In der vorliegenden Untersuchung geht es um die Frage nach der Berichterstattung über Politikerinnen in den deutschen Medien. Diese Berichterstattung soll insbesondere unter den Gesichtspunkten Marginalisierung und Trivialisierung – näheres siehe Methodenkapitel – analysiert werden. Die grundlegende Untersuchungsfrage, die ich auf den folgenden Seiten zu beantworten versuche, lautet also: Wir gehen davon aus, dass die Berichterstattung über Politikerinnen
tendenziell marginalisierend und trivialisierend erfolgt. Wie genau funktioniert das?
Nach einem kurzen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zum Thema Politikerinnen in den Medien im folgenden Kapitel werde ich im Methodenabschnitt den Aufbau der Analyse darstellen
und begründen. Anschließend werde ich fünf Zeitungsartikel anhand der entwickelten Untersuchungskategorien detailliert untersuchen, um schließlich meine zentralen Ergebnisse zu resümieren.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
3. Methode
3.1. Untersuchungskategorie 1: Marginalisierung
3.2. Untersuchungskategorie 2: Trivialisierung
4. Analyse
4.1. Artikel 1
4.2. Artikel 2
4.3. Artikel 3
4.4. Artikel 4
5. Zusammenfassung & Fazit
6. Anhang
1. Einleitung
In der vorliegenden Untersuchung geht es um die Frage nach der Berichterstattung uber Politikerinnen in den deutschen Medien. Diese Berichterstattung soll insbesondere unter den Gesichtspunkten Marginalisierung und Trivialisierung - naheres siehe Methodenkapitel - analysiert werden. Die grundlegende Untersuchungsfrage, die ich auf den folgenden Seiten zu beantworten versuche, lautet also: Wir gehen davon aus, dass die Berichterstattung uber Politikerinnen tendenziell marginalisierend und trivialisierend erfolgt. Wie genau funktioniert das?
Diese Themenwahl entspringt in erster Linie meinem personlichen Interesse. Ich habe personlich haufig die Erfahrung gemacht, dass uber weibliche Politiker anders, gemaR besonderer Herangehensweisen berichtet wird als uber mannliche. Das Frau-Sein stellt haufig einen wichtigeren oder interessanteren „Aufhanger" dar als das ausgeubte politische Amt und die darin erzielten Leistungen. Es besteht die Neigung, uber Frauen in der Politik eher unterhaltend als informierend zu berichten, sie nicht mit der gleichen journalistischen Seriositat zu behandeln wie Manner.
Diese Ungleichbehandlung findet heute jedoch weitaus zuruckhaltender und subtiler statt als noch vor wenigen Jahrzehnten, da Journalisten[1] um die Aberkennung ihrer ^political correctness" furchten mussen, wenn Vorurteile allzu deutlich zu Tage treten. Hierin liegt die Gefahr begrundet, bestehende Herabsetzungen zugunsten der Geschlechter-politischen Erfolge der letzten Jahre zu ubersehen, so dass Klischees unbemerkt vom normalen Rezipienten - und teils sogar vom Journalisten selbst - weiter verbreitet werden.[2]
Daher soll diese Arbeit auRerdem an die bestehende Forschung zum Thema - welche im folgenden Kapitel naher beleuchtet wird - anknupfen und einen Beitrag dazu leisten, auf Missstande aufmerksam zu machen, die dem Blick des durchschnittlichen Burgers sowie der Offentlichkeit weitgehend verborgen sind.
Nach einem kurzen Einblick in den aktuellen Forschungsstand zum Thema Politikerinnen in den Medien im folgenden Kapitel werde ich im Methodenabschnitt den Aufbau der Analyse darstellen und begrunden. AnschlieRend werde ich funf Artikel anhand der entwickelten Untersuchungskategorien detailliert untersuchen, um schlieRlich meine zentralen Ergebnisse zu resumieren.
