Im Fokus dieser Arbeit soll die Wissensvermittlung in Britisch Indien stehen. Hierbei soll weniger chronologisch deskriptiv vorgegangen werden, obgleich sich eine gewisse Chronologie nicht ganz vermeiden lässt, dafür aber durch eine interrogative Annährungsweise an die Thematik anhand von Leitfragen Beweggründe, seien es die der Engländer, seien es die der indigenen Bevölkerung, herausgearbeitet werden. Dieses Thema ist vor allem für Indien selbst hochaktuell, wie man an den zahlreichen Publikationen indischer Historiker und / oder Autoren feststellen kann. Vor allem mit dem heutigen Bildungssystem, das natürlich immer noch stark westlichen Einfluss aufweist, beschäftigen sich einige Werke, die dieser Arbeit, wenn auch nur auszugsweise, zugrunde liegen.
Die Arbeit beschäftigt sich nur in äußerst geringem Maße mit der indischen Bevölkerung, da es vor allem, um nicht zu sagen ‚ausschließlich’, die Elite war, die mit höherer Bildung in Berührung kam. Bis Ende des 19. Jahrhunderts machten Schüler und Studenten weniger als circa einem Prozent aus, wenn man von einem Alphabetisierungsgrad der Gesamtbevölkerung von einem Prozent ausgeht.
Zwecks einer besseren Übersicht werden zwei Hauptgruppen der Wissensvermittlung in separaten Kapiteln behandelt, nämlich diejenige der kolonialen und diejenige der nationalen Bildungsmodelle, wobei es zwischen den Kapiteln durchaus Berührungen gibt, bzw. geben muss.
So wird zunächst anhand des zweiten Kapitels gezeigt, aus welchen Gründen sich der Erstkontakt zwischen Engländern und der indischen Elite so und nicht eben auf andere Weise gestaltete. Dann werden aber auch Veränderungen in diesen Bildungsmodellen thematisiert, sowohl im Hinblick auf deren Auswirkungen, als auch im Hinblick auf deren Gründe. Diesen seien anschließend die nationalen Bildungsmodelle gegenübergestellt und auch hier wird vor allem mit Erklärungen der Prozesse gearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Koloniale Bildungsmodelle
2.1. Die ‚parasitäre Symbiose’ der Orientalisten
2.2. Der anglizistische ‚Bildungsauftrag’
2.2.1. Macaulays Protokoll
2.2.2. Das Christianisierungsvorhaben der Evangelikalen
2.2.3. Der Utilitarismus in Britisch Indien
2.3. Auswirkungen und Wechselwirkungen mit der indigenen Bevölkerung
3. Nationale Bildungsmodelle
3.1. Bengali Intelligentsia
3.2. Gurukul Kangri
3.3. Madrassas während und nach der Kolonialzeit
3.4. Der elitäre Anspruch auf Virilität – Erklärungsversuche
4. Fazit: Problematik und Konsequenzen der Bildungspolitik in Britisch Indien
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Fokus dieser Arbeit soll die Wissensvermittlung in Britisch Indien stehen. Hierbei soll weniger chronologisch deskriptiv vorgegangen werden, obgleich sich eine gewisse Chronologie nicht ganz vermeiden lässt, dafür aber durch eine interrogative Annährungsweise an die Thematik anhand von Leitfragen Beweggründe, seien es die der Engländer, seien es die der indigenen Bevölkerung, herausgearbeitet werden. Dieses Thema ist vor allem für Indien selbst hochaktuell, wie man an den zahlreichen Publikationen indischer Historiker und / oder Autoren feststellen kann. Vor allem mit dem heutigen Bildungssystem, das natürlich immer noch stark westlichen Einfluss aufweist, beschäftigen sich einige Werke, die dieser Arbeit, wenn auch nur auszugsweise, zugrunde liegen.
Die Arbeit beschäftigt sich nur in äußerst geringem Maße mit der indischen Bevölkerung, da es vor allem, um nicht zu sagen ‚ausschließlich’, die Elite war, die mit höherer Bildung in Berührung kam. Bis Ende des 19. Jahrhunderts machten Schüler und Studenten weniger als circa einem Prozent aus, wenn man von einem Alphabetisierungsgrad der Gesamtbevölkerung von einem Prozent ausgeht.1
Zwecks einer besseren Übersicht werden zwei Hauptgruppen der Wissensvermittlung in separaten Kapiteln behandelt, nämlich diejenige der kolonialen und diejenige der nationalen Bildungsmodelle, wobei es zwischen den Kapiteln durchaus Berührungen gibt, bzw. geben muss.
