Schein statt Sein

warum unpolitische Eigenschaften von Politikern eine bedeutende Rolle spielen können - Eine Untersuchung des Nachrichtenfaktors Personalisierung


Term Paper, 2008

18 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Gliederung

1. Hinfuhrung zum Thema

2. Der Nachrichtenfaktor Personalisierung
2.1 Historische „Stationen“ der Personalisierung
2.2 Personalisierungs-Definitionen

3. Wirkungsrichtung, Konstruktion, Legitimation und Resultate von Personalisierungen
3.1 Handlungssystem Politik, Medien und Wahler
3.2 Konstruktion von Personalisierungen
3.3 Legitimation der Personalisierung
3.4 Kritik an der Personalisierung

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Hinfuhrung zum Thema

„Politischer Popstar wieder Willen“ „Vom Popper zum Regierenden“

(Meyer im Abendblatt vom 22.Februar 2008) (Kahlke in der Tageszeitung vom 15. Februar 2008)

„Ein Burgermeister zum Kuscheln“ „Ole fur alle“

(Neuburger in der mopo vom 14. Dezember 2007) (Lau in Die Welt vom 18. Februar 2008)

,,Glaubwurdiger, tatkraftiger, sympathischer“

(Husemann in die Suddeutsche Zeitung vom 26. Februar 2008)

Die einfuhrenden Formulierungen haben einige Gemeinsamkeiten. Zunachst stammen diese Schlagzeilen alle aus der Zeit der Hamburger Burgerschaftswahl, welche am 24. Februar 2008 stattfand. Zudem thematisieren die jeweiligen Artikel die Person Ole von Beust. Das besondere an dieser Thematisierung des Hamburger Burgermeisters ist, dass nicht der Politiker Ole von Beust im Mittelpunkt steht, sondern der Mensch. Dieses Phanomen, der Orientierung auf personliche Aspekte politischer Akteure, wird im Rahmen der Nachrichtenwertforschung als Personalisierung bezeichnet.

In dieser Arbeit wird aufgezeigt, wie das Zusammenspiel von Politikern, Medien und Wahlern dazu fuhren kann, dass nicht die Politik im Mittelpunkt der politischen Berichterstattung steht, sondern personliche Merkmale von einzelnen Politikern.

Hierbei wird zu Beginn der Verlauf der Erforschung von Nachrichtenfaktoren entlang des Faktors Personalisierung dargestellt. Die Bedeutung bzw. der mogliche Bedeutungszuwachs dieses Faktors ist in der Fachliteratur hochst umstritten. Wahrend Sarcinelli und Tenscher ,,keinen generellen Trend zur Personalisierung der Politik“ ausmachen (Sarcinelli/Tenscher 2003: 19), gewinnt die Personalisierung der Politik fur Meng an Bedeutung (vgl. Meng 2003: 179). Gerade diese Uneinigkeit in der Wissenschaft macht den Reiz einer Untersuchung der Wirkungsweise des Faktors Personalisierung aus. Da diese Differenzen bereits bei der eindeutigen

Begriffsfestlegung von Personalisierung beginnen, folgt nach einer historischen Betrachtung des Nachrichtenfaktors, ein Uberblick uber verbreitete Deutungsweisen.

Im folgenden Kapitel wird zunachst gezeigt, welche Rolle die Interaktion von Wahlern, Medien und Politikern fur die Bedeutung des Nachrichtenfaktors Personalisierung spielt. Daraufhin werden verschieden Handlungsweisen der betroffenen Akteure dargestellt, die dazu fuhren konnen, dass der Politiker, und nicht der politische Inhalt, im Mittelpunkt des offentlichen Interesses steht. Als nachstes werden Erklarungen aus verschiedenen Perspektiven angefuhrt, welche das zuvor beschriebene Handeln legitimieren. AbschlieBend gilt es, negative Wirkungen einer personalisierten Politikberichterstattung aufzuzeigen.

Bei der Recherche des beschriebenen Themas fiel auf, dass es sehr unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema Personalisierung gibt, aus denen hochst unterschiedliche Befunde resultieren. Die Wirkung des Nachrichtenfaktors Personalisierung ist ebenso umstritten, wie das Zustandekommen der Befunde. Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, den gesamten Forschungsverlauf der Personalisierung darzustellen. Vielmehr gilt es aufzuzeigen, wie Personalisierungen zu Stande kommen konnen und welche Resultate folgen.

