Kriterien zum Übersetzen von Schlüsselbegriffen in der Bibel

am Beispiel von ṣaddik (gerecht) in Habakuk 2,4


Diplomarbeit, 2009

119 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungen

1. Vorwort
1.1. Wichtige Vorbemerkungen
1.2. Zielpublikum
1.3. Ziel

2. Grober Umriss der Sprache und Sprachmittlung in der Bibel
2.1. Die erste Erwähnung der Sprache
2.1.1. Das erste sprechende Wesen
2.1.2. Erste menschliche Kommunikation
2.1.3. Erste Schwierigkeiten durch Kommunikation
2.2. Die Entstehung der verschiedenen Sprachen
2.2.1. Der biblische Bericht
2.2.2. Die Zuverlässigkeit des biblischen Berichts
2.3. Erste Hinweise auf Sprachmittlung in der Bibel
2.4. Bedeutung dieses Kapitels für die vorliegende Arbeit

3. Die Geschichte der Bibelübersetzung
3.1. Allgemeines
3.2. Die Anfänge
3.3. Hieronymus
3.4. Das Mittelalter
3.5. Erste deutsche Übersetzungen
3.5.1. Martin Luther
3.6. Erste englische Übersetzungen
3.6.1. John Wycliff
3.6.2. William Tyndale
3.6.3. Die King-James-Bibel
3.7. 16. bis 20. Jahrhundert
3.8. Türkische Übersetzungen
3.8.1. Die erste Übersetzung
3.8.2. Kutsal Kitap – Yeni Çeviri
3.8.3. Andere Übersetzungen
3.9. Ausblick ins 21. Jahrhundert
3.10. Die untersuchten Grundtexte und Übersetzungen
3.10.1. Hebräisches AT - WLC
3.10.2. Deutsche Bibel – LUT
3.10.3. Deutsche Bibel – GNB
3.10.4. Türkische Bibel – KK

Theoretische Grundlagen

4. Semantik
4.1. Das sprachliche Zeichen
4.1.1. Das Zeichenmodell von Saussure
4.1.2. Das Zeichenmodell von Ogden und Richards
4.1.3. Das Zeichenmodell von Bühler (Organon-Modell)
4.2. Die Bedeutung des sprachlichen Zeichens
4.2.1. Bedeutung als bezeichnetes Objekt
4.2.2. Bedeutung als innersprachliches Beziehungsgeflecht
4.2.3. Bedeutung als beobachtbare Verhaltensweise
4.2.4. Bedeutung als Gebrauch
4.2.5. Bedeutung als Zugehörigkeit zu einer Kategorie

5. Semantische Ansätze in der Übersetzungstheorie
5.1. Strukturelle Ansätze
5.1.1. Wortfeldtheorie
5.1.2. Merkmalanalyse
5.2. Kognitive Ansätze
5.2.1. Prototypensemantik
5.2.2. Scenes-and-frames-Semantik
5.2.3. Relevanztheorie
5.3. Pragmatische Ansätze
5.3.1. Diskursanalyse

6. Kultur in der Übersetzungstheorie
6.1. Kontextualisierung
6.1.1. Kontextualisierung im Islam
6.2. Relevanz

7. Kombinieren der Ansätze

8. Meine Methodologie
8.1. Grober Umriss
8.2. Konkrete Vorgehensweise
8.2.1. Entsprechungen
8.2.2. Das Wortfeld
8.2.3. Merkmalanalysen
8.2.4. Prototyp
8.2.5. Scenes and frames
8.2.6. Diskursanalyse

Praktischer Teil

9. Habakuk 2,4b
9.1. Warum Habakuk 2,4b?
9.2. Einführung ins Buch Habakuk
9.3. Daten
9.4. ṣaddik
9.4.1. Entsprechungen
9.4.2. Das Wortfeld
9.4.3. Merkmalanalysen
9.4.4. Prototyp
9.4.5. Scenes and frames
9.4.6. Diskursanalyse

10. Schlussbemerkung

11. Anhang
11.1. Bibliographie
11.2. Internetquellen
11.3. Korrespondenz
11.4. Transliteration des Hebräischen
11.5. Wortliste türkisch – deutsch

Abbildungsverzeichnis

Abbildung A

Abbildung B

Abbildung C

Abbildung D

Abbildung E

Tabellenverzeichnis

Tabelle A

Tabelle B

Tabelle C

Tabelle D

Tabelle E

Tabelle F

Tabelle G

Tabelle H

Tabelle I

Tabelle J

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Vorwort

Ein Gebiet aus dem Bereich der Bibelübersetzung zum Thema dieser Arbeit zu machen, ist deshalb sehr lohnenswert, weil die Bibel seit ihren Anfängen bis heute in jeder Hinsicht ein einmaliges Buch ist, das mit keinem anderen verglichen werden kann. Kein anderer Bereich im weiten Feld der Übersetzung hat eine solch lange Geschichte, hat mit so vielen verschiedenen Sprachen (Stand am 31. Dezember 2008: 2479 Sprachen[1]) und verschiedenartigen Textsorten zu tun und hat auf so viele unterschiedliche Kulturen dieser Erde einen entscheidenden Einfluss gehabt wie die Bibelübersetzung. (vgl. Nida 1964:ix)

"Of all the various types of translating, […] one can safely say that none surpasses Bible translating in: (1) the range of subject matter (e.g. poetry, law, proverbs, narration, exposition, conversation); (2) linguistic variety (directly or indirectly from Greek and Hebrew into more than 1,200 other languages and dialects); (3) historical depth (from the third century B.C. to the present); (4) cultural diversity (there is no cultural area in the world which is not represented by Bible translating); (5) volume of manuscript evidence; (6) number of translators involved; (7) conflicting viewpoints; and (8) accumulation of data on principles and procedures employed." (Nida 1964:4)

Es hat mich sehr interessiert, mich tiefer in dieses Buch der Superlative und die Übersetzungsarbeit in diesem Bereich einzulesen und einzuarbeiten. Wie man weltweit seit Jahrhunderten und bis heute beobachten kann, haben religiöse Texte enorme Sprengkraft. Wer als Verfasser gesehen wird, wer das Recht hat, den Text zu lesen und auszulegen, und ganz besonders die Art, wie der Text von bestimmten Menschen und sozialen Gruppen ausgelegt wird – die Antworten auf diese Fragen beeinflussen die Weltgeschichte, die Politik und das alltägliche Leben von Milliarden von Menschen auf der Erde. Umso mehr lohnt es sich, unter die Oberfläche dieser Texte zu blicken und sich intensiv damit zu beschäftigen, was mit dem Gesagten wirklich gemeint wird. Wie die Bibel selbst über sich sagt und wie ich und Millionen andere Menschen es selbst bezeugen können: Die Worte in diesem Buch "sind Geist und sind Leben" (Joh 6,63).

1.1. Wichtige Vorbemerkungen

Vorausgeschickt werden muss, dass die vorliegende Arbeit auf der Überzeugung basiert, dass die Bibel ein Buch ist, dessen Schreiber von Gott selbst inspiriert wurden (2 Tim 3,16; 2 Petr 1,21) – daher die Bezeichnung "Gottes Wort" –, ein Buch, das absolute Wahrheit enthält (2 Sam 7,28; Ps 119,160; Joh 17,17) und in den Aussagen seiner Urtexte unfehlbar ist (Hi 24,25; 1 Joh 2,18ff). Für das Verständnis der Arbeit ist weiters wichtig zu wissen, dass die Aussagen der Bibel als ewig gültig verstanden werden. Das heißt, sie gelten heute genauso und haben dieselbe Relevanz wie vor 5000, 2000 oder 100 Jahren (Ps 105,8; Jes 40,8; Lk 21,33), und zwar für alle Menschen aller Kulturen. Darauf baut wiederum die Ansicht, dass dieses Buch für jeden Menschen ein entscheidender Faktor ist, um Gott persönlich kennen zu lernen. Aus diesem Grund soll mit vereinten Kräften daran gearbeitet werden, um es für jeden Menschen auf der Erde in verständlicher Form zugänglich zu machen. Schließlich soll auch erwähnt werden, dass die Bibel und die Tätigkeit der Bibelübersetzung für mich als Verfasserin dieser Arbeit ein Indikator der Phase ist, in der sich die Weltgeschichte befindet. Die sichtbare Wiederkunft Christi, auf die die Christen weltweit warten, ist den Aussagen der Bibel zufolge eng an die Verbreitung der Botschaft der Bibel auf der ganzen Erde geknüpft (Mt 24,14). Gestützt werden die vorangehenden Punkte sowohl von den verschiedenen Autoren der Bibel selbst als auch von außerbiblischen Ereignissen und von den persönlichen Erfahrungen vieler Menschen. Diese grundlegenden Feststellungen müssen zum Verständnis der nachfolgenden Arbeit vorangestellt werden.

