäanderbildung an sich von Untergrund und Transportmechanismen unabhängig (Kern 1994: 38). Die Dominanz von Gefälle und Abflussmenge bei der Bildung der verschiedenen Grundrisstypen bringt bereits Abb. 5 zum Ausdruck. Damit wird fraglich welche Rolle die Last, zum Beispiel in Form von erodiertem Bodenmaterial, bei der Grundrissentwicklung des Flusses noch spielt.

An den Stellen, wo der Stromstrich von Mäanderschlingen an ein Ufer stößt, wirkt starke Seitenerosion. Es entsteht ein steiler Prallhang mit einer randlichen Übertiefung der Gewässersohle durch gleichzeitige Tiefenerosion. Dabei sind die Erosionsgeschwindigkeit und damit die Mäandergeometrie abhängig von der Resistenz der Ufer. Je höher der Ton- und Schluffanteil ist, desto langsamer schreitet die Seitenerosion voran (Kern 1994: 39).

Auf der gegenüber liegenden Uferseite des Prallhangs fließt das Wasser nur sehr langsam, wodurch mitgeführtes Feinmaterial als Sand-, Kies- und Schotterbänke akkumuliert. Hier bildet sich ein flacher Gleithang (vgl. Abb. 6). Der Fluss beginnt somit, in seiner Gesamtheit zu pendeln und in Bögen zu fließen. Durch die Auslenkung an den Prallhängen wandern die Mäander flussabwärts bei einer Wanderungsgeschwindigkeit bis zu 1m pro Jahr. Durch Ungleichmäßigkeiten in der Mäandermigration können sich einzelne Mäanderschlingen gegenseitig einholen. Die ständige Seitenerosion am Prallhang und die laterale Akkumulation am Gleithang vergrößern die Flussschleifen kontinuierlich um eine ebenfalls wachsende Umlauffläche. Am entstandenen Mäanderhals bildet sich ein Durchbruch, wodurch der Fluss an dieser Stelle wieder relativ geradlinig fließt. An einem solchen Durchbruch überwindet der Fluss ein steileres Gefälle über eine kurze Distanz, was eine höhere Fließgeschwindigkeit zur Folge hat. Diese Energie kann durch die Bildung eines neuen Mäanders oder eine weitere Auslenkung eines bestehenden Mäanders kompensiert werden (Zepp 2002: 146).

Die ehemalige Flussschlinge, der so genannte Altarm, beinhaltet zunächst ein stehendes Altwasser, das zunehmend versumpft und verlandet, bis es nur noch am Muster der besonderen Vegetation, an anderen Bodenverhältnissen oder als schwache Tiefenlinie im Gelände zu erkennen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Entwicklungen und Formen eines mäandrierenden Flusses (Zepp 2002: 147)

Die Sedimente von Schwemmfächern einmündender Seitenflüsse und -bäche können den relativ freien Mäanderlauf ihres Vorfluters von sich weg drängen und bilden dadurch eine häufige Form des Zwangsmäanders oder beschränkten Mäanders (Kern 1994: 39). Insgesamt erweist sich das Mäandrieren eines Flusses als ein extrem dynamischer und nur schwer berechenbarer fluvialgeomorphodynamischer Prozess, welcher sich selbst und das angrenzende Relief über Jahrhunderte weiterentwickelt. So können Mäander vor allem bei Hochwasser ihr Bett verlassen und ihren Lauf spontan verändern, indem sie neue Mäanderrinnen bilden oder Altarme wieder beleben. In Tab. 1 sind einige Wirkungsfaktoren sowie deren durchschnittlicher Einfluss auf die Bildung unterschiedlicher Grundrissarten als Zusammenfassung dieses Kapitels dargestellt. Die Ausbildung von Mäandern scheint danach hauptsächlich durch ihre energetische Ausgeglichenheit und laterale Umlagerung definiert zu sein. Dabei ist zu beachten, dass die hier vereinfacht besprochenen drei Grundrisstypen in der heutigen Forschung durch sehr differenzierte Klassifikationen ergänzt werden.

