Das Freund-Feind-Denken nach Carl Schmitt – Anfang vom Ende der Demokratie?


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Freund-Feind-Unterscheidung nach Carl Schmitt
2.1. Zur Person Carl Schmitt
2.2. Die Freund-Feind-Unterscheidung im „Begriff des Politischen“

3. Das Freund-Feind-Bild im Nationalsozialismus

4. Das Freund-Feind-Bild im US-amerikanischen „Krieg gegen den Terror“

5. Die Gefährdung bürgerlicher Freiheit durch das Freund-Feind-Denken

6. Das Freund-Feind-Denken – Anfang vom Ende der Demokratie?

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Auctoritas, non veritas facit legem.“[1] – „Autorität, nicht Wahrheit schafft das Recht.”

Durchaus im Sinne dieses Ausspruchs von Hobbes, erarbeitete Carl Schmitt politische Theorien und Rechtsvorstellungen mit Fokus auf einen starken, souveränen Staat.[2]

Die Aktualität seiner Theorien bestätigt ein Blick in die Presselandschaft, in der seit dem Beginn der Finanzkrise nahezu täglich die Forderung nach größerer Staatsmacht gestellt und der Wirtschaftsliberalismus kritisiert wird.[3]

Für Schmitt setzt dieser „Begriff des Staates […] den Begriff des Politischen voraus“[4] und damit nicht eine simple Autorität in ökonomischen Fragen, sondern per se die Unterscheidung zwischen Freund und Feind, die alles Politische prägt.

Diese scheinbar archaische Definition von Politik findet sich jedoch nicht nur in nationalsozialistischer Ideologie, sondern auch in der Gegenwartspolitik wieder.

Die damit verbundenen Gefahren liegen auf der Hand und finden in den abschließenden Schlussfolgerungen ihren Platz. Zuvor ist es Aufgabe dieser Hausarbeit, die Ideologie des Nationalsozialismus und die Politik der US-Regierung von George W. Bush im „Krieg gegen den Terror“ auf Denkmuster aus Carl Schmitts „Begriff des Politischen“ zu untersuchen. Durch diese Nebeneinanderstellungen soll keinesfalls eine Gleichstellung politischer Motive versucht werden, auch wenn in der Argumentation Jennifer Van Bergen zitiert wird, die die USA unter Bush „on the road to fascism“[5] sieht. Vielmehr verdeutlicht dies das Problem, zu einem noch immer sehr aktuellen und emotionalen Thema objektive Sekundärliteratur zu wählen.[6]

Auf dieser Grundlage sollen bestehende und vergangene ideologische Muster sachlich und ohne die von Schmitt geschätzte Polemik untersucht werden, um zu erkennen, ob das Freund-Feind-Denken noch heute als eine Gefahr für die bürgerliche Freiheit oder sogar als Vorbote des Endes der Demokratie betrachtet werden kann.

2. Die Freund-Feind-Unterscheidung nach Carl Schmitt

2.1. Zur Person Carl Schmitt

Carl Schmitt polarisierte zeitlebens durch seine Ideen und sein Wirken. Bis heute reichen die Einschätzungen vom „‚charakterlosesten Vertreter eines orientierungslosen Bürgertums‘ (René König)“ bis hin zum „‚jüngsten Klassiker politischen Denkens‘ (Bernard Willms)“.[7]

Ein kurze Blick in die Biographie des „meistzitierte[n] deutsche[n] Staatsrechtler[s] im In- wie im Ausland“[8] ist daher notwendig, um einen besseren Zugang zu seinem Werk zu erlangen.