1.2. Zielpublikum

Mein Wunsch ist, dass das Modell zur adäquaten Übersetzung von Schlüsselbegriffen in der Bibel, das ich in der vorliegenden Arbeit vorstelle und anwende, für Bibelübersetzer, die sich mit dieser Thematik beschäftigen und sich in ihrem Beruf immer wieder diesem Problem gegenüber sehen, eine Hilfestellung sein kann. Ich sehe die Arbeit auch für mich persönlich als Vorbereitung auf meine späteren Tätigkeitsbereiche, bei denen es immer um das Wort Gottes gehen wird, um die Frage, was es bedeutet und wie man es richtig verstehen kann, und um die aus dem richtigen Verständnis folgende praktische Anwendung des Inhalts dieses Buches. Mit meiner Ausarbeitung des in der Bibel so zentralen Schlüsselbegriffs gerecht möchte ich Übersetzern ebenfalls einen Dienst erweisen, aber nicht nur ihnen, sondern auch denjenigen, die in einer Kirche arbeiten, sowie Laien, Bibelkennern und –interessierten und jedem, der diese Arbeit in Händen halten wird. Mögen sie – so wie es auch mir ergangen ist – über den wissenschaftlichen und theoretischen Teil hinaus besonders durch den Inhalt und die Botschaft, die dieser biblische Begriff vermittelt, persönlich angesprochen werden!

1.3. Ziel

Unter biblischen Schlüsselbegriffen versteht man häufig auftretende Begriffe in der Bibel. Das können Begriffe sein, die wichtige theologische Bedeutungen tragen, zum Beispiel Sünde, Gnade, Erlösung usw. Auch Bezeichnungen für biblische Wesen wie Engel, Geist, Sohn Gottes oder andere gehören dazu. Begriffe, die viele kulturelle Komponenten aus der Zeit der Verfassung der Bibel enthalten und deshalb in der Zielsprache unbekannt sind oder keine genaue Entsprechung haben, zählen ebenfalls als Schlüsselbegriffe, zum Beispiel Tempel, Altar, Prophet usw.

Das Ziel dieser Arbeit ist, anhand einer theoretischen Grundlage und Methodologie herauszufinden, inwiefern die dabei erarbeiteten Kriterien bei der Wahl passender Schlüsselbegriffe in den als Beispiel herangezogenen Bibelübersetzungen Anwendung gefunden haben.

Um die Botschaft der Bibel adäquat und effektiv zu kommunizieren, sind richtige und verständliche Schlüsselbegriffe von größter Bedeutung. Über sie darf in der Bibelübersetzung nicht leichtfertig hinweggegangen werden. Dies hätte weit reichende Auswirkungen, die von möglichen Missverständnissen bis zur Ablehnung einer gesamten Übersetzung reichen. Zur Wahl angemessener Schlüsselbegriffe ist ein großes Maß an Hintergrundwissen über den Text selbst, die Ausgangs- und Zielsprache, die Ausgangs- und Zielkultur, die involvierten Religionen sowie an sprach- und übersetzungswissenschaftlichen Grundlagen nötig, sodass es mir sinnvoll erschien, eine Arbeit zu diesem Thema zu verfassen.

2. Grober Umriss der Sprache und Sprachmittlung in der Bibel

2.1. Die erste Erwähnung der Sprache

2.1.1. Das erste sprechende Wesen

Im biblischen Buch der Anfänge, der Genesis, wird über die Entstehung der menschlichen Sprache(n) berichtet. Gott ist der erste, der als sprechendes Wesen in Erscheinung tritt. Er schafft laut Schöpfungsbericht in Genesis 1 durch seine Worte die Erde und am sechsten Tag den Menschen "zu seinem Bilde" (Gen 1,27), d.h. ebenfalls als sprechendes Wesen.

2.1.2. Erste menschliche Kommunikation

Die erste aufgezeichnete Kommunikation zwischen Gott und Menschen findet statt, als Gott die Menschen segnet und ihnen den Auftrag gibt, fruchtbar zu sein, sich zu mehren, die Erde zu füllen, sie sich untertan zu machen und über alle Lebewesen zu herrschen (Gen 1,28). Daraus ist zu folgern, dass Gott den Menschen bereits mit der Sprache, d.h. der Sprechfähigkeit und dem Sprachverständnis geschaffen hat. Andernfalls wäre keine Kommunikation zwischen Gott und Menschen, ebenso keine zwischenmenschliche Kommunikation möglich gewesen.

In Gen 2,20 findet ein wichtiges Ereignis statt: Nachdem Gott alle Tiere gemacht hat, bringt er sie zum Menschen, um sie durch ihn benennen zu lassen. Dies ist aus linguistischer Sicht ein interessanter Vorgang. Zum ersten Mal erfindet der Mensch Wörter, um seine Umwelt zu organisieren, einzuordnen und Kommunikation zu ermöglichen. Schon im nächsten Kapitel gäbe es ansonsten Probleme bei der Kommunikation, als nämlich Eva Gott erklärt, dass die Schlange sie betrogen habe und sie deshalb von der verbotenen Frucht gegessen habe (Gen 3,13).

2.1.3. Erste Schwierigkeiten durch Kommunikation

Der Bericht in Gen 3 über die Verführung zur Missachtung von Gottes Gebot zeigt einen weiteren wichtigen Aspekt der Sprache auf: Sprache oder Worte und was dadurch ausgedrückt werden kann, haben enorme Macht und können letztendlich durch ihre Konsequenzen und die menschlichen Reaktionen darauf über Leben und Tod entscheiden.

So wird in Gen 2,15-17 berichtet, dass Gott den Menschen an den Ort führt, wo er leben wird. Gott spricht zum Menschen und erlaubt ihm, alles zu tun, mit einer Ausnahme: Es gibt einen Baum, von dem der Mensch nicht essen darf, da dies zum Tod führt. Ohne Sprache bzw. Kommunikation wäre dieses Verbot, von dem Baum zu essen, nicht möglich. Es gibt keinen objektiven Grund, den Baum zu meiden. Der Baum unterscheidet sich äußerlich nicht von anderen Bäumen, sondern nur durch das Verbot, das ihn betreffend ausgesprochen worden ist. In Gen 3 wird der Mensch wiederum durch bloße Worte, die in schlechter Absicht ausgesprochen werden, dazu verleitet, sich über das Verbot Gottes hinwegzusetzen. Als er diesen Worten Glauben schenkt und dies tut, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Mit Worten stellt Gott ihn zur Rede, mit Worten versucht der Mensch, sich zu rechtfertigen und aus der Affäre zu ziehen und schließlich bestraft Gott den Ungehorsam mit Urteilsworten, die genau so eintreffen.

