In dieser Arbeit werden verschiedene handlungs- und produktionsorientierte Verfahren für den Deutschunterricht präsentiert. Die Relevanz des Gebrauchs handlungs- und produktionsorientierter Methoden für den Deutschunterricht wird in Bezugnahme zu dem außerschulischen Umgang mit Künsten verdeutlicht. Anschließend werden unterschiedliche methodische Grundtypen und konkrete Möglichkeiten der Umsetzung dieser anhand von Beispielen für die Verwendung im Deutschunterricht vorgestellt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Parallelen zum außerschulischen Umgang mit Künsten
3.1. Methodische Grundtypen: Vom Fragment zum Text
3.2. Methodische Grundtypen: Vom Original zur Transformation
3.3. Methodische Grundtypen: Körperliche, visuelle und musikalische Ausdrucksformen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den letzten zwanzig Jahren entstanden in der Literaturdidaktik Positionen, die sich gegen die traditionellen Unterrichtsmodelle wendeten. Eine dieser Positionen ist der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht.1 Der handlungsorientierte Deutschunterricht befasst sich mit aktiven, kreativen und emotionalen Handlungsmethoden, bei denen die Schüler/innen mit Ausdrucksformen arbeiten, die außerhalb der Tätigkeit des Schreibens liegen und verstärkt andere Sinne ansprechen.2 Tätigkeitsbereiche des handlungsorientierten Unterrichts können zum Beispiel Musizieren, Filmen oder Zeichnen sein. Der produktionsorientierte Literaturunterricht beschäftigt sich mit produktiven Verfahren, bei denen die Schüler/innen unter anderem eigene Texte herstellen oder Originaltexte variieren. Der Anspruch, ein solches Konzept in den Deutschunterricht einzubetten, entstand aus der Annahme, dass die traditionellen Unterrichtsmethoden, vor allem bei eher praktisch statt intellektuell begabten Schüler/innen, zu wenig Anklang fanden und dies zu einer geringen Motivation führte.3 Die unkonventionellen Methoden des handlungs- und produktionsorientieren Deutschunterrichts sollten es den Schüler/innen ermöglichen, sich wieder für Literatur zu begeistern, weil durch diese die Phantasie, die Individualität und der Tätigkeitsdrang der Lernenden entsprechend genutzt werden.4
2. Parallelen zum außerschulischen Umgang mit Künsten
Die Autoren vergleichen die handlungs- und produktionsorientierten Verfahren im Deutschunterricht mit Praktiken, die im außerschulischen Umgang mit künstlerischen Werken benötigt werden. Als eine Methode wird die Restauration benannt, bei der ein ästhetischer, beschädigter Gegenstand originalgetreu wiederhergestellt werden soll.5 Bei dieser Vorgehensweise wird eine Annäherung an das Original gefordert, bei der der Handelnde sich in den Dienst des Werkes stellt. Diese Tätigkeit erfordert eine Einlassung auf ein selbstloses und distanziertes Verhältnis. Eine andere Praktik, die als Pendant zur Restauration aufgefasst wird, ist die Transformation, bei der der Künstler ein anderes ästhetisches Werk zum Anlass eigener Gestaltungen nutzt.6 Bei dieser Methode wurde der Handelnde in genaue Kenntnis über das Original gesetzt. Er befindet sich zum einen in einer analytischen Auseinandersetzung, aber auch in persönlicher Adaptation mit diesem, bei der er das Werk für seine Zwecke nutzbar macht. Der Künstler handelt bei diesem Verfahren selbstbezogen und somit auch identifizierend und intim. Zwischen diesen zwei gegensätzlichen Methoden gibt es ein großes Spektrum an Möglichkeiten, auf die Haas, Spinner und Menzel verweisen. Sie benennen exemplarisch einige Beispiele: die Übersetzung eines Romans in eine andere Sprache, das Parodieren von Texten, die Umgestaltung eines Prosawerks in ein dramatisches Werk.7 Die erwähnten Operationen lassen sich alle auf den handlungs- und produktionsorientierten Deutschunterricht beziehen, da die Schüler/innen, ähnlich wie bei den genannten außerschulischen Verfahren, ein handwerkliches Verhältnis zur Literatur einnehmen sollen.8 Die Vorstellung der genannten Methoden zeigt auch, dass nicht alle Praktiken dieses Konzepts zwingend kreativ sein müssen. Es gibt auch eine Vielfalt an Möglichkeiten von reproduktiv-nachgestaltenden