Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der holozänen Reliefentwicklung mitteleuropäischer Auen am Beispiel der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen. Sie bietet eine allgemeine und praxisbezogene Einführung in die Fluvialgeomorphologie und Auendynamik. Darauf aufbauend wird ein umfassender Überblick zur Flussbegradigung und Flussgeschichte des Neckars im Untersuchungsgebiet geleistet. Die Bündelung der Ergebnisse efolgt in einem Vorschlag zur geomorphologischen Kartierung von Auenbereichen.
Der seit dem 18. Jahrhundert begradigte Neckar zwischen Rottenburg und Tübingen fließt in einer weiten fächerartig entfalteten holozänen Aue. Untersuchungsgegenstand auf Basis der geomorphologischen Kartierung (1:10.000) sind Relikte holozäner Paläomäander im Auenrelief. Die Auswertung der Kartierung leistet einen Beitrag zum Verständnis der Genese und Entwicklung der vermuteten Reliefgenerationen. Hinsichtlich der Dominanz reliefbildender fluvialer Kräfte, die terrassenartige Formen in der Aue hinterlassen, deuten die Ergebnisse auf eine Dominanz kontinuierlicher systeminterner Fluvialgeomorphodynamik hin. Anthropogene Einflüsse scheinen vor der Begradigung eher modifizierend auf die Reliefbildung eingewirkt zu haben. Auf Grund der starken Dynamik des Neckars bei einzelnen historischen Schlechtwetterereignissen, können deutlich abgrenzbaren Ruhe- und Umlagerungsphasen durch holozäne Klimaschwankungen ebenfalls in Frage gestellt werden, obwohl einzelne Reliefeinheiten mit einer klimatischen Gliederung korreliert werden können.
The river Neckar, straightened in the 18th century, is flowing in a wide evolved Holocene floodplain between the cities of Rottenburg and Tuebingen. The subjects of analysis based on a
geomorphological map (1:10.000) are the remains of Holocene paleomeanders in the relief of the floodplain. The article contributes to the genesis and development of generations in the relief. In terms of dominance of relief building forces which are able to create shapes similar to terraces in the floodplain, the results refer to a dominance of continuous system internal fluvial geomorphodynamics. Anthropogenic interventions to the relief development before the straightening seem to be rather modifying. Concerning the power of the Neckar during particular historical spells of bad weather, it is possible to query distinct resting and redistribution phases, although it is possible to correlate some structures in the relief with the Holocene climatic structure.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Allgemeine Übersicht über die natürliche Fluvialgeomorphodynamik und deren Formenschatz im Auenbereich
- 2.1 Terminologie
- 2.2 Flussregime und Auendynamik
- 2.3 Fluviale Formungsprozesse und Formen
- 2.3.1 Denudation und fluviale Erosion
- 2.3.2 Fluviale Akkumulation und Sedimentation
- 2.3.3 Querprofile
- 2.3.4 Grundrissarten
- 2.3.5 Pleistozäne Terrassen
- 2.3.6 Talgrundterrassen nach SCHIRMER
- 3 Großräumige Einordnung des Neckars und die Tübinger Stufenrandbucht
- 4 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes
- 4.1 Lage und Eingrenzung des Untersuchungsgebietes
- 4.2 Literaturlage
- 4.3 Geologie des Festgesteinrahmens
- 4.4 Pleistozäne Entwicklungen und Schotterkörper
- 4.5 Holozäne Prägung und Böden
- 4.6 Rezente klimatische Verhältnisse und Abflussregime
- 4.7 Potentielle natürliche sowie rezente Vegetation und Bodennutzung
- 5 Einfluss von anthropogenen Eingriffen auf das Untersuchungsgebiet
- 5.1 Die Beziehung zwischen Mensch und Neckar vor dem 18. Jahrhundert
- 5.2 Die Neckarkorrektion und deren Folgen
- 5.2.1 Überblick über die anthropogenen Maßnahmen in historischem Kontext
- 5.2.2 Gründe und Ziele der Eingriffe
- 5.2.3 Folgen der anthropogenen Maßnahmen für die Reliefentwicklung der Aue
- 5.2.3.1 Veränderungen im natürlichen Flussregime und Wasserhaushalt der Aue
