Die kommunalpolitische Sportentwicklung der Stadt Böblingen im regionalen Vergleich - Eine Untersuchung auf der Grundlage von


Magisterarbeit, 2003

145 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


A. INHALTSVERZEICHNIS

B. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

C. ANHANGSVERZEICHNIS

D. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

TEIL I: EINLEITUNG

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
1.3 Methodendiskussion

2. Das kommunalpolitische Sportkonzept der Stadt Böblingen

TEIL II: THEORIE

3. Sportentwicklung
3.1 Allgemeine Sportentwicklung
3.1.1 Die Veränderungen der allgemeinen Lebensbedingungen
3.1.2 Der Wandel des Sports
3.2 Kommunale Sportentwicklung
3.2.1 Probleme der kommunalen Sportentwicklung
3.2.2 Sportentwicklungsstudien und deren Ergebnisse
3.2.2.1 Anzahl der Sportaktiven
3.2.2.2 Motive für die sportliche Aktivität
3.2.2.3 Hitliste der Sportarten
3.2.2.4 Organisationsformen des Sporttreibens
3.2.2.5 Orte der Ausübung von Bewegungs- und Sportaktivitäten
3.3 Resümee Kapitel 3

4. Kommunale Sportentwicklungsplanung (SEP)
4.1 SEP – begriffliche Annäherung
4.2 Die aktuelle Situation der kommunalen SEP
4.2.1 Ziele kommunaler SEP
4.2.2 Entwicklungsaufgaben im Sportstättenbau
4.3 Charakterisierung einer zukunftsfähigen SEP
4.4 Ansätze der SEP
4.4.1 Richtwertbezogene SEP: Der Goldene Plan
4.4.2 Verhaltensorientierte SEP: Der Leitfaden des Bundesinstituts
4.4.2.1 Das konzeptionelle Vorgehen des Leitfadens
4.4.2.2 Die Bewertung der verhaltensorientierten SEP
4.4.3 Die Kooperative SEP
4.4.3.1 Die Planungsgruppe
4.4.3.2 Das konzeptionelle Vorgehen
4.4.3.3 Die Beratungstätigkeit des Expertenteams
4.4.3.4 Die Bewertung der kooperativen SEP
4.4.4 Integrative SEP
4.5 Resümee Kapitel 4

TEIL III: DATENANALYSE

5. Vergleichende Analyse von Sportförderrichtlinien
5.1 Grundlagen
5.1.1 Stichproben
5.1.2 Untersuchungskonzeption
5.1.3 Methodische Probleme
5.2 Darstellung und Bewertung der Untersuchungsergebnisse
5.2.1 Fördervoraussetzungen
5.2.2 Fördermaßnahmen
5.2.2.1 Allgemeine Fördermaßnahmen
5.2.2.2 Sportstättenförderung
5.2.2.3 Ideelle Förderung
5.3 Ergebnisse des Vergleichs als Entscheidungshilfe
5.4 Handlungsempfehlungen für die Sportförderrichtlinien

6. Allgemeine Konsequenzen

7. Schlussbemerkung
7.1 Zusammenfassung
7.2 Ausblick zum weiteren Verfahren

E. ANHANG

F. LITERATURVERZEICHNIS

G. ERKLÄRUNG

B. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Flussdiagramm des Untersuchungsablaufs

Abb. 2: Unterschiede zwischen quantitativen und qualitativen Ansätzen

Abb. 3: Veränderungen der Wertvorstellungen in der Gesellschaft

Abb. 4: Wertewandel im Sportsystem

Abb. 5: Erhebungsdaten der Untersuchungen

Abb. 6: Sporttreiben vs. bewegungsaktive Erholung

Abb. 7: Sportliche Aktivität in verschiedenen Städten

Abb. 8: Sportliche Aktivität in Fellbach, Sindelfingen und Tuttlingen

Abb. 9 : Motive für Sport und bewegungsaktive Erholung in Sindelfingen

Abb. 10: Hitlisten der Sportarten neuerer Sportverhaltensstudien (erster Teil)

Abb. 11: Hitlisten der Sportarten neuerer Sportverhaltensstudien (zweiter Teil)

Abb. 12: Ausgewählte Merkmale neuerer Sportverhaltensstudien

Abb. 13: Organisatorischer Rahmen des Sporttreibens in Sindelfingen,

Abb. 14: Organisationsformen der am häufigsten betriebenen Sportarten

Abb. 15: Orte der Ausübung von Bewegungs- und Sportaktivitäten

Abb. 16: Sportentwicklungsplanung

Abb. 17: Sportentwicklung im Spannungsfeld menschlicher Grundbedürfnisse

Abb. 18: Gesamtspektrum möglicher Entwicklungsaufgaben im Sportstättenbau

Abb. 19: Anforderungen an zukünftige Planungsansätze

Abb. 20: Tennisplätze als ein Beispiel für traditionell genormte Sportstätten

Abb. 21: Ablauf der Sportstättenentwicklungsplanung nach dem Leitfaden

Abb. 22: Mitglieder der Planungsgruppe

Abb. 23: Vergleich der traditionellen und kooperativen Planung

Abb. 24: Das konzeptionelle Vorgehen der lokalen Planungsgruppe

Abb. 25: Beratungstätigkeit des Expertenteams

Abb. 26: Module der integrativen Sportentwicklungsplanung

Abb. 27: Bestandsaufnahmen und Bedarfsermittlung der integrativen SEP

Abb. 28: Ansätze der Sportentwicklungsplanung im Vergleich

Abb. 29: Mittelzentren deren Sportförderrichtlinien untersucht wurden

Abb. 30: Die erste Stichprobe (Mittelzentren)

Abb. 31: Die zweite Stichprobe (Oberzentren)

Abb. 32: Fördervoraussetzung Vereinsbestand

Abb. 33: Fördervoraussetzung Mitgliederbestand

Abb. 34: Frequenzanalyse der Fördervoraussetzungen

Abb. 35: Zweckgebundener Jugendsportförderbetrag (erste Stichprobe)

Abb. 36: Zweckgebundener Jugendsportförderbetrag (zweite Stichprobe)

Abb. 37: Jährliche Grundförderungsregelungen (erste Stichprobe)

Abb. 38: Übungsleiterzuschüsse (erste Stichprobe)

Abb. 39: Übungsleiterzuschüsse (zweite Stichprobe)

Abb. 40: Fahrtkostenzuschüsse (erste Stichprobe)