und produktiv-umgestaltenden Methoden. Die Gemeinsamkeit aller Vorgehensweisen besteht darin, dass die Schüler/innen sich mit den literarischen Werken handelnd und später emotional, nachdenklich oder auch kreativ auseinandersetzen müssen.9 Die Verfahren zielen ebenso alle darauf ab, über den Text nachdenken zu müssen und etwas mit diesem zu tun. Im Kontext dieser Ansicht kritisieren die Autoren, dass diese beiden Schritte in der Schule oftmals zu weit auseinanderliegen. Ihrer Meinung nach werden die Schüler/innen zu schnellen interpretatorischen Einsichten gedrängt, was sich kontraproduktiv auswirkt. Haas, Menzel und Spinner fordern, dass zunächst der emotionale Zugang zu Texten auf gelassene Art und Weise gefestigt werden muss, bevor darauf kognitive Prozesse aufgebaut werden können.10
3.1. Methodische Grundtypen: Vom Fragment zum Text:
Die Autoren führen eine Methode an, die sich zwischen Wiederherstellung und Transformation bewegt. Den Schüler/innen wird dabei ein fragmentarischer Text oder ein Gedicht vorlegt und diese sollen die Leerstellen selbstständig, ohne das entsprechende Gedicht oder den Text zu kennen, ausfüllen.11 Bei dieser Aufgabenstellung können die Schüler/innen sowohl ihre poetischen, als auch ihre realen Erfahrungen einfließen lassen. Jeder kommt zu anderen Ergebnissen und hat sich von den vorgegebenen Elementen des Textes leiten lassen, aber auch Eigenes hinzugefügt. Diese Operation befürworten die Autoren mit der Begründung, dass den Schüler/in- nen hierdurch die Besonderheiten eines Textes oder Gedichts wesentlich stärker auffallen.12 Meistens entspricht das Original nicht den Vorstellungen der Schüler/innen, was zu Überraschung, Irritation, oder auch Wut führen kann. Dies sind aber alles wünschenswerte Reaktionen, da sich dadurch die Interpretationsdiskurse verstärken.13 Als Beispiel führe ich im Folgenden ein romantisches Gedicht von J. von Eichendorff an, welches mit Lücken versehen ist, die die Schüler/innen ausfüllen sollen.14 Diese Aufgabe bietet sich, aufgrund des Schwierigkeitsgrads und der Behandlung der romantischen Epoche, für die Oberstufe an.
Joseph von Eichendorff (1841): Frühlingsnacht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anhand des Beispiels dieses romantischen Gedichts könnte man zum einen untersuchen, ob die Schüler/innen, die das Thema der Romantik bereits in Unterricht behandelt haben, aber nicht über den epochalen Hintergrund des Gedichts informiert worden sind, die für die Romantik typischen Motive wie Frühlingsdüfte, Wunder, Mond erkennen und weitere in die leeren Stellen einbauen. Eine solche Zielsetzung ist jedoch sehr hoch gegriffen und eine, vermutlich auch für die Oberstufe, zu anspruchsvolle Anforderung. Eine andere Zielvorstellung ist gegeben, wenn die Schüler/innen über die Epoche des Gedichts in Kenntnis gesetzt werden und diese im Unterricht aktuell thematisieren. Bei diesem Vorhaben könnte man erproben, ob den Schüler/innen weitere romantische Motive einfallen, die sie dann einsetzen könnten. Neben den inhaltlichen Faktoren des Gedichts könnten man überdies ermitteln, ob die Schüler/innen sich an dem gegebenen Reimschema des Kreuzreims, das in der ersten und letzten Strophe verwendet wird, orientieren und dieses in der mittleren Strophe fortführen oder sich diesem widersetzen. Es können auch weitere sprachliche Aspekte untersucht werden.
[...]
1 Vgl. Gerhard Haas/Wolfgang Menzel, Kasper H. Spinner: „Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht.“ In: Praxis Deutsch 21 (1994), H. 123. S. 17.
2 Vgl. ebd., S. 21.
3 Vgl. ebd., S. 17.
4 Vgl. ebd., S. 17.
5 Vgl. ebd., S. 19.
6 Vgl. ebd., S. 19.
7 Vgl. ebd., S. 19.
8 Vgl. ebd., S. 19.
9 Vgl. ebd., S. 20.
10 Vgl. ebd., S. 20.
11 Vgl. ebd., S. 20.
12 Vgl. ebd., S. 20.
13 Vgl. ebd., S. 20.
14 Eichendorff, Joseph von: „Sämtliche Werke des Freiherrn Joseph von Eichendorff.“ In: Gedichte: Sämtliche Werke. 1 Bd. Begr. v. Wilhelm Kosch. Hrsg. v. Hermann Kunisch. Regensburg 1993. S. 239.
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- Bianca Butterweck (Autor:in), 2017, Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1281538