Carl Schmitt wurde am 11. Juli 1888, dem Dreikaiserjahr, in Plettenberg im Sauerland geboren. Als Katholik im protestantischen Westpreußen musste er sich früh zur Kirche positionieren[9] und fand im Glauben Anregung zu vielen seiner späteren politischen Ideen. So sieht Noack in Schmitts Bewunderung für die institutionelle Würde der katholischen Kirche den Grundstein für Schmitts „Institutionalismus“.[10] Meier führt diesen Gedanken noch weiter, wenn er feststellt, dass „die Notwendigkeit der politischen Entscheidung für ihn in der Wahrheit des Glaubens gründet.“[11] Dieser Dezisionismus Schmitts findet neben der Religion vor allem Wurzeln in den Schriften von Max Weber, Thomas Hobbes und Donoso Cortés.[12] Zudem äußert sich darin Schmitts Liberalismuskritik, die sich durch sein gesamtes Werk zieht und ein Paradebeispiel für den Zeitgeist der sich im Scheitern befindenden Weimarer Republik ist.[13]

Vor allem hat jedoch Schmitts exponierte Position in der Stabilisierungsphase des Nationalsozialismus zu scharfer Kritik an seiner Person und, häufig damit einhergehend, seinen Ideen geführt. Schmitts wahre Überzeugungen zu erkennen, fällt trotz weitreichender Quellenlage schwer. Zahlreichen Freundschaften zu jüdischen Wissenschaftler vor 1933 stehen radikale antisemitische Äußerungen in seiner Funktion als Präsident der Vereinigung nationalsozialistischer Juristen gegenüber.[14]

Auch Schmitts Aussagen zur NSDAP sind sehr wechselhaft. So warnt er am 19. Juli 1932, einen Tag vor dem „Preußenschlag“, in einem Artikel in der „Täglichen Rundschau“ vor der Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausgehe:

„Wer den Nationalsozialisten am 31. Juli die Mehrheit verschafft, obwohl er nicht Nationalsozialist ist und in dieser Partei nur das kleinere Übel sieht, der handelt töricht. Er gibt dieser weltanschaulich und politisch noch gar nicht reifen Bewegung die Möglichkeit, die Verfassung zu ändern, das Staatskirchentum einzuführen, die Gewerkschaften aufzulösen usw. Er liefert Deutschland dieser Gruppe völlig aus.“[15]

Drei Monate später sieht Schmitt im Nationalsozialismus nur noch „eine Bewegung, mit der Millionen Deutscher nicht nur sympathisieren, der sie ihre Stimme gegeben haben.“[16]

Nach deren Machtergreifung scheint Schmitt vollständig assimiliert, wenn er formuliert:

„Das gesamte heutige deutsche Recht … muß ausschließlich und allein vom Geist des Nationalsozialismus beherrscht sein … Jede Auslegung muß eine Auslegung im nationalsozialistischen Sinne sein.“[17]

Diese ständig wechselnde Positionierung zeigt Schmitt weniger als überzeugten Nationalsozialisten, sondern unterstreicht vielmehr seinen absoluten Willen nach Einfluss auf das politische Geschehen um den Preis der eigenen Glaubwürdigkeit. An dieser wird auch von Seiten führender Nazijuristen und der SS gezweifelt, so dass Schmitt, nach einer medialen Kampagne gegen ihn, zum Ende des Jahres 1936 seine öffentlichen Ämter niederlegen muss. Einzig aus diesem Konflikt mit dem NS-Apparat ist, angesichts seiner stark rassenideologisch geprägten Arbeiten zu dieser Zeit, jedoch nur schwer eine Gegnerschaft Schmitts zum Nationalsozialismus zu konstruieren.[18]

Eher ist Hannah Arendts These zuzustimmen, wonach Schmitt, „der zweifellos der bedeutendste Mann in Deutschland auf dem Gebiet des Verfassung- und Völkerrechts war, […] durch zweit- und drittrangige Begabungen […] ersetzt und an die Wand gespielt wurde,“[19] weil er mit seiner Wissenschaftlichkeit der Bewegung nicht von Nutzen sein konnte. Schmitt resümiert 1963, dass „[w]er mit einem absoluten Feind kämpft […] sich ohnehin nicht für unsere Bemühungen um das Kriterium des Politischen [interessiert;] er sieht darin eine Gefährdung seiner unmittelbaren Kampfkraft, Schwächung durch Reflexion“.[20]