2. Theoretischer Hintergrund
Im Bereich der Konstruktion von Frauenbildern durch offentliche Berichterstattung - vom spezielleren Thema der Politikerinnen in den Medien ganz abgesehen - kann man von einem gravierenden Forschungsdefizit - in Deutschland mehr als beispielsweise im angelsachsischen Raum - sprechen. Rund 20 Jahre lang diente fast ausschlieRlich die sogenannte „Kuchenhoff-Studie" von 1975 als Fixpunkt. Unter dem Titel „Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen in der medienspezifischen Wirklichkeit des Deutschen Fernsehens" wurde uber einen Zeitraum von sechs Wochen das Programm von ARD und ZDF beobachtet und analysiert. Ein zentrales Ergebnis der Studie lasst sich zusammenfassen als „Manner handeln, Frauen kommen vor."[3] - und auch das nur deutlich unterreprasentiert. Erst 1993 brachte Monika Weiderer eine weitere inhaltsanalytische Untersuchung des Fernsehprogramms in die Debatte ein - und damit die dustere Erkenntnis, dass sich an der Konstruktion des Frauenbildes durch die Medien nur Nuancen geandert hatten.[4]
Fur den Printjournalismus ergab 1989 eine vergleichende Langzeitstudie von Christiane Schmerl ahnliche Befunde: Unterreprasentanz und Trivialisierung. Berichterstattung uber Frauen erfolgte demnach hauptsachlich in Genres wie „Prominenz und Klatsch" oder „Kultur und Unterhaltung", woraus sich ergab, dass „in diesen ,anderen' Genres auch oft ,anders' uber sie berichtet wird: Mit einem anderen Blick auf sie (Korper, Alter, Kleidung), mit einem anderen Interesse an ihnen (Privates, Emotionales, Sexuelles) und mit anderen Zuschreibungen (Motive, Kompetenzen, Leistungen)"[5]. Auch die jungste Studie uber die Prasenz von Frauen im Nachrichtenjournalismus (Hesse & Roser 2006) bestatigt deren gravierende Unterreprasentanz - in Tageszeitungen und Fernsehen macht ihr Anteil rund 19% aus. Hier wurde erneut auf den von Andrea Prenner bereits 1994 erkannten „Nachrichtenwert Androzentrismus" bzw. „Nachrichtenfaktor Geschlecht" hingewiesen. Beobachtungen im Vorfeld der Wahl zum Bundesprasidenten 2004 bzw. zum Bundeskanzler 2005 deuten erneut auf ein quantitatives Ungleichgewicht zu Ungunsten der weiblichen Kandidaten und eine Andersbehandlung - durch das Anlegen der „Folie Frau" oder eines „Gender Frames" - hin, lassen aber zugleich auf die Existenz eines „Geschlechtsbonus" schlieRen, der allerdings eher als ausgleichende Sonderbehandlung zu interpretieren bzw. mit dem Neuigkeitswert von Frauen in den hohen Spharen der Politik - als Abweichung von der gewohnten mannlichen Norm - zu begrunden ist.[6]
3. Methode
Die vorliegende Untersuchung beruht auf einer qualitativen Analyse. Ich versuche also herauszufinden, wie genau die Marginalisierung und Trivialisierung von Politikerinnen durch die Medien erfolgt. Das ausgewahlte Datenmaterial spricht hierbei nicht fur sich selbst, sondern muss interpretiert werden - gerade im Bereich der medialen Benachteiligung von Politikerinnen, die zunehmend subtiler erfolgt, ist es also teilweise notig Bedeutungen „zwischen den Zeilen" zu erfassen.
Um mich einer Antwort auf meine Untersuchungsfrage zu nahern, werde ich vier Artikel zu relativ bekannten Politikerinnen (von der Leyen, Royal, Clinton, Kirchner) aus den Online-Ausgaben deutscher Qualitatszeitungen (SPIEGEL Online, sueddeutsche.de, ZEIT Online, WELT Online) analysieren, die nach dem 01. 01. 2003 erschienen sind. Mich auf relativ junge Artikel zu beschranken folgt der gleichen Logik wie die Beschrankung auf die sogenannte Qualitatspresse: Moderne und intelligente Einstellungen gegenuber Frauen in der Politik sollten erwartet werden konnen, die
Bekraftigung meiner grundlegenden Arbeitshypothese - Uber Politikerinnen wird tendenziell marginalisierend und trivialisierend berichtet. - soil nicht durch veraltete Artikel oder Medien, die grundsatzlich zum Boulevardjournalismus neigen, kunstlich vereinfacht werden. AuRerdem hat diese Arbeit den Anspruch subtile Formen der Andersbehandlung offen zu legen, die wohl gerade in den Texten der seriosen Qualitatsmedien anstatt plumper Diffamierung erwartet werden konnen. Die Auswahl der Artikel erfolgt des Weiteren nach dem Kriterium der Aussagekraft und Reichhaltigkeit fur mein Thema (nicht der Reprasentativitat).
