Benjamins Hörspiele waren der Versuch, den Rundfunkapparat für das eigene mediendidaktische und politische Konzept nutzbar zu machen und im Rahmen der technischen Möglichkeiten zu verändern, um zu zeigen, dass der Gebrauch des Rundfunks als Propagandainstrument für den Faschismus eine Perversion der negativen Dialektik der Technik darstellte. Somit lassen sich seine Rundfunkexperimente historisch nicht nur im Streit um die Suche nach der neuen Gattung des Hörspiels sondern vor allem in der Auseinandersetzung um die Funktion und Möglichkeiten dieses neuen Mediums in der Weimarer Republik verorten, die nicht zuletzt eine grundlegend politische war. Seine theoretischen Überlegungen zum Radio sind aus Texten wie Der Autor als Produzent ( 1934 ), Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1935/36)u.a. sowie aus programmatischen Schriften zusammen mit dem Programmleiter des Südwestdeutschen Rundfunks, Ernst Schoen, entstanden oder aus der Diskussion mit Wolfgang Zucker und der Auseinandersetzung mit Brecht hervorgegangen, so zum Beispiel das Konzept der Hörmodelle oder auch die Überlegungen zum epischen Theater. Zu seiner praktischen Auseinandersetzung mit dem Rundfunk gehören Hörmodelle, Hörspiele, Berichte, Buchvorstellungen und philosophische Features, die zwischen 1927 und 1933 als Beiträge für die Berliner und Frankfurter Rundfunkgesellschaft entstanden sind. Bei den praktischen Rundfunkarbeiten von Walter Benjamin handelt es sich um radioadäquate Texte, die mittels Doppeldeutigkeiten und Allusionen stets den eigenen medialen Status reflektieren, die jedoch nicht dem Anspruch einer neuen literarischen Rundfunkkunst gerecht werden. Sie sollten statt dessen als Beispiel einer kommunikationstheoretischen Deutung des Mediums Rundfunk verstanden werden und fügen sich so in Benjamins medienpädagogisches und gesellschaftspolitisches Konzept ein. Benjamin bleibt bei dem Versuch, den Rundfunk als pädagogisches Instrument bzw. als „Kommunikationsapparat“ zu erproben im Rahmen der gegebenen technischen und organisatorischen Möglichkeiten.Im Sinne der Verschränkung von Theorie und Praxis ist auch die vorliegende Hausarbeit in Form einer fruchtbaren Dichotomie angelegt. Im ersten Teil soll anhand bereits erwähnter theoretischer Texte Überlegungen Benjamins zum Rundfunk erörtert werden. Im Sinne einer deduktiven Verfahrensweise sollen in einem zweiten Teil diese dann am Beispiel der Analyse des Kinderhörspiels Radau um Kasperl überprüft werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Radiotheorie Benjamins
- Die materialistische Kulturphilosophie: Der Ausdruckszusammenhang
- Die Dialektik der Technik
- Der Hörer als Produzent
- Hörspielanalyse: Radau um Kasperl
- Die Quellenlage
- Radioadäquate Struktur und Figurenkonstellation
- Zur Umsetzung literarischer Elemente im Rundfunk
- Die Parallelen zur Komödie
- Die Parallelen zum epischen Theater
- Die Transparenz des Apparates
- Fazit: Die didaktisch-politische Intention
- Bibliographie
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit Walter Benjamins Radiotheorie und deren Umsetzung in der Praxis. Ziel ist es, Benjamins Überlegungen zum Rundfunk im Kontext seiner materialistischen Kulturphilosophie zu analysieren und anhand des Kinderhörspiels "Radau um Kasperl" zu überprüfen. Die Arbeit untersucht, wie Benjamin den Rundfunk als pädagogisches Instrument und "Kommunikationsapparat" nutzbar machen wollte und wie er die technischen Möglichkeiten des Mediums für seine eigenen mediendidaktischen und politischen Ziele einsetzte.
- Benjamins materialistische Kulturphilosophie und ihre Anwendung auf den Rundfunk
- Die Dialektik der Technik und die Rolle des Hörers als Produzent
- Die Analyse des Kinderhörspiels "Radau um Kasperl" als Beispiel für Benjamins Rundfunkpraxis
- Die didaktisch-politische Intention von Benjamins Rundfunkarbeiten
- Die Bedeutung von Benjamins Rundfunkexperimenten im Kontext der Weimarer Republik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt Benjamins Rundfunkexperimente im Kontext der Weimarer Republik vor. Sie beleuchtet die Bedeutung von Benjamins Radiotheorie für die heutige Mediendiskussion und stellt die Verbindung zwischen Theorie und Praxis in der Arbeit heraus.
Das zweite Kapitel widmet sich Benjamins Radiotheorie. Es analysiert seine materialistische Kulturphilosophie und deren Anwendung auf den Rundfunk. Dabei werden die Begriffe "Ausdruckszusammenhang", "Dialektik der Technik" und "Hörer als Produzent" erläutert und in Bezug zu Benjamins Werk gesetzt.
Das dritte Kapitel analysiert das Kinderhörspiel "Radau um Kasperl" als Beispiel für Benjamins Rundfunkpraxis. Es untersucht die radioadäquate Struktur des Hörspiels, die Figurenkonstellation und die Umsetzung literarischer Elemente im Rundfunk. Dabei werden Parallelen zur Komödie und zum epischen Theater gezogen und die Transparenz des Apparates im Hörspiel beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Walter Benjamin, Radiotheorie, Rundfunk, Materialistische Kulturphilosophie, Dialektik der Technik, Hörer als Produzent, Kinderhörspiel, "Radau um Kasperl", Mediendidaktik, Politische Intention, Weimarer Republik.
- Quote paper
- Janin Taubert (Author), 2003, Walter Benjamin und der Rundfunk zwischen Theorie und Praxis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127771