2.2. Die Freund-Feind-Unterscheidung im „Begriff des Politischen“

„Der Begriff des Politischen“ war ursprünglich ein Vortrag Schmitts, den er im Mai 1927 in Berlin hielt. Nach zwei Abdrucken 1927 und 1928 erschien 1932 eine erweiterte Fassung mit einem Nachwort von 1931. 1934 veröffentlichte er eine erneut überarbeitete Version, in der sein Versuch sehr deutlich wird, in der Gunst des NS-Regimes weiter aufzusteigen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er in der aktuellen Fassung von 1963 stattdessen auf den 32er Text zurückgreift und ihn um drei „Corollarien“ erweitert.[21] Den hier aufgeführten Analysen liegt folglich auch diese Textversion zu Grunde, da sie vermutlich Schmitts Intentionen am genauesten widerspiegelt.

Das Buch beginnt mit der „abstrakt formulierte[n] These“[22] „Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus.“[23] Schmitt verwehrt sich darin gegen eine Gleichsetzung der beiden Begriffe. Für ihn ist der Staat „ein besonders gearteter Zustand eines Volkes, und zwar der im entscheidenden Fall maßgebende Zustand und deshalb […] der Status schlecht hin.“[24]

Wie eng dieser Begriff mit dem Politischen verwandt ist, zeigt jedoch Schmitts Definition:

„Politisch ist jedenfalls immer die Gruppierung, die sich an dem Ernstfall orientiert. Sie ist deshalb immer die maßgebende Gruppierung, die politische Einheit infolgedessen immer […] die maßgebende Einheit.“[25]

In diesen nahezu identischen Begriffsbestimmungen erscheint der Staat als ein Spezialfall der politischen Einheit.[26] Das Politische definiert sich wiederum über die Unterscheidung von Freund und Feind.[27] Diese Differenzierung wird mit der Unterscheidung von „Gut und Böse“, „Schön und Häßlich“ und „Nützlich und Schädlich“ verglichen, ohne dass Schmitt eine direkte Kausalität zwischen moralischen, ästhetischen sowie wirtschaftlichen Gegensätzen und dem alles entscheidenden politischen Gegensatz sieht.[28] Der politische Feind muss folglich weder böse noch hässlich sein, sondern nur „in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes“[29].

Diese existenzielle Andersartigkeit ist anscheinend nicht objektiv zu erklären, da sie weder normiert noch durch Dritte bestimmt werden kann. Nur den verfeindeten Seiten obliegt es zu entscheiden, „ob das Anderssein des Fremden im konkret vorliegenden Konfliktfalle die Negation der eigenen Art Existenz bedeutet und deshalb abgewehrt oder bekämpft wird, um die eigene, seinsmäßige Art von Leben zu bewahren.“[30]

Damit kann die Auswahl und Bekämpfung eines Feindes de facto vollkommen willkürlich erfolgen. Auch private Antipathie spielt dabei keine Rolle. Als Feind ist nur der „öffentliche Feind“ zu betrachten, das bedeutet eine „der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht.“[31] Diese Bekämpfung ist keinesfalls metaphorisch gemeint. Vielmehr „[erhalten] [d]ie Begriffe Freund, Feind und Kampf […] ihren realen Sinn dadurch, daß sie insbesondere auf die reale Möglichkeit der physischen Tötung Bezug haben und behalten.“[32] Dieser Kriegszustand ist für Schmitt weder wünschenswert noch abzulehnen, sondern schlicht eine Möglichkeit. Der Krieg kann weder gerecht sein, noch mit ethischen und juristischen Normen begründet werden, sondern nur politisch sinnvoll sein.[33] Ladwig kritisiert berechtigt, dass eine derartige „nicht-normative Rechtfertigung […] ein Widerspruch in sich selbst [ist]“[34] und es daher nach Schmitt überhaupt keinen gerechtfertigten Krieg geben dürfte. Daraus könnte aus liberaler Sicht eine Illegitimität sämtlicher Kriege geschlussfolgert werden. Diese wäre für Schmitt jedoch reine Fiktion, die möglicherweise wünschenswert ist, de facto jedoch nicht existieren kann.[35] Stattdessen folgert er daraus die Legitimität sämtlicher Kriege zum Selbstschutz und übt deutliche Kritik an „Kriegen im Namen der Menschheit“. Wer sich selbst als Vertreter der Menschheit sieht, degradiert damit seinen Feind per se zum „unmenschlichen Scheusal“, was sich durch die zusätzliche moralische Abwertung des Gegners in einem besonders intensiven und unmenschlichen Krieg äußert.[36] Damit kritisiert Schmitt sowohl militärische Intervention aus ideologischen, also aus seiner Sicht vermutlich kommunistischen, und humanitären Gründen. Wegen diesen hätte vor allem der Völkerbund mit seiner indirekten Einflussnahme auf die Weimarer Republik zu einer Verwischung der Begriffe Krieg und Frieden geführt.[37]

