Gewalt und Moderne


Hausarbeit, 2007

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Zu den Begriffen Gewalt und Krieg
1.1. Historischer Überblick
1.2. Die Modernisierungstheorie

2. Krieg und Moderne- Friedliche(ere) Zeiten?

Resümee

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die `Moderne` gibt es nicht. Sie war und ist immer Gegenstand der Diskussion. Es ist von entscheidender Bedeutung, wie man den Begriff der Moderne definiert und welches Deutungsschema man zugrunde legt. Assoziiert man mit ihr Industrialisierung, Technisierung und Disziplinierung so ist man verführt der Moderne eine Zunahme an Totalität, Krieg und Gewalt zu unterstellen. Definiert man den Begriff dagegen als einen Prozess fortschreitender Demokratisierung, Aufklärung und Emanzipation, so deutet diese Begriffsbestimmung ganz sicher auf die gewaltfreie Lösung von Konflikten in der Moderne hin.[1]

Ohne Zweifel verkennen beide Definitionsansätze die Tragweite des Begriffes, dennoch deuten sie das Spannungsverhältnis an, dem der Begriff ausgesetzt ist.

Die Beschäftigung mit dem Thema Gewalt und Moderne ist hoch spannend. Sie regt zum eigenen Denken an, aber die Gefahr lauert zum einen in der schieren Materialfülle, zum anderen ist das Risiko groß, sich in Allgemeinheiten zu verlieren.

Das Thema der Arbeit ist fraglos sehr weit gefasst und unterliegt (zunächst) auch keiner Abgrenzung. Diese Vorgehensweise habe ich gewählt, um kontroverse Beiträge zu dem Thema Gewalt und Moderne diskutieren zu können. Das Hauptaugenmerk der Betrachtung soll dennoch auf der `westlichen Hemisphäre` und dem 20. Jahrhundert liegen, da dieser Zeitspanne in der Forschung eine besondere Bedeutung beigemessen wird.

Um sich dem Thema nähern zu können, sollen zunächst die Begriffe `Gewalt` und `Krieg` einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Danach soll ein kurzer historischer Überblick folgen, der die bedeutsamsten Entwicklungslinien des modernen Krieges darzustellen versucht. Für eine Annäherung an die zentralen Problemfelder der Arbeit, halte ich eine tiefergehende Betrachtung der Modernitätstheorie für unerlässlich.

Im dritten Komplex der Arbeit werde ich mich der Verquickung von Moderne und Gewalt zuwenden, wobei die These einer gewaltfreien Moderne besondere Berücksichtung finden soll. Diese Idee ist insbesondere von Hans Joas in zahlreichen Beiträgen analysiert worden.[2] Auch die Frage nach der Modernität der Moderne findet viele widersprüchliche Antworten, deshalb erscheint eine tiefergehende Analyse umso lohnenswerter.

Zunächst soll jedoch ein Blick auf den Begriff der Gewalt und des Krieges geworfen werden.

1. Zu den Begriffen Gewalt und Krieg

Die Methode (...) der Begriffsdefinition beansprucht in keiner Art: neu zu sein. Im Gegenteil wünscht sie nur- wie gehofft wird- in (...) etwas korrekterer (...) Ausdrucksweise zu formulieren, was jede empirische Soziologie tatsächlich meint, wenn sie von den gleichen Dingen spricht.[3] Diesen Worten Max Webers folgend soll nun zunächst ein Blick auf den Begriff der Gewalt geworfen werden, wobei zunächst festgestellt werden muss, dass der Gewaltbegriff eine hochgradig kognitive Diffusität aufweist.[4] Er reicht vom rüden Verhalten im Alltag, körperlichen und seelischen Verletzungen bis hin zu soziopolitischer Benachteiligung. Dieser Spannbreite des Begriffes steht seine Allgegenwärtigkeit in den Medien und der Realität gegenüber.[5]

Schaut man in die neuste Ausgabe der Brockhaus Enzyklopädie, so findet man die Synonyme `stark sein`, `herrschen`, sowie die Anwendung physischen und psychischen Zwang gegenüber Menschen.[6] Dabei umfasst die Gewalt zum einen die rohe, gegen Sitte und Recht verstoßende Einwirkung auf Personen, zum anderen aber auch das Durchsetzungsvermögen in Macht- und Herrschaftsbeziehungen. Mit Max Weber kann der Gewaltbegriff also zunächst wie folgt definiert werden: Herrschaft als Chance für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden. (...) Macht als Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.[7] Gewalt lässt sich somit als eine Darlegung von Macht und/ oder Herrschaft definieren, als deren Ziel die Schädigung von einzelnen oder mehreren entsteht. Bernhard Schäfer weist in seinem Werk zudem darauf hin, dass ein auf Vollständigkeit abzielender Gewaltbegriff auch die Problematik der strukturellen Gewalt berücksichtigen muss.[8] Baumann umschreibt die strukturelle Gewalt als systemimmanent, d.h. es tritt niemand direkt in Erscheinung, Gewalt wird ausgeübt, aufgrund ungleicher Machstrukturen.[9]

Niklas Luhmann betont die physische Gewalt als `Drohmittel`, eine Methode, die sich dazu eignet, Interessen und Zwänge auch dann durchzusetzen, wenn in Macht- und Herrschaftsverhältnissen mit keiner Zustimmung zu rechnen ist.