2.2. Die Entstehung der verschiedenen Sprachen

2.2.1. Der biblische Bericht

Dass die ersten Menschen alle dieselbe Sprache hatten, ist nahe liegend und logisch, da alle von Adam und Eva abstammten und sich großteils nicht über ein bestimmtes Gebiet hinaus verbreiteten. Wie entstanden dann die verschiedenen Sprachen, die wir heute kennen? Auch darüber berichtet die Bibel in Gen 11 mit dem bekannten Bericht über den Turmbau zu Babel. Ausgangspunkt ist, dass „alle Welt einerlei Zunge und Sprache“ hatte (Gen 11,1). Wir erfahren, dass die Nachkommen Noahs sich nach der Sintflut nicht in alle Himmelsrichtungen verbreiteten und die Erde bevölkerten, wie es eigentlich dem Auftrag Gottes entsprochen hätte (Gen 1,28; 9,1), sondern – ganz im Gegenteil – gemeinsam nach Osten zogen und sich dort im Land Schinar (Babylon) niederließen. Sie beschließen, sich an ein gemeinsames Projekt zu machen, nämlich „eine Stadt und einen Turm [zu] bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ (Gen 11,4) Weil dieses Unternehmen aufgrund seines Hintergedankens Gott missfällt, erklärt er: „Lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!“ (Gen 11,7) Diese Anordnung wird umgesetzt, die verschiedenen menschlichen Sprachen entstehen, weshalb das nunmehr unmöglich gewordene Projekt abgebrochen werden muss. Die Menschen werden in die ganze Welt zerstreut (Gen 11,8).

2.2.2. Die Zuverlässigkeit des biblischen Berichts

Skeptiker bezweifeln, dass dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat und sehen es bestenfalls als eine symbolische Erzählung über das Entstehen der verschiedenen Sprachen oder eine „unsinnige“ Legende (Allen 1990:43f). Fakt ist allerdings, dass es keinen gültigen Grund gibt, die Zuverlässigkeit der biblischen Angaben anzuzweifeln. Sowohl philologische, historische als auch archäologische Nachforschungen zeigen, dass es äußerst stichhaltige Argumente für die Glaubwürdigkeit der biblischen Darstellung gibt. So hat z.B. die Sprachforschung viele Wissenschaftler zum Schluss kommen lassen, dass die verschiedenen menschlichen Sprachen auf eine gemeinsame Quelle zurückgeführt werden können. Sir William Jones, ein Sanskrit-Experte, schreibt etwa:

The Sanskrit language, whatever may be its antiquity, is of wonderful structure; more perfect than Greek, more copious than Latin, and more exquisitely refined than either; yet bearing to both of them a stronger affinity, both in the roots of verbs and the forms of grammar, than could have been produced by accident; so strong that no philologer could examine all three without believing them to have sprung from some common source which no longer exists. (Robertson 1919:10, zit. n. Jackson 1999)

Auch aus historischer Sicht gibt es starke Hinweise auf die Zuverlässigkeit der biblischen Angaben. So berichten mehrere Historiker aus verschiedenen Kulturen von einem Ereignis, bei dem in Babylon ein großer Turm zerstört wurde, und dass ab diesem Zeitpunkt verschiedene Sprachen gesprochen wurden, u.a. Abydenus, ein griechischer Historiker des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, Plato oder Josephus, ein jüdischer Historiker. Zudem werden im biblischen Bericht präzise Angaben zum Ort, zum Baumaterial und zum Gebäude gemacht, die sich mit den dortigen Kulturgebräuchen und Gegebenheiten decken. (vgl. Jackson 1999)

2.3. Erste Hinweise auf Sprachmittlung in der Bibel

Der erste Hinweis auf Sprachmittlung findet sich bereits in der Genesis. Als die Brüder Josefs nach Ägypten kamen, um dort während der Hungersnot Getreide zu kaufen, „redete [Josef] mit ihnen durch einen Dolmetscher“ (Gen 42,23), da er sich ihnen nicht zu erkennen geben wollte. Dies legt die Vermutung nahe, dass es in großen Reichen wie dem ägyptischen bereits fix angestellte Berufs-Dolmetscher gab, die die Kommunikation mit fremdsprachigen Ausländern sicherstellen sollten.

Im Buch Ester findet sich im achten Kapitel ein Bericht, der einen kleinen Einblick in die Tätigkeit damaliger Übersetzer gibt. Dort wird erwähnt, dass die Schreiber des persischen Königs Xerxes I. (519-465 v. Chr.) beauftragt wurden, ein Gebot „an die Juden und an die Fürsten, Statthalter und Obersten in den Ländern vom Indus bis zum Nil, hundertundsiebenundzwanzig Ländern, einem jeden Lande in seiner Schrift, einem jeden Volk in seiner Sprache und auch den Juden in ihrer Schrift und Sprache“ (Est 8,9) zu schreiben (Nida 1964:11).

Etwas später, zur Zeit Nehemias (um 450 v. Chr.), entwickelte sich bei den in ihr Land zurückgekehrten Juden eine besondere Form der Übersetzung oder besser gesagt des Dolmetschens. In Nehemia 7,73b-8,8 findet sich der Bericht, dass sich das ganze Volk in Jerusalem versammelte, um der Lesung des Gesetzes zuzuhören. Der Schriftgelehrte Esra „las daraus auf dem Platz vor dem Wassertor vom lichten Morgen an bis zum Mittag vor Männern und Frauen und wer’s verstehen konnte. [...] Und sie legten das Buch des Gesetzes Gottes klar und verständlich aus, so dass man verstand, was gelesen worden war.“ (Neh 8,3.8) Die Juden, die aus der Gefangenschaft in Mesopotamien zurückgekehrt waren, verstanden das Hebräische, das in den Heiligen Schriften verwendet wurde, nicht mehr. Dies bedeutete, dass Dolmetscher (oder „Ausleger“) den Inhalt auf Aramäisch, der sich schnell ausbreitenden semitischen Handelssprache des östlichen Mittelmeerraums, erklären mussten, damit das Volk es verstehen konnte (vgl. Nida 1964:11).

2.4. Bedeutung dieses Kapitels für die vorliegende Arbeit

Wir haben gesehen, dass Gott ein sprechendes Wesen ist und dass er den Menschen auch so geschaffen hat, weil er ein Gegenüber haben möchte, mit dem er in Kontakt treten und kommunizieren kann. Dies tut er primär durch die Worte, die er zu den Menschen gesprochen hat. Diese stehen in Form der Bibel grundsätzlich jedem Menschen zur Verfügung. Dass es verschiedene Sprachen gibt und die Bibel bislang nicht für jedes Volk in seiner eigenen Sprache verfügbar ist, haben wir Menschen laut dem biblischen Bericht selbst verantwortet, und nun geht es darum, aus dieser Tatsache das Beste zu machen und darauf hinzuarbeiten, dass jeder Mensch in einer für ihn verständlichen Form Zugang zu diesen wichtigen Worten Gottes bekommt. Bibelübersetzung existiert deshalb, weil diese Notwendigkeit erkannt wurde.

Das Übersetzen der Bibel ist auch eine Form, wie dem Auftrag Gottes, sich die Erde untertan zu machen, Folge geleistet wird. Denn dadurch werden Brücken zwischen Menschen, Sprachen und Kulturen geschlagen und Gottes Anleitung für einen erfolgreichen Umgang mit dem Leben weitergegeben. Man könnte Bibelübersetzung sogar als Weiterführung von Adams Benennung der Tiere sehen: Durch die Übersetzung der Bibel in eine Sprache, in der sie noch nicht existiert, wird für die Sprecher dieser Sprache ein Teil ihrer Welt neu organisiert und geordnet und teilweise eine ganz neue Art der Kommunikation mit Gott und Menschen ermöglicht.

Weiters gilt heute noch genauso, was in dem Bericht über das Verbot, von einem bestimmten Baum zu essen, zum Ausdruck kommt: Worte und der Umgang damit können letztendlich über Leben und Tod entscheiden. Es ist von großer Wichtigkeit, dass die Menschen gute Worte kennen und verstehen lernen, welche Macht haben, Leben zu schenken. Und schlussendlich ist es heute noch unsere Aufgabe, wie zu Nehemias Zeiten Gottes Wort auszulegen und für diejenigen in adäquater Form zugänglich zu machen, die die Originalsprache nicht verstehen, dass jeder versteht, was er liest (vgl. Neh 8,8). Darum geht es in der vorliegenden Arbeit.