3.1 Untersuchungskategorie 1: Marginalisierung
Marginalisierung, von lat. margo: Rand, bezeichnet in der Soziologie die Verdrangung bestimmter Bevolkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft, wodurch deren Chancen wirtschaftlich, politisch etc. zu partizipieren sinken. Die Marginalisierung von Politikerinnen durch die Medien stellt diese - haufig symbolisch - also eher an den Rand des politischen Geschehens: Sie befinden sich - in der Berichterstattung - selten im Zentrum der Herstellungspolitik, ihr Einfluss ist geringer als der von mannlichen Politikern, was wiederum auf verminderte Relevanz und Kompetenz schlieRen lasst. Ihre Darstellung erfolgt haufig bezogen auf einen Mann (z. B. den Ehemann, einen politischen Kontrahenten oder Fursprecher), kaum hingegen in handlungstragenden Rollen.[7] Marginalisierung meint also den bewussten oder unbewussten Prozess des An-den-Rand-Drangens von - in diesem Fall - Politikerinnen durch Journalisten u. a.. Der komplementare Begriff Androzentrismus, von griech. andro: Mann, beschreibt, was sich hingegen im Zentrum - der Herstellungspolitik sowie der medialen Aufmerksamkeit - befindet: das Mannliche in Form von mannlichen Politikern, die nicht nur als normaler sondern haufig auch als normativ wunschenswerter empfunden und/oder dargestellt werden.[8] Eine androzentristische Betonung der Andersartigkeit von Politikerinnen (z. B. durch die Verwendung der Anrede „Frau ..."), die eine Abweichung von gewohnten politischen Akteuren und Gepflogenheiten darstellen oder nur als Ausnahme toleriert werden, ist also auch ein Mittel der medialen Marginalisierung.
3.2 Untersuchungskategorie 2: Trivialisierung
Die Trivialisierung von Politikerinnen durch die Medien bezeichnet die Tendenz, diese vornehmlich in einem banalen, leicht zuganglichen, weder komplexen noch komplizierten Kontext darzustellen. Uber das Aussehen oder Privatleben einer Politikerin anstatt ihre politischen Leistungen zu berichten, ist also ein typisches Beispiel fur Trivialisierung. Die Meinungen daruber, ob es sich hierbei grundsatzlich um eine Herabwurdigung oder aber um einen Fortschritt bzw. Vorteil gerade fur Frauen handelt, gehen allerdings weit auseinander.[9]
Der Begriff der Trivialisierung ist eng verbunden mit dem der Boulevardisierung und kann gleichermaRen zerlegt werden in Personalisierung, Intimisierung und Emotionalisierung.[10] Dies bedeutet, dass in der Berichterstattung Unterhaltsamkeit in die Vermittlung von Informationen integriert wird, Privates und Intimes thematisiert sowie Alltagsfragen und -menschen platziert werden.[11] Statt sachlicher Strukturen, Entscheidungen, Vorkommnisse stehen die beteiligten Personen im Mittelpunkt, die nicht nur als Amtstrager, sondern auch als Privatmenschen aufgefasst werden und beim Leser Emotionen (durch ein starkeres Gefuhl der Anteilnahme) wecken sollen.
Auch mit der ersten Untersuchungskategorie, Marginalisierung, steht die Trivialisierung in engem Kontext. So wirken beispielsweise die Anrede als „Frau mit dem Vornamen oder gar mit einem Spitznamen („Angie") sowohl trivialisierend als auch marginalisierend.
4. Analyse
4.1 Artikel 1: ..Styling: Von der Leyens Zopf ist ab" vom 18. 04. 2007 auf SPIEGEL Online
Der vorliegende Artikel beschaftigt sich ausschlieRlich mit dem Haar-„Styling" von Familienministerin Ursula von der Leyen, deren politisches Amt zwar erwahnt wird, inhaltlich aber keinerlei Rolle spielt. Es wird ausfuhrlich beschrieben, wie sie mit der neuen Frisur die Kabinettsrunde .uberraschte" - als ware unter den Ministern von der Leyens Frisur von groRerer Bedeutung als ihre politischen Vorschlage - und diskutiert, ob sie sich ein .Vorbild" am .neuen Look" der Bundeskanzlerin genommen habe. AbschlieRend wird die neue Frisur durch einen Mann, „Star-Coiffeur Udo Walz", positiv als „jung, trendy" beurteilt.
In dem Artikel kommen zahlreiche Formulierungen vor, die an das Gegenteil von Professionalitat und Relevanz, eher an banales Geplauder unter - stereotypisierten - Hausfrauen denken lassen: Styling, Zopf (mit besonders madchenhaftem Beiklang), Fohnwelle, modisch, Look, trendy etc. Die Politikerin wird also sowohl trivialisierend als auch marginalisierend gedanklich vom politischen Entscheidungszentrum in Richtung Herd oder Friseursalon geschoben. Der gesamte Artikel lasst einen verharmlosenden, verniedlichenden Unterton durchklingen, unterstrichen durch die
Anfuhrung eines Spitznamens: .[...]der blonde Schopf fallt schmeichelnd weich auf Ursula (,Roschen') von der Leyens Schultern.". Auch die Anrede als .Frau von der Leyen" kommt im weiteren Verlauf vor.