Abb. 41: Fahrtkostenzuschüsse (zweite Stichprobe)

Abb. 42: Regelungen für die teilweise unentgeltliche Überlassung von Sportstätten 87 Abb. 43: Zuschüsse für Sportbauvorhaben an vereinseigenen Sportanlagen

Abb. 44: Zuschüsse für Sportbauvorhaben an vereinseigenen Sportanlagen

Abb. 45: Beispiele für Betriebskostenzuschüsse in Stuttgart

Abb. 46: Maximal zuschussfähige Benutzungsgebühren pro Übungszeiteinheit

Abb. 47: Voraussetzungen für die Sportehrenplakette in Ludwigsburg

Abb. 48: Regelungen für die Vereinsjubiläen (erste Stichprobe)

Abb. 49: Regelungen für die Vereinsjubiläen (zweite Stichprobe)

Abb. 50: Frequenzanalyse der Sportfördermaßnahmen

Abb. 51: Notwendige infrastrukturelle Maßnahmen

Abb. 52: Die lokale Agenda 21

C. ANHANGSVERZEICHNIS

E1 Das Kommunalpolitische Sportkonzept der Stadt Böblingen E2 Die Sportförderrichtlinien der Stadt Böblingen (2003)

E3 Fragebogen zum kommunalpolitischen Sportkonzept der Stadt Böblingen E3 Mittel- und Oberzentren in Baden-Württemberg

D. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Sporttreiben, Sportlichkeit als Habitus und ein gesundheitsorientierter Lebensstil haben sich in den letzten Jahren als ein neues, kulturelles Verhaltensmuster fest etabliert“ (WIELAND 2000, 9). Der Sport ist aus unserer Gegenwartsgesellschaft nicht mehr wegzudenken.

Immer unterschiedlichere Motive und Zielsetzungen veranlassen heute sehr viel mehr Menschen, als noch vor wenigen Jahren, sportlich aktiv zu sein. Bewegung, Spiel und Sport mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen gehören für Mann und Frau, jung und alt zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen überhaupt. Der Sport hat sich von der „schönsten Nebensache der Welt“ zu einer gesamtgesellschaftlichen Größe entwickelt.

Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen erscheint eine Weiterentwicklung der bisherigen Sportstrukturen im organisierten Sport, als auch auf kommunaler Ebene als dringend geboten. Die Richtung künftiger Entwicklung zu bestimmen und das geeignete Handeln darauf auszurichten gestaltet sich aber vergleichsweise schwer. Kommunalpolitische Sportentwicklungsplanung ist heute ein vielschichtiges und komplexes Aufgabenfeld. Leere Haushaltskassen und eine zunehmende Orientierungslosigkeit in den Gemeinden lassen neue, wirksame Planungsansätze immer wichtiger werden. Unter dem Aspekt der Effektivität kommunalpolitischer Investitionspolitik sollte eine möglichst bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Sportstätten, Bewegungsgelegenheiten sowie entsprechenden Angebots- und Organisationsstrukturen angestrebt werden.

Die Stadtverwaltung steht vor der Aufgabe, Sportentwicklungsplanung nicht mehr auf die Errichtung bzw. Unterhaltung von Sportstätten und „die formalistische Verteilung finanzieller Fördermittel zu reduzieren, sondern ihren Fürsorgeanspruch auf das Sport- und Freizeitleben aller Bürger 1 auszudehnen“ (WETTERICH 2002, 7).

Um diese Zielsetzung realisieren zu können, ist eine verstärkte ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und externen Institutionen (z.B. Wissenschaft, organisierter Sport) unabdingbar. Nur wenn die Stadtverwaltung die Entwicklungen

des organisierten und des nicht-organisierten Sports angemessen berücksichtigt, sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sportentwicklungsplanung erfüllt.

1.1 Problemstellung

Wie angedeutet erfährt das Sportsystem sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht seit einigen Jahren einen erheblichen Bedeutungszuwachs. Parallel dazu verändern sich Erwartungshaltungen und Ansprüche der

„Sportkonsumenten“. Dies betrifft insbesondere den organisierten Sport, also die Sportvereine und –verbände, die mit neuen Organisationsproblemen konfrontiert werden. Dies gilt aber auch für Sportpolitik und öffentliche Verwaltungen.

Sie alle müssen sich systematisch mit den Veränderungen auseinandersetzen, um so auf den dynamischen Wandel des Sports angemessen reagieren zu können. Nur so kann eine Grundlage dafür geschaffen werden, neue Herausforderungen nicht nur anzunehmen, sondern sie für das Sportsystem innovativ zu lösen.

Um die Potenziale des Mediums Sport in unserer komplexen Gesellschaft optimal nutzen zu können sind Managementkonzepte und Steuerungsstrategien notwendig (vgl. BREUER & RITTNER 2002, 17). Daher bedarf es für die kommunale Sportentwicklungsplanung neuer Konzepte, die sich, wie das in anderen Fachressorts der Stadtverwaltungen schon längst der Fall ist, in viel stärkerem Maße am Steuerungsmedium Wissen orientieren. Eine systematische, wissenschaftliche Berichterstattung und ein dazugehöriges Wissensmanagement im Sportsystem wird zukünftig immer wichtiger werden.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Vor diesem Hintergrund hat der Verfasser von der Großen Kreisstadt Böblingen den Auftrag erhalten, ein Instrumentarium zur Fortschreibung des kommunalpolitischen Sportkonzepts Böblingen (inklusive der Sportförderrichtlinien) zu entwickeln.

Dazu waren drei Hauptaspekte aufzuarbeiten bzw. in einem Vergleich darzustellen, welche als richtungweisende Grundlage für weitere Entscheidungen bezüglich der Sportplanung angesehen werden können:

- Die Darstellung der Sportentwicklung in den letzten Jahren sowie aktuelle und prognostizierte Trends, die für die kommunale Sportentwicklungsplanung von Bedeutung sein könnten.
- Die Darstellung aktueller Verfahren der Sportentwicklungsplanung und deren Bedeutung für den kommunalen Entscheidungsprozess.
- Die Aufarbeitung und der Vergleich der kommunalen Sportentwicklung in unterschiedlichen Städten.

