Ausgehend vom Wissenschaftsverständnis und grundlegenden pädagogischen Vorstellung Ernst Kriecks, stellt der Autor dessen Vorstellungen einer Neuen Hochschule für das "Dritte Reich" dar, wobei er sich an die Darstellungen von Ernst Krieck selbst hält. Zu diesem Zwecke werden exemplarische Schriften Kriecks aus den Jahren 1922 bis 1940 herangezogen. Die überschaubare Sekundärliteratur zum Thema findet daneben auch ihren angemessenen Platz. Letztlich werden noch Gründe für das Scheitern der Reformvorhaben, trotz vermeintlich günstiger Bedingungen zwischen 1933 bis 1945, diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Historische Rahmenbedingungen
III. Die Wissenschaftstheorie Ernst Kriecks
IV. Erziehung und Bildungssystem
V. Hochschulreform
VI. Scheitern der Hochschulreform
VII. Schlusswort
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Ernst Krieck (1882-1947) war vielleicht der einflussreichste Pädagoge des Dritten Reichs. Sein unerschütterter Glaube an die „Gesetze“ von Volk und Rasse, an die „schicksalhafte Aufgabe“ Deutschlands und an die Notwendigkeit streng pragmatischen, an Erfolg ausgerichteten Handelns, ist in seinem ganzen Schrecken sicher exemplarisch für die Vordenker und Denker dieser finsteren Epoche unserer Geschichte. Dabei zeichnet sich Kriecks umfangreiches Werk durch eine erstaunliche Stringenz aus: Vom Kleinsten Erklärungsversuch bis zur weit reichenden Theorie erklärt er alles mit denselben vermeintlich grundlegenden Erkenntnissen der „völkischen Philosophie“. Und trotz der Tatsache, dass all dies in der heutigen Zeit, zumal in der Pädagogik, keine reale Bedeutung mehr hat, lohnt eine Beschäftigung mit seinen Gedanken, „weil sie ihrem genuinen Gehalt nach gedankliche Instrumente zur Legitimation von Herrschaftsverhältnissen sind.“[1] In Kriecks Fall sind dies Herrschaftsverhältnisse die zu jeder Zeit eine Bedrohung für Freiheit und Gerechtigkeit darstellen, und Argumentationsweisen, zu denen auch heute noch immer wieder Parallelen festzustellen sind. So hat Kriecks Werk leider doch eine tagesaktuelle Brisanz:
Denn gerade mit dem in jüngster Vergangenheit aufkeimenden Rechtsradikalismus erhalten Topoi eine neue Aktualität, die Kriecks Werk entnommen sein könnten und die man bis gestern einer längst bewältigten faschistisch-nationalen Vergangenheit zugeordnet haben mag.[2]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da Kriecks Werk ausgesprochen umfangreich ist, selbst in Bezug auf dieses eng eingegrenzte Thema, kann in dieser Arbeit nur auf einige exemplarische Werke eingegangen werden, insbesondere wenn versucht werden soll, seine Gedankengänge nachzuzeichnen. Gerade bei der Eingrenzung des Themas stand der Autor schon vor schwierigen Problemen: Kriecks Arbeiten beziehen sich stark aufeinander, welche also auswählen und welche weglassen? Um dennoch eine stringente Darstellung zu erreichen, nähert sich die Arbeit ihrem Hauptthema, der Beschreibung von Kriecks Vorstellungen einer notwendigen Hochschulreform, in drei Schritten. Nach einem skizzenhaften Umriss der historischen Rahmenbedingungen folgen je ein kurzer Überblick über seine Wissenschafts- und Erziehungs-/Bildungstheorie. Eine Darstellung der Gründe für das Scheitern der Hochschulreform in der Realität schließt diese Arbeit ab.