4.2 Artikel 2: ..Frankreichs Sozialisten: Zwei Frauen keilen um den Sieg" vom 23. 11. 2008 auf sueddeutsche.de
Der Artikel berichtet uber einen politischen Machtkampf um den Parteivorsitz zwischen Segolene Royale und Martine Aubry. Bereits im Titel wird suggeriert, dass es sich bei dieser Auseinandersetzung um etwas niederes oder spielerisches handelt, da das Verb .keilen" eher an einen sportlichen Ringkampf oder einen Kampf mit aggressiven, unlauteren Mitteln denken lasst. Beides spricht den Politikerinnen Professionalitat, Gelassenheit und Glaubwurdigkeit ab (.Die beiden Damen kaschieren ihre Abneigung mit falschen Signalen von Freundlichkeit."), sie werden quasi als Furien dargestellt durch Worte wie .zerren", .zerreiRen", .giften", .Verschworung". Durch die Betonung der Weiblichkeit beider Kandidatinnen bildet dies alles einen marginalisierenden Kontrast zu den scheinbar serioseren Gepflogenheiten von Mannern, die ja ublicherweise im Zentrum solcher Machtkampfe stehen. An das Verhalten von Royale und Aubry wird zunachst die Folie Frau (.zwei feindliche Schwestern" - mannliche Konkurrenten wurden wohl nie als Bruder bezeichnet) angelegt, nach der es unangemessen, da unweiblich ist, als Frau mit allen Mitteln einen politischen Machtkampf auszutragen, zu groRer Ehrgeiz und zu groRes Engagement werden Frauen in der Politik nicht zugestanden.
Besonders Royale wird uberdies durch eine Betonung ihrer weiblichen Attribute trivialisiert: sie sehe jung aus, lege ihr - als falsch umschriebenes - Lacheln nie ab, sie habe sich eine .anmutige Madchenhaftigkeit" bewahrt. Aubry auf der anderen Seite wird zwei Mal innerhalb von drei Zeilen als .Tochter" des .Partei-Patriarchen Jacques Delors" bezeichnet, der auch noch geruhmt wird als .vielleicht der beste Prasident, den Frankreich nie gehabt hat", wodurch die eigenstandige Leistung von Aubry zusatzlich herabgewurdigt wird.
4.3 Artikel 3: „Frau Clinton, ubernehmen Sie!" vom 17. 07. 2003 auf ZEIT Online
Bereits im Titel betont der Autor durch die Anreden .Frau Clinton" deren Femininitat. Im weiteren Verlauf wird die Politikerin als auRerst telegen, attraktiv, .unnahbar und schmutzabweisend" charakterisiert. Die eingangs gestellte Frage, wofur Hillary Clinton bewundert werde, wird dann auch beantwortet mit ihrer .Jacke in Pink" als Metapher fur ihre .Weltpopstar"-Qualitaten, die perfekte Inszenierung des eigenen, kunstlichen Bildes. Die Marginalisierung erfolgt hier also dadurch, dass der Autor die Bewunderung fur Clinton explizit nicht aus deren Worten und Gedanken - ihre Autobiografie wird nebenbei als inhaltsleer abqualifiziert — sondern ihrer Reprasentativitat herleitet. Als bedeutendste Leistung wird ihr Martyrertum dargestellt, wahrend der Lewinsky-Affare zu ihrem Mann Bill Clinton gestanden zu haben - es geht um Clinton als „Martyrerin der Moderne", sie wird zum „Frauenschicksal" - bezogen auf die Untreue ihres Ehemanns - trivialisiert.
Dass der Autor sich Hillary Clinton als Weltprasidentin vorstellen kann, begrundet er unter anderem wie folgt: „Und, ach ja [Clintons Frau-Sein wird durch das kunstlich Ironisch-Beilaufige zusatzlich betont. L. W.], sie ist eine Frau, was diese ungeheuerliche globale Machtfulle weniger bedrohlich erscheinen lasst.". Fast schon entschuldigend fugt er hinzu, dass fur dieses Argument ein „etwas naives Frauenbild" vorausgesetzt werden musse - was er also offenbar tut. Sollte Clinton Prasidentin der USA werden, wurde an der „Spitze der Welt" eine „Pop-Ikonen-Martyrerin" stehen - ein Attribut, das kein Journalist auf einen angehenden mannlichen US-Prasidenten als essenzielles Charakteristikum anwenden wurde. Obwohl es also in diesem Artikel um das machtigste Amt der Welt geht, wird die potenzielle Kandidatin als „Lady in Pink" auf triviale Eigenschaften wie Attraktivitat und Medienwirksamkeit reduziert.