So wird zunächst anhand des zweiten Kapitels gezeigt, aus welchen Gründen sich der Erstkontakt2 zwischen Engländern und der indischen Elite so und nicht eben auf andere Weise gestaltete. Dann werden aber auch Veränderungen in diesen Bildungsmodellen thematisiert, sowohl im Hinblick auf deren Auswirkungen, als auch im Hinblick auf deren Gründe. Diesen seien anschließend die nationalen Bildungsmodelle gegenübergestellt und auch hier wird vor allem mit Erklärungen der Prozesse gearbeitet werden.
2. Koloniale Bildungsmodelle
Unter kolonialen Bildungsmodellen in Indien versteht man diejenigen Modelle der Kolonialmacht, d.h. England. In diesem Kapitel wird es allerdings nötig sein, sich von der pauschalisierten Betrachtungsweise zu lösen und diese Metagruppe in kleinere Gruppen aufzuteilen. Für ein tieferes Verständnis des Ablaufs der historischen Ereignisse scheint es sinnvoll, zuerst die Orientalisten3 zu thematisieren.
2.1. Die parasitäre Symbiose der Orientalisten
Erklärtes Ziel der Orientalisten war es, so wenig wie möglich an den bestehenden Verhältnissen, und hier ist nicht nur der Bildungssektor gemeint, zu ändern. Sie gingen davon aus, dass „any hasty innovations in these fields would produce violent reactions in the country.“4 So traten diese vor allem als Mäzene5 auf, indem sie nationale Bildungseinrichtungen förderten, die zu vermittelnden Inhalte jedoch weitestgehend unangetastet ließen, wobei Lehrpläne standardisiert wurden.6
Aber es waren nicht nur die ‚violent reactions’, durch welche die Orientalisten davon abgehalten wurden, ein ‚eigenes’ Bildungsmodell zu entwerfen, sondern es war auch eine starke Abhängigkeit von der indischen Elite7, die es notwendig machte, zunächst bestehende Strukturen zu belassen und ihnen bis zu einem gewissen Ausmaß Respekt zu zollen.
Der Zweck des Wissens, welches sich die Engländer anfangs von der indigenden Elite auf diese Weise, nämlich durch Kontakt zu ihr, aneigneten, diente vor allem der Verwaltung der indischen Provinz, sprich der Kontrolle. Daher spricht Fischer-Tiné treffend von ‚Herrschaftswissen’.8
Zu dieser Zeit kann man noch nicht von einem annährend gleichmäßigen Austausch des Wissens zwischen Kolonisierten und Kolonialmacht sprechen, denn es lässt sich lediglich eine primär einseitige Diffusion in ‚westliche’ Richtung feststellen.
Dennoch kann man den Orientalisten ein ‚echtes’ Interesse an der indischen Kultur zum Selbstzweck nicht völlig absprechen, denn „(t)hey conducted detailed researches and unanimously agreed that India had a glorious cultural heritage.“9
Wenn man sich also diese einseitige Diffusion vor Augen führt, so kann man, trotz des Interesses an der indischen Kultur, welches sicher auch durch ein gewisses Eigeninteresse begründet ist, von einer parasitären Symbiose sprechen, da es zu diesem Zeitpunkt die Engländer waren, denen der größte Wissenszuwachs zu eigen wurde10, so dass sie Indien ‚wirtschaftlich effizienter verwalten’ konnten; summa summarum profitierten nahezu ausschließlich die Engländer aus dem ‚Zwangszusammenleben’ der beiden Kulturen.
Jetzt stellt sich die Frage, wie es denn zu einem sukzessiven Wechsel in der britischen ‚Indienpolitik’11 kommen konnte, wenn doch zuerst einmal die so beschaffene Symbiose funktionierte. Darauf wird im nächsten Unterkapitel näher eingegangen.
2.2. Der anglizistische ‚Bildungsauftrag’
Auch die Gruppe der Anglizisten lässt sich unterteilen, und zwar hauptsächlich in zwei Gruppen: Nämlich in die der Evangelikalen und in diejenige der Utilitaristen. Bevor diese beiden jedoch näher thematisiert werden, ist es notwendig die Frage zu klären, wie denn nun der Anspruch, Indien zu anglisieren, entstanden ist.