Für Schmitt gibt es keine Möglichkeit sich dem Freund-Feind-Verständnis zu entziehen, da sämtliche politischen Begriffe polemisch und nur im Zusammenhang mit ihrer Negation zu verstehen sind.[38] Folgerichtig ist es auch als politische Einheit unmöglich zu behaupten, man besäße keine Feinde. In dem Moment, in dem ein Teil der Bevölkerung erkläre, er habe keine Feinde, wäre dies erneut eine gesellschaftliche Parteinahme und es entstünde der Gegensatz zwischen Pazifisten und Nicht-Pazifisten. Wer dem Gegner juristisch den Krieg verbieten will, dem bleibt nichts anderes übrig, als „gegen das Recht zum Kriege – Krieg zu führen!“[39]

Was es zur Folge hätte, wenn ein ganzes Volk erklärte, es hätte keine Feinde, beschreibt Schmitt exemplarisch für den antiliberalen und antipazifistischen Zeitgeist:

„Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder den Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk.“[40]

Desweiteren ist die Wirkung des Feindbildes für den Zusammenhalt im Inneren des Staates nicht zu unterschätzen. Sobald innerstaatliche Konflikte politisch ausschlaggebender sind als außenpolitische Feindbilder, so resultiert dies im Bürgerkrieg.[41] Um diese Eskalation zu verhindern, kann der Staat in kritischen Situationen den „inneren Feind“ bestimmen.[42] Damit dies gar nicht erst nötig wird, soll das Freund-Feind-Denken jedoch zur Stabilisierung innenpolitischer Konflikte genutzt werden, indem es durch die Abgrenzung zum äußeren Feind erst eine echte Volksgemeinschaft erzeugt.[43]

Schmitts Argumentation ist dabei in sich schlüssig, beruht jedoch auf der Hypothese, dass es immer Unterschiede zwischen „politischen Einheiten“ gibt, die zu maßgebenden politischen Abgrenzungen und diese wiederum zum existentiellen Kampf führen müssen. Diese Tatsache scheint für ihn so offensichtlich zu sein, dass sie keiner argumentativen Begründung bedarf. Der Tatsache, dass es bis in die Gegenwart eine Unterscheidung von Freund und Feind gegeben hat, ist nicht zu leugnen. Den Beweis, dass diese Freund-Feind-Unterscheidung dem Menschen so sehr zu Eigen ist, dass sie nicht aufgegeben werden kann, bleibt Schmitt jedoch schuldig.[44] Zu hinterfragen verbleibt, ob die vorgebrachte Polarisierung nicht in erster Linie der Wunsch nach Vereinfachung und Erklärung politischer Realität in einer Zeit schwerer gesellschaftlicher Umbrüche und staatlicher Schwäche ist.

3. Das Freund-Feind-Bild im Nationalsozialismus

Die Vernichtung von ca. 6 Millionen Juden bleibt, auch wenn sie hier im theoretischen Muster des Freund-Feind-Bildes analysiert wird, singulär. Zu untersuchen ist jedoch, inwiefern sich in diesem extremsten aller möglichen Fallbeispiele die Theorien Schmitts widerspiegeln und welche Auswirkungen das antisemitische Feindbild auf Deutschland von 1933 bis 1945 hatte.