4.4 Artikel 4: „Argentinien: Frau Kirchner will ihren Mann beerben" vom 29. 08. 2007 auf WELT Online
In diesem Artikel wird erneut schon im Titel deutlich die zentrale Botschaft vermittelt: eine Frau, genauer gesagt die Ehefrnu von Argentiniens fruherem Staatsprasidenten Nestor Kirchner, will dessen politisches Amt „erben" - als ob jemandem ein wichtiges politisches Amt ohne eigene Anstrengung und Leistung einfach widerfahren wurde wie ein Erbe.
So beschaftigt sich dann auch der erste Abschnitt des Textes ausschlieRlich mit Kirchners Aussehen sowie Schmink- und Essgewohnheiten. Der Leser wird mit trivialen, weiblich besetzen Begriffen uberrollt („glutaugig", „Liebreiz", „tiefrote Lippen", „Make-Up", „Vamp") und daruber aufgeklart, dass Kirchner ihrer „schlanken Figur" zuliebe zum Fruhstuck nur Obst ist und seit Jahren nicht mehr raucht. Direkt im Anschluss an diese Einleitung tritt ihr Mann in Erscheinung und spielt von da an eine zentrale Rolle, wahrend Cristina Kirchners Eigenstandigkeit und Leistungen auf diverse Arten marginalisiert werden. Der Leser wird relativ ausfuhrlich uber die beruflichen Aktivitaten von Nestor Kirchner informiert, uber Cristina Kirchner erfahrt man, dass sie ihr eigenes Studium aufgegeben hat (wohl weil ihr die juristische Tatigkeit ihres spateren Mannes „imponierte") und in dessen Kanzlei „half".
Im Laufe des Artikels wird Kirchner auch mehrmals nur mit ihrem Vornamen erwahnt, teilweise sogar in Verbindung mit Adjektiven, die dem Amt der Staatsprasidentin mehr als fern stehen („kesse Cristina"). Die Autorin betont auRerdem, dass „Kirchner und seine Frau [...] zu einer politischen Einheit verschmolzen" sind - alles was Cristina Kirchner leistet und erreicht beruht also nicht auf ihrer alleinigen Verantwortung und Kompetenz, sondern auf dem „politischen Pakt" mit ihrem Ehemann. Dass Kirchner zur Wahl mit einer eigenen politischen Gruppierung, „Front fur den Sieg", antreten will, wird mit dem fur journalistische Texte ungebrauchlichen Wort ,,ubrigens" zu Trivia, zur wissenswerten Nebensachlichkeit degradiert. AbschlieRend wird nochmals hervorgehoben, dass das Amt der Staatsprasidentin „keine leichte Aufgabe fur Cristina Kirchner" ware.
5. Zusammenfassung & Fazit
Bei der Suche nach Material fur diese Analyse hat sich bestatigt, dass eine stereotype, marginalisierende und oft trivialisierende Berichterstattung uber Frauen in der Politik nur langsam einem nicht-androzentristischen Journalismus weicht. In fast jedem Artikel, der sich schwerpunktartig mit einer Politikerin befasst hat, konnte ich derartige Tendenzen erkennen - wenn auch naturlich nicht immer in der Reichhaltigkeit, wie in den von mir ausgewahlten Texten.
Die zentralen Ergebnisse meiner Analyse bezogen auf meine Untersuchungsfrage, wie genau die marginalisierende und trivialisierende Berichterstattung uber Politikerinnen erfolgt, stellen sich folgendermaRen dar:
→ Der Autor berichtet ausfuhrlich uber das AuRere der Politikerin - Figur, Kleidung, Haare u. a. Hierbei kommen gehauft Begriffe vor, die mit einem ganz anderem als dem professionell- politischen Umfeld der Politikerin assoziiert werden, namlich die private, als banal stereotypisierte weibliche Sphare. Ein sehr gepflegtes AuReres wird daruber hinaus haufig als bloRe Oberflache, kunstliches Bild oder Ablenkung von den angeblich fehlenden tatsachlichen Leistungen gewertet.