3. Die Geschichte der Bibelübersetzung

3.1. Allgemeines

Oft bezeichnet man das Übersetzen als eine der ältesten Tätigkeiten der Menschheit, und dennoch beschäftigt man sich noch nicht so lange mit der Geschichte der Übersetzung als Forschungsrichtung. Erst relativ spät hat sich dazu ein systematischer Erforschungsansatz entwickelt. Fakt ist, dass Übersetzer zu allen Zeiten wesentlich an der Entfaltung des Geisteslebens beteiligt waren. So konnten z.B. Hochkulturen dank der Übersetzung das kulturelle Erbe anderer Kulturen antreten, und der Wissenstransfer zwischen Zivilisationen geschah großteils mit Hilfe von Übersetzern.

Im 20. Jahrhundert hat das Übersetzen allgemein einen großen Aufschwung erlebt. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Kommunikationstechnologien trugen dazu bei, dass der Bedarf an qualifizierten Übersetzern in jedem Bereich stieg. Dieses Jahrhundert war auch von einer Verstärkung der internationalen Beziehungen sowie von zunehmender theoretischer Reflexion in der Wissenschaft geprägt. Dadurch entwickelte sich die Translation zu einer hochspezialisierten Tätigkeit, zu einem gut organisierten Berufsstand und international zu einer eigenständigen Wissenschaftsdisziplin. (vgl. Woodsworth 21999:39ff)

3.2. Die Anfänge

Was die Bibel betrifft, so gehen die ersten Übersetzungen nicht auf die christliche Kirche zurück. Es gab schon Jahrhunderte vor Christus Bemühungen, die hebräischen Schriften zu übersetzen. Wie in Punkt 2.3. erwähnt, findet sich im biblischen Buch Nehemia ein Bericht darüber, dass die Torah – das Gesetz Mose – bereits im 5. Jahrhundert vor Christus mündlich übersetzt wurde.

Auch erste schriftliche Übersetzungen ins Griechische und Aramäische entstanden schon lange vor Christi Geburt. So wurde das hebräische Alte Testament im 3. Jahrhundert v. Chr. auf der Insel Pharos in Ägypten ins Griechische übersetzt. Dort existierte zu dieser Zeit eine große jüdische Gemeinde, die nur noch griechisch sprach und deshalb auf eine griechische Übersetzung ihrer heiligen Schriften angewiesen war. Eine Legende besagt, dass eine Gruppe von 72 Männern aus den 12 Stämmen Israels jeweils in Zweierteams in kompletter Isolation das gesamte Alte Testament mit solch göttlicher Inspiration übersetzte, dass die daraus resultierenden 36 Entwürfe in jeder Hinsicht völlig ident waren. Wissenschaftliche Untersuchung ergaben allerdings, dass die Übersetzungen der einzelnen Bücher des Alten Testaments in Stil und Genauigkeit stark voneinander abweichen und man deshalb annehmen muss, dass die einzelnen Teile unabhängig voneinander entstanden. Vermutlich wurde jeweils ein Buch von einem Übersetzer bearbeitet. Diese erste griechische Übersetzung wird als Septuaginta oder auch LXX bezeichnet. (vgl. Nida 1964:26)

Das Übersetzen hatte zu jener Zeit in der griechisch-römisch geprägten Welt schon eine längere Tradition und man beschäftigte sich bereits mit verschiedenen Übersetzungsmethoden. Cicero etwa vertrat als erster die Ansicht, dass ein Übersetzer dafür sorgen müsse, dass das fremde Werk in der eigenen Literatur heimisch und somit dem lateinischen Sprachgebrauch angepasst wird. Er wehrte sich gegen rein wörtliches Übersetzen, doch leider muss gesagt werden, dass sich dies in der Bibelübersetzung noch nicht niederschlug. Aus heutiger Sicht wurde in diesem Bereich noch viel mehr "dem Buchstaben als dem Geist" Beachtung geschenkt, und dementsprechend sahen die Ergebnisse oft aus. (vgl. Hohn 21999:91; Nida 1964:12)

Bei der Entstehung der christlichen Gemeinde am ersten Pfingsttag war klar, dass die christliche Botschaft "allen Völkern unter dem Himmel" (Apg 2,5) galt und deshalb verbreitet gehörte. Anders als etwa im Islam (vgl. Koran: Sure 12,2) hatte es anfangs im jüdisch-christlichen Glauben nie ein Übersetzungsverbot gegeben. Im Gegenteil: die heiligen Schriften – sogar die Worte Gottes und Jesu Christi – durften und sollten sogar übersetzt werden, und zwar nicht nur für eine Elite von Akademikern, sondern für das größtmögliche Publikum. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wurden Berichte über das Leben und Wirken Jesu in Form der Evangelien auf Griechisch, der Lingua Franca des Mittelmeerraums, übersetzt und verbreitet. Die christliche Gemeinde rechnete und rechnet fest damit, dass eines Tages "eine große Schar, die niemand zählen [kann], aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen" (Offb 7,9) gemeinsam in Gottes Reich leben wird, und die Übersetzung der heiligen Schriften wurde und wird als ein Weg gesehen, um dieses Ziel zu erreichen. Vom 2.-4. Jahrhundert n. Chr. wurde das Neue Testament in andere wichtige Sprachen übersetzt. So gab es bald lateinische, syrische, armenische und verschiedene koptische Übersetzungen, die aufgrund der raschen Ausbreitung des Christentums weite Verbreitung fanden. Seit dieser Zeit ließen die Übersetzungsbemühungen der Christen nie nach. (vgl. Kirk 2002:1[2])

3.3. Hieronymus

Hieronymus lebte von ca. 347 bis 420 n. Chr. und war eine der herausragenden Persönlichkeiten des Altertums. Er wurde in Stridon im heutigen Kroatien geboren, studierte zunächst in Rom, wo er Kenntnisse in klassischer Literatur, orientalischer Philosophie und Recht erlangte, und beschäftigte sich nach Abbruch seiner Beamtenkarriere später in Antiochia und Syrien mit dem Studium der griechischen und hebräischen Sprache. Er wurde Priester und erhielt in Rom eine Anstellung als Sekretär, Dolmetscher und theologischer Berater für Papst Damasus I. Aufgrund seines guten Rufs als dreisprachiger Gelehrter mit ausgezeichneten Hebräisch-, Griechisch und Lateinkenntnissen wurde er im Jahr 384 vom Papst mit der Übersetzung und Überarbeitung der Bibel beauftragt. Er begann mit der Übersetzung des Neuen Testaments auf Grundlage von anerkannten griechischen Texten. Als nächstes übersetzte er das Alte Testament aus dem Griechischen, nur um es dann nochmals neu aus dem Hebräischen zu übersetzen. Damit war er der erste, der das Alte Testament nicht mit der Septuaginta als Ausgangsmaterial, sondern direkt aus dem Hebräischen übersetzte. Diese Übersetzung, die lateinische Vulgata, ist die als authentisch anerkannte lateinische Bibel und wurde jahrhundertelang von der römisch-katholischen Kirche verwendet. (vgl. Woodsworth 21999: 39f)

Hieronymus' Übersetzungsansatz war wahrscheinlich einer der systematischsten und diszipliniertesten aller Übersetzer der Antike. In seiner Arbeit befolgte er ganz genaue Prinzipien, denen er treu blieb, auch wenn es ihm Kritik einbrachte und er auf Unverständnis stieß. Schon ganz am Anfang schrieb er, und sollte damit Recht behalten:

Who is there, whether learned or unlearned, who, when he takes up the volume in his hands and discovers that what he reads therein does not agree with what he is accustomed to, will not break out at once in a loud voice and call me a sacrilegious forger, for daring to add something to the ancient books, to make changes and corrections in them? (zit. n. Grant 1961:36)

Da er bei der Bibelübersetzung solch radikal neue Prinzipien anwandte, erreichte jedoch vor allem seine Übersetzung des Alten Testaments eine viel größere Wirkung als vorhergehende Übersetzungen.