II. Historische Rahmenbedingungen
Was sind die Ausgangsbedingungen, die Ernst Krieck bewegten, die Hochschulen reformieren zu wollen? In welchem geistigen Umfeld entstanden seine Theorien? Insbesondere, da er, wie noch zu zeigen sein wird, nicht nur administrative Neustrukturierung, sondern eine komplett neue Wissenschaftstheorie entwickeln wollte.
Als erstes muss festgestellt werden, dass nationalistische Tendenzen im Hochschulbereich bei Weitem nicht erst ab 1933 festzustellen sind. Wolfgang Keim konstatiert solche schon in der Weimarer Republik: „Die Ablehnung des Weimarer Staates durch die alten Eliten in Hochschule und höherer Schule … stellten von Anfang an eine Belastung für die Republik dar.“[3]
Die Gründe für diese Einstellungen sind vielschichtig. Da waren die Angst vor dem Verlust alter Privilegien, die der Professorenstand in den vergangenen Zeiten mitbrachte, die als Bedrohung empfundene zugenommene Arbeitslosigkeit von Akademikern und nicht zuletzt der Verlust der vertrauten gesellschaftlich-politischen Ordnung, mithin auch der Eindeutigkeit der geistig-politischen Orientierung.[4] Die mit den neuen Vorstellungen von Freiheit und Demokratie verbundenen Verlustbefürchtungen und –empfindungen wirkten sich auf die Professoren und andere Angehörige des akademischen Bereiches vermutlich besonders stark aus, da das Selbstverständnis als Elite dem ständischen Bewusstsein näher stand als dem neuen staatsbürgerlichen oder gar sozialistischen Vorstellungen. So hätten die etablierte Professoren auch dafür gesorgt, dass Sozialisten an den Hochschulen keine Ordinariate (Professuren) mehr erhielten.[5]
Auch für die Studentenschaft stellt Keim überwiegend nationalistische und antidemokratische Einstellungen fest und findet dies in den Aktivitäten der Freikorps und in Mord- und Gewaltaktionen, die von Studenten ausgingen, bestätigt.[6]
Bei solchen Voraussetzungen wundert es dann nicht, dass es ab 1933 schnell zu ernsten Konsequenzen an den Hochschulen kam. So fanden massive Entlassungen statt, bis 1936 betraf dies 14 % des Lehrkörpers, wogegen es kaum Proteste gab.[7] Auch die AStAs waren schnell in der Hand von Nationalsozialisten und der nationalsozialistische deutsche Studentenbund (NSDStB) bekämpfte offen konkurrierende Studenten und jüdische und sozialistische Dozenten, organisierte Demonstrationen und Bücherverbrennungen.[8]
Es muss also davon ausgegangen werden, dass nationalsozialistische Ideologien an den Universitäten auf fruchtbaren Boden fielen und nicht erst von Außen diesen aufgezwungen werden mussten. Dabei besteht eine Kontinuität von nationalistischen Ideen, die auch während der Weimarer Republik keinen wesentlichen Abbruch erfuhr, im Gegenteil: „darüber hinaus [gaben die Universitäten] antidemokratische Einstellungen an die nachwachsenden Führungsschichten weiter.“[9]
III. Die Wissenschaftstheorie Ernst Kriecks
„Das Zeitalter der ‚reinen Vernunft‘, der ‚voraussetzungslosen‘ und ‚wertfreien‘ Wissenschaft ist beendet“[10], so beginnt Ernst Krieck seine „Nationalpolitische Erziehung“. Diese 1932 erstmals erschienene Schrift muss wohl als grundlegendes Werk Kriecks angesehen werden, erschienen doch bis 1941 80.000 Exemplare.[11] Da er seine Hochschulreform grundsätzlich aus seiner Wissenschaftstheorie herleitet, ist es nützlich, diese hier kurz zu skizzieren.