Tab. 1: Tendenzielle Entwicklung zu unterschiedlichen Grundrissarten von Fließgewässern durch verschiedene Einflussfaktoren („+“ bedeutet eine tendenzielle durchschnittliche Erhöhung des jeweiligen Faktors, „ –“ eine Verminderung), eigener Entwurf nach Briem (2002), Kern (1994) und Zepp (2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.5 Pleistozäne Terrassen

95% der Großformen der mitteleuropäischen Tallandschaften wurden auf Grund der geringen reliefbildenden Kräfte des holozänen Klimas im Pleistozän geformt (Kern 1994: 19). Die notwendige Voraussetzung zur Terrassenbildung ist stets ein Eintiefungsimpuls, zum Beispiel durch einen Klimawechsel, eine tektonische Hebung oder eine Meeresspiegelabsenkung (Zepp 2002: 165). Flussterrassen sind Talböden, die ehemals höher lagen. Es handelt sich dabei um Paläoformen, die durch einen klimatischen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten in Periglazialgebieten des Pleistozäns geformt wurden. Mechanische Verwitterung, Solifluktion und die fehlende Vegetationsdecke an den Hängen sorgten in den Kaltzeiten für eine enorme Schuttbelastung. Zusätzlich führten mitteleuropäische Flüsse zu den Kaltzeiten sehr wenig Wasser, da dieses in Eis und Schnee gebunden war. Als sie ihre Fracht nicht mehr transportieren konnten, weil ihr Belastungsverhältnis zu groß wurde, akkumulierten sie. Die Talsohle wurde aufgeschüttet und durch die relative Vergrößerung des Abstandes der Talhänge voneinander verbreitert.

Zu Beginn der Warmzeiten führten die Flüsse große Mengen an Schmelzwasser. Außerdem ließ die mechanische Verwitterung nach und die Hänge wurden durch eine Vegetationsdecke gefestigt. Der nun vermutlich mäandrierende Fluss war somit in der Lage, die zuvor gebildeten Akkumulationsböden wieder zu zerschneiden und auszuräumen, wobei Reste der ehemaligen Talböden am Rand der Talhänge als Schotterterrassen zurückblieben. Die Terrassenstufen bleiben jedoch nur dann erhalten, wenn der nachfolgende Impuls nicht stark oder zeitlich lang genug ist, die ältere Terrasse komplett auszuräumen (Zepp 2002: 165). Bei häufigeren phasenhaften Wechseln von Erosion und Akkumulation entstanden mehrere Aufschüttungsterrassen in unterschiedlichen Höhenlagen, wobei die ältesten in ihrem Höhenniveau über den jüngeren vorzufinden sind (Blume 1991: 60).

2.3.6 Talgrundterrassen nach Schirmer

Schirmer führte Untersuchungen am Main durch und entdeckte in der Aue „fluviatile Körper von Terrassencharakter“ (Schirmer 1983: 19), welche von hochflutreichen Zeiten mit verstärkter lateraler Schotterumlagerung und vermehrter Hochflutlehmablagerung sowie von hochflutarmen Zeiten oder Ruhephasen mit vertikaler Aufhöhung und begrabenen Bodenbildungen zeugen. Er sieht diese Entwicklungen durch einen geringen Klimawechsel in Verbindung mit lokalen Bedingungen, wie Abflussregime, Hangdenudation, Vegetation oder den Menschen verursacht und vermutet, anhand von Rannen- und Keramikstatistiken ähnliche Abfolgen im gesamten Mitteleuropa wieder zu finden (Schirmer 1979: 34).

Schirmer entdeckte in den Talauen an Obermain, Mittelmain und Regnitz drei Terrassen bzw. Umlagerungsphasen aus dem Würm und sechs Terrassen aus dem Holozän, welche in die rißzeitlichen und altpleistozänen Terrassen eingebettet sind. Die Terrassen sind unterschiedlich stark ausgeprägt und durch Differenzierungen in der Morphologie anhand morphologischer Oberflächengliederung und verzahnter morphologischer Diskordanzen voneinander abgrenzbar. Weiterhin lassen sich die Terrassen pedologisch, auf Grund von Bodentyp und Eisenhaushalt sowie geologisch, durch vertikale Schichtfolgen differenzieren (Schirmer 1983: 11).