Schon in frühchristlicher Zeit war man langsam zu der Erkenntnis gekommen, dass eine gute Bibelübersetzung keine wörtliche Übersetzung sein konnte. Hieronymus war allerdings der erste, der einen Mittelweg zwischen Wörtlichkeit und unkontrollierter Freiheit einschlug. Er bestand darauf, dass der Sinn wichtiger sei als die Form. In seinem Brief an Pammachius beschreibt er eines seiner wichtigsten Prinzipien: "Ich gebe es nicht nur zu, sondern bekenne es frei heraus, dass ich bei der Übersetzung griechischer Texte [...] nicht ein Wort durch das andere, sondern einen Sinn durch den anderen ausdrücke" (Störig 1963:1), "non verbum e verbo, sed sensum exprimere de sensu". (vgl. Kirk 2002:2; Hohn 21999:91f)

3.4. Das Mittelalter

Nach Hieronymus und während des gesamten Mittelalters wurde die Bibelübersetzung nicht besonders intensiv vorangetrieben. Um 1500 existierten erst in etwa 35 verschiedenen Sprachen Teile der Bibel. Stattdessen wurden große Pergament-Kodizes geschrieben (z.B. Codex Vaticanus, Sinaiticus) und viele prunkvolle Bibelhandschriften mit Miniaturmalereien angefertigt. Es war auch eine Zeit, in der man sich mehr auf Überarbeitungen und Revisionen bestehender Übersetzungen konzentrierte. Vom 7.-10. Jahrhundert etwa arbeiteten die Masoreten in Tiberias und Babylonien am hebräischen Text des Alten Testaments, und um 800 wurde die lateinische Bibel auf Veranlassung Karls des Großen durch Alkuin revidiert. (vgl. Kirk 2002:1; Die Bibel 1985:Anhang 57)

3.5. Erste deutsche Übersetzungen

Der erste bekannte Bibelteil, der in die deutsche Sprache übersetzt wurde, stammt aus der Zeit um 800. Im Benediktinerkloster Mondsee in Oberösterreich wurde das Matthäus-Evangelium aus dem Lateinischen ins Deutsche bzw. genauer gesagt ins Altbairische übersetzt. Im 11. Jahrhundert machte sich der Benediktinermönch Notker Labeo, der als Schöpfer einer deutschen Literatursprache gilt, an eine kommentierende Übersetzung der Psalmen. Vom 11. bis zum 15. Jahrhundert entstanden zahlreiche Übersetzungen biblischer Schriften und sogar der ganzen Bibel ins Deutsche. (vgl. Die Bibel 1985:Anhang 57)

Mit der Renaissancebewegung, die sich ab dem 14. Jahrhundert über Europa ausbreitete, begann eine Zeit mit neuen Entdeckungen, neuen Ideen, aber auch mit einer Rückbesinnung auf die Antike und damit verbunden einer Blütezeit der Übersetzung. Die zwei wichtigsten Strömungen in diesen Jahrhunderten waren der Humanismus mit seinem großen Interesse an den klassischen Sprachen sowie die Reformationsbewegung, die sich ebenfalls auf die Ursprünge, d.h. vor allem die Bibel in ihrer ursprünglich hebräischen und griechischen Fassung, besann.

3.5.1. Martin Luther

Dies ist die Zeit Martin Luthers, der von 1483 bis 1546 lebte und als Begründer der Reformation gilt. Er war promovierter Theologe und widmete sich sein ganzes Leben intensiv dem Studium der Bibel. Als er aufgrund seines Widerstands gegen zahlreiche Lehren und Praktiken der römisch-katholischen Kirche exkommuniziert wurde, zog er sich auf die Wartburg zurück und arbeitete von 1521 bis 1534 an der Übersetzung der gesamten Bibel aus den Originalsprachen ins Deutsche. Die Lutherbibel war die erste direkte Übersetzung aus dem Hebräischen und Griechischen in eine moderne Sprache, wobei man die lateinische Vulgata nicht unberücksichtigt ließ. Luther arbeitete mit einer ganzen Gruppe von Gelehrten zusammen. Er beriet sich mit Experten der Originalsprachen sowie Vertretern von Berufsgruppen, die ihm mit dem Wortschatz spezifischer Tätigkeiten weiterhelfen konnten.

Mit dieser Bibelübersetzung schuf Luther ein Werk, dessen weit reichende Auswirkungen sowohl auf die institutionalisierte Religion als auch im Besonderen auf Sprache und Übersetzung erst im Nachhinein deutlich wurden, etwa in verschiedenen deutschen Grammatiken bis zum 19. Jahrhundert. Seine Übersetzung der Bibel dient noch heute aufgrund ihrer Klarheit, Verständlichkeit, Einfachheit und Lebendigkeit als Beispiel für guten Sprachgebrauch. Die Lutherbibel – die mittlerweile zum dritten Mal umfassend revidiert wurde (1921-1984) – bleibt bis heute eine der beliebtesten Bibelübersetzungen. (vgl. Woodsworth 21999:41f; Die Bibel 1985:Anhang 57f)

Ähnlich wie Hieronymus stellte auch Luther Prinzipien auf, die seiner Meinung nach für eine gute Übersetzung notwendig waren. Man begann zu seiner Zeit langsam von der mittelalterlichen Vorstellung, dass eine gute Übersetzung von einer genauen Wort-für-Wort-Wiedergabe des Originals gekennzeichnet wäre, abzurücken. Nun legte man mehr Wert auf die Verständlichkeit und die richtige Wiedergabe des Sinns.

Luther hielt seine Überlegungen zum Übersetzen in zwei Schriften fest, im Sendbrief vom Dolmetschen und in den Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschen. Er stellte zum Beispiel Prinzipien zur Satzstellung, zu Verbindungsworten, Metaphern usw. auf und erkannte das Primat völliger Verständlichkeit, wie man es vorher nicht gekannt hatte. In seinem Sendbrief erklärte er, man müsse "nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, [...] sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen, und denselbigen auf das Maul schauen, wie sie reden und darnach dolmetschen" (Störig 1963:21).

Er war sich des Spannungsfeldes zwischen unbedingter Treue und erforderlicher Freiheit gegenüber dem Original bewusst und gilt deshalb als ein Wegbereiter für die Übersetzungstheorie in Deutschland. (vgl. Hohn 21999:92; Kirk 2002:2)

3.6. Erste englische Übersetzungen

Ähnlich wie für die deutsche Sprache gab es auch für die englische Sprache schon früh Bemühungen, die Bibel in die eigene Sprache zu übersetzen. Oft wird John Wycliff als Verfasser der ersten englischen Bibel genannt, doch viele Teile der Bibel waren schon mehrere Jahrhunderte zuvor übersetzt worden. So begann man gegen Ende des 7. Jahrhunderts schon mit Übersetzungen ins Altenglische, auch Angelsächsische genannt. Als sich die Sprache zu Mittelenglisch weiterentwickelte, nahm die Zahl der Übersetzungen zu.

3.6.1. John Wycliff

In diese Epoche fällt die einflussreiche Übersetzung der Bibel durch John Wycliff (auch Wycliffe oder Wyclif geschrieben), der auch als "Morning Star of the Reformation" gilt und zum Namensgeber der "Wycliff Bibelübersetzer" (siehe Punkte 3.7./3.9.) wurde. Da er keinen Zugang zu den hebräischen und griechischen Manuskripten hatte, übersetzte der Theologe und Oxfordprofessor Wycliff ausgehend von der lateinischen Vulgata die gesamte Bibel auf Englisch. Die handgeschriebene Arbeit wurde 1383 vollendet und mit Hilfe seiner Jünger und vielen Schreibern vervielfältigt. Anfang des 15. Jahrhunderts wurde das Lesen dieser Bibelübersetzung verboten und Wycliff selbst postum als Ketzer verurteilt.[3]

3.6.2. William Tyndale

Der Engländer William Tyndale war eine weitere wichtige Figur der Reformation. Er musste wie Luther seine Heimat verlassen, weil sein Vorhaben, die Bibel auf Englisch zu übersetzen, bei der Amtskirche auf Widerstand stieß. Seine Bibelübersetzung ins Mittelenglische erschien um 1530. Im Unterschied zu Wycliff hatte er neben der Vulgata die hebräischen und griechischen Urtexte verwendet.