Das größte Problem der Wissenschaft sah Krieck in ihrer Zersplitterung in (Fach-) Einzelwissenschaften, so erscheint dieser Punkt immer wieder, wo immer er über Wissenschaft und Hochschule schreibt, z.B.: „…sie [die Wissenschaft] erhob sich zum Selbstzweck, sie verlor sich in stets weiter aufgespaltenem Spezialistentum, in der Flut der Fächer, der Stoffe und Gegenstände“.[12]
So sehr er dieses „Problem“ auch immer wieder in seinen Schriften erwähnt, ist diese Erkenntnis weder neu noch originell: Wenn Platon am Kopf seines Staates die Philosophen sieht, wenn mit Bezug auf Leonardo da Vinci oder Johann Wolfgang Goethe vom Geniegedanken gesprochen wird, dann ist dies immer auch die Suche nach einem alles Wissen vereinenden Gliedes. Auch der von ihm geforderte, noch zu beschreibende, pragmatische Aspekt der Wissenschaft, ja allen Wissens überhaupt ist in ähnlicher Form auch in der neutestamentarischen „Goldenen Regel“ oder Kants Imperativen zu finden, wenn dort vor der Erkenntnis das rechte Tun hervorgehoben wird. Damit soll nur festgestellt werden, dass Kriecks Wissenschaftstheorie, im Widerspruch zu seinen eigenen Behauptungen, überhaupt nicht neu oder revolutionär war.
Für Krieck dient die Wissenschaft sowohl der Erkenntnis der Wirklichkeit, als auch pragmatischen Zielen, insofern sie die Welt verändern kann und soll: „Wissenschaft ist die Weise der Bewältigung und Gestaltung der Welt durch methodische Erkenntnis.“[13]
Bei der Frage nach der Erkenntnis kommt er auf das Problem der Subjektivität: Jeder Mensch ist zu jeder Zeit Subjekt, eine objektive Erkenntnis nicht möglich: „Lage und Lebensaufgabe des Erkennenden bestimmen seine Erkenntnis.“[14] Krieck sieht in dieser Tatsache jedoch einen wesentlichen Grund für die „Zersplitterung“ in Teildisziplinen und konstatiert damit einen Grundirrtum der Wissenschaften, da eben nicht Teile sondern stets die ganze Welt Gegenstand der Erkenntnis sei: „alles ist in alles verflochten, alles ist Glied und Teil einer Totalität, die einziger Erkenntnisgegenstand ist.“[15]
Dieses erkenntnistheoretische Paradoxon, einerseits zu wissen, dass die Welt insgesamt mehr ist als die Summe einzeln zu betrachtender Aspekte, andererseits aber ebenfalls zu wissen, dass sich das Ganze der Wirklichkeit nie vollständig beschreiben lässt, ist ebenfalls nicht neu, man denke an Platons Höhlengleichnis oder Heisenbergs Unschärferelation. Wie es jedoch durch eine ideologische Theorie, also wiederum einem (innersystemischen) geistigen Konstrukt gelöst werden soll, bleibt er schuldig.
[...]
[1] Wojtun, Helmut: Die politische Pädagogik von Ernst Krieck und ihre Würdigung durch die westdeutsche Pädagogik, Frankfurt/M. u.a. 2000, S. 13
[2] Ebd. S. 14f
[3] Keim, Wolfgang: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Bd. 1: Antidemokratische Potentiale, Machtantritt und Machtdurchsetzung, Darmstadt 1995, S. 29
[4] Vgl. ebd. S. 24
[5] Vgl. ebd. S. 25
[6] Vgl. ebd. S. 26
[7] Vgl. ebd. S. 159f
[8] Vgl. ebd. S. 162
[9] Ebd. S. 29
[10] Krieck, Ernst: Nationalpolitische Erziehung, 9. u. 10. Aufl., Leipzig 1933, S. 1
[11] Vgl. Giesecke, Hermann: Hitlers Pädagogen. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Erziehung, Weinheim, München 1993, S. 43
[12] Krieck 1933 S. 159
[13] Krieck, Ernst: Wissenschaft Weltanschauung Hochschulreform, Leipzig 1934, S. 78
[14] Krieck 1933 S. 2
[15] Ebd. S. 4
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