→ Die Darstellung erfolgt bezogen auf einen Mann, der scheinbar einen groRen Einfluss auf die Politikerin ausubt. Dies kann der Ehemann sein, ein Mentor o. a. - ihm wird haufig eine wichtige unterstutzende Rolle zugeschrieben, die eigenstandige Leistungen der Politikerin schmalert. Manner treten auch haufig als Bewerter des Verhaltens der Politikerin auf.
→ Die Politikerin wird durch subtile Veranderungen der sachlich-seriosen Anrede mit dem Nachnamen verniedlicht, herabgewurdigt oder stereotypisiert - durch die Nennung beim Vor- oder einem Spitznamen, die Bezeichnung als Ehefrau oderTochter eines Mannes oder durch die Anrede als „Frau Dies unterstreicht die Abweichung von der mannlichen Norm im politischen Geschaft.
→ Das Verhalten der Politikerin wird mit zweierlei MaR gemessen, es werden gegensatzliche Anspruche an sie gestellt: sie wird kritisiert wenn sie entweder den Erwartungen an ihre weibliche Rolle nicht entspricht - beispielsweise durch geringere Attraktivitat oder ehrgeiziges bis dominantes Auftreten - oder denen an ihre mannliche Rolle - wiederum durch „zu groRe" Attraktivitat, einen sanften Verhandlungsstil oder eine feministische Perspektive.[12]
Es findet also mit diversen, zunehmend subtileren Mitteln eine mediale Degradierung von Politikerinnen statt, welche zu einer doppelten Benachteiligung fuhrt, da Frauen in der Politik selbst als auch den Medien unterreprasentiert bleiben und zusatzlich marginalisiert werden. Diese Erkenntnis gewinnt umso mehr an Relevanz, als die Bedeutung der Medien insbesondere fur die Politik zunimmt: Unter dem Stichwort der Medialisierung erfasst man das Phanomen, dass sich politisches Handeln und Auftreten zunehmend an der Inszenierungslogik der Medien orientieren. AbschlieRend mochte ich nochmals betonen, dass die beschriebenen subtilen Methoden der spezifischen Berichterstattung uber Politikerinnen auch dem aufmerksamen Rezipienten nicht leicht zuganglich sind und teilweise nicht einmal dem Autor selbst bewusst sein mussen. Allein ein kritischer Blick des Lesers auch bei scheinbar sachlich-neutralen Themen kann daher moglicherweise zu einer schlieRlich Gender-gerechten Berichterstattung fuhren.
6. Anhang: Quellen
- "Medien Monitor - Die wackere Politikerin." Medien Monitor - Startseite. <http://www.medien-monitor.eom/707.0.html>.
- "Das Parlament, Nr. 7 2007, 12.2.2007 - M." Das Parlament - Aus Politik und Zeitgeschichte. <http://www.das-parlament.de/2007/07/Thema/13840082.html>.
- "Frauenbilder: Konstruktionen des anderen Geschlechts." Mediaculture online: Startseite. <http://www.mediaculture-
online.de/fileadmin/bibliothek/muehlenachs_frauenbilder/muehlenachs_frauenbilder.html>
- Dorer, Johanna, Brigitte Geiger, und Regina Kopl, Hrsg. Medien - Politik - Geschlecht: Feministische Befunde zur politischen Kommunikationsforschung. Wiesbaden: VS Verlag, 2008.
- "Patriarchat und Androzentrismus." Freundschaft-Diplomarbeiten.
<http://www.freundschaft-diplomarbeiten.de/2.1-Patriarchat-und-Androzentrismus.htm>.
Artikel 1:
18. April 2007, 13:29 Uhr STYLING
Von der Leyens Zopf ist ab
Kabinettssitzung in Berlin: Die Frisur halt. Familienministerin Ursula von der Leyen uberraschte heute die Ministerrunde im Kanzleramt mit neuem Styling. Weg mit der strengen Steckkonstruktion, her mit der Fohnwelle.
Berlin - Veranderungen am Haupthaar einer Frau deuten kuchenpsychologisch meist auf neue Spannkraft im Leben der Betreffenden hin. Demnach mussen sich die Kritiker der Familienministerin auf einiges gefasst machen: Der alte Zopf ist ab, der blonde Schopf fallt schmeichelnd weich auf Ursula ("Roschen") von der Leyens Schultern.
Vorbild fur die modische Neuorientierung konnte die Bundeskanzlerin gewesen sein. Angela Merkel trat im Wahlkampf 2005 ebenfalls mit neuem Look an, das Ergebnis ist bekannt.