"Tyndale übersetzte in die gesprochene Sprache des Volkes, nicht in die Schriftsprache der Gelehrten, und schuf damit eine Sprache für England, so wie es Luther für Deutschland getan hatte." (Woodsworth 21999:42) Für seine Arbeit waren ein Zusammentreffen mit Martin Luther sowie dessen Übersetzungsprinzipien eine große Inspiration. Tyndale wurde schließlich wegen seiner Übersetzertätigkeit zum Tode verurteilt und bei Brüssel auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Sein Werk blieb lange unbeachtet, doch als man sich näher mit seiner Übersetzung beschäftigte, die ihre besondere Qualität unter anderem seinen logischen und rhetorischen Fähigkeiten sowie seinen Kenntnissen in acht Sprachen verdankte, wurde Tyndale als "Patriarch der englischen Sprache und Literatur" anerkannt. (vgl. Woodsworth 21999:42)

3.6.3. Die King-James-Bibel

1604-1611 entstand im Auftrag des Königs James I von England die als King James Version (KJV) oder Authorized Version (AV) bekannte englische Übersetzung der Bibel für die Anglikanische Kirche. Erklärtes Ziel war nicht, "to make a new translation […] but to make a good one better" (vgl. Vorwort zur New King James Version[4]), indem die ausgezeichneten Arbeiten von William Tyndale und anderen reformatorischen Übersetzern revidiert und weiter verbessert wurden. Die fast 50 beteiligten Übersetzer schufen damit ein Werk, das nicht zuletzt aufgrund seines Stils und Sprachgebrauchs zur einflussreichsten englischsprachigen Übersetzung wurde.[5]

3.7. 16. bis 20. Jahrhundert

Mit der Reformationsbewegung und dem Buchdruck nahm die Zahl der Bibelübersetzungen rapide zu. Um 1800 standen Bibelteile in 68 verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Bis 1900 vervielfachte sich die Zahl auf 522 Sprachen (Kirk 2002:1).

In dieser Zeit entwickelten sich in mehreren Ländern unterschiedliche Übersetzungsströmungen. Immer wieder stellte sich die Frage, wie wörtlich eine Übersetzung sein müsse bzw. wie frei sie sein dürfe. Gerade in der Bibelübersetzung war die Frage nach der übersetzerischen Treue schon immer von besonderer Brisanz gewesen. Es wurden Theorien und Prinzipien formuliert, die mehr oder weniger starken Einfluss hatten.

Eine große Wende ereignete sich im 20. Jahrhundert. Durch ein neues Bewusstsein für Kommunikation und viele neuartige Kommunikationstechnologien wurde einerseits die Welt kleiner und andererseits bestanden Semantiker und Psychologen darauf, dass eine Botschaft, die nicht richtig kommuniziert werden könne, nutzlos sei. Mit der Zeit erkannten auch Werbefachleute und Politiker, wie wichtig die Verständlichkeit einer Botschaft ist.

Im Zusammenhang damit war einer der revolutionärsten Einflüsse auf die Übersetzung die Entwicklung der strukturellen Linguistik durch den Schweizer Indogermanisten Ferdinand de Saussure zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er gilt als Vater der modernen Linguistik und Begründer der Wende zur Synchronie. Seine Theorie verbreitete sich in verschiedenen Schulen in Europa und Amerika, und die von ihm entwickelten Methoden wurden in der Folge auch auf die Bibelübersetzung angewandt. Vorreiter dabei waren die Wycliff Bibelübersetzer, auch als SIL bekannt, die 1935 ins Leben gerufen wurden. Diese Organisation ist in der Bibelübersetzung tätig, legt aber auch einen Schwerpunkt auf wissenschaftliche Publikationen über Sprachen, linguistische Strukturen und Übersetzungstheorien. Neben den Wycliff Bibelübersetzern hat auch der Weltbund der Bibelgesellschaften (United Bible Societies, UBS) im 20. Jahrhundert einen wesentlichen Beitrag zur Übersetzung der Bibel in viele Sprachen der Welt geleistet. Sie wurde 1947 anlässlich einer internationalen Übersetzerkonferenz in den Niederlanden gegründet und gibt seit 1950 die vierteljährliche Zeitschrift The Bible Translator heraus. (vgl. Nida 1964:21)

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde der christlichen Gemeinde ihr internationaler Charakter neu bewusst und das Augenmerk richtete sich verstärkt weg von Europa und Amerika hin auf andere Teile der Welt. Bibelübersetzer erkannten, dass der Kern der biblischen Botschaft stets erhalten bleiben muss, doch die Art und Weise, wie diese Botschaft vermittelt wird, muss sprachlich und kulturell angemessen sein. Seit Hieronymus und Luther waren die besten Bibelübersetzungen dort entstanden, wo man diesem Prinzip Rechnung getragen hatte (vgl. Kirk 2002:12).

Ein Beispiel für Bemühungen in diese Richtung ist "Ethnomusicology", ein Forschungs- und Arbeitsbereich, dem bei den Wycliff Bibelübersetzern in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Beschäftigung mit diesem Bereich begann, als man sich bewusst wurde, dass Musik nicht einfach die universale Sprache ist, sondern dass man Menschen in einer anderen Kultur viel besser und effektiver erreichen kann, wenn man sich die Worte von Paulus aus 1 Kor 9,19-22 zu Herzen nimmt, in denen er sagt:

"19 [Ich habe] doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. 20 Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. […] 22 Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette."

In der Vergangenheit war es oft der Fall gewesen, dass Bibelübersetzer ihre eigene Musik in Bezug auf Instrumentierung, Tonsysteme, Harmonie, Rhythmus usw. "importiert" hatten und dadurch dazu beigetragen hatten, dass der christliche Glaube als eine "fremde Religion" angesehen worden war. Aktuell wird das Augenmerk darauf gelegt, dass man die lokalen musikalischen Traditionen wertschätzt und für die Verbreitung der biblischen Botschaft einsetzt.

3.8. Türkische Übersetzungen

3.8.1. Die erste Übersetzung

Einen sehr guten Überblick über die Geschichte der Bibelübersetzung ins Türkische bietet das freie evangelische Missionswerk Orientdienst auf seiner Internetseite[6].

Um 1660 herum beauftragte der türkische Sultan Mehmet IV. seinen Chefübersetzer, Ali Bey, die Bibel in die türkische (osmanische) Sprache zu übersetzen. Ali Bey hieß mit richtigem Namen Albertus Bobowsky. In Polen aufgewachsen, war er als Kind von den Tartaren entführt worden. Er wurde als Sklave nach Konstantinopel verkauft und kam an den Hof des Sultans. Aufgrund seiner außergewöhnlichen sprachlichen Fähigkeiten stieg er zum Hofübersetzer auf.

Die Übersetzung der Bibel dauerte von 1662 bis 1666. Der holländische Botschafter in Konstantinopel sandte das Manuskript zum Druck nach Holland, wo es bedauerlicherweise in den Regalen der Leidener Universitätsbibliothek landete und 150 Jahre lang verschwunden blieb. Nach Gründung der British and Foreign Bible Society wurde das Manuskript dort aufgespürt und mit ihrer Hilfe gedruckt. 1819 wurden die ersten 5000 Exemplare des Neuen Testaments in einer der arabischen Schrift sehr ähnlichen Schrift gedruckt, 1827 folgte die Veröffentlichung der gesamten osmanischen Bibel.