Eine treibende Kraft übte sicherlich Macaulays Protokoll aus, welches er u.a. dem Britischen Parlament sowie Lord William Bentinck12 vorlegte. Die Haltung Macaulays lässt sich als das klare Gegenteil zu den Ansichten der Orientalisten beschreiben. Nun sei vor Augen geführt, weshalb.
2.2.1. Macaulays Protokoll
In seinem Protokoll vertritt Macaulay die Ansicht, man könne, wolle man über die indisch nationalen Schriften reden, nicht von ‚Literatur’ sprechen, da er die indische Bildung und deren Derivate, sei es Literatur, sei es Kultur, der britischen für äußerst unterlegen hielt.13 Hier zeigt sich überaus deutlich, dass er, im Gegensatz zu den Orientalisten, keinen Respekt vor der indischen Kultur und vor allem Sprache hatte. Wie er wörtlich sagte, habe ein einziges Bücherregal einer gut sortierten europäischen Bibliothek ebensoviel wert, wie die ganze Literatur der Inder und Araber.14
So wollte Macaulay dieser ‚Zurückgebliebenheit’ ein Ende bereiten, indem er Englisch als Amts- und Unterrichtssprache einführen wollte. Seine Idee war es, dass die Anglisierung der indischen Elite von eben derselben an die nächst unteren Kasten weitergegeben wird, sodass quasi eine ‚downward filtration’ entsteht. Die auf diese Weise intensiv anglisierten Inder15 sollten sich lediglich durch ihre Hautfarbe von Engländern unterscheiden.16
Die Auswirkungen dieses Protokolls waren signifikant, da sie eine scharfe Wende in der britischen ‚Indienpolitik’ bewirkten. Wohlgemerkt war Macaulay nicht der erste, der diese Ansichten vertrat; gleichwohl waren die Evangelikalen davon überzeugt, dass man die indigene Bevölkerung nur durch ‚westliche Erziehung’ von ihrer Grundverdorbenheit, die gemäß den evangelikalen Vorstellungen übrigens jedem Menschen gegeben ist, befreien zu können. Diesen Grundsatz fassten sie unter dem ‚healing principle’ zusammen17, doch dazu später mehr.
Von der Idee, man könne die indische Bevölkerung zum Besseren erziehen, waren die Utilitaristen nicht weniger überzeugt. Weshalb nun gerade Macaulays Protokoll das Fass zum Überlaufen brachte, indem es bewirkte, dass die ‚Indienpolitik’ die zuvor unter starkem Einfluss der Orientalisten stand, nun doch stark anglizistisch geprägt wurde, ist nun anhand der folgenden Kapitel über eben diese beiden Gruppe, d.h. Evangelikalen und Utilitaristen, näher zu beleuchten.
2.2.2. Das Christianisierungsvorhaben der Evangelikalen
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts entstand eine religiöse Gruppe im Rahmen der Protestanten, die man Evangelikalen nennt (aus dem englischen‚evangelicalism’als feststehender Begriff) und die ebenso wie die Utilitaristen von der absoluten Gültigkeit ihrer Auffassung, bzw. ihrer Doktrinen überzeugt waren.18 Im 19. Jahrhundert übten sie mehr und mehr Druck auf die britische Krone aus, konnten sich aber zunächst nicht gegen die Orientalisten durchsetzen, denn „(w)ährend seit ca. 1820 eine immer größere Zahl von Angestellten der EIC [East India Company, Anm.] sowohl in Indien selbst als auch in der Metropole [London, Anm.] von diesem intellektuellen Klima geprägt wurden, blieb das GCPI [General Comitee of Public Instruction, Anm.] zunächst eine Bastion der »Orientalists«.“19 Das General Comitee of Public Instruction (GCPI) war mit der Aufgabe bedacht, das indische Bildungswesen zu koordinieren.
Charles Grant, der für die EIC arbeitete, in engem Kontakt zu den Missionaren in Indien stand und durchaus zu den Evangelikalen gerechnet werden konnte, war der Meinung, dass das Christentum allein Indien regenerieren könnte und dass das westliche Wissen wie ein Heilmittel gegen die indigene Degeneriertheit wirken würde.20 Hier zeigt sich die fulminante, unerschütterliche Selbsteinschätzung dieser Gruppierung, die nun also Indien ‚heilen’ wollte.