Aus dieser Aufgabenstellung leiten sich acht zentrale Fragen ab, die im Rahmen dieser Arbeit eingehend untersucht werden:

- Wie wird sich die Sportnachfrage in Zukunft gestalten?
- Wie können entsprechende Befunde zur Sportnachfrage gewonnen werden?
- Inwiefern wird der organisierte Sport vor neue Reorganisationsprobleme gestellt?
- Was bedeutet der Wandel der Sportbedürfnisse für den Sportstättenbau?
- Wie sollte kommunale Sportentwicklungsplanung in Zukunft aussehen?
- Wie können die Sportorganisationen zielgenauer auf die veränderten Bedingungen im Sport reagieren?
- Wie stellt sich die Sportentwicklung in Böblingen im Vergleich zu anderen Städten dar?
- Wie stellen sich die Sportförderrichtlinien in Böblingen im Vergleich zu den Richtlinien anderer Städte dar?

Vor dem Hintergrund dieses Arbeitsauftrags ergibt sich hinsichtlich der inhaltlichen, konzeptionellen und methodischen Vorgehensweise der Arbeit folgender Untersuchungsablauf:

Im theoretischen Teil der Arbeit, im Kapitel 3, wird anhand der vorliegenden sportwissenschaftlichen Literatur zunächst versucht, die allgemeine und kommunale Sportentwicklung der letzten Jahre zu analysieren und für den kommunalen Bereich wichtige aktuelle bzw. prognostizierte Probleme und Trends zu identifizieren und darzustellen. Dazu werden wichtige Ergebnisse aktueller Sportentwicklungsstudien erörtert, die aussagekräftige Daten über das derzeitige Sportverhalten liefern und so zukünftige Entwicklungen besser abschätzbar machen sollen.

Auf dieser Basis werden im Kapitel 4 Entwicklungsaufgaben und aktuelle Probleme der Sportentwicklungsplanung diskutiert und eine zukunftsfähige Sportentwicklungs- planung charakterisiert. Das Kapitel 4.4 beschäftigt sich mit der theoretischen Darstellung aktueller Verfahren der Sportentwicklungsplanung zur Erfassung von methodischen, konzeptionellen und planerischen relevanten Gesichtspunkten für den kommunalpolitischen Entscheidungsprozess.

In der anschließenden Datenanalyse (Teil III) wird die kommunale Sportentwicklung in vergleichbaren Städten hinsichtlich ihrer Orientierung und wesentlicher Förder- und Ausbauschwerpunkte aufgearbeitet. Dazu werden im Kapitel 5.1 zuerst wesentliche Grundlagen des Untersuchungsablaufs vorgestellt. In Kapitel 5.2 wird eine vergleichende Analyse von Sportförderrichtlinien durchgeführt und dann im Kapitel 5.3 entsprechende Ergebnisse erläutert.

Hauptintention der Arbeit ist es, eine konkrete Beratungsfunktion in der Thematik Sportentwicklungsplanung für die Große Kreisstadt Böblingen zu übernehmen und einen Beitrag für praktische Zielsetzungen einer umsetzungsorientierten Sportplanung und entsprechender Implementierungsziele zu leisten.2

Die Abbildung 1 auf der nachfolgenden Seite soll eine Übersicht über den Ablauf der Untersuchung geben.

„Arbeitsgruppe Sport“ gebildet, in dem die unterschiedlichen Parteifraktionen mit je einer Person vertreten sind. Professor Dr. G. Schoder vom Sportwissenschaftlichen Institut in Stuttgart begleitet die Arbeitsgruppe als wissenschaftlichen Berater.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Flussdiagramm des Untersuchungsablaufs

1.3 Methodendiskussion

In diesem Kapitel sollen die in der Arbeit angewandten Methoden angesprochen und diskutiert werden. Dabei wird zunächst auf die Unterschiede bzw. die Vor- und Nachteile der qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden eingegangen werden, die bei der Erstellung der Arbeit von relevanter Bedeutung waren.

Qualitatives und quantitatives Vorgehen unterscheiden sich allgemein durch folgende Kriterien (vgl. LAMNEK 1988, 52):

- Art der Erfassung eines Gegenstands (formaler Aspekt)
- Art des erfassten Gegenstandes (inhaltlicher Aspekt)
- Art der Beziehung des Forschers zu seinem Gegenstand (interaktiver Aspekt)

Das Ziel der Erfahrungswissenschaft ist es, ein Phänomen in seinen wesentlichen Aspekten (qualitativ) möglichst exakt zu erfassen (quantitativ). Während quantitatives

Vorgehen dem Genauigkeitsideal entspricht und Merkmalsausprägungen misst, um sie später mathematisch untersuchen zu können, lässt sich qualitative Forschung als Vorläufer der Quantifizierung auffassen. Sie wird verwendet, wenn geeignete präzisere (quantitative) Methoden (noch) nicht verfügbar sind (vgl. NITSCH 1994, 81). Qualitative Analysen können dabei ohne Quantifizierung auskommen, das Gegenteil ist aber nicht der Fall. Die quantitative Forschung braucht die Vorstufe der qualitativen Forschung, damit sie nicht Gefahr läuft, sinnlos bzw. inhaltsleer zu sein (vgl. BÄSSLER 1987, 78). Damit unterscheiden sich qualitatives und quantitatives Vorgehen äußerlich-formal durch ihr jeweiliges Beschreibungsniveau (formaler Aspekt).

Genauigkeit und Vollständigkeit lassen sich in Untersuchungen häufig nicht optimal miteinander verbinden, das heißt, es handelt sich dabei um gegenläufige Forderungen (inhaltlicher Aspekt). Bei quantitativem Vorgehen und komplexen Untersuchungsgegenständen wird man versuchen, einzelne Variablen und Zusammenhänge isoliert zu betrachten. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass man wichtige Sachverhalte aus dem Auge verliert und so dem Gegenstand der Forschung an sich nicht mehr gerecht wird. Möchte man andererseits, mit quantitativem Vorgehen, den Gesamtzusammenhang erfassen, geht dies meistens auf Kosten der formalen Genauigkeit.

Ein weiteres wichtiges Unterschiedsmerkmal zwischen den qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden besteht in der Beziehung des Forschers zu seinem Untersuchungsgegenstand (interaktiver Aspekt). Während quantitatives Vorgehen sich mit dem Forschungsobjekt aus persönlicher Distanz beschäftigt, tritt der Forscher bei der qualitativen Vorgehensweise mit dem Untersuchungssubjekt in eine kommunikative Beziehung (vgl. NITSCH 1994, 81). „ Nicht zuletzt wird der “Beforschte“ selbst zum Forschungspartner, nämlich dann wenn es darum geht, die über ihn gemachten Aussagen im Forschungsdialog mit ihm selbst abzustimmen“ (NITSCH 1994, 82).