Der Antisemitismus war in Europa bereits seit dem frühen Mittelalter weit verbreitet. Stets latent vorhanden, flammte er besonders in sozialen und ökonomischen Krisenzeiten auf.[45] Bracher konstatiert allerdings, dass es in Deutschland, insbesondere im Vergleich zu Osteuropa, zu relativ wenigen antisemitischen Gewalttätigkeiten kam, bevor die Nationalsozialisten an Bedeutung gewannen.[46] Diese erkannten jedoch früh, welchen Nutzen sie aus der Schaffung eines jüdischen Feindbildes ziehen konnten. Hitler begründet diese Auswahl sehr aufschlussreich in einem Interview von 1922:

„Es ist klar und hat sich bei allen Revolutionen durch die Praxis und die Tatsache erwiesen, daß ein Kampf für Ideale, für Verbesserungen irgendwelcher Art unbedingt ergänzt werden muß durch den Kampf gegen irgendeine Gesellschaft, Klasse oder Kaste. [K]eine der [früheren] Revolutionen ist jemals ohne einen solchen Blitzableiter, durch den die Haßgefühle der breiten Masse abgeleitet werden, ausgekommen. Gerade daraufhin habe ich die revolutionären Vorgänge in der Weltgeschichte nachgeprüft und mir dann die Frage vorgelegt: Gegen welchen Volksteil in Deutschland kann ich mit der größten Aussicht auf Erfolg meine Haßpropaganda einsetzen? Gefunden mußte ein solches Opfer werden und zwar eines, gegen das der Kampf auch materiell lohnte. Ich […] habe alle überhaupt denkbaren […] Lösungen dieses Problems geprüft und […] bin […] zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Kampf gegen die Juden eben so populär wie erfolgreich sein würde.“[47]

Das jüdische Feindbild wurde also bewusst gewählt, um daraus politischen Nutzen zu ziehen. Dies widerspricht der Idee Schmitts, wonach der Feind zwar bestimmt werden muss, diese Bestimmung allerdings auf der faktischen „existenziellen Andersartigkeit“ beruht.[48]

Diese Bestimmung kann keinesfalls beliebig erfolgen. Zumindest ließe sich dann nicht die These halten, dass eine Freund-Feind-Gruppierung zwangsläufig besteht muss, da bei einer beliebigen Wahl der Feinde sonst ebenso gut die Entscheidung gegen jegliche Feindgruppierung getroffen werden könnte.

Daher versuchen auch die Nationalsozialisten, das jüdische Feindbild nicht als willkürlich, sondern als „weltgeschichtliche Aufgabe“ des deutschen Volkes darzustellen.[49] Die „Weltgeschichte auf rassischer Grundlage“[50] zeigt eine Kontinuität des jüdischen Strebens nach der Weltherrschaft, beginnend bei der „Tötung des ‚Antisemiten Jesus Christus‘“[51] über die „Protokolle der Weisen von Zion“[52] bis hin zum „Bolschewismus“ der Neuzeit. Diese historische Begründung war nötig, um ein wesentliches Problem des nationalsozialistischen Feindbildes zu lösen. Auf der einen Seite sollte der Eindruck erweckt werden, dass das deutsche Volk einer ständigen Bedrohung durch die Außenwelt ausgesetzt sei.[53] Auf der anderen Seite sollten nach Hitler „selbst auseinanderliegende Gegner immer als zu einer Kategorie gehörend erscheinen“, damit die Bevölkerung nicht am eigenen Recht zweifle.[54] Die verhasste Weimarer Republik bezeichnete Hitler daher folgerichtig als das „jüdisch=demokratische [sic!] Reich“ und der Bolschewismus wurde als „eine der wichtigsten Zweckschöpfungen des Judentums“ interpretiert.[55]

[...]