- 5.2.3.2 Veränderungen der natürlichen Fluvialgeomorphodynamik und des Formenschatzes der Aue
- 5.3 Rezente ökonomische Nutzung der Aue
- 5.3.1 Landwirtschaft
- 5.3.2 Wasserkraftwerke
- 5.3.3 Kieswerke und Baggerseen
- 5.3.4 Grundwassernutzung
- 5.3.5 Gewerbegebiete, Verkehrswege und Siedlungsausbau
- 5.4 Freizeit und Naherholung in der Aue
- 5.5 Ökologische Maßnahmen in der Aue
- 5.5.1 Naturschutzgebiet „Oberes Steinlach“
- 5.5.2 Renaturierungspläne bei Kilchberg
- 6 Die geomorphologische Kartierung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen
- 6.1 Zur Arbeitsmethodik
- 6.1.1 Geländemethoden
- 6.1.2 Die graphische Umsetzung der geomorphologischen Kartierung
- 6.1 Zur Arbeitsmethodik
- 7 Beitrag zur Reliefentwicklung des Untersuchungsgebietes anhand einer Auswertung der Kartierung
- 7.1 Geomorphogenese und Reliefgenerationen
- 7.2 Fluvialgeomorphogenetische Gliederung
- 7.3 Rezente geomorphologische Prozesse
- 8 Korrelation und Zusammenfassung der Teilergebnisse
- 8.1 Die Reliefentwicklung der Neckaraue als natürliche Fluvialgeomorphodynamik
- 8.2 Versuch einer Korrelation mit den Ergebnissen von SCHIRMER (1983)
- 8.3 Charakterisierung der Reliefentwicklung anhand anthropogener Maßnahmen
- 8.4 Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Reliefentwicklung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen unter Berücksichtigung anthropogener Eingriffe. Ziel ist es, durch eine geomorphologische Kartierung (1:10.000) die Gesamtstruktur und Entwicklung des Reliefs zu analysieren und die Bedeutung natürlicher und menschlicher Einflüsse zu bewerten.
- Natürliche Fluvialgeomorphodynamik des Neckars
- Einfluss pleistozäner und holozäner Prozesse
- Anthropogene Eingriffe (Neckarkorrektion, Landnutzung)
- Analyse von Reliefgenerationen und -formen
- Korrelation mit bestehenden Theorien zur Auenentwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Arbeit untersucht die Reliefentwicklung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen, die durch den wilden Neckarlauf und spätere anthropogene Eingriffe geprägt wurde. Eine geomorphologische Kartierung soll die komplexen Prozesse und deren zeitliche Abfolge aufklären.
2 Allgemeine Übersicht über die natürliche Fluvialgeomorphodynamik und deren Formenschatz im Auenbereich: Dieses Kapitel erläutert grundlegende Begriffe und Prozesse der fluvialen Geomorphodynamik, wie Terminologie, Flussregime, Erosion, Akkumulation und unterschiedliche Flussformen (gerade, mäandrierend, verzweigt) sowie die Entstehung pleistozäner und holozäner Terrassen, besonders im Kontext des Main-Modells von Schirmer.
3 Großräumige Einordnung des Neckars und die Tübinger Stufenrandbucht: Der Neckar wird im größeren Kontext des Rheineinzugsgebietes und seiner tiefliegenden Erosionsbasis beschrieben. Die Tübinger Stufenrandbucht als Untersuchungsraum wird in Bezug auf ihre geologische und geomorphologische Struktur eingeordnet.
4 Charakterisierung des Untersuchungsgebietes: Dieses Kapitel beschreibt detailliert die Lage, die geologische Beschaffenheit (Festgestein, Schotterkörper), die holozäne Prägung (Böden, Vegetation), das Klima und das Abflussregime des Untersuchungsgebietes.
5 Einfluss von anthropogenen Eingriffen auf das Untersuchungsgebiet: Dieser Abschnitt dokumentiert die Geschichte menschlicher Eingriffe in das Neckarsystem, beginnend mit frühen Nutzungen bis zur umfassenden Neckarkorrektion im 18. Jahrhundert. Die Kapitel beleuchten die Motive für die Eingriffe und ihre Folgen für das Flussregime, die Geomorphodynamik und die Nutzung der Aue.
6 Die geomorphologische Kartierung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen: Hier wird die Methodik der geomorphologischen Kartierung im Detail erläutert, einschließlich der Geländemethoden und der graphischen Umsetzung der Daten. Eigene Signaturen zur differenzierten Darstellung fluvialen Formenschatzes wurden entwickelt.