Der würmzeitlichen Niederterrasse folgen, durch eine Terrassentreppe getrennt, die Auenterrassen in Form so genannter Reihenterrassen, die fast höhengleich aneinandergereiht, jedoch unterschiedlichen Alters sind. Die Reihenterrassen setzen sich aus dem ehemaligem Gleithang und dessen Übergang zur Nahtrinne oder Randrinne zusammen, welche die alten erkennbaren Rinnenrelikte der äußersten Mäanderbögen darstellen und leicht zu verwechseln sind mit den ehemaligen Aurinnen derselben Umlagerungsphase. Die morphologische Trennung der Reihenterrassen erfolgt durch den Abfall des Uferwalls über den Talboden bis zur Nahtrinne als tiefsten Punkt der Terrassenfläche, so dass auf Grund interner Wölbung und der Relation zum nächsten älteren Terrassenkörper „eine deutliche Terrassenkante“ entsteht (Schirmer 1983: 28).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Holozäne Terrassensysteme nach Schirmer (1983) mit (1) Treppenterrassen, (2a-c) Reihenterrassen, (3) Sockelterrasse und (4) anstehendem Gestein (Kern 1994: 27)

Es sind nicht mehr alle Paläomäanderrinnen der Aue erkennbar, da sie durch Hochflutlehme im Laufe der Zeit vollständig verschüttet wurden. Bei den noch sichtbaren alten Mäanderrinnen, welche von späteren Hochwässern überformt wurden, kann es sich um primäre Aurinnen handeln, welche bei hohem Wasserstand vom Fluss teilweise noch benutzt wurden. Das Aurinnensediment setzt sich hier aus Flussbettsediment und Auensediment zusammen. Andererseits finden sich sekundäre Aurinnen, welche durch Erosion bei Hochwasser entstandene neue Rinnen darstellen. Insgesamt sind die Aurinnensedimente häufig durch ihre tiefe Lage vergleyt und beinhalten Torf, Mudde oder eine Vivianitanreicherung im reduzierten Bereich bei Anwesenheit von Holz (Schirmer 1983: 27).

Schirmer (1983) bezeichnet die typische Sedimentfolge der Terrassensedimente als fluviatile Serie (vgl. Abb. 8). Vom tiefsten Niveau bis an die Oberfläche folgen nacheinander Flussbettsediment, Aurinnensediment, Auensediment und Auenboden. Das Auensediment wurde seit der Rodung der Talhänge durch Bodenabtrag der Hänge erhöht, so dass unter einer Verminderung des Hochwassers eine Bodenbildung auf den Auensedimenten einsetzte. Es bildete sich autochthoner Auenboden als Verwitterungsboden.

Besonders wichtige Kennzeichen sind außerdem zwei unterschiedliche Fluss-bettsedimenttypen. Der V-Schotter stellt einen durch Akkumulation vertikal gewachsenen Schotter mit horizontaler Schichtung quer zur Fließrichtung dar. Dieser Typ stammt von einem Braided River aus dem Mittel- und Jungpleistozän unter Neumaterialzufuhr von den Talhängen. Die Terrassenkörper, welche aus V-Schottern bestehen nennt Schirmer V-Terrassen. Des Weiteren lässt sich der L-Schotter unterscheiden. Dieser ist ein lateral gewachsener Schotterkörper mit schräger und gebogener Schichtung, welcher durch Anlagerung an einen Gleithang entstanden ist. Grundlage für diesen Flussbettsedimenttyp ist ein mäandrierender Fluss und dessen laterale Umlagerung von vorhandenem Material im Talgrund. Durch die talabwärts wandernden Mäander wurden die älteren Terrassen umgelagert, ohne dass eine bedeutende Materialneuzufuhr von den Hängen, wie es bei der Bildung der V-Terrasse der Fall ist, vorhanden wäre (Schirmer 1983: 18). Der daraus gewachsene Terrassenkörper wird L-Terrasse genannt. Zwischen den fluviatilen Serien von V- und L-Schotter finden sich kleine Unterschiede (Schirmer 1983: 25).

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Abb. 8: Schema der fluviatilen Serie (Schirmer 1983: 25)

Die neun einzelnen Terrassenkörper wurden wie in den Abb. 9 und 10 dargestellt von Schirmer benannt und zeitlich eingeordnet. Während der Entstehung der Reundorfer Terrasse im Würm-Hauptvorstoß zwischen 25 000 und 20 000 Jahre BP war der Fluss noch ein Braided River mit starker Materialbelastung und periodisch stark schwankender Wasserführung. Sie bildet heute die würmzeitliche Niederterrasse in Form einer V-Terrasse, die als deutliche Treppenterrasse zur Schönbrunner Terrasse abgesetzt ist. Ab der Schönbrunner Terrasse entwickelt sich ein mäandrierender Fluss mit Auenterrassen in Form von Reihenterrassen, welche in die Reundorfer Terrasse eingeschachtelt sind. Es finden sich nun L-Terrassen, welche anfangs jedoch noch mit V-Schottern gemischt sind (Schirmer 1983: 11).

Eine Untergliederung der Auenterrassen erfolgt in fünf Höhere Auenterrassen, die sich nur in Dezimeterbeträgen voneinander in ihrer Höhenlage unterscheiden, zwei Mittlere Auenterrassen, welche mit 1 m deutlich in die Höheren Auenterrassen eingeschachtelt sind und sich eng an den heutigen Flusslauf halten, sowie die Tiefere Auenterrassen, die ein flussbegleitendes schmales Hochflutbett bilden.

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Abb. 9: Schematische Übersicht des würmzeitlichen und holozänen Terrassensystems am Obermain, oberen Mittelmain und Regnitz (Schirmer 1983: 16)

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Abb. 10: Schotter-Umlagerungsphasen an Main und Regnitz seit der ausgehenden Würm-Eiszeit (Schirmer 1983: 22)

Neben absoluten Datierungen, wie zum Beispiel Pollenanalysen in Randrinnen oder Dendrochronologie an Rannen, können typische Auenböden der Terrassenkörper als weiteres potentielles Unterscheidungskriterium dienen. Im Spätglazial bildete sich nach der Schönbrunn-Phase ein AC-Boden vom Typ Pseudotschernosem, welcher die fluvialtile Serie dieser Phase abschließt. Im beginnenden Holozän entwickeln sich Parabraunerden, deren Bildung zwischen der Ebensfeld-Phase und der Oberbrunn-Phase, zwischen 5000 und 4000 BP abbricht und von Braunerde, deren Entwicklung bis heute ebenfalls abnimmt, abgelöst wurde. Kräftige Parabraunerden finden sich somit auf den Würmterrassen, also der Reundorfer, Schönbrunner und Ebinger Terrasse. Die Ebensfelder Terrasse besitzt nur noch eine schwach entwickelte Parabraunerde, während die Oberbrunner Terrasse eine stark verbraunte und verlehmte Braunerde vorweist (Verbraunung seit 4000 - 3000 BP). Die Zettlitzer Terrasse und Unterbrunner Terrasse tragen nur noch eine schwache Braunerde (Verbraunung seit etwa 1500 BP). Seit der Eisen-Römerzeit zeigt sich eine erhöhte Verbraunungsgeschwindigkeit, da durch Hangrodungen viel Bodenmaterial denudativ in die Aue gelangte, was als vorverwittertes Material der Bodenbildung diente. Auf der Vierether Terrasse findet man letztendlich Auenpararendzina auf Auelehm mit einem Alter von ungefähr 150 Jahren (Schirmer 1983: 30).

Im Gesamten erkennt Schirmer besonders zwei große Umbrüche in der Flussgeschichte. Das sind zum einen der Wechsel vom Braided River zum mäandrierenden Fluss seit der Schönbrunn-Phase, also nach dem Hochwürm, und zum anderen der anthropogene Eingriff seit der Zettlitz- Phase in der Römerzeit vor 2500 Jahren. Einflüsse des Menschen, wie die Rodung von Talhängen, bewirkten eine Erhöhung in der Mächtigkeit der Auensedimente, Änderungen in den Flussbettdimensionen (Flussbettverbreiterung und -verflachung durch Auenrodung) und im Bodenchemismus (Erhöhung des Eisengehalts). Die Anzahl der anthropogenen Flussfunde steigt an, da Objekte durch Prallhangunterspülungen, Flussbau oder als Flussmüll in das Fließgewässer geraten (Schirmer 1983: 39). Die Keramikstatistik zeigt immer mehr anthropogene Objekte, während seit der Staffelbacher Phase keine Rannenfunde mehr vorhanden sind (Schirmer 1983: 11).

In der Diskussion um die Ergebnisse von Schirmer werden häufig Fragen aufgeworfen. Besonders relevant erscheint die Thematik der Dominanz von Mensch oder Klima bei der Entstehung der einzelnen Terrassenkörper. Es wird nach einem Gleichgewicht zwischen einer klimatischen, anthropogenen oder prozessual-systeminternen Steuerung gesucht. Bei Schirmers Forschungen fallen Gletschervorstöße in den Alpen mit Höhepunkten von Terrassenbildungen zusammen, während Korrelationen mit menschlichen Einflüssen als schwierig erscheinen, so dass der Einfluss des Menschen besonders in jüngerer Vergangenheit zwar durchaus beachtet wird, anthropogene Faktoren jedoch keine auslösende oder kontrollierende Rolle spielen dürften (Gerlach 1988: 210).

Auch der Begriff der „Auenterrassen“ ist umstritten. Es handelt sich wohl eher um „diskordant aneinander gelagerte Sedimentkörper“ (Bibus 2002: 103). Des Weiteren lässt die höher werdende Datendichte die Ruhephasen stark schrumpfen. „Möglicherweise ist deshalb Schirmers Vorstellung von akzentuierten dynamischen Formungswechseln im Holozän innerhalb europäischer Talauen nicht zutreffend, weil im gesamten Zeitabschnitt eine mehr oder minder starke Mäanderdynamik geherrscht hat und die Ruhephasen nur durch Datierungslücken vorgetäuscht werden.“ (Bibus 2002: 110).

3 Großräumige Einordnung des Neckars und die Tübinger Stufenrandbucht

Der Neckar als ein Gewässer erster Ordnung ist ein rechter Nebenfluss des Rheins. Er ist 367 km lang und besitzt ein Einzugsgebiet von 13958 km2. Seine Quelle befindet sich im Moor von Schwenningen auf der Baar in 706 m ü. NN. Bei Mannheim mündet der Neckar in 85 m ü. NN in den Rhein (Gewässerdirektion Neckar 2002: 9).

Da der Neckar zum Einzugsgebiet des Rheins gehört, hat er eine relativ tief liegende Erosionsbasis im Gegensatz zum Einzugsgebiet der Donau auf der Albhochfläche. Aus diesem Grund weist auch das Gewässernetz des Neckars bei seinem Streben nach dem Glättungslängsprofil eine weitaus stärkere Tiefenerosion und rückschreitende Erosion auf als die Donauzuflüsse. Von großer Bedeutung ist dies für die Schichtstufenlandschaft im Einzugsgebiet, die dadurch immer weiter zurückverlegt wird. Der verwinkelte Verlauf des Neckars stammt von eroberten ehemaligen Donauzuflüssen (Huttenlocher 1972: 38).

Der Neckar ist ein perennierender Mittelgebirgsfluss, der im Regenschatten des Schwarzwaldes liegt und keinen Rückhalt in Form eines Gletschers aufweist. Er erhält sein Wasser ins besondere vom Schwarzwald und einzelnen Bereichen der Schwäbischen Alb. Zum Großteil fließt er in Baden-Württemberg. Nur ein kleiner Abschnitt im Norden streift den Odenwald in Hessen. Der Neckar passiert abwechselnd Gebiete mit morphologisch hartem Muschelkalk, wo er steilwandige Täler ausgebildet, wie zum Beispiel in Rottweil, Besigheim oder Rottenburg, und Gebiete mit morphologisch weichem Gestein, wie Lettenkeuper oder Lias, wo er sehr weite Täler erzeugt hat, wie zum Beispiel im Stuttgarter oder Heilbronner Becken sowie im Untersuchungsgebiet dieser Arbeit. Ab Plochingen bis zur Mündung in den Rhein ist der Neckar auf 200 km Großschifffahrtsstraße. Die Gewässergüte bewegt sich im schiffbaren Bereich in der Güteklasse II-III (kritisch belastet) und oberhalb davon in der Güteklasse II (mäßig belastet). Insgesamt hat sich die Güte in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Auf Grund der Vielzahl der Eingriffe gelten nur 2% des Neckarlaufes als naturnah (Gewässerdirektion Neckar 2003: 34).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Übersichtskarte Baden-Württemberg und Neckar mit grober Lage des Untersuchungsgebietes (Schön 1988: 2)

Bei Tübingen stößt man auf die naturräumliche Einheit der Tübinger Stufenrandbucht als Teilbereich des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes (vgl. Abb. 12). „Hier dringen die randlichen Teile der Korngäulandschaft in die Keuperhöhen ein“ (Huttenlocher 1966: 19). Das Neckar- und Ammertal queren hier die Keuperstufe. Zwischen ihnen verläuft der lang gezogene Spitzberg mit Höhen zwischen 480 bis 440 m ü. NN. Die Ammer mündet in den Neckar unterhalb von Lustnau, wo aus der Bucht das eigentliche Neckartal wird. Das Obere Neckartal bildet zwischen Rottenburg und Tübingen eine weite trichterförmige Bucht, nördlich und südlich begrenzt durch Spitzberg und Rammert mit Höhenlagen zwischen 554 m ü. NN und 430 m ü. NN. Die Talsohle von Rottenburg bis Tübingen fällt von 340 m ü. NN auf 310 m ü. NN und beträgt im Mittel 325 m ü. NN bei einem Höhenunterschied zu den Rändern von 140 bis 120 m (Spörle 1957: 4).

Der Neckartrichter der Tübinger Stufenrandbucht hat bei Kiebingen eine Breite von ungefähr 3 km, bei Weilheim von ca. 2 km und ab Lustnau nur noch 1 km (Huttenlocher 1966: 21).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Naturräumliche Einheiten bei Tübingen (Staatliche Archivverwaltung 1967: 152)

4 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes

4.1 Lage und Eingrenzung des Untersuchungsgebietes

Die Neckaraue und deren Randbereiche zwischen Rottenburg und Tübingen, welche das Untersuchungsgebiet dieser Arbeit darstellen, gehören zum Oberen Neckartal. Es liegt in der Tübinger Stufenrandbucht zwischen Spitzberg, der sich rund 140 m über das Neckartal erhebt, und Rammert mit rund 200 m Erhebung über dem Talboden (Hepp et al. 1983: 312). Das Untersuchungsgebiet, dessen Leitlinie der Neckar darstellt, definiert sich aus dem jüngeren holozänen Auenbereich des Neckars, welcher in den älteren Auenbereich aus dem späten Pleistozän eingeschachtelt ist. Die Grenze der Untersuchungen stellt der Übergang von der jüngeren holozänen Neckaraue zur würmzeitlichen Niederterrassenkante dar, wobei die Niederterrasse in der Kartierung und für einzelne Problemstellungen in dieser Arbeit als Randbereich noch berücksichtigt wird. Die häufigen anthropogenen Ackerberge auf der Niederterrasse bleiben sowohl in der Kartierung als auch in der Diskussion außer Betracht. Die Abgrenzung der genaueren empirischen Untersuchungen nach Norden und Süden erfolgt somit mit der Niederterrassenkante, wobei diese in ihrer Grenzziehung besonders im Norden auf Grund der Ausräumung durch die Hauptrandrinne des Neckars etwas verwaschen ist. Nach Süden ist meistens eine scharfe Abgrenzung zur Niederterrasse möglich. Die Mäanderrinnen, welche die Grenzlinie zur Niederterrasse bilden und durch ihre Prallhänge die Niederterrassenkanten herausgearbeitet haben, werden in dieser Arbeit als Hauptrandrinnen bezeichnet.

Im Südwesten wird das Untersuchungsgebiet durch den Siedlungsausbau von Rottenburg am Neckar, insbesondere die Landstraße 361, begrenzt. Im Nordosten enden die Untersuchungen am Festplatz von Tübingen bzw. dem Betriebsgelände der Bahn. Damit besitzt das Untersuchungsgebiet eine Ausdehnung von Süd-Westen nach Nord-Osten von etwa 10 km. Die Breite beträgt bei Rottenburg 250 m und steigt zwischen Kiebingen und Wurmlingen auf ca. 2 km an. Zwischen Bühl und Hirschau besitzt das Gebiet der Aue noch eine Ausdehnung von ungefähr 1500 m und verengt sich dann auf 750 m ab Weilheim bis zum Festplatzgelände von Tübingen.

[...]


[1] Als PDF erhältlich beim Autor.

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung des Bodenreliefs der Neckaraue und ihrer Randbereiche zwischen Rottenburg und Tübingen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Geographisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
113
Katalognummer
V126137
ISBN (eBook)
9783640383832
ISBN (Buch)
9783640384136
Dateigröße
34651 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reliefentwicklung, Neckaraue, Tübingen, Rottenburg, Neckar, Aue, Auenentwicklung, Auenenterrassen, Holozän, Fluvial, Fluvialdynamik, Pleistozän, Fluvialerosion, Gerinnebett, Fluss, Flussentwicklung, Gerinnebettentwicklung, Terrassen, Auenrelief, Mäander, Paläomäander, Relief, Reliefgenerationen, Paläoklima, Klimaänderung, Klimaveränderung, Hochwasser, Reihenterrassen, Flussterrassen, Fluvialgeomorphodynamik, Renaturierung, Fluviale Formung, Erosion, Auendynamik, Fließgewässer, Flussgeschichte, Einführung Fluvialgeomorphologie, Flussbegradigung, Begradigung, Historische Nutzung
Arbeit zitieren
Holger Nagel (Autor:in), 2004, Die Entwicklung des Bodenreliefs der Neckaraue und ihrer Randbereiche zwischen Rottenburg und Tübingen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126137

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