THIELE und KOLB (1994, 62) weisen darauf hin, dass qualitative Vorgehensweisen nicht von bestehenden Theorien ausgehen, „ sondern sie diskutieren in jeder Untersuchung sehr genau, wie die Beobachtungsergebnisse in wissenschaftliche

Analysen überführt werden können “. Es geht dabei um das Aufdecken von Bezügen (theorieentwickelnd). Quantitative Methoden hingegen sind stark theoriegeleitet. Sie gehen also deduktiv vor, messen unterschiedliche Ausprägungen schon bekannter Bezüge und überprüfen damit ex ante aufgestellte Hypothesen. Dabei können sie eher als starre, unwiderrufliche Verfahrensvorschriften betrachtet werden.

Das Vorgehen der qualitativen Methoden verläuft dagegen induktiv und problembezogen. Sie richten sich flexibel nach dem Untersuchungsgegenstand oder werden ihm selbst während des Forschungsablaufs noch angepasst.

Folgende Abbildung soll noch einmal die Unterschiede zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung zusammenfassen und verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Unterschiede zwischen quantitativen und qualitativen Ansätzen (vgl. ATTESLANDER 2000, 224)

Diese Polaritäten kennzeichnen zwar die Tendenz der beiden Paradigmen, die einzelnen Dimensionen sind aber nicht unabhängig voneinander (vgl. ATTESLANDER 2000, 224). Denn jedes quantitative Vorgehen schließt bei der Interpretation von Daten zwangsläufig qualitatives Vorgehen mit ein.

Die Gegenüberstellung von „Messen“ und „Interpretieren“, (kausalanalytischem)

„Erklären“ und „Verstehen“, von empirisch-quantitativem und hermeneutisch- qualitativem Vorgehen, ist somit zwar sinnvoll zur Kennzeichnung unterschiedlicher methodischer Akzente, es handelt sich jedoch nicht um einander grundsätzlich ausschließende Alternativen“ (NITSCH 1994, 82).

Der direkte Zugang durch Beobachten, Befragen oder Messen zu den skizzierten Fragestellungen ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Die zentrale Erhebungsmethode ist deshalb die qualitative Dokumenten- bzw. Inhaltsanalyse.

„Die Inhaltsanalyse ist eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (DIEKMANN 2002, 483 zit. nach FRÜH 1991).

Die Gewinnung der Informationen erfolgt dabei über die Analyse von wissenschaftlicher Primär- und Sekundärliteratur. Die darauf aufbauende Beschreibung und Interpretation der Sachverhalte erfolgt argumentativ und vergleichend. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Auffassungen erfolgt konstruktiv-kritisch.

Zusätzlich wird im Teil III eine vergleichende Inhaltsanalyse von Sportförder- richtlinien mehrerer Städte durchgeführt. Das spezielle, methodische Vorgehen dieses Verfahrens wird dann an entsprechender Stelle im Kapitel 5 näher erläutert.

2. Das kommunalpolitische Sportkonzept der Stadt Böblingen

Im folgenden Kapitel sollen nun die wichtigsten Elemente des im Jahre 1997 vom Gemeinderat Böblingen verabschiedeten Sportkonzepts vorgestellt werden, um so eine erste Einordnung über die bisher verfolgten Ziele der Stadt zu geben.

Das kommunalpolitische Sportkonzept Böblingens wurde im Jahre 1997 in enger Zusammenarbeit mit Professor Dr. G. SCHODER vom Sportwissenschaftlichen Institut in Stuttgart erstellt. SCHODER beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit kommunalpolitischer Sportentwicklungsplanung und veröffentlichte im Jahr 1991 eine empirische Studie zur Infrastruktur der Sportstätten in Böblingen, die der Stadt als wissenschaftliche Planungsgrundlage für sportpolitische Konzepte dient.

Grundsätzlich gliedert sich das Sportkonzept Böblingen in fünf wichtige Bereiche (vgl. Anhang E1).

1. Sport in der Kommunalpolitik und kommunale Sportpolitik

Im ersten Kapitel des Sportkonzepts werden die allgemeinen Ziele einer subsidiären Sportförderung veranschaulicht und darauf hingewiesen, dass Böblingen eine bewegungsfreundliche und sportfreundliche Stadt sein will.

Sinn und Zweck des kommunalpolitischen Sportkonzepts ist in erster Linie, die Bedeutung des Sports für das städtische Gemeinwesen zu formulieren und in angemessener Form im kommunalpolitischen Geschehen zu verankern.

Es soll also richtungsweisend den „sportpolitischen Kurs“ des Gemeinderats und der Stadtverwaltung vorgeben und die Konsequenzen beschreiben, die sich daraus für kommunalpolitische Maßnahmen ergeben.

2. Sport in Böblingen – Eine Bestandsaufnahme

Im zweiten Kapitel des Konzepts werden die einzelnen Sportanbieter aufgelistet und beschrieben, sowie eine Liste der von der Stadt bereitgestellten Sportstätten („Sportstättenatlas“) als Ausgangspunkt für neue Planungen vorgelegt.

3. Aufgaben und Funktionen der kommunalen Sportverwaltung

Im dritten Kapitel werden die wesentlichen Aufgabenschwerpunkte des Amts für Jugend, Schule und Sport bezüglich der Betreuung und Abwicklung der kommunalen Sportförderung festgesetzt und wesentliche Grundsätze für die Umsetzung der Ziele der Sportentwicklungsplanung durch die Sportverwaltung gemacht.3

4. Kommunale Sportförderung

Zunächst wird im Kapitel 4 darauf hingewiesen, dass es sich aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nur bei den Verpflichtungen gegenüber dem Schulsport um Pflichtaufgaben der Kommunalpolitik handelt. Alle anderen Maßnahmen z.B. die Unterstützung von Vereinen, der Bau von weiteren Sportstätten usw. sind Aufgaben, die freiwillig von der Kommunalpolitik übernommen werden.

