Diese Arbeit beschäftigt sich mit den generischen Unternehmenseigenschaften der Lebensmittelindustrie im mittleren Marktsegment.
Das mittlere Marktsegment gilt ökonomisch betrachtet für Unternehmen allgemein als unattraktiv und wenig lohnend. Entsprechend finden sich dafür Beschreibungen wie „Mittelklasse“, „eines von vielen“ und „nicht differenziert“.
Nach den Theorien von Michael Porter (2013), einem der führenden Wirtschafts- und Managementtheoretiker an der Harvard Business School, können Unternehmen nicht erfolgreich in der Mitte angesiedelt sein, sondern wollen (und sollen) sich langfristig in eine klare Positionierung als Kosten- oder Qualitätsführer bewegen.
Dennoch existieren Unternehmen, welche sich, ob absichtlich oder unbeabsichtigt, in diesem Segment positionieren und sich dort langfristig nachhaltig behaupten können. Offensichtlich verfügen daher Unternehmen in der mittleren Marktposition durchaus über eine oder mehrere Unique Selling Proposition (USP), die ihnen dort eine Existenz ermöglicht, was einen Widerspruch zur in der Wirtschaftstheorie verbreiteten Meinung darstellt. Gleiches trifft auch auf die Lebensmittelindustrie zu.
Unter dem Begriff der Lebensmittelindustrie wird die – den Erzeugern von Lebensmitteln im primären Wirtschaftssektor nachgelagerte – Industrie bezeichnet, deren Produkte der menschlichen Ernährung dienen. Der Begriff Industrie als solches steht für verarbeitende Werke, welche durch die Transformation von Roh- und Hilfsstoffen unter Einbezug von Produktionsressourcen Produkte für die Nachfrager erstellen. Zu den wichtigsten Sparten gehören die Milch-, Fleisch-, Käse-, Backwaren-, Getränke- und Süßwarenindustrie.
Es soll das Phänomen der im mittleren Segment erfolgreichen Unternehmen der Lebensmittelindustrie betrachtet und dabei untersucht werden, ob und inwiefern eine Position in der Mitte langfristig nachhaltig sein kann.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang also die Frage, ob diese Positionierung lediglich auf eine bestimmte Zeitdauer beschränkt ist, da sich nach Michael E. Porter alle Unternehmen langfristig in eine klare Positionierung als Kosten- oder Qualitätsführer bewegen möchten (und sollen). Inwiefern wäre es für ein Unternehmen möglich, sich langfristig in der Mitte zu positionieren? Im Zuge der Formulierung der Problemstellung soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie eine Position in der Mitte auf Dauer nachhaltig sein kann.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 PROBLEMSTELLUNG
2.1 Generelle Ausgangslage
2.1.1 Definition mittleres Marktsegment
2.1.2 Definition Stuck in the Middle
2.1.3 Definition Diversifikation
2.1.4 Zusammenhänge der Begrifflichkeiten
2.1.5 Marktentwicklung im Bereich Consumer Goods
2.1.6 Bedeutung und Kritik des Value- bzw. Wert-Begriffs
2.1.7 Kundenwahrnehmung der Qualität industriell hergestellter Lebensmittel
2.1.8 Definition des Kundensegments von Produkten im mittleren Marktsegment
2.1.9 Fazit der generellen Ausgangslage
2.2 Spezifische Ausgangslage von Lebensmittelmarkt und -industrie
2.2.1 Ausgangslage US-amerikanischer Lebensmittelindustrie und -markt
2.2.2 Lebensmittelindustrie und -markt in Deutschland
2.2.3 Ausgangslage Schweizerische Lebensmittelindustrie und -markt
2.2.4 Heutiges Marktumfeld der Lebensmittelindustrie
2.2.5 Zukünftiges Marktumfeld der Lebensmittelindustrie
2.3 Ergebnