Suche nach Glück und die Ohnmacht des Geldes in Fortunatus


Mémoire d'Examen Intermédiaire, 2001

17 Pages, Note: 2+


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Reiseerfahrungen
2.1. Ausgangssituation
2.2. Erste Erfahrungen mit dem neuerworbenen Reichtum
2.2.1. Lüpoldus
2.2.2. Die Reise
2.3. Wiedergewinnung einer standesgemäßen Existenz
2.4. Feudale Gesellschaft

3. Bedeutung des Geldes im Roman
3.1. Beziehungen
3.2. Fortunatus` Suche nach Glück und Identität
3.3. Das Geld als Schöpfer seines Besitzers

4. Frühhumanistische Moral-Philosophie
4.1. Virtus und fortuna im „Remedia“
4.2. Im Roman

5. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Der Verfasser des 1509 in Augsburg gedruckten Romans war sehr darauf bedacht, dem Leser nahe zubringen, dass nicht die Wahl zwischen Weisheit oder Reichtum besteht, sondern beide Güter wichtig und sogar unzertrennlich sind. Im Epilog verweist er auf die salomonische Weisheit, eine Wahl, die dem mächtigen Herrscher nicht nur Ruhm gebracht, sondern ihn auch zum reichsten Herrscher der Welt gemacht hat.

Der Fortunatus-Roman versucht, die Notwendigkeit von Erziehung und Bildung über die Darstellung von negativen Folgen ihrer Mängel der Öffentlichkeit zu vermitteln.[1]

2. Reiseerfahrungen

2.1. Ausgangssituation

Fortunatus kommt aus einer verarmten Patrizierfamilie, sein Vater ain edler purge / altz herkommens verlor sein Vermögen bei Spielen, stechen und dueliren. Als Nichtadeliger ließ er sich auf eine feudale Art zu leben ein. Adelige Standeszugehörigkeit wurde durch Repräsentation dokumentiert. Dabei taucht ein Problem auf: Der Besitz des Adels war unproduktiv, er war weniger auf Verwendung des Wertes als vielmehr auf die Aneignung von Gebrauchswerten gerichtet. Die feudale Gesellschaft war agrarisch, der Adel lebte vom Ertrag der Bewirtschaftung seines Bodens.[2] Theodorus versäumte bei seiner nicht standesgemäßen Lebensart, seine Lebensgrundlage und Standeszugehörigkeit zu sichern. Er hinterließ seinem Sohn nichts anderes als eine Erziehung, die den feudalen Ansprüchen als Junker genügte.[3]

Die Armut zwingt Fortunatus zum Entschluss, in die Fremde zu ziehen. Er gibt die traditionelle Gemeinschaft auf und somit seine Bindungen, um nach dem Glück zu jagen. Bei seiner Glückssuche in der Welt hat er das Ziel, die Rehabilitierung der Familie, immer vor Augen. Fraglich ist, ob dieses Ziel auch sein Glück garantiert.[4]

Er begibt sich in den Dienst, des Grafen von Flandern, um so vielleicht sein Glück zu finden und Zugehörigkeit zu sichern. Zweimal hat es den Anschein, dass Fortunatus sich in eine traditionelle Gemeinschaft integrieren kann und sogar Aufstiegschancen hat. Doch beide Male wird er als Opfer brutaler gesellschaftlicher Verhältnisse vorgeführt und somit aus diesen Gemeinschaften herausgerissen. Erst dann, in vollkommener Isolation, begegnet er Fortuna.

2.2. Erste Erfahrungen mit dem neuerworbenen Reichtum

Fortuna stellt Fortunatus vor die Wahl: das ist weyßhait, Reichtumb, Stercke , Gesundthait, Schone und langs leben (46). Da sein Vater ihn nicht belehrte, dass Geld Gefahren mit sich bringt, entscheidet er sich, wie es sich für einen Glücksritter gehört, für das Geld, aber er lernt sehr schnell, dass er damit eine schlechte Entscheidung getroffen hat.[5] Die junkfraw des glücks bedenkt ihn mit unermesslichem Reichtum, sie fordert aber gleichzeitig seine Isolation, denn nur so kann die Tugend des Säckels und sein Leben garantiert werden.[6]

Nachdem Fortunatus die von Fortuna angebotene Weisheit zugunsten des Geldes verschmäht hat, erhält er eine zweite Möglichkeit, für das standesgemäße Überleben das nötige Wissen zu sammeln. Er schlägt den Weg der experienc, des Lernens durch Erfahrung, ein.[7]

Nach der unerfreulichen Begegnung mit dem Waldgrafen lernt er schnell, dass, sobald die Menschen seinen Reichtum bemerken, und ihn als einen ungebornen sehen, sein Leben bedrohen. Er begreift, dass Besitz von unbegrenzten materiellen Mitteln ist nicht alles, man muss mit diesem Reichtum vernünftig umgehen können. Von jetzt an achtet er immer darauf, dass er als eerlich Mann, wie es sich gehört, mit einem Diener auftaucht.

2.2.1. Lüpoldus

Die nächste Station seiner Reise ist Nantis, dort will er hoffzucht sehen. Sein Verhalten in der Herberge macht den Wirt misstrauisch, aber als das Finanzielle geklärt ist, wird der Wirt die Freundlichkeit in Person. Jetzt ist Fortunatus der willkommene Gast, er erhält sofort das beste Zimmer im Haus, und wird bei den edelleüten an den Tisch gesetzt, mit dem neu erworbenem Reichtum wird nun vieles ermöglicht.

Als sozialer Aufsteiger ist Fortunatus risikobereit und schnell in seinen Entscheidungen. Das sind Charaktereigenschaften, die nötig sind, um die fremden bedrohlichen Welten zu überleben. Er ist klug genug sich dazu Lüpoldus Hilfe zu holen.[8]

Lüpoldus ist ein alter edelman (54), den Fortunatus während der Feierlichkeiten in Nantis kennenlernt. Er ist durch zway kaiserthumb und zwaintzig christenlicher künigreich umbgezogen (55) und jetzt auf dem Weg nach Hause. Fortunatus sieht sofort seine Chance und ergreift sie, denn Lüpoldus hat das, was ihm noch fehlt, nämlich das Wissen und die Lebenserfahrung, die man bei einer Weltreise unbedingt zum Überleben braucht. Die Erfahrungen, die er bis jetzt in der Fremde gemacht hatte, haben ihm gezeigt, dass Geld nicht alles ist, was man zum erfolgreichen Fortkommen braucht. Als Edelmann besitzt Lüpoldus jene feudalen Interaktionsfähigkeiten, die Fortunatus, wegen mangelnder Erfahrungen in fremden Ländern, für sich erst herstellen muss.[9] Er verspricht Lüpoldus aynen guten sold (56) und ein gutes Dienstverhältnis.

Der alte Lüpoldus will, auf Fortunatus` Angebot anfangs nicht eingehen, er weiß, welchen Kostenaufwand eine Weltreise hat und bezweifelt, dass Fortunatus so viel Geld aufbringen kann. Fortunatus versichert ihm, er wisse in yedemm land gelts genug aufzubringen(56).[10] Der zweite Grund, warum Lüpoldus nicht einwilligen will, ist die natürliche liebe(56) zur Familie, die ihn nach Hause treibt. Daraufhin verspricht Fortunatus will ich mit dir in Ybernia/ und will dir weib und kind (...) eerlich begaben (56). Das beruhigt ihn .

Solche enge familiäre Betziehung, wie Lüpoldus sie hat, ist ein Hintergrund, der Fortunatus fremd ist. Die Intention seiner Reise ist zwar, die Familienehre wieder herzustellen, gleichzeitig wird nichts über seine Beziehung zu den Eltern gesagt. Sie agieren nur in der Vorgeschichte, um die sie transparent zumachen. Er verlässt sie, ohne sich zu verabschieden – ein Verhalten, das für das Mittelalter undenkbar ist. Bei seiner Rückkehr sind sie tot.

Lüpoldus wird nicht nur Fortunatus` Diener, sondern auch ein Freund - im späten Mittelalter, bedeutet das: eine enge Vertrauensperson - und Lehrer. Nur in seiner Nähe fühlt man eine Gelassenheit des Helden. Mit ihm wird Fortunatus eigener Mangel an Lebenserfahrung und Menschenkenntnis ausgeglichen. Obwohl Lüpoldus eine Vertrauensperson ist, weiß er nichts von der Tugend des Säckels. Sogar ihm, dem engsten Freund, kann Fortunatus, aus Angst vor Verlust, nicht von der Glücks-Botin erzählen.

2.2.2. Die Reise

Fortunatus begibt sich mit seiner Gefolgschaft auf eine Weltreise, dabei durchfährt er die christlichen Königreiche, die Westhälfte der damals bekannten Welt. Obwohl er alle Wallfahrtsorte dieser Länder besucht, unternimmt er keine Wallfahrt. Seine Absicht ist ir sitten und gewonheiten und ire glauben kennenzulernen. Fortunatus wird dabei von keinem höheren Ziel geleitet, er will lediglich seinen Hunger nach neuen Erfahrungen stillen und die Macht, die ihm durch das Geld verliehen wurde stillen. Diese Reiselust entstam der reinen Neugier: curiositas, die an sich verwerfliche menschliche Wissbegier, die im Sündenfall zum Archetypus der menschlichen Überhebung gegenüber Gott geworden ist.[11]

Seine Reise bringt den Helden nach Venedig, wo er von der bevorstehenden Kaiserkrönung in Konstantinopel hört. Venezsche Kaufleute schenken dem zukünftigen König eine Galeere mit Geschenken, Fortunatus schifft sich auf diese Galeere ein. Mit den Venezianern gelangt er nach Konstantinopel, aber wohnen darf er mit ihnen nicht: die wolten niemmant frembder bey yn lassen. Also sucht Fortunatus mit seinem volck lanng ain herberg/ doch tzu lotst do fand er ainen wirt/ der was ein dieb...(66). Hier werden zahlreiche Warnungen vor diebischen Herbergsvätern aus den zeitgenössischen Reiseberichten verarbeitet, offenbar ein sehr realistisches Motiv.[12]

Hier macht er auch seine wichtigste Erfahrung. Der zweifache Diebstahl des Säckels führt Fortunatus vor, wie abhängig er von dem Geschenk der Glücksjungfrau ist und wie falsch seine Wahl war. Als er vom Diebstahl erfährt, fällt er ohnmächtig zu Boden, er verliert kurzzeitig die Vernunft, weil er ein vernünftiges und glückliches Leben ausschließlich vom Reichtum her definiert, einem stets von Verlust bedrohten, unsicheren Gut.[13] Es ist noch nicht lange her, dass er aus seiner sozialen Isolation mit Hilfe des Säckels ausgebrochen ist. Wenn er ihn jetzt verloren hat, hat er auch die Grundlage seiner Existenz verloren. Nach dem Auftauchen des Säckels kommt Fortunatus erst nach einiger Zeit wieder zu sich, von nun an übt er Vorsicht.

Die Tatsache, dass Fortunatus immer noch Geld besitzt veranlasst den Wirt, erneut einzubrechen, doch wird er dabei getötet. Aus seiner Erfahrung in London erkennt Fortunatus was für eine Gefahr im droht, nun erscheint die Möglichkeit des Geldverlustes nur noch als eine Nebensache. Denn wie sollten sie, die Ortsfremden, dem Wirt den Diebstahl nachweisen[14]. Fortunatus ist sich bewusst, dass der Besitz des Geldes angesichts der Geldgier der Menschen eine große Bedrohung darstellt. Und wieder bereut Fortunatus, dass er nicht Weisheit statt Geld gewählt hat, jetzt allerdings in einem anderen Zusammenhang, nicht weil man das bewegliche Gut verlieren kann, sondern weil er sein Leben verlieren kann. Der Verlust des Geldes ist dabei eine Nebensächlichkeit. Da von Geld also keine Hilfe zu erwarten ist, wendet er sich, in seiner Verzweiflung, an Gott,[15] als die Verkörperung der Weisheit.