7 Beitrag zur Reliefentwicklung des Untersuchungsgebietes anhand einer Auswertung der Kartierung: Dieses Kapitel analysiert die Ergebnisse der Kartierung und interpretiert die geomorphologischen Formen und Prozesse. Es wird nach Mäandergenerationen gesucht, um die Reliefentwicklung zu rekonstruieren und deren zeitliche Abfolge zu bestimmen. Die Rolle von anthropogenen Faktoren wird ebenfalls untersucht.
Schlüsselwörter
Neckaraue, Fluvialgeomorphodynamik, Reliefentwicklung, anthropogene Eingriffe, Neckarkorrektion, Mäander, Terrassen, Holozän, Pleistozän, Geomorphologische Kartierung, Bodenbildung, Grundwasser, Schotter, Auelehm.
Häufig gestellte Fragen zur Reliefentwicklung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Reliefentwicklung der Neckaraue zwischen Rottenburg und Tübingen. Der Fokus liegt auf der Analyse der komplexen Wechselwirkungen zwischen natürlichen fluvialen Prozessen und anthropogenen Eingriffen, insbesondere der Neckarkorrektion.
Welche Methoden wurden angewendet?
Die Hauptmethode ist eine geomorphologische Kartierung im Maßstab 1:10.000. Diese Kartierung bildet die Grundlage für die Analyse der Reliefformen und -prozesse. Zusätzlich werden Literaturrecherchen und die Auswertung bestehender geomorphologischer Modelle herangezogen.
Welche Aspekte der natürlichen Fluvialgeomorphodynamik werden behandelt?
Die Arbeit behandelt verschiedene Aspekte der natürlichen Fluvialgeomorphodynamik, darunter Terminologie, Flussregime, Erosion, Akkumulation, die Entstehung verschiedener Flussformen (gerade, mäandrierend, verzweigt) und die Bildung pleistozäner und holozäner Terrassen. Das Main-Modell von Schirmer dient als theoretischer Rahmen.
Welche anthropogenen Eingriffe werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht den Einfluss verschiedener anthropogener Eingriffe, beginnend mit frühen menschlichen Nutzungen bis hin zur umfassenden Neckarkorrektion im 18. Jahrhundert. Die Folgen dieser Eingriffe für das Flussregime, die Geomorphodynamik und die Nutzung der Aue werden detailliert analysiert. Weitere anthropogene Einflüsse wie Landwirtschaft, Kiesabbau, Wasserkraftnutzung und Siedlungsentwicklung werden ebenfalls berücksichtigt.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in acht Kapitel: Einleitung, allgemeine Übersicht über die natürliche Fluvialgeomorphodynamik, Einordnung des Neckars und der Tübinger Stufenrandbucht, Charakterisierung des Untersuchungsgebietes, Einfluss anthropogener Eingriffe, geomorphologische Kartierung, Auswertung der Kartierung und Korrelation/Zusammenfassung. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Reliefentwicklung.
Welche Ergebnisse werden präsentiert?
Die Arbeit präsentiert die Ergebnisse der geomorphologischen Kartierung, die eine detaillierte Darstellung der Reliefformen und -prozesse ermöglicht. Auf dieser Grundlage wird eine Rekonstruktion der Reliefentwicklung vorgenommen, wobei die Bedeutung sowohl natürlicher als auch menschlicher Einflüsse hervorgehoben wird. Die Ergebnisse werden mit bestehenden Theorien zur Auenentwicklung korreliert.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen über die komplexen Wechselwirkungen zwischen natürlichen und anthropogenen Prozessen bei der Gestaltung der Neckaraue. Es wird ein umfassendes Bild der Reliefentwicklung präsentiert, welches die Bedeutung der Neckarkorrektion und anderer menschlicher Eingriffe für die heutige Gestalt der Aue verdeutlicht.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Neckaraue, Fluvialgeomorphodynamik, Reliefentwicklung, anthropogene Eingriffe, Neckarkorrektion, Mäander, Terrassen, Holozän, Pleistozän, Geomorphologische Kartierung, Bodenbildung, Grundwasser, Schotter, Auelehm.
- Citation du texte
- Holger Nagel (Auteur), 2004, Die Entwicklung des Bodenreliefs der Neckaraue und ihrer Randbereiche zwischen Rottenburg und Tübingen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126137