Sehr weit bei der Auslegung des Gewaltbegriffes geht Gertrud- Nummer Winkler, der neben den genannten Definitionen auch die Schädigung durch Unterlassung (z.B. die Vernachlässigung von Kindern) und die kulturelle Gewalt einzubeziehen versucht.[10]

Allerdings verweist Winkler darauf, dass durch eine zu breite Auslegung des Gewaltbegriffes auch negative Effekte erzielt wurden: er wird unspezifischer und taugt dadurch weniger für die Analyse konkreter Sachverhalte. Um dem Problem der `Beliebigkeit` zu entkommen, schlägt er einen Verzicht auf die normative Komponente vor, um dem Begriff eine inhaltliche klar umgrenzte, aber wertfreie Bedeutung zu geben.

Diesem Konzept folgend, soll zunächst der Begriff des Krieges näher betrachtet werden. Was ist Krieg? Diese Frage wird von der Forschung höchst kontrovers diskutiert. Die Definition unterliegt historischen Veränderungen aber auch politischen Interessen. Von Carl von Clausewitz[11] stammt die berühmte Interpretation: So sehen wir also, dass der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln.[12] Dieses Zitat verdeutlicht, dass für Clausewitz Krieg immer auch ein politischer Akt ist, unabhängig von seiner Leitung und Form. Dabei ruht seine Kriegsdefinition auf vier Grundvoraussetzungen: 1. Der Staat als Monopolist des Krieges. 2. Eine strikte Trennung von Polizei und Militär, also von `innen` und `außen`, 3. die Separation in Friedens- und Kriegszeiten, sowie 4. die räumliche Trennung des Kriegsschauplatzes vom Hinterland. Damit beschreibt Clausewitz den klassischen europäischen Kriegstypus.[13]

Da Krieg und Frieden aber keinesfalls isoliert voneinander betrachtet werden können, stehen sich bis heute zwei idealtypische Positionen gegenüber: Thomas Hobbes (1588- 1679) und Jean- Jacques Rousseau (1712- 1778). Für Hobbes ist der Mensch ein Egoist, er zeichnet sich durch Ruhmessucht, Misstrauen und Gewalt aus. Hobbes Beschreibung des Naturzustandes zeigt demzufolge auch den `Krieg aller gegen alle`. Nur ein militärisch starker Staat vermag einen inneren Frieden zu stiften. Dabei muss der Einzelne seine individuellen Rechte einschränken, starke Gesetzte und ein innerer Vertrag flankieren Hobbes Theorie des Friedens. Problematisch ist fraglos die Machtkonzentration des Staates im Gedankenkonstrukt des Thomas Hobbes. Der innere Frieden mag damit erreichbar sein, der äußere ist dagegen umso fragiler.[14]

Als Gegenpol lässt sich die Hypothese des französischen Philosophen Jean- Jacques Rousseau auffassen. Als bedeutsamstes Problem kristallisierte er die Sicherung des äußeren Friedens heraus. Rousseau zeichnet ein durchaus positiven Menschenbild, er brandmarkt jedoch die Auswüchse des Staates und die Gesellschaft des Absolutismus. Im Zentrum seiner Überlegungen zur Lösung dieses Problemfeldes steht dabei der Gedanke der Freiheit. Könnte der Mensch seine Bedürfnisse frei ausleben und wäre nicht den Reglementierungen des absolutistischen Staates ausgesetzt, so ließe sich der Traum eines inneren Friedens realisieren. Diese Schlussfolgerung birgt aber auch die Gefahr, dass im Namen der Freiheit Kriege geführt werden.[15]

In der gegenwärtigen Diskussion um die Definition des Begriffes, stehen insbesondere die Arbeiten von Klaus Jürgen Gantzel und Torsten Schwinghammer im Blickpunkt der Betrachtung.[16] In ihren Werken betonen sie die folgenden Aspekte: 1. Krieg ist ein gewaltsamer Massenkonflikt, an dem mindestens zwei Armeen beteiligt sein müssen, wobei zumindest auf der einen Seite reguläre Streitkräfte der Regierung zum Einsatz

kommen müssen. 2. Es muss eine zentral gelenkte Organisation der Truppen vorliegen und folglich müssen (3.) die militärischen Operationen eine gewisse Kontinuität aufweisen.

Wie schwierig aber die Abgrenzung des Krieges zu anderen Formen der Gewalt ist, zeigt sich allein schon in der Alltagssprache: bewaffneter Konflikt, ethnischer Krieg oder auch Stammeskrieg werden synonym verwendet, eine klare begriffliche Abgrenzung fällt oft schwer. Bedeutsam ist aber ein Blick in die Geschichte des Krieges: historisch unterscheiden lassen sich nicht nur die Kolonialkriege des 19. und 20. Jahrhunderts, auch eine Unterscheidung nach Art der Kampfmittel, die Form der Kriegsführung und das Ausmaß des Krieges spielt eine herausragende Bedeutung. Es soll nun ein kurzer historischer Überblick über die Entwicklung des Krieges in der Neuzeit folgen.

1.1. Historischer Überblick

Die Epoche des 16. und 17. Jahrhunderts ist geprägt durch verheerende Religionskriege, welche ihr Ende erst im Westfälischen Frieden von 1648 fanden. Dieses Vertragswerk begründete nicht nur die Entstehung des neuzeitlichen Staatensystems, es schuf darüber hinaus auch die Grundlage von der Souveränität der Staaten und damit die Lehre vom Gleichgewicht der Mächte. Allerdings wurde aus dieser Überlegung auch die Regel abgeleitet, Kriege präventiv führen zu können, falls es zur Übermacht eines Staates oder Staatenbundes kam.[17] Gerade der althergebrachte Bezugsrahmen der Christenheit wurde so peu à peu durch den Begriff Europa ersetzt: Friedens- und Europaidee gingen eine enge Kooperation ein.

Eine Erbe der Glaubensspaltung war der Verlust des theologischen Gedankens eines `gerechten Krieges`. Es wurde nun davon ausgegangen, dass beide Seiten für berechtigte Interessen kämpfen könnten. Dem Begriff des `Interesses` kam zunehmend eine immer zentralere Rolle in den internationalen Beziehungen zu. Diese interessengesteuerte Politik ermöglichte die Entstehung eines diplomatischen Systems.

Das moderne Völkerrecht hatte nun nicht mehr das Problem einer Rechtfertigung eines Krieges, vielmehr stand dessen Regulierung im Mittelpunkt.

[...]


[1] Andreas Herberg- Rothe, Der Krieg, Geschichte und Gegenwart, Frankfurt a.M. 2003.

[2] U.a.: Hans Joas, Die Modernität des Krieges, Die Modernisierungstheorie und das Problem der Gewalt, in: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 24, 1996.

[3] Max Weber, in: Gertrud Nummer- Winkler, Überlegungen zum Gewaltbegriff, in: Gewalt, Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme, hrsg. von Wilhelm Heitmeyer und Hans- Georg Soeffner, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2004, S. 27.

[4] Imbusch, Peter, Der Gewaltbegriff, in: Heitmeyer, Hagan, John (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Wiesbaden 2002, S. 26.

[5] Ebd.

[6] Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, Bd. 10, 21. völlig neu bearbeitete Auflage, Leipzig, Mannheim 2006, S. 676.

[7] Ebd.

[8] Bernhard Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, Opladen 2003, S. 114.

[9] Baumann 1993, in: Gertrud Nummer- Winkler, Überlegungen zum Gewaltbegriff, in: Gewalt, Entwicklungen, Strukturen, (wie Anm. 3), S. 25.

[10] Klassifikation besteht aus den Handlungen des Einschließens und Ausschließens (...) Unabänderlich ist eine solche Operation der Einschließung/ Ausschließung ein Gewaltakt, der an der Welt verübt wird, und bedarf der Unterstützung durch ein bestimmtes Ausmaß an Zwang. In: Ebd.

[11] Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz (* 1. Juli 1780 als Carl Philipp Gottlieb Claußwitz in Burg bei Magdeburg, † 16. November 1831in Breslau) war ein preußischer General und Militärtheoretiker.

[12] Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Hamburg 1963, S. 26.

[13] Edgar Wolfrum, Krieg und Frieden in der Neuzeit, Vom westfälischen Frieden bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Kontroversen um die Geschichte, hrsg. von Arnd Bauerkämper, Peter Steinbach und Edgar Wolfrum, Darmstadt 2003, S. 15.

[14] Ebd., S. 16.

[15] Ebd., S. 17.

[16] Klaus Jürgen Gantzel, Torsten Schwinghammer, Die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg, 1945 bis 1992, Daten und Tendenzen, Münster 1999.

[17] Ebd., S. 13.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Gewalt und Moderne
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V126863
ISBN (eBook)
9783640335343
ISBN (Buch)
9783640335787
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Moderne Geschichte, Krieg, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert
Arbeit zitieren
Richard Oehmig (Autor:in), 2007, Gewalt und Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126863

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