Der einzige, der die Situation klar überblicken kann, ist Lüpoldus. Er weiss sofort, was zu tun ist, er verlässt sich auf seine Vernunft, lond uns vernunfft brauchen wie wir durch die sach kommen (77) und handelt kühl und vernünftig[16]. Es ist so, als ob Gott sein Gebet erhört hat, denn Lüpoldus rettet Fortunatus und seine Begleiter.

2.3. Wiedergewinnung einer standesgemäßen Existenz

Als nach[17] fünfzehn Jahren der Abwesenheit Fortunatus zurück nach Famagusta kehrt, ist aus ihm ein selbstbewusster und kluger junger Mann geworden. Nun hat er die Menschenkenntnis und Welterfahrung. Das zeigt sich schon bei seiner bevorstehenden Rückkehr. Damit er in Famagusta ein standesgemäßes Leben führen kann, muss er die Familienehre mit Hilfe des Geldsäckels wiederherstellen. Er handelt sehr bedacht, schon in Venedig, unter freien Kaufleuten, erwirbt er viele kostlichen klainat. Er kauft kostbare Gewänder und den notwendigen Hausrat, in dem Wissen, dass für eine erfolgreiche Reintegration der Familie, die Zurschaustellung der vorhandenen Reichtümer eine Bedingung ist. Er erfüllt alle Voraussetzungen, damit er sich wieder in die Schicht edler burger altz herkommens einordnen kann.

[...]


[1] Vgl., Kästner, H., „Fortunatus“, S. 186

[2] Vgl., Bachorski, H.-J., „Geld und soziale Identität im ´Fortuntaus`“, S 237

[3] Ebd., S. 168

[4] Vgl., Kästner, H., „Fortunatus und Faustus“, S. 93

[5] Vgl., Classen, A., „Mentalitäts- und Alltagsgeschichte der deutschen Frühneuzeit: Fortunatsu“, S. 27

[6] Vgl., Müller, J.-D., „Die Fortuna des Fortunatsu“, S. 228

[7] Vgl., Kästner, H., „Fortunatus“, S. 48

[8] Vgl., Kremer, D./Wegmann. N, „Geld und Ehre“ S. 171

[9] Ebd., S. 171

[10] Vgl., Kästner. H., “Fortunatsu“, S. 50

[11] Vgl., Kästner, H., „Fortunatus“, S. 67

[12] Ebd., S 64

[13] Kästner, H., „Forutnatus und Faustus“, S 96

[14] Vgl., Kästner,H., „Fortunatus“, S. 65

[15] Ebd., S. 66

[16] Ob Lüpoldus ein weiser oder vernünftiger Mensch ist, wird von Kästner, S. 67, im Bezug auf diese Episode diskutiert, dabei weist er darauf hin, dass der Autor ihn, als alt und klug bezeichnet, das Wort Weisheit kommt nicht zu Sprache. Lüpoldus Handeln ist eher von einer langen Lebenserfahrung geprägt.

[17] Kästner, H., „Fortunatus“, S. 71

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Suche nach Glück und die Ohnmacht des Geldes in Fortunatus
Université
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"  (Ger III)
Note
2+
Auteur
Année
2001
Pages
17
N° de catalogue
V12781
ISBN (ebook)
9783638185851
Taille d'un fichier
512 KB
Langue
allemand
Mots clés
Suche, Glück, Ohnmacht, Geldes, Fortunatus
Citation du texte
Inna Moltschanova (Auteur), 2001, Suche nach Glück und die Ohnmacht des Geldes in Fortunatus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12781

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