[1] Hernández Arias, José Rafael: Donoso Cortés und Carl Schmitt. Eine Untersuchung über die staats- und rechtsphilosophische Bedeutung von Donoso Cortés im Werk Carl Schmitts. Paderborn u. a. 1998. S. 164.

[2] Besser gesagt, einer starken, politischen Einheit. Für Schmitt hatte sich der Begriff des Staates immer mehr vom Politischen gelöst, da dieses immer stärker von nichtstaatlichen Gemeinschaften bestimmt ist.

Siehe: Schönberger, Christoph: „Staatlich und Politisch“, in: Mehring, Reinhard (Hrsg.): Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar. Berlin 2003. S. 42.

[3] Exemplarisch für die Vielzahl dieser Artikel ist: Wefing, Heinrich: Gestatten, ich bin der Staat, in: Die Zeit Nr.44 vom 23.10.2008. S. 2. Unter dem Titelthema „Die neue Weltordnung“ ist sogar der Kupferstich von Hobbes‘ Leviathan abgedruckt.

[4] Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien. 3. Aufl. der Ausg. von 1963. Berlin 1991. S. 20.

[5] Bergen, Jennifer Van: The Twilight of Democracy. The Bush Plan for America. Monroe 2005. S. 67. Auch wenn der Aussage in dieser überspitzten Form kaum zugestimmt werden kann, verdeutlicht sie doch, in welchem Ausmaße Einschränkungen der persönlichen Freiheit in den Vereinigten Staaten von verschiedenen Autoren wahrgenommen werden.

[6] Daher wurden die Angaben von fünf politisch unterschiedlichen Autoren zu diesem Themengebiet abgeglichen.

[7] Noack, Paul: Carl Schmitt. Eine Biographie. Frankfurt a. M. und Berlin 1996. S. 9.

[8] Ebd. S. 11.

[9] Vgl. ebd. S. 17.

[10] Vgl. ebd.

[11] Meier, Heinrich: Die Lehre Carl Schmitts. Vier Kapitel zur Unterscheidung Politischer Theologie und Politischer Philosophie. Stuttgart – Weimar 1994. S. 116.

[12] Hernández Arias 1998. S. 158.

[13] Strauss, Leo: Anmerkungen zu Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, in: Meier, Heinrich (Hrsg.): Carl Schmitt, Leo Strauss und „Der Begriff des Politischen“. Zu einem Dialog unter Abwesenden. Stuttgart 1988. S. 100.

[14] Beispielhaft dafür aus dem „Schlusswort des Reichsgruppenverwalters“: „Ein jüdischer Autor ist für uns, wenn er überhaupt zitiert wird, ein jüdischer Autor. […] Schon von der bloßen Nennung des Wortes ‚jüdisch‘ wird ein heilsamer Exorzismus (!) ausgehen“, siehe: Rüthers, Bernd: Entartetes Recht. Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich. 2., verb. Aufl. München 1989. S. 138.

[15] Noack 1996. S. 143.

[16] Vgl. ebd. S. 145.

[17] Rüthers 1989. S. 107.

[18] Vgl. ebd. S. 111.

[19] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft. 12. Aufl. München 1986. S. 724.

[20] Noack 1996. S. 121. Selbstverständlich versucht Schmitt damit seine Bedeutung im Nationalsozialismus im Nachhinein herunter zu spielen. Diese wird im dritten Kapitel näher untersucht werden.

[21] Vgl. Noack 1996. S. 114.

[22] Schmitt 1991. S. 13.

[23] Ebd. S. 20.

[24] Ebd.

[25] Ebd. S. 39.

[26] Zu dieser Relativierung des Staates zu einer Möglichkeit der politischen Einheit trug in erster Linie die von Schmitt empfundene Abwertung staatlicher Bedeutung im Verhältnis zur Gesellschaft bei. Siehe: Ebd. S. 25. Ein Trend, der sich mit der zunehmenden Bedeutung von NGO’s bis in die Gegenwart fortgesetzt hat.