Die Sportförderung gilt wie auch in anderen Gemeinden, schwerpunktmäßig dem organisierten Sport. Die wesentlichen Aufgaben der Sportförderung werden wie folgt definiert:

- Bau und Unterhaltung von Bewegungs- und Spielflächen sowie Sport- und Wettkampfstätten
- Finanzielle Zuwendungen z.B. zur Unterhaltung von vereinseigenen Sportstätten, zur Durchführung von Sportangeboten, zur Ausbildung von Übungsleitern, zur Teilnahme an Meisterschaften
- Ideelle Unterstützung durch Ehrungen, Organisationshilfen
- Sonstige Förderung: Unterstützung von Maßnahmen wie z.B. „Kooperation Schule – Verein“, „Jugend trainiert“ usw.

Die Bedingungen zur Sportförderung für den organisierten Sport (Sportvereine) sind dabei in Richtlinien (vgl. Anhang E2) gefasst und beruhen auf folgenden Grundsätzen:

- Subsidiarität der Fördereinzelmaßnahmen
- Achtung der Autonomie des organisierten Sports (z.B. Schlüsselgewalt, eigenverantwortliche Verwaltung der Fördermittel)
- Gemeinnützigkeit der zu unterstützenden Organisation (z.B. Engagement im Interesse des Gemeinwesens)
- Partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sportverwaltung und Vereinen
- Im Allgemeinen macht die Stadt Böblingen keine eigenen Sport- und Bewegungsangebote. Sie stellt aber zur Befriedigung des Grundbedarfs im Schul-, Vereins- und nichtorganisierten Sports erforderliche Sportstätten zur Verfügung und überlässt diese zur Nutzung entweder kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt.
- Die Erstellung und Unterhaltung spezieller Sportstätten durch Vereine wird finanziell unterstützt, soweit diese auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden und dem Gebot der Gemeinnützigkeit entsprechen.
- Gemeinnützige Anbieter im Jugendbereich werden besonders gefördert. 5. Sportentwicklung in Böblingen

Der Schwerpunkt der Sportförderung und Sportentwicklungsplanung in Böblingen liegt im Bereich einer bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Sportstätten- infrastruktur.

Hinsichtlich dieser Zielsetzung wurden folgende Grundsätze formuliert:

- Trotz der angespannten finanziellen Situation in der Kommune soll der Sportstättenbestand durch laufende Unterhaltsmaßnahmen gesichert bzw. gegebenenfalls verändert und an den Bedürfnissen der Bevölkerung bzw. der gemeinnützigen Sportanbieter ausgerichtet werden.
- Das Zusammenwirken aller Partner vor Ort, insbesondere der Vertreter der Gemeinderatsfraktionen, der kommunalen Ämter und der Sportvereine ist für eine umfassende Entwicklung unerlässlich. Die kommunale Sportverwaltung übernimmt dabei eine koordinierende Funktion.
- Die kommunale Sportentwicklungsplanung ist in die Städteplanung und in die Flächennutzungsplanung zu integrieren.
- Durch langfristige Flächensicherung soll das Planungspotential für künftige Sportinfrastruktur gesichert werden.
- Die Bedeutung der Sportstätteninfrastruktur als Standortfaktor wird ausdrücklich anerkannt.
- Für künftige Investitionen gilt der Grundsatz: Sanierung, Erweiterung und Modernisierung vor Neubau.
- Bei Veränderung der Sportstätten soll vor allem eine qualitative Verbesserung angestrebt werden (Freizeitorientierung, Attraktivitätssteigerung).
- Da immer mehr Menschen selbstorganisiert4, spielerisch-sportlich tätig sind, sollen neben den traditionellen Sportstätten vermehrt allgemein zugängliche sowie mehr wohnortnahe Bewegungs- und Sportflächen geschaffen werden. Der Sport verbessert so die Lebensqualität des Wohnumfelds und gleichzeitig werden gute Vorraussetzungen für die Erholung in der Kurzfreizeit geschaffen.
- Bei der Errichtung neuer, aber auch bei der Nutzung bestehender Sportanlagen sind ökologische Forderungen und Erkenntnisse zu beachten.

Insgesamt orientiert sich das Böblinger Sportkonzept an folgenden, allgemeinen Leitlinien:

- Subsidiarität bzw. „Hilfe zur Selbsthilfe“: Die Stadt unterstützt Eigeninitiative und Selbstständigkeit im Sport.
- Partizipation: Bei der Planung und Realisierung von Projekten sollen Beteiligte mitwirken können.
- Kooperation und Kommunikation: Es sollen Zusammenarbeit und Gedankenaustausch zwischen Vertretern der Kommune und den Sportanbietern sowie zwischen den Sportinteressierten und den Sportanbietern stattfinden.
- Umweltverträglichkeit: Die Gestaltung von Angeboten und Sportstätten soll sozial und ökologisch sein.
- Sozialverträglichkeit: „Sport und Spiel für alle“ soll durch entsprechende Benutzungsregelungen und Gebührengestaltung der Sportstätten ermöglicht werden.
- Ökonomie: Bei der Mittelzuweisung und Mittelverwendung sowie bei der Verwaltung und Abwicklung sollen ökonomische Grundsätze beachtet werden.

Eine Überarbeitung des Böblinger Sportkonzepts von 1997 ist deshalb notwendig, weil die damals angezeigten Investitionsabsichten zwischenzeitlich im Wesentlichen verwirklicht wurden. Wichtige Punkte wie z.B. die Umsetzung großer Bauvorhaben des Sportvereins Böblingen, die Olympiabewerbung der Region Stuttgart sowie andere weitreichende Veränderungen der Böblinger Sportlandschaft müssen zukünftig Beachtung in der kommunalpolitischen Sportkonzeption finden.

Eine Fortschreibung des kommunalpolitischen Sportkonzepts unter Berücksichtigung der seither getroffenen Entscheidungen, Entwicklungen und Perspektiven ist daher erforderlich. Gleichzeitig können damit gesammelt die konkreten Handlungsziele und der Investitionsbedarf der nächsten Jahre als Richtlinien des kommunalen Handelns formuliert werden.

3. Sportentwicklung

3.1 Allgemeine Sportentwicklung

3.1.1 Die Veränderungen der allgemeinen Lebensbedingungen

Betrachtet man die Entwicklung der nachindustriellen Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten, so manifestiert sich eine Zeit tiefgreifender politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Veränderungen und allgemeinen Wertewandels. Auch im Sport wird diese Grundsätzlichkeit eines Strukturwandels erkennbar.