Merkel erntete damals hochstes Lob, aber auch beiRenden Spott fur die neue Frisur. Ob Frau von der Leyen mit der veranderten Optik ahnliche Pro-und-Contra-Diskussionen hervorruft, bleibt abzuwarten.
Star-Coiffeur Udo Walz, der die Kanzlerin frisiert, ist zwar nicht fur den geschmeidigen Kopf der Ministerin verantwortlich, lasst jedoch uber seine Sprecherin ausrichten, er sei "begeistert". Die Frisur sei "jung, trendy", die Lange "optimal". Zur Not konne man damit namlich wieder zuruck zum Zopf. pad
© SPIEGEL ONLINE 2007
Artikel 2:
23.11.2008 17:59 Uhr Frankreichs Sozialisten Zwei Frauen keilen um den Sieg
Eine kleine Marge von Mauschelei? Der Kampf zwischen Segolene Royal und Martine Aubry konnte Frankreichs Sozialisten zerreiRen.
Eine Reportage von Gerd Kroncke, Paris
Sie giften sich an und wunschen sich alles Schlechte. Die beiden Damen kaschieren ihre Abneigung mit falschen Signalen von Freundlichkeit. Die eine ist ein Star und beherrscht die Emotionen, die andere ist die Frau des Apparats und setzt auf Tradition.
Frankreich erlebt einen Kampf zwischen zwei feindlichen Schwestern. Sie wollen die Sozialistische Partei in eine bessere Zukunft fuhren, aber da sie beide zerren, konnte es, wie in der Fabel vom Kreidekreis, die Partei zerreiRen.
Segolene Royal sah so jung aus wie immer und legte das Lacheln nie ab, mit dem sie alles garniert, selbst eine Kriegserklarung. Sie hat sich mit ihren 55 Jahren eine anmutige Madchenhaftigkeit bewahrt. Aber sie will ihre Gegner treffen, wahrend die Zuschauer, die ihren Auftritt beim TV-Sender
TF1 erleben, eine sympathische Frau erleben sollten, die sich gegen Verschworung und Unrecht wehrt. Segolene Royal hat vorigen Freitag die Abstimmung um den Vorsitz der Sozialistischen Partei Frankreichs verloren, aber sie ficht die Wahl an, egal, was mit der Partei passiert. Segolene Royal wird kampfen und weiter lacheln, und wenn die Welt voll Teufel war'.
Martine Aubry, ihre Rivalin seit vielen Jahren, ist die Tochter des Partei-Patriarchen Jacques Delors. Der vormalige Kommissionschef in Brussel ist vielleicht der beste Prasident, den Frankreich nie gehabt hat. Wenn seine Tochter Martine, 58, sich als "Erster Sekretar" der Sozialistischen Partei bewahren sollte, dann konnte sie in vier Jahren ihre Chance haben, in den Elysee einzuziehen. Das aber ist ein Konjunktiv zu viel, und in ihrer Partei kann es noch immer weiter bergab gehen.
Seit der Nacht zum vorigen Samstag zeichnet sich ein neuer Tiefpunkt ab. Nach den Regeln der Demokratie ist die Mehrheit die Halfte der Stimmen plus eine - wenn es doch nur so einfach ware. Martine Aubry hatte, als ausgezahlt war, 42 Stimmen mehr. Das ist bei 67.413 gegen 67.371 ein so hauchdunner Vorsprung wie er hauchiger kaum sein kann. Und dann noch 42, was fur eine wunderbare Zahl. Beim Science-Fiction-Autor Douglas Adams, in seiner "Reise durch die Galaxis", ist die 42 die Antwort auf die wichtigste Frage, die aber keiner kennt. Das ist bizarr, nicht recht zu erklaren, aber die Galaxis der Sozialistischen Partei (PS) Frankreichs ist genauso undurchschaubar.
Niemand hat geschlafen in jener Nacht. Am PS-Parteisitz, Rue Solferino, linkes Seine-Ufer, viel zu vornehm fur eine Volkspartei, saRen die Helfer der Kandidatinnen vor den Computern, begierig die Zahlen aufsaugend. Uber allen wachte Daniel Vaillant, ein gewichtiger Mann, ehemaliger Innenminister, mit Kumpel-Attitude. Lange Zeit gingen nur die Ergebnisse kleinerer Partei-Bezirke ein, irgendwann zeigten die Zwischenergebnisse schon 52 Prozent fur Segolene Royal an, dann sogar 53, was sollte da noch schief gehen. Segolene Royal war sich schon ziemlich sicher. "Du bist einfach unersattlich, Martine", triumphierte sie am Telephon. "Du willst einfach nicht meinen Sieg anerkennen." Auf dem Ohr war Martine Aubry vollig taub: "Segolene, du hast die letzten Zahlen noch nicht gehort."
Ein paar groRe Bezirke, wie die "Federation Nord", Martine Aubrys Hochburg und die der Traditionalisten, hatten lange auf sich warten lassen, als wollte man den Trend erst mal abwarten. Dort wurden fur Martine Aubry stattliche 76 Prozent verzeichnet, was ihr plotzlich einen Vorsprung von weit uber tausend Stimmen bescherte. Aber da waren noch immer die franzosischen Uberseegebiete, Guadeloupe und Martinique, wo die Menschen den warmen Typ Royal der eher nuchternen Aubry vorziehen. Jemand bezeichnete die fernen Departements als "Swing-Staaten". Sie hatten fast noch einmal alles umgekehrt: Als ausgezahlt war, blieb aber Aubrys 42-Stimmen- Vorsprung.
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Duell der Sozialistinnen Frankreichs Linke
Alle gegen Segolene und Royal gegen alle
Es ist die Stunde von Manuel Valls. Der junge Burgermeister der Vorstadt-Gemeinde Evry, der sich schon lange mit dem Establishment der Partei anlegt, ein Hoffnungstrager im Royal-Lager, findet mitten in der Nacht starke Worte. "Wir lassen uns den Sieg nicht stehlen", ruft er ins Mikrophon. Erstmals wird das Wort "tricherie" artikuliert, "Betrug". Sie wollen es nicht wahr haben, sie konnen es nicht glauben. In der Kalte der Nacht haben sich vor dem Parteisitz ein paar Dutzend Mitglieder eingefunden, die in fast gleichstarken Gruppen einander per Sprechchor duellieren. "Mit-ein-ander", skandieren die Aubry-Anhanger, "tous-ensemble". Die anderen halten dagegen: "Schiebung! Schiebung!"
Irritiert schauen und horen die Franzosen, wie es bei Sozis zugeht. Daruber konnen sich nur die Gegner freuen. "Was fur ein verlorener Haufen," hohnt der Sprecher von Sarkozys Partei UMP, Frederic Lefebvre, "in jener Nacht ist die Sozialistische Partei implodiert." Niemand interessiert sich mehr dafur, wer fur was steht, dass die solide, unsentimentale Martine Aubry fur die alten linken Werte steht. Hatte sie doch als Arbeitsministerin der letzten sozialistischen Regierung mit der 35- Stunden-Woche ein Stuck Utopie verwirklicht. Hinter ihr standen die, die in der Partei bislang den Ton angaben. Alle Ex-Premiers der Linken - von Pierre Mauroy, dem ersten unter Frangois Mitterrand, bis Lionel Jospin, dem bislang letzten nichtkonservativen Regierungschef - stutzten sie. Michel Rocard gar, immer noch Europa-Abgeordneter, hat wissen lassen, er werde sein Parteibuch zuruckgeben, sollte Segolene Royal an die Spitze rucken.
[...]
[1] Um der besseren Lesbarkeit willen, schlieRe ich den weiblichen Plural hier und im Folgenden implizit mit ein.
[2] http://www.medien-monitor.com/707.0.html 23. 02. 2009 20.00
[3] http://www.das-parlament.de/2007/07/Thema/13840082.html 24. 02. 2009 21.00
[4] http://www.mediaculture- online.de/fileadmin/bibliothek/muehlenachs frauenbilder/muehlenachs frauenbilder.html 24. 02. 2009 21.00
[5] Schmerl 2002, S. 409 zitiert nach: Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 83, Hervorhebungen im Original
[6] Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 84ff.
[7] Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 82
[8] http://www.freundschaft-diplomarbeiten.de/2.1-Patriarchat-und-Androzentrismus.htm 25. 02. 2009 17.00
[9] Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 168
[10] Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 45
[11] Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 160
[12] Zu dieser Problematik Alice Schwarzer 2005: „In den Augen der anderen, vor allem ihrer Gegner, wird sie immer eine Frau bleiben. Auch eine Kanzlerin Merkel wird vom ersten Tag an nicht nur nach ihren Taten beurteilt werden, sondern mit zweierlei MaR gemessen. Wollte sie dem entkommen, musste sie hundert Prozent Frau und hundert Prozent Kerl zugleich sein, musste beide Rollen auf einmal besetzen, beide Sprachen sprechen. Was nicht zu leisten ist." Zitiert nach Dorer, Geiger, Kopl (Hg.) 2008, S. 88
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