2. Der Nachrichtenfaktor Personalisierung

Die Untersuchung von Nachrichtenfaktoren ist ein Teilbereich der Nachrichtenwertforschung. Die Nachrichtenwertforschung versucht Grunde dafur zu finden, warum aus einigen Ereignissen eine Nachricht wird, wahrend der GroBteil des Weltgeschehens niemals medial aufgearbeitet wird. Diese Selektion, welche aus Ereignissen Nachrichten macht, entscheidet anhand von einem Ereignis eigenen Charakteristika, ob selbiges einen Nachrichtenwert besitzt. Die Nachrichtenselektion an sich Jasst sich als Prozess der Auswahl, Prasentation und Rezeption bestimmter Ereignisse als Nachricht begreifen“ (Ruhrmann 2005: 317). Die Charakteristika, die einen Journalisten dazu veranlassen, aus einem Geschehen eine Nachricht zu machen, nennt man Nachrichtenfaktoren (vgl. Pfetsch/Perc 2004: 40). Personalisierung ist einer von zahlreichen Nachrichtenfaktoren, welche in der Forschung thematisiert werden. Im Folgenden wird nun der Forschungsverlauf der Nachrichtenfaktoren entlang der Personalisierung skizziert.

2.1 Historische „Stationen“ der Personalisierung

Die erste Untersuchung von Nachrichten und deren Eigenschaften, bei der der Nachrichtenfaktor Personalisierung genannt wurde, fand 1925 statt. Durchgefuhrt wurde die Forschung von Charles Merz in den USA (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 247). Da die Nachrichtenwertforschungen in den USA und Europa getrennt verliefen und sich folgerichtig kaum beeinflussten, werden im Folgenden nur noch europaische Forschungen erwahnt.

Den Beginn der europaischen Nachrichtenwertforschung begrundet eine Arbeit von Ostgaard aus dem Jahr 1965. Ostgaard machte drei Merkmale aus, welche den Nachrichtenwert eines Ereignisses steigern. Zu nennen sind hier „Vereinfachung“, „Identifikation“ und „Sensationalismus“ (vgl. Maier 2003: 30 f.). Die Personalisierung kann durchaus als ein Element der „Identifikation“ interpretiert werden. Eindeutig genannt wird die Personalisierung als einer von zwolf Nachrichtenfaktoren in der Arbeit von Galtung/Ruge noch im selben Jahr. Des Weiteren wird mit „Elite-Person“ ein Nachrichtenfaktor benannt, der durchaus Schnittmengen mit der Personalisierung hat. Diese Parallelen werden im Folgenden ebenso wenig thematisiert wie die weitere Ausdifferenzierung des Faktors „Elite-Person“.

Die nachste nennenswerte Entwicklung im Kontext der Nachrichtenfaktoren stellte eine Veroffentlichung von Schulz 1976 dar. Weitere Ausdifferenzierungen bestehender Nachrichtenfaktoren, sowie der zusatzliche Faktor Erfolg lieBen die Anzahl der Merkmale mit Nachrichtenwert auf achtzehn ansteigen, welche auf sechs Unterkategorien verteilte wurden. Die Personalisierung war Teil der Kategorie „Identifikation“, welche wiederum schon bei Ostgaard bestand. Dies zeigt exemplarisch, wie sehr sich die jeweiligen Wissenschaftler an der bereits existierende Forschung orientierten (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 250; Ruhrmann/Gobbel 2007: 12). Der Personalisierung wurde von Seiten der Wissenschaft schon recht fruh eine exponierte Stellung zugestanden. So nennt Schulz diesen Faktor als einen von vier Faktoren, welche einen besonders positiven publizistischen Effekt auf Ereignisse haben (vgl. Maier 2003: 41). Zudem kommt Wilke aufgrund einer Studie zu dem Schluss, dass die Personalisierung einer von zwei ,,langfristig stabilen Nachrichtenfaktoren“ sei (Wilke 1984: 230 f.).

Nach einer weiteren Ausdifferenzierung der Nachrichtenfaktoren auf zweiundzwanzig durch Staab (1990), sowie einer Reduktion durch Eilders (1997) auf dreizehn Nachrichtenfaktoren, bleibt festzuhalten, dass die Personalisierung von den Veranderungen im Laufe der Theoriehistorie nicht betroffen war. Jedoch ist die Personalisierung, anders als bei Staab, bei Eilders nicht ,,besonders wichtig fur den Beachtungsgrad einer Meldung“ (Eilders 1997: 191 f., vgl. Maier 2003: 43).

Auch wenn sich an der Begrifflichkeit der Personalisierung seit Beginn der Forschung nichts geandert hat, ist das Verstandnis was Personalisierung keineswegs einheitlich.

2.2 Personalisierungs-Definitionen

Zuerst definierten Galtung/Ruge 1965 das am weitesten gefasste Verstandnis von Personalisierung. Demnach trifft auf Ereignisse, die aus den Handlungen von Personen resultieren, der Nachrichtenfaktor Personalisierung zu (vgl. Schulz 1990: 18). Diese Definition ist im vorliegenden Kontext von Politikern nicht viel nutzlicher, als die Methode der Medien, mit der Kunstfigur ,,Mann von der StraBe“ alltagliches zu Personalisieren (vgl. Schulz 2008: 68). Auch die besondere mediale Zuwendung zu Ereignissen mit Beteiligung prominenter Personlichkeiten (vgl. Wentz 2005: 56) ist fur die vorliegende Arbeit nicht eng genug gefasst, obwohl auch sie eine Form der Personalisierung darstellt.

Als Grundlage fur die weitere Begriffsbestimmung kann die Definition von Lass (1995) gelten. Er unterteilt die Personalisierung in „spezifische“ und „globale“ Personalisierung. Mit der „spezifischen“ Personalisierung meint er, dass personliche Merkmale von Politikern die Medienselektion positiv beeinflussen. Unter „globaler“ Personalisierung ist die personalisierte Thematisierung politischer Ereignisse zu verstehen. Das heiBt, dass das Zustandekommen von einer politischen Entscheidung einer Person zugeschrieben wird, welche in der Folge fur die entsprechende Politik verantwortlich gemacht wird, obwohl es eine Entscheidung vieler war (vgl. Lass 1995: 10 f.).

Holtz-Bacha et al komprimieren die Definition von Lass darauf, dass „politische Realitat konstruiert wird unter Bezugnahme auf Personen“(Holtz- Bacha/Lessinger/Hettesheimer 1998: 241). Diese Definition kritisiert Lengauer zu recht als unvollstandig, da sie lediglich die „globale“ Ebene von Lass umfasst. Deshalb erganzt Lengauer die Ausfuhrungen von Holtz-Bacha et al mit einer kritischen Definition der „spezifischen“ Ebene. Personalisierung ist demnach eine mediale Thematisierung von politischen „Personlichkeitsprofile[n] (image) die sachpolitische Darstellung und Diskussion (issues) verdrangen und ersetzen [kann] “(Lengauer 2007: 137).

Weitere geringe definitorische Unterschiede sind bei Ohr zu finden. Der Verdrangung bzw. Ersetzung von sachpolitischen Elementen durch Personen in der Berichterstattung fugt er hinzu, dass die personenfixierte mediale Darstellung zu Lasten der Parteien stattfinde. Auch die zweite Ebene der Personalisierung fasst er enger. Die von den zuvor genannten Autoren ausgemachten personlichen Eigenschaften seien zudem unpolitisch

(vgl. Ohr 2005: 21 f.). Schulz ubernimmt die Definitionen von Ohr, teilt den beiden Formen allerdings Namen zu. Den Bedeutungszuwachs des Politikers gegenuber der Partei bzw. Politik nennt er „allgemeine“ Personalisierung. Die Wichtigkeit von personlichen, unpolitischen Politikereigenschaften bezeichnet er als „spezielle“ Personalisierung (vgl. Schulz 2008: 278).

Zusammenfassend sollen im weiteren Verlauf der Arbeit unter Personalisierung zum einen die Reduzierung von politischen Ereignissen (z.B. Wahlen) und Entscheidungen auf einzelne Politiker verstanden werden. Zum anderen die Uberlagerung von Sachentscheidungen und politischen Eigenschaften eines Politikers durch unpolitische Charakteristika der Person.

Eine interessante Perspektive fur die vorliegende Arbeit liefert Brettschneider. Er differenziert die „Personalisierung der Politik“ in drei Bereiche, welche aufzeigen, von wem die zuvor definierte Personalisierung ausgehen kann. Er unterscheidet die „Personalisierung der WahlkampffUhrung“, die „Personalisierung der Medienberichterstattung“, sowie die „Personalisierung des Wahlerverhaltens“ voneinander (vgl. Brettschneider 2002: 14). Die hier angedeutete Wirkungsrichtung der Personalisierung ist unter anderem Thema des nachfolgenden Kapitels.

3. Wirkungsrichtung, Konstruktion, Legitimation und Resultate von Personalisierungen

In diesem Kapitel soll der Prozess der Personalisierung nachvollzogen werden. Hierfur gilt es zunachst aufzuzeigen, von wem die Personalisierung ausgeht. Dabei hilft ein allgemeiner Blick auf die Interaktion von Politik, Medien und Wahler (3.1). Daraufhin sollen die Strategien und Handlungsweisen der beteiligten Akteure beleuchtet werden (3.2). Im Folgenden wird dargestellt, wie das zuvor beschriebene Vorgehen legitimiert werden kann (3.3). AbschlieBend gilt es zu klaren, welche Folgen die Interaktion von Politik, Medien und Wahler in Bezug auf die Personalisierung haben (3.4).

[...]

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
Schein statt Sein
Subtitle
warum unpolitische Eigenschaften von Politikern eine bedeutende Rolle spielen können - Eine Untersuchung des Nachrichtenfaktors Personalisierung
College
University of Hamburg  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Course
Politik und Kommunikation
Grade
1,3
Author
Year
2008
Pages
18
Catalog Number
V127988
ISBN (eBook)
9783640345380
ISBN (Book)
9783640345229
File size
568 KB
Language
German
Keywords
Schein, Sein, Eigenschaften, Politikern, Rolle, Eine, Untersuchung, Nachrichtenfaktors, Personalisierung
Quote paper
Arne Michel Mittasch (Author), 2008, Schein statt Sein, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127988

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Schein statt Sein



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free