Durch Macaulays Protokoll, welches er auf Beschluss von Lord William Bentinck, der ihn um eine Einschätzung der Situation gebeten hatte, anfertigte, geriet man in London unter Zugzwang. Da die Orientalisten primär den Status Quo bestätigten21, war keine signifikante Entwicklung des Schulsystems in Indien zu erkennen. Man wirkte nur insoweit, inwieweit es nötig war, um das an Gewürzen und Rohstoffen reiche Indien auszubeuten. Im Gegensatz dazu standen nun die Evangelikalen, deren Absicht, die indische Bevölkerung zu einer ‚westlichen’ Bevölkerung zu machen, von einem starken Sendungsbewusstsein geprägt war, mit welchen sich die Krone vorzüglich legitimieren konnte.
[...]
1 Vgl. Fischer-Tiné, Harald: Vom Wissen zur Macht. Koloniale und ‚nationale’ Bildungsmodelle in Britisch Indien, ca. 1781-1920, In Preisendanz, Karin / Rothermund, Dietmar (Hg.): Südasien in der „Neuzeit“. Geschichte und Gesellschaft, 1500-2000, Wien 2003, S. 101.
2 ‚Erstkontakt’ bezieht sich hier auf den Sektor der Wissensvermittlung, aber nicht erst auf das Jahr 1813, als die East Indian Company das Mandat über staatliche Bildung in Indien erhält, sondern bereits auf die Zeit der Orientalisten ab der Mitte des 18 Jahrhunderts.
3 Der Begriff ‚Orientalisten’ ist hier im präsaidischen Verständnis zu verstehen.
4 Srivastava, Gouri: Education In India in Historical Perspective, New Delhi 2001, S.114.
5 Dieser Begriff leitet sich von einem römischen Gunstherren, namens Gaius C. Maecenas ab, der u.a. die Dichter Vergil und Horaz finanziell unterstützte und meint ‚Gönner’.
6 Fischer-Tiné: Bildungsmodelle, Wien 2003, S. 93.
7 Vgl. Mann, Michael: Geschichte Indiens vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, Paderborn e.a. 2005, S. 406.
8 Vgl. Fischer-Tiné: Bildungsmodelle, Wien 2003, S. 94.
9 Srivastava: Education, New Delhi 2001, S. 116.
10 In diesem ersten Prozess der Diffusion entstand beispielsweise die ‚Asiatic Society of Bengal’ (gegründet 1784), die vor allem englischsprachige Übersetzungen orientaler, klassischer Literatur anfertigte.
11 ‚Indienpolitik’ meint hier natürlich Bildungspolitik in Indien.
12 Lord William Bentinck war Gouvaneur-General von Indien von 1828 bis 1835. Vgl. bei Interesse Ahmad, Manazir: Lord William Bentinck, Allahabad 1978.
13 Rather, A R. [sic!]: Development Of Education System In India, New Delhi 2004, S. 35f.
14 Vgl. Macaulays ‚Minute on Education’ unter: http://www.geocities.com/bororissa/mac.html (zuletzt besucht am 16.05.08).
15 ‚Anglisiert’ ist hier sowohl sprachlich als auch ideologisch zu verstehen.
16 Vgl. Fischer-Tiné: Bildungsmodelle, Wien 2003, S. 97.
17 Ebd. , S. 95.
18 Vgl. bei Interesse den Web-Artikel der Arbeitsgemeinschaft für evangelikale Theologie: Zum Begriff ‚evangelikal’, unter http://www.afet.de/ueber/exkurs.htm (zuletzt besucht am 18.05.08).
19 Fischer-Tiné: Bildungsmodelle, Wien 2003, S. 97.
20 Vgl. Srivastava: Education, New Delhi 2001, S. 122.
21 Sie traten ja primär als Geldgeber des bereits bestehenden Schulsystems auf. Zwar wurden Schulen gegründet, wie z.B. dieCalcutta Madrassa, die Lehrinhalte waren jedoch traditionell, so dass es keinen merklichen Unterschied zu bereits bestehenden Bildungseinrichtungen gab.
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