[27] Vgl. ebd. S. 26.

[28] Vgl. ebd. S. 27. Es kann allerdings einer eben dieser religiösen, kulturellen oder wirtschaftlichen Gegensätze so stark und maßgebend sein, dass er zu dem entscheidenden poltischen Gegensatz wird. Siehe: ebd. S. 39.

[29] Ebd. S. 27. Nichtsdestotrotz wird er psychologisch häufig so wahr genommen. Siehe: ebd. S. 27f.

[30] Ebd.

[31] Ebd. S. 29.

[32] Ebd. S. 33.

[33] Ebd. S. 50.

[34] Ladwig, Bernd: „Die Unterscheidung von Freund und Feind als Kriterium des Politischen“, in: Mehring, Reinhard (Hrsg.): Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar. Berlin 2003. S. 57.

[35] Vgl. Schmitt 1991. S. 28f. Fraglich ist, ob Schmitt dabei der Sein-Sollen-Fehlschluss unterläuft. Zwar befürwortet er nie direkt die Kriegssituation, er stellt sie jedoch als de facto unausweichlich und damit gerechtfertigt dar. Nur aus der Tatsache, dass es aktuell Feindschaft zwischen politischen Einheiten gibt, lässt sich allerdings nicht beweiskräftig schlussfolgern, dass diese Handlungsweise bestimmend für den Menschen ist.

[36] Vgl. ebd. S. 37.

[37] Schönberger 2003. S. 33.

[38] Vgl. Schmitt 1991. S. 31.

[39] Ladwig 2003. S. 52.

[40] Schmitt 1991. S. 54.

[41] Ebd. S. 32.

[42] Vgl. ebd. S. 46.

[43] Vgl. Ladwig 2003. S. 50.

[44] Vgl. ebd. S. 59f.

[45] Vgl. Bracher, Karl Dietrich: Die Deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Köln 1993. S. 48.

[46] Vgl. ebd.

[47] Wagenlehner, Günther (Hrsg.): Feindbild. Geschichte – Dokumentation – Problematik. Frankfurt a. M. 1989. S. 27f.

[48] Vgl. Schmitt 1991. S. 27.

[49] Vgl. Bracher 1993. S. 456.

[50] Ebd. S. 286.

[51] Stange, Jörg: Zur Legitimation der Gewalt innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie. Ein Beitrag zur Erklärung der Verfolgung und Vernichtung der Anderen im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1987. S. 173.

[52] Auf die Hitler bereits 1921 Bezug nimmt, vgl. Wagenlehner 1989. S. 28.

[53] Dazu Himmler 1938: „Wir haben sehr, sehr viele gegen uns […]: Das gesamte Kapital, das gesamte Judentum, die gesamte Freimaurerei, die gesamten Demokraten und Spießer der Welt, die gesamten Bolschewisten der Welt, die gesamten Jesuiten der Welt und nicht zuletzt alle die Völker, die es bereuen, daß sie uns im Jahre 1918 nicht ganz umgebracht haben[…]“ Siehe: Smith, Bradley F.; Peterson, Agnes F. (Hrsg.): Heinrich Himmler Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Frankfurt a. M. u. a. 1974. S. 58.

[54] Vgl. Stange 1987. S. 170.

[55] Ebd. S. 171.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Freund-Feind-Denken nach Carl Schmitt – Anfang vom Ende der Demokratie?
Hochschule
Universität Rostock
Veranstaltung
Theorie und Praxis totalitärer Herrschaftssysteme
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V126254
ISBN (eBook)
9783640322862
ISBN (Buch)
9783640320943
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Carl Schmitt, Freund, Feind, George Bush, War on Terror, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Totalitarismus, Politische Theorie
Arbeit zitieren
Peer Klüßendorf (Autor:in), 2009, Das Freund-Feind-Denken nach Carl Schmitt – Anfang vom Ende der Demokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126254

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Freund-Feind-Denken nach Carl Schmitt – Anfang vom Ende der Demokratie?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden