Dezidiert christliche Motive sind reichlich in Goethes Faust zu finden. Ihre Untersuchung ist immanent für ein Verständnis der Dichtung. Doch sie sind zu zahlreich, um sie alle in der vorliegenden Arbeit ansprechen zu können. Der Theologe Hans Hübner hat treffend formuliert: „Wir werden [...] im Faust entschieden mehr an theologischer Substanz finden, als es weithin gesagt wird.“ Denn die Dichtung des Faust als Ganzes strukturiert sich im Wesentlichen durch Rückgriff auf theologische Tradition und Bibel. Daher wird sich diese Darstellung auf die, wie Goethe selbst es formuliert: „scharf umrissenen christlich-kirchlichen Figuren“, nämlich den Herr des Prologs im Himmel, Mephistopheles, Faust selbst und Gretchen sowie ihre jeweilige Einstellung zur Religion beschränken, nicht ohne jedoch an einigen Stellen auch weitergehende christliche oder religiöse Motive aufzuzeigen.
Goethe ist - auch unabhängig von seinen eigenen Glaubensvorstellungen - Mitglied des abendländischen, christlich geprägten Kulturkreises. Da er bereits im „Vorspiel auf dem Theater“ bekennt, für sein zeitgenössisches Publikum zu schreiben, das im Gegensatz zum heutigen noch traditionell einen Zugang zum Göttlichen sowie Teuflischen hat, kann er eine Rahmengestaltung wählen, die eben diese beiden Verkörperungen von Gut und Böse beinhaltet. Zwischen dem traditionell Guten, dem christlichen Gott – wie weit der Herr des Prologs diesem ent- oder widerspricht, wird noch zu zeigen sein – und dem traditionell Bösen, der Teufelsgestalt Mephistopheles, beginnt ein Spiel um den auf besondere Weise menschlichen Doktor Heinrich Faust, der in sich sowohl die guten als auch die bösen Elemente spürt.
Im Gegensatz zu Zimmermann, der explizit für ein geringeres Gewicht der religiösen Dimension plädiert, soll in dieser Arbeit deutlich gemacht werden, dass sehr wohl fruchtbare Erkenntnisse aus der religiösen oder auch christlichen Interpretation der Figuren gezogen werden können, ja dass diese religiöse Dimension für das Haupt-, wenn nicht gar Lebenswerk Goethes unerlässlich ist.
Diese Arbeit beschränkt sich weitestgehend auf den ersten Teil der Faust-Dichtung. Doch um eine abschließende Deutung leisten zu können, muss selbstverständlich die Rettung und „Erlösung“ Fausts, also das Ende des zweiten Teils, einbezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Faust als Hiobsgeschichte?
- „Der Herr“ als christlicher Gott?
- Mephistopheles als christlicher Teufel?
- Faust – „Knecht“ oder „Uebermensch“?
- Faust als Hiob?
- Faust als Übermensch?
- Exkurs: Das Geschehen der Osternacht
- Faust als Glaubender?
- Faust als Sünder und dennoch Erlöster?
- Gretchen -,,Ist gerettet!"
- Zusammenfassung und Ausblick
- Literaturverzeichnis
- Primärtext
- Sekundärliteratur
- Selbstständige Publikationen
- Aufsätze
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die christlichen Motive in Goethes Faust I und analysiert die Figuren des Herrn, Mephistopheles, Faust und Gretchen im Kontext ihrer religiösen Einstellungen. Ziel ist es, die Bedeutung der christlichen Tradition für die Gestaltung der Figuren und die Struktur des Werkes aufzuzeigen.
- Die Rolle des Herrn im Prolog im Himmel und seine Beziehung zu Mephistopheles
- Die Interpretation von Faust als Hiobsfigur und die Frage nach seiner Erlösung
- Die Darstellung von Mephistopheles als christlicher Teufel und seine Funktion im Drama
- Die Rolle von Gretchen als Symbol für die Verführung und die Folgen von Schuld
- Die Verbindung von christlichen und heidnischen Motiven in Goethes Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz der christlichen Motive in Goethes Faust I heraus und skizziert den Fokus der Arbeit auf die Figuren des Herrn, Mephistopheles, Faust und Gretchen.
Das zweite Kapitel untersucht die Parallelen zwischen der Geschichte von Hiob und dem Prolog im Himmel. Es wird analysiert, inwiefern der Herr als christlicher Gott dargestellt wird und wie Mephistopheles als christlicher Teufel in der Geschichte agiert.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Figur des Faust und seiner ambivalenten Rolle als „Knecht“ und „Übermensch“. Es werden die Aspekte von Faust als Hiob, Übermensch, Glaubender und Sünder beleuchtet.
Das vierte Kapitel widmet sich der Figur von Gretchen und ihrer Rettung.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die christlichen Motive in Goethes Faust I, die Figuren des Herrn, Mephistopheles, Faust und Gretchen, die Interpretation von Faust als Hiobsfigur, die Rolle von Gretchen als Symbol für die Verführung und die Folgen von Schuld, die Verbindung von christlichen und heidnischen Motiven in Goethes Werk sowie die Bedeutung der christlichen Tradition für die Gestaltung der Figuren und die Struktur des Werkes.
- Citar trabajo
- Sonja Filip (Autor), 2008, "Sag, wie hast du’s mit der Religion?", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127416