In den nächsten Jahrzehnten wurde die Übersetzung Ali Beys immer wieder überarbeitet und revidiert. Hauptsächlich durch die zahlreichen, im ganzen osmanischen Reich zerstreut lebenden christlichen Armenier erfuhr diese Bibel relativ weite Verbreitung. Doch als die Armenier zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfolgt und großteils vertrieben wurden, kam die Verbreitung fast zum Stillstand.

Als 1928 unter Atatürk im Zuge einer Reform der Sprache die lateinische Schrift in der Türkei eingeführt wurde, stellt man auch die türkische Bibel in lateinischer Schrift her. Die türkische Sprache veränderte sich zu dieser Zeit rasant, da man versuchte, möglichst viele persische und arabische Lehnwörter zu eliminieren und durch türkische Formen zu ersetzen. Das machte wiederum verschiedene Revisionen erforderlich. Die letzte Revision der (jetzt alten) Übersetzung wurde im Jahr 1941 von der Türkischen Bibelgesellschaft veröffentlicht. (vgl. Thomi/Henner 2009:7)

3.8.2. Kutsal Kitap – Yeni Çeviri

In den darauf folgenden Jahrzehnten stellte sich immer mehr heraus, wie groß der Bedarf an einer modernen Übersetzung der Bibel ins Türkische war. Als evangelikale Christen ab den 1960er Jahren die Bibel auch unter der muslimischen Bevölkerung zu verbreiten begannen, merkten sie bald, dass die Revision von 1941 zwar theologisch gut war, aber für den Großteil der Bevölkerung kaum verständlich war. Die einheimischen christlichen Minderheiten – Armenier, Aramäer und Griechen – hatten sich allerdings an die alte Sprache gewöhnt und hatten kein Interesse an einer neuen Übersetzung.

James Dannenberg (damals unter dem Namen Graham Clarke bekannt) gehörte zu diesen evangelikalen ausländischen Christen, die die Notwendigkeit einer neuen Übersetzung der Bibel erkannten. Er erzählte mir persönlich folgende Begebenheit: Anfang der 1970er Jahre besuchte er öfters ein Büchergeschäft im europäischen Teil Istanbuls und sprach mit dem Inhaber des Geschäfts, der ebenfalls aus einer der christlichen Minderheiten in der Türkei stammte, über die Notwendigkeit einer neuen Übersetzung. Der Inhaber war nicht davon zu überzeugen. Eines Tages betrat ein Student das Geschäft und blätterte die Bibel durch. Nach einiger Zeit meldete er sich: "Entschuldigen Sie bitte, aber ist dieses Buch auf türkisch geschrieben?" Dieses Erlebnis trug entscheidend dazu bei, dass in den nächsten Jahren mit der Arbeit an einer neuen Übersetzung begonnen wurde. Dabei ging die Initiative eindeutig von evangelikalen ausländischen Christen aus, wenn man auch auf eine Mitarbeit der wenigen aus dem Islam gewonnenen einheimischen Christen achtete.

Ab Mitte der 1970er Jahre wurde parallel an zwei verschiedenen Übersetzungen des Neuen Testaments gearbeitet, die beide etwa gleichzeitig fertig gestellt wurden (1988/1989). Für die nachfolgende Neuübersetzung des Alten Testaments sowie für die Veröffentlichung der ganzen Bibel konnten sich die beiden Gruppen einigen. Dafür wurden die beiden Neuen Testamente vom Bibelübersetzer Mahmud Solgun "zusammengelegt", indem das Beste von beiden Übersetzungen genommen und auf Kompatibilität mit dem Alten Testament geachtet wurde. Im Oktober 2001, 23 Jahre nach Beginn der Arbeit, wurde eine Übersetzung der vollständigen Bibel in modernem Türkisch unter dem Namen Kutsal Kitap – Yeni Çeviri (Heiliges Buch – Neue Übersetzung) der Öffentlichkeit vorgestellt. Seither wird nur noch diese Einheitsversion gedruckt und von fast allen christlichen Kirchen im Land verwendet. Für das Jahr 2009 ist die Herausgabe einer türkischen Studienbibel auf Grundlage der Anmerkungen zur englischen New International Version (NIV) und eines Bibelatlas geplant[7]. Zudem wird bereits über eine große Revision der Neuen Übersetzung nachgedacht, die einige unglückliche türkische Ausdrücke ausbessern soll (persönliche Korrespondenz mit Wiest 2009).

3.8.3. Andere Übersetzungen

Seit 2001 gibt es weitere Übersetzungsbemühungen, etwa eine sehr wörtliche Übersetzung, eine Übersetzung für die Zielgruppe der Studierenden in türkischen islamischen Universitäten, der Versuch einer so genannten "Muslim-friendly" Übersetzung, die alle für Muslime anstößigen Begriffe zu vermeiden sucht und deshalb vielfach auf Ablehnung von christlicher Seite stößt, eine Übersetzung für im Ausland lebende türkischsprachige Minderheiten, eine Übersetzung der Zeugen Jehovas usw.

3.9. Ausblick ins 21. Jahrhundert

Für das 21. Jahrhundert haben die christliche Gemeinde und mit ihr verschiedene Bibelübersetzungsorganisationen das Ziel, die eine, unveränderliche Botschaft der Bibel im Kontext der vielen sich verändernden Sprachen und Kulturen der Welt neu auszudrücken (Kirk 2002:12), wie dies zum Beispiel dank Erkenntnissen der Ethnomusicology (vgl. Punkt 3.7.) oder der Anthropologie geschieht.

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts und auch in Zukunft wird dabei besonderes Augenmerk auf die vielen Minderheitssprachen gelegt, von denen unzählige bis heute keinen Zugang zum Wort Gottes in einer für sie verständlichen Sprache haben. In diesem Zusammenhang ist die so genannte Vision 2025 der in Punkt 3.7. erwähnten Wycliff Bibelübersetzer zu erwähnen:

"Bis zum Jahr 2025 soll in jeder Volksgruppe, die eine Bibelübersetzung benötigt, ein Übersetzungsprojekt im Gange sein."[8]

Angesichts der Tatsache, dass von den im Jahr 2007 im Ethnologue erfassten 6912 lebenden Sprachen der Welt[9] noch über 4000 Sprachen keinen einzigen Teil der Bibel in ihrer Sprache zur Verfügung haben, sieht die Erreichung dieses Ziels aus menschlicher Sicht eher unrealistisch aus. Allerdings darf man auch nicht außer Acht lassen, wie stark sich das Tempo der Bibelübersetzung in den letzten Jahren beschleunigt hat. Mit 31. Dezember 2008 existierte die gesamte Bibel in 451 Sprachen, das Neue Testament in weiteren 1185 Sprachen und Bibelteile in nochmals 843 Sprachen, was insgesamt 2479 Sprachen ausmacht[10]. Für das 21. Jahrhundert kann man ebenfalls weitere wissenschaftliche und technische Errungenschaften sowie besser ausgearbeitete Übersetzungsmethoden, die die Übersetzung weiter erleichtern und beschleunigen werden, in die Kalkulation mit einbeziehen. Es besteht somit die Erwartung, dass in absehbarer Zeit Menschen aus allen Sprachen der Erde in einer für sie verständlichen Form Zugang zum Wort Gottes haben werden und sich damit der Kreis, der bei der babylonischen Sprachenverwirrung begonnen hat, zum Teil schließen wird. Damit wäre auch der in Punkt 3.2. erwähnte Ausblick auf eine Zukunft, in der eine Menschenmenge mit Vertretern aus allen Sprachen zu Gott kommt, theoretisch möglich gemacht. (vgl. Kirk 2002:1f)

3.10. Die untersuchten Grundtexte und Übersetzungen

Als Grundlage für meine Untersuchungen des Schlüsselbegriffs gerecht in Habakuk 2,4 ist natürlich erstens der hebräische Urtext des AT unerlässlich. Als nächstes untersuche ich die Wahl von Schlüsselbegriffen in zwei deutschen und einer türkischen Bibelübersetzung. Für das Türkische war die Auswahl nicht schwierig, da es zurzeit nur eine allgemein verwendete Übersetzung gibt, nämlich die Yeni Çeviri, die Neue Übersetzung von 2001. Für Deutsch habe ich zwei Übersetzungen ausgesucht – eine der untersuchten Übersetzungen ist vereinfacht gesagt eher ausgangstextorientiert und die andere zieltextorientiert.