Die für den Sport relevanten, gesellschaftlichen Tendenzen lassen sich wie folgt darstellen:

1. Um die Jahrhundertwende, zu Zeiten der industriellen Revolution, war Arbeit ein Synonym für schwerste körperliche Anstrengung. Die physische Belastung der Bevölkerung reduzierte sich im Laufe der technologischen Revolution immer mehr. Neue Fertigungsprozesse und die Spezialisierung auf wenige Handgriffe sorgen heute in vielen Berufen für Bewegungsarmut am Arbeitsplatz. Mit dem Rückgang körperlicher Belastung und gleichzeitiger Zunahme psychischer Anforderungen durch wachsende Verantwortung, Überstunden und Termin- und Leistungsdruck im Berufsleben etablierten sich Zivilisationskrankheiten wie Haltungsschäden, Depressionen und Übergewicht. Diese Entwicklung kann heute als Grund dafür gesehen werden, dass sich in der Bevölkerung ein neues Gesundheits- und Körperbewusstsein entwickelt hat. Es beginnt bei einer ausgewogenen Ernährung und setzt sich in einem vitalen Lebensstil und sportlicher Betätigung fort. Neben Präventionsgründen, „ der intensiven Suche nach Distinktion, Erlebnissen und Eigenständigkeit werden ausdrückliche Intensionen des Körperstylings (Streben nach einem schlanken bzw. muskulösen Körper)“ für die Sporttreibenden immer wichtiger (BREUER & RITTNER 2002, 21).

Grundsätzlich führt der stetige Rückgang der Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeit für alle sozialen Gruppierungen zur unweigerlichen Zunahme der Freizeit. Diese neu gewonnene Zeit wird heute zur Ausübung unterschiedlichster Freizeitaktivitäten genutzt. Gerade dem Sport als Freizeitbeschäftigung wird heute (immer noch) eine wachsende Bedeutung zugesprochen.

2. Als weitere Tendenz lässt sich in den letzten Jahrzehnten eine dramatische Strukturveränderung der bundesdeutschen Haushalte feststellen. Die Scheidungs- rate und die Zahl der Singlehaushalte sind stark angestiegen. Die Familie als Ort sozialer Kontakte kann wichtige Sozialisationsfunktionen nicht mehr in dem Maße erfüllen, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. In zahlreichen Berufsbranchen wird heutzutage Erfolg und Karriere mit Mobilität und Flexibilität gleichgesetzt. Arbeitnehmer erwarten von ihren Angestellten immer häufiger den Wechsel des Wohnsitzes. Gesamtgesellschaftliche Individualisierungsprozesse und weitreichende Vereinsamungstendenzen sind mögliche Folgen, die durch das Medium Sport kompensiert werden können.

3. Die demographische Entwicklung in Deutschland hat sich massiv verändert. Seit Jahren ist ein anhaltender Geburtenrückgang feststellbar. Die Bevölkerung wird durchschnittlich immer älter. In den nächsten 20 Jahren wird es zu einem überproportionalen Anstieg von Senioren kommen. Hieraus ergeben sich für das Sportsystem grundlegende Veränderungen in der Nachfragestruktur der Sportaktiven.

4. Parallel zu solchen Veränderungen haben sich traditionelle Wertvorstellungen in der Gesellschaft gewandelt. Auf der einen Seite verlieren Werte, die früher als wichtig empfunden wurden, wie Disziplin, Askese, Leistung, Anpassung und Gehorsamkeit für die Menschen immer mehr an Bedeutung. Auf der anderen Seite gewinnen individualistische Werte wie Selbstständigkeit, Kreativität, Flexibilität, Spontaneität, Ungebundenheit, Eigenständigkeit, Durchsetzungskraft und hedonistische Werte wie Lebensgenuss, Abenteuer, Spannung und Abwechslung immer mehr an Stellenwert. Traditionelle Werte bleiben teilweise neben den neuen Orientierungen bestehen, KLAGES (1981, 74) spricht in diesem Zusammenhang von einer “Wertepluralität.“

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Entwicklung von der materialistischen zur postmaterialistischen Wertehaltung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Veränderungen der Wertvorstellungen in der Gesellschaft (vgl. DIGEL 1984, 53)

3.1.2 Der Wandel des Sports

Sport als Teil der Gesellschaft bleibt von solchen tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen nicht verschont.

Ändert sich das Gesamtsystem Gesellschaft, so ändert sich mit ihm auch das Subsystem Sport. Makrosystem (Gesellschaft), Subsystem (Sport) und andere Subsysteme (Gesundheit, Umwelt, Kultur, Freizeit, Musik, Stadtentwicklung) stehen in enger Beziehung zueinander und bedingen sich gegenseitig (vgl. RUMMELT 1998, 108).

Traditionelle Wertevorstellungen wie Leistung, Wettkampf und Erfolg und eine damit verbundene Bereitschaft zu Fleiß, Disziplin, Gehorsamkeit, Askese, Normierung und Regelgebundenheit haben auch im Sport an Bedeutung verloren. Andere Sinngebungen wie Gesundheit und Wohlbefinden, Spaß und Freude, Ausgleich und Entspannung, Fitness und Geselligkeit treten in den Vordergrund (vgl. Kap. 3.2.2.2). Diese Entwicklungen werden durch viele aktuelle empirische Erhebungen zum Sportverhalten bestätigt (vgl. z.B. BREUER & RITTNER 2002, HÜBNER 2002, WIELAND 2001, WETTERICH 2002).

Neue Formen der Lebensstile, Persönlichkeits- und Körperideale bedingen neue Formen der Sportnachfrage. In Zuge dessen verliert das Sportsystem seine ursprüngliche Eindeutigkeit. Es kommt zu "einer Art Entsportung des Sports“. Klassische Wertvorstellungen des Sports werden zwar nicht in jedem Fall bedeutungslos („ Wertepluralismus “), aber sein zuvor klares Selbstverständnis wird unscharf. Es bilden sich neue Sportformen heraus, die ohne strenge Regelgebundenheit, ohne Wettkampfcharakter, ohne genormte Sportstätten auskommen.

