Das Mauerprojekt: Kunst in Bau

Ein künstlerisches Projekt mit Jugendlichen in der JVA


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

19 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Kunst im Bau

Vorwort

Entertainment, Beschäftigungstherapie, Bespaßung oder Förderung unentdeckter Ressourcen? Was ist „Kunst im Bau“ und in welchen Formen findet sie statt? Sollte der Kunst in Haftanstalten ein fester Platz zugeteilt werden oder hat sie an diesem Ort des Freiheitsentzugs nichts zu suchen. Mit diesen und weiteren Fragen möchte ich mich in dieser Arbeit befassen.

Zum Einen möchte ich „Kunst im Bau“ im Allgemeinen betrachten, was ist möglich, welche Sicherheitsbedingungen sind zu beachten und warum wird Kunst in diesem Rahmen überhaupt betrieben?

Des Weiteren stelle ich einige Beispielprojekte in deutschen Strafanstalten vor.

Ich gehe außerdem näher auf das Mauermalprojekt in der JVA in Pforzheim ein, das im Sommer 2007 in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule stattfand.

Kunst im Bau- warum?

„Kunst im Gefängnis- ein Widerspruch zur Freiheitsstrafe?

Die Gefängnisstrafe wird von vielen verbunden mit Eingesperrt- sein, kein Vergnügen und Übelszufügung; Kunst wiederum mit Freude, Fröhlichkeit, Luxus, Kreativität, Schönheit und Können. Und gerade das brauchen Jugendstrafgefangene, Strafgefangene allemal. Ein Mensch ändert sein Verhalten, sein gesellschaftlich unerwünschtes, wenn er spürt, dass das andere Verhalten ihm Vorteile bringt. Er wird in der Gesellschaft anerkannt, er findet Freude daran, er wird nicht ausgelacht und ist wer! Erst wenn die menschlichen Grundbedürfnisse Essen, Trinken, Schlafen befriedigt sind, ist der Mensch bereit, über sein Verhalten nachzudenken, es in Frage zu stellen und es zu ändern. Also muss in einem Gefängnis eine Atmosphäre geschaffen werden, die es den Gefangenen ermöglicht, sich wohl zu fühlen. Erst vor wenigen Wochen wurde ein Gesetz verabschiedet, dass besagt, dass das Leben im Gefängnis so weit wie irgend möglich dem Leben in Freiheit ähneln soll. Um den Gefangenen nun das Leben so angenehm wie möglich zu machen, ist es auch wichtig, ihnen Schönes zu zeigen und ihnen auch die Möglichkeit einzuräumen, sich künstlerisch zu betätigen.“

So die Worte von Hubert Fluhr, Anstaltsleiter der Vollzugsanstalt Heimsheim, zu der die Jugendstrafanstalt Pforzheim gehört, bei der Ausstellungseröffnung „Mauerprojekt 2007“ in der Galerie Generationszentrum Stuttgart Sonnenberg am 10. November 2007. Kunst als Chance, die Jugendlichen mit den schönen Dingen dieses Lebens bekannt zu machen und ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas zu schaffen, dass von anderen geschätzt wird.

Gefangene, die die Möglichkeit haben sich mit Kunst auseinanderzusetzen, erwerben neue Erfahrungen, sie öffnen ihre Sinne und bringen in der Kunst wie vielleicht auch im Werkstattgespräch ihr Inneres nach außen. Die Kunst macht es möglich, Gefühle und Gedanken auszudrücken, ohne als schwach zu gelten. Das was sonst im harten und rauen Gefängnisalltag nicht möglich. Man muss stark sein, um zu überleben. Diese Neuorientierung könnte durchaus auch eine allgemeine Veränderung ihrer Lebenssituation begünstigen.

Die Möglichkeiten, an verschiedenen Projekten teilzunehmen, sei es Schreiben, Musik, Bildhauerei oder Malerei- es liefert einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der oft noch jungen Straftäter. Die Kunst im Knast oder aus dem Knast dokumentiert oft die Haftbedingungen, die psychische und physische Verfassung der Künstler und deren Hoffnungen, Ängste und Träume.

Selbsthilfe und Überlebenshilfe sind zwei Aspekte künstlerischer Betätigung, besonders im Gefängnis. Dies haben viele Dichter wie zum Beispiel Fritz Reuter, Theodor Fontane und Oscar Wilde erlebt und geschildert. Solche veröffentlichte Gefängnisliteratur hat auch schon dazu beigetragen, die Bevölkerung über die Zustände in Haft zu informieren, was nicht selten auch zu einer Verbesserung der Haftbedingungen führte.

Das Sicherheit- und Ordnungsproblem

Bis Ende der sechziger Jahre war Kunst in Strafanstalten nur selten gestattet. Es wurden lediglich besonders angepassten oder künstlerisch talentierten Insassen eine kreative Beschäftigung zugestanden. So gibt es schon sehr lange Chöre, Orchester oder auch Maler im Strafvollzug. Doch die Unterdrückung der Kreativität war meist teil des Strafübels. Der Inhaftierte sollte bestraft und nicht „bespaßt“ werden. Oft wurde dieses Verbot auch auf Sicherheits- und Ordnungsgründe gestützt. In jedem kleinsten Werkzeug wurde ein Gefahrenpotential gesehen. Vor dem Strafvollzugsgesetz, das erst 1977 in Kraft trat, wurde der Strafvollzug durch eine bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift geregelt. Diese ermöglichte es, alles zu verbieten, was die ordnungsgemäße Durchführung des Strafvollzugs gefährden könnte.

Aber auch heute sind es die vielen, natürlich auch notwendigen Sicherheitsvorschriften, die die künstlerische Arbeit erschweren. Mit den Materialien und Werkzeugen kann meist nur gemeinsam mit anderen in einem Gruppenraum gearbeitet werden. Zum Einen, da Gegenstände nur mit besonderer Erlaubnis mit auf die Zellen genommen werden dürfen, aber auch, weil die Zellen einfach oft zu klein sind, um dort künstlerisch tätig zu werden.

Doch nicht darin liegt die Schwierigkeit, sondern in der daraus folgenden zeitlichen Beschränktheit. Es ist beispielsweise schwierig, an einem Ölbild nur mittwochs von 16.00 bis 18.00 Uhr arbeiten zu können. Jeder Künstler wird bestätigen können, dass es Phasen gibt, in denen die Kreativität regelrecht aus einem heraussprudelt und wiederum Zeiten, an denen jeder Pinselstrich eine Qual darstellt. Diese kreativen Phasen nun auf eine bestimmte Zeit zu legen, ist problematisch.

Besucht man das Atelier eines Künstlers, stellt man in den meisten Fällen fest, dass ein mittelgroßes Chaos herrscht. Kunst und Chaos liegen oft nah beieinander. Es scheint schwer, kreativ zu arbeiten, ohne das begleitende Chaos ausbrechen zu lassen. Ordnung und Sauberkeit ist aber traditionell die erste Gefangenenpflicht und steht damit in einem Konflikt mit der Kunst.

Das sind nur einige der Schwierigkeiten, doch auch die Frage nach den Sicherheitsvorschriften stellt sich recht schnell.

Viele der Kunstprojekte finden im „Freien“, - dem Gefängnishof, statt. Doch ein Häftling hat nur anrecht auf eine bestimmte Zeit unter freiem Himmel. Ist hier ein Vorteil gegenüber anderen Häftlingen? Oder vielleicht auch ein Sicherheitsrisiko, da Fluchtgefahr bestehen könnte? Dies sind Fragen, die sich die Strafanstalt stellen muss. Es wird sicher jede Anstalt etwas andere Lösungen für diese Probleme finden. Einige Sicherheitsvorschriften aus der JVA Pforzheim werde ich an späterer Stelle noch aufzeigen.

Beispiele anderer Kunstprojekte in deutschen Strafanstalten

JVA Halle (Saale)

Im Frühjahr 2000 begann ein Malprojekt im Frauengefängnis in der JVA Halle, das von einigen Künstler und Kunstpädagogen der Kunsthochschule Halle unterstützt wurde.

Von den insgesamt 50 Insassinnen waren 10 Frauen an dem Angebot interessiert. Das Ziel war es, die Wände in den Zellengängen zu bemalen. Doch bevor es soweit war, musste noch viel geübt werden. So betrachtete und sprach die Gruppe zunächst über Kunstwerke bekannter Künstler. In der nächsten Phase begannen die Frauen, verschiedenste Zeichnungen anzufertigen. Sie bekamen die Möglichkeit, intensiv zu üben und jeder Teilnehmer wurde mit ausreichend Materialien ausgestattet, sodass sie sogar in ihren Zellen zeichnen und später auch malen konnten.

Die Künstler und Kunstpädagogen halfen den Frauen in technischen Fragen oder gaben Hilfestellung bei der Übertragung von kleinen Bildern auf großformatige Leinwände. In der Gruppe entwickelte sich eine große Eigendynamik und alle Frauen waren mit vollem Einsatz dabei. Das Ergebnis zeigte sich an den bemalten Wänden der Zellengänge und zusätzlichen 20 großformatigen Bildern, die in einer „Zellen-Gang-Galerie“ ausgestellt wurden.

Im September 2000 wurde dann in der Männerstrafanstalt Halle ein Malzirkel von einem Gefangenen ins Leben gerufen, der während seiner Gefangenschaft zur Malerei gekommen war. Dieser Malzirkel bestand aus diesem „Lehrer“ und vier weiteren Gefangenen die sich pro Woche 12 Stunden in einem speziell eingerichteten Atelier trafen. Kunstpädagogen der Kunsthochschule Halle unterstützten die Gefangenen bei ihren Arbeiten. Die Gruppe war so erfolgreich, dass im Januar 2001 eine Ausstellung außerhalb der Gefängnismauern stattfand, bei deren Eröffnung auch die Gefangenen anwesend sein durften. Der Mitteldeutsche Rundfunk war vor Ort und berichtete von diesen Männern- das öffentliche Interesse war groß.

Heute ist in der JVA ein festes Atelier mit Staffeleien eingerichtet und die Gefangenen haben die Möglichkeit, regelmäßig künstlerisch zu arbeiten.[1]

[...]


[1] Vögele, Wolfgang (Hrsg.): Kunst in den Knast- Kunst aus dem Knast, Rehburg- Loccum, 2001 S. 52

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Mauerprojekt: Kunst in Bau
Untertitel
Ein künstlerisches Projekt mit Jugendlichen in der JVA
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V126462
ISBN (eBook)
9783640323722
Dateigröße
2834 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mauerprojekt, Kunst, Projekt, Jugendlichen
Arbeit zitieren
Kathy Paira (Autor:in), 2008, Das Mauerprojekt: Kunst in Bau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126462

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