3.10.1. Hebräisches AT - WLC

Die hebräischen Wörter und Texte in der vorliegenden Arbeit sind einer Online-Version[11] des Westminster Leningrad Codex (WLC) entnommen, der vom Westminster Hebrew Institute[12] herausgegeben wird. Unter Leningrad Codex versteht man die älteste vollständige Abschrift der Hebräischen Bibel aus dem Jahr 1008. Der Leningrad Codex ist ein masoretischer Text. Die Masoreten hatten den ursprünglich bloß aus Konsonanten bestehenden hebräischen Text seit etwa 700 n. Chr. mit Vokalzeichen versehen (vgl. Punkt 3.4.). In dieser Form war der Text weiter überliefert worden. Den meisten Bibelübersetzungen liegt der Text der Biblia Hebraica Stuttgartensia zugrunde. Sie ist eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe des Leningrad Codex mit allen wichtigen Textvarianten und Korrekturvorschlägen im textkritischen Apparat.[13]

3.10.2. Deutsche Bibel – LUT

Zitate aus der Bibel[14] nach der Übersetzung Martin Luthers (LUT) sind der revidierten Fassung von 1984 in ihrer Druckausgabe (vgl. Die Bibel 1985) oder Online-Version des Bibleservers[15] entnommen.

Allgemeines

Die Lutherbibel wurde erstmals 1534 herausgegeben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts, als die Originalsprache Luthers für viele Menschen immer schwerer verständlich wurde, versuchte die evangelische Kirche in Deutschland, die Übersetzung schonend dem gewandelten Sprachgebrauch anzupassen. Dieser Prozess kam 1984 mit der Herausgabe des revidierten Textes zu einem vorläufigen Abschluss. Die Lutherbibel ist auch heute noch der "Klassiker" unter den deutschen Bibeln.[16]

Sprachstil

Der Sprachstil der Lutherbibel ist gehoben und zum Teil etwas altertümlich. Luther verwendete kräftige, plastische Ausdrücke, die allerdings durch die Revision stellenweise gemildert wurden. Zum Erfolg seiner Übersetzung trug sein Prinzip bei, "dem Volk aufs Maul [zu] sehen". Seine Übersetzung hat die deutsche Literatur und Sprache nachhaltig beeinflusst und zum Beispiel mit Redewendungen zahlreiche Spuren im Sprachgebrauch hinterlassen.

Übersetzungstyp

Die Lutherbibel ist eher ausgangstextorientiert. Sie zählt als philologische Übersetzung, weist aber auch kommunikative Einschläge auf. Einerseits wird der Originaltext oft relativ wörtlich übersetzt, andererseits kann an Stellen, die dies erfordern, der Sinn auch sehr frei wiedergegeben werden. Für die biblischen Schlüsselbegriffe wurde stark auf Begriffskonkordanz geachtet und damit die für Luther typische "Schwerpunktbildung" geschaffen: Reformatorische Grundwörter wie Glaube oder Gnade wurden für eine Vielzahl von synonymen Begriffen in der Originalsprache eingesetzt. Mit Hilfe dieses Verfahrens lässt Luther die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders allein aus dem Glauben durch die ganze Heilige Schrift hindurch sichtbar werden.

Zielgruppe

Obwohl man die Lutherbibel nicht mehr zu den leicht zugänglichen Bibelübersetzungen zählen kann, ist sie noch immer sehr weit verbreitet, und zwar vor allem unter Lesern, die mit diesem Text aufgewachsen sind, aber auch unter Lesern mit historischen Interesse und ästhetischem Anspruch. In Deutschland ist sie der offizielle Text der evangelischen Kirchen für Gottesdienst und Unterricht.

3.10.3. Deutsche Bibel – GNB

Zitate aus der Gute Nachricht[17] Bibel (- Die Bibel in heutigem Deutsch) (GNB) stammen ebenfalls aus der Online-Version des Bibleservers[18].

Allgemeines

Die Gute Nachricht Bibel ist eine gemeinsame Bibelübersetzung im Auftrag der katholischen Bibelwerke und evangelischen Bibelgesellschaften des deutschsprachigen Raums und damit die erste vollständige ökumenische Bibel. Den Anstoß dazu hatte die Veröffentlichung des englischen NT unter dem Titel Good News for Modern Man – Today's English Version gegeben, das nach neuen Prinzipien[19] in einfaches Englisch übersetzt worden war. Es entstand der Wunsch, eine solche Übersetzung auch für die deutsche Sprache herzustellen. Das NT erschien erstmals 1967, nach mehreren Revisionsschritten kam 1982 die ganze Bibel als Bibel in heutigem Deutsch heraus, und 1997 wurde diese von der nochmals stark überarbeiteten Gute Nachricht Bibel abgelöst. Diese Bibelübersetzung fand großen Anklang und weite Verbreitung und ist als zuverlässigste der kommunikativen deutschen Übersetzungen anerkannt.

[...]


[1] vgl. Deutsche Bibelgesellschaft: Bibeltexte in 2479 Sprachen weltweit (Punkt 11.2.)

[2] Punkt 11.2.

[3] vgl. Wikipedia: English translations of the Bible und: Geschichte der Bibelübersetzung; vgl. Jeffcoat 2002: English Bible History (Punkt 11.2.)

[4] vgl. Marlowe: New King James Version (Punkt 11.2.)

[5] vgl. Wikipedia: Early Modern English Bible translations (Punkt 11.2.)

[6] vgl. Orientdienst (Punkt 11.2.)

[7] vgl. Katholisches – Magazin für Kirche und Kultur (Punkt 11.2.)

[8] vgl. Wycliff – die ganze Welt der Schrift: Vision 2025 (Punkt 11.2.)

[9] vgl. Ethnologue: Statistical Summaries (Punkt 11.2.)

[10] vgl. Aktion Weltbibelhilfe: Sprachen der Bibel (Punkt 11.2.)

[11] vgl. Biblos: Online Bible – Westminster Leningrad Codex Version (Punkt 11.2.)

[12] vgl. Westminster Hebrew Institute (Punkt 11.2.)

[13] vgl. Bibelwissenschaft: Die Biblia Hebraica Stuttgartensia (Punkt 11.2.)

[14] vgl. Bibelwissenschaft: Luther 1984 (Punkt 11.2.)

[15] vgl. Bibleserver (Punkt 11.2.), entwickelt und betrieben von ERF Online in Kooperation mit IBS Europe

[16] vgl. Bibelwissenschaft: Über die Lutherbibel (Punkt 11.2.)

[17] vgl. Bibelwissenschaft: Über die Gute Nachricht Bibel und: Gute Nachricht (Punkt 11.2.)

[18] vgl. Bibleserver (Punkt 11.2.)

[19] Prinzipien von Eugene A. Nida in "Toward A Science Of Translating", 1964

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Kriterien zum Übersetzen von Schlüsselbegriffen in der Bibel
Untertitel
am Beispiel von ṣaddik (gerecht) in Habakuk 2,4
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Translationswissenschaft)
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2009
Seiten
119
Katalognummer
V127902
ISBN (eBook)
9783640330065
ISBN (Buch)
9783640331857
Dateigröße
946 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Soli Deo Gloria!
Arbeit zitieren
Mag. Priscille Regez (Autor:in), 2009, Kriterien zum Übersetzen von Schlüsselbegriffen in der Bibel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127902

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