Während der traditionelle Sport nur von einer Minderheit, überwiegend körperlich leistungsfähigeren, jüngeren Menschen, ausgeübt werden konnte, ist Freizeitsport vor allem dadurch gekennzeichnet, dass ihn heute sehr viel mehr Menschen unterschiedlichen Alters und Leistungsniveaus, betreiben (vgl. DIEKERT & WOPP 2002, 11). „ Auch quantitativ kommt dieses neue Sportverständnis sehr deutlich zum Ausdruck: Rund 90% der erwachsenen Sporttreibenden bezeichnen sich als Freizeitsportler, nur 10% ordnen sich als Wettkampfsportler ein “ (WIELAND 2001, 14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Wertewandel im Sportsystem (vgl. ILS 2001, 29)

Verschiedene Autoren sprechen in diesem Zusammenhang vom „nicht-sportlichen Sport“, dem „alternativen Sport“, der „alternativen Spiel- und Bewegungskultur“ oder Ähnlichem (vgl. HEINEMANN & DIETRICH 1990, WOPP 1995). Mit diesen neu geprägten Begriffen wird angedeutet, dass die Grenzen zwischen dem, was ursprünglich als Sport bezeichnet wurde5, und dem, was heute unter Sport verstanden wird zunehmend verwischen. „ Immer geht es [dabei] um die

Kennzeichnung von Spiel- und Bewegungsformen, die außerhalb des traditionellen Sports liegen und eine veränderte Lebensweise signalisieren… “ und damit „… die Befreiung des Sporttreibens von traditionellen Normen und Standards… “ fördern (WOPP 1995b, 82).

Gleichzeitig wird in der sportwissenschaftlichen Literatur von einer „Versportlichung der Gesellschaft“ berichtet (DIGEL 1990 und HEINEMANN 1990). Der Sport hat sich

„veralltäglicht“. Er ist heute ein kommerzielles und universelles Massenphänomen, Modeerscheinung, Selbstdarstellung, Lebensstil, Kommunikation und Kommerz. Insbesondere die Medien nutzen das Sportinteresse systematisch zur Eroberung von Marktanteilen. DIGEL (1990, 79) kommt zum Schluss, dass der Sport „ immer mehr zum ständigen und lebenslangen Begleiter des Menschen “ wird.

„Prognostiziert werden kann ein zahlenmäßiges Wachstum der Sportausübung, auch wenn durch den Rückgang von Geburten die Einwohnerzahl sinken wird“ (DIEKERT & WOPP 2002, 317).

In diesem quantitativen und qualitativen Veränderungsprozess des Sports erleben traditionelle Sportarten eine Renaissance (Volleyball, Basketball), wandeln sich selbst (Beach-Volleyball, Street-Ball, Street-Soccer) oder zeigen stagnierende Tendenzen (Leichathletik, Handball, Turnen). Neue (Trend-) Sportarten entstehen (Inlineskating, Triathlon, Paragliding, Snowboard, Mountainbike) und Individualsportarten erleben einen Boom. Immer mehr Bürger probieren neue Sportarten aus und insbesondere die Jugendlichen wechseln, viel häufiger als früher, Sportarten und Sportvereine. Es kommt zu einer Expansion und Ausdifferenzierung des Sports. Begleitet wird diese Entwicklung von steigenden Qualitätsansprüchen der Sportaktiven hinsichtlich der Sportangebote (Sportanbieter), Sportbekleidung und Sportausrüstung sowie der Ausstattung und des Ambientes von Sportstätten (vgl. RUMMELT 1998, 128 ff).

3.2 Kommunale Sportentwicklung

3.2.1 Probleme der kommunalen Sportentwicklung

Über viele Jahre hinweg war das Sportsystem charakterisiert durch Eindeutigkeit und Überschaubarkeit. Dies betraf die Organisationsstruktur, die Eindeutigkeit von sozialen Bindungen sowie die Homogenität der Sportmotive. Angesichts des grundsätzlichen Strukturwandels und einer unübersichtlicher gewordenen Umwelt nennen BREUER & RITTNER (2002, 21 ff) ausgewählte Problemkomplexe sportpolitischer Akteure:

1. Die veränderte Nachfrage nach Sport und Bewegung

Grundsätzlich wurde die veränderte Nachfrage nach Sport und Bewegung schon im Kapitel 3.1.2 näher beleuchtet.

BREUER & RITTNER (2002, 22 ff) gehen bei ihren Ausführungen vor allem auf die Zunahme der Komplexität in der Sportnachfrage ein, mit der die Sportorganisationen zu kämpfen haben. Dabei verweisen sie darauf, dass es nach Auflösung des klassischen Sportmodells (Pyramidenmodell: Breitensport-Spitzensport) eine Zersplitterung in drei einzelne Bereiche gibt: (1) Gesundheits- und Fitnesssport (2) Erlebnis- und Funsport und (3) Leistungssport. Insbesondere die hybriden Nachfragemuster der Sportkonsumenten sorgen für Irritationspotential, das gerade in den letzten Jahren die Handlungsunsicherheit aller Sportanbieter enorm vergrößert hat.

2. Die Abkopplung des Wachstums der Sportnachfrage vom Wachstum der Vereinsnachfrage

Ein weiteres Problem der traditionellen Sportanbieter (Vereine und Verbände), sowie der Sportpolitik und Sportverwaltung besteht darin, dass die Sportvereine und Sportverbände nur noch teilweise von der Expansion des Sports profitieren.

Gesamtsystemisch betrachtet, verlieren die Sportvereine und –verbände des Dritten Sektors sogar zunehmend Marktanteile. So ist zwar der Anteil regelmäßig sportlich aktiver Bürger seit Mitte der 90er Jahre wieder angestiegen, doch stagniert der Anteil an Sportvereinsmitgliedern in der Bevölkerung bzw. ist leicht rückläufig “ (BREUER & RITTNER 2002, 23).

Mit dieser Sättigungstendenz hat sich das Wachstum der Sportnachfrage vom Wachstum der Vereinsnachfrage abgekoppelt. Unterdessen lässt sich ein überdurchschnittliches Wachstum der kommerziellen Sportanbieter registrieren.

„Das Mitgliedschaftswachstum in den Fitness-Studios des Deutschen Sport- Studio Verbandes betrug zwischen 1990 und 2000 270 %, während die Mitgliedschaftszahlen im Deutschen Sportbund in diesem Zeitraum insgesamt nur um 12,6 % angestiegen sind. Damit befindet sich auch der Sport mitten in einem Transformationsprozess von einem stark subsistenzwirtschaftlich hin zu einem deutlich stärker marktwirtschaftlich geprägten System “ (BREUER & RITTNER 2002, 23).

Die Organisationsform, die die gemeinwohlorientierte Versorgung mit Sport bisher sichergestellt hat, unterläuft der Gefahr, an Bedeutung zu verlieren.

Damit es aber in Zukunft nicht nur einer privilegierten Bevölkerungsgruppe möglich ist, am organisierten Sport teilnehmen zu können, müssen sich Sportpolitik, öffentliche Sportverwaltung sowie Sportvereine und Sportverbände den Herausforderungen stellen und neue Lösungen finden.

3. Die Probleme des Ehrenamts

Im Zuge des sozialen Wandels und der zunehmenden Individualisierung in unserer Gesellschaft ändert sich auch die Einstellung zum Ehrenamt.

„Zwar scheint die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement keineswegs abzunehmen, es ändern sich jedoch die Ansprüche an Form, Dauer, Regelmäßigkeit und Möglichkeiten zur Weiterbildung und Selbstverwirklichung“ (BREUER & RITTNER 2002, 26).

Die gestiegenen Ansprüche konfrontieren Sportvereine zukünftig mit einem erhöhten Handlungsdruck, denn das Ehrenamt stellt nach wie vor die wichtigste Ressource der Sportvereine da.

Vor allem die jüngere Generation lässt sich vergleichsweise schwer aktivieren. „Nur 4 Prozent der 14 bis 29jährigen engagieren sich ehrenamtlich im Sportverein“ (OPASCHOWSKI 1996, 23). Das Durchschnittsalter der Ehrenamtlichen liegt heute bei über 50 Jahren. Für die Zukunft zeichnet sich sogar eine weitere Überalterung ab. Die Folge sind zunehmende Generationskonflikte (z.B. hinsichtlich des Sportangebots), die eine mögliche Erklärung, für den deutlichen Rückgang der jugendlichen Vereinsmitglieder (ab dem zwölften Lebensjahr) sein könnten (vgl. OPASCHOWSKI 1996, 23).

4. Die veränderte Rolle des Sports in der Politik sowie die Notwendigkeit der Dokumentation seiner Wohlfahrtsproduktion

Das staatliche und kommunale Interesse an Sport galt bis vor wenigen Jahren hauptsächlich dem Spitzensport. Im Bereich Sportentwicklung gab es für Politik und Behörden sonst nur wenige Gestaltungsinteressen. Sportpolitik war durch eine regelgerechte „Erstarrtheit“ gekennzeichnet und beschränkte sich auf die Sicherung der gebauten Sportinfrastruktur, die Vergabe von Nutzungszeiten für Sportstätten, die Gewährung von Zuschüssen sowie die Durchführung von Ehrungen (vgl. RITTNER 2000, 11).

Heute wird das Medium Sport, wenigstens in einigen Kommunen, systematischer genutzt, um in den Bereichen Jugend- Wirtschafts- und Stadtentwicklungspolitik einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen. Besonders deutlich zeigt sich der geänderte Stellenwert des Sports im Bereich Stadt- und Regionalentwicklung bzw. der regionalen Wirtschaftsförderung und Standortsicherung bei der aktuellen Diskussion um die Olympiabewerbung der Regionen Hamburg, Leipzig, Rhein-Main, Rhein-Ruhr und Stuttgart. Darüber hinaus hat die Sportentwicklung in einigen Kommunen auch im Bereich der Gesundheitspolitik einen deutlichen Bedeutungsschub erfahren.

„Diesen partikularen Entwicklungen steht nach wie vor eine weitreichende Stagnation sportbezogener Politik gegenüber. Obwohl das Sportsystem eine Vielzahl gesellschaftlicher Leistungen unter Wohlfahrtsgesichtspunkten bereitstellt (u.a. gesundheits-, wirtschafts-, sozial- und jugendpolitische Funktionen), werden diese Leistungen von einschlägigen Politikbereichen insgesamt nur marginal berücksichtigt“ (BREUER & RITTNER 2002, 27).

Besonders deutlich zeigt sich dieser Sachverhalt bei angespannter Haushaltslage der Kommunen. Dann stehen Kürzungen der Sportausgaben – üblicherweise - an erster Stelle.

„Die weit verbreitete Nichtberücksichtigung der sozialen Leistungen und Potentiale des Sports dürfte aus dem Informationsdefizit der Entscheider […], den besonderen Strukturen und Bedingungen des politischen Verhandlungssystems sowie der Sprachlosigkeit der Sportpolitiker und Sportfunktionäre […]“ hervorgehen (BREUER & RITTNER 2002, 27).

Mit „ innovativen Strategien der Einflusslogik “ (z.B. Nachweis der Wohlfahrtsproduktion), „ Steuerung durch Berichterstattung" (z.B. Berichterstattung über Wirkungen des Sport) und „ interinstitutionelle Kooperation “ (z.B. Kooperation von Vereinen, Verbänden, Sportwissenschaft und Sportverwaltung) sehen BREUER und RITTNER (2002, 29) diese Probleme aber als durchaus lösbar an.

[...]


1 Die Verwendung der männlichen Aussageform ist im Folgenden sinngemäß auf die weibliche zu übertragen.

2 Zur Weiterentwicklung des kommunalpolitischen Sportkonzepts der Stadt Böblingen wurde eine

3 Die bisher formulierten Aussagen des Konzepts sind insgesamt recht allgemeiner Art. In den beiden letzten Teilen vier und fünf wird nun sehr viel konkreter und spezifischer auf die Sportentwicklungsplanung in Böblingen eingegangen.

4 Unter „selbstorganisiertem Sporttreiben“ soll im Folgenden die Ausübung freizeitsportlicher Handlungen verstanden werden, für die keine durch Satzungen geregelten Vereinbarungen erforderlich sind. „ Notwendig sind lediglich räumliche und zeitliche Handlungsmöglichkeiten und gegebenenfalls kurzzeitige Übereinkünfte zwischen den Akteuren “ (WOPP 2002, 176).

5 Vgl. dazu den Kriterienkatalog des DSB zur Definition des Sports: „Zur Definition des Sports“. In: SPORTWISSENSCHAFT 1980, 10.

Ende der Leseprobe aus 145 Seiten

Details

Titel
Die kommunalpolitische Sportentwicklung der Stadt Böblingen im regionalen Vergleich - Eine Untersuchung auf der Grundlage von
Hochschule
Universität Stuttgart  (FB Sportwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
145
Katalognummer
V12718
ISBN (eBook)
9783638185318
Dateigröße
1775 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Sportentwicklung, Stadt, Böblingen, Vergleich, Eine, Untersuchung, Grundlage
Arbeit zitieren
Martin Gaulke (Autor:in), 2003, Die kommunalpolitische Sportentwicklung der Stadt Böblingen im regionalen Vergleich - Eine Untersuchung auf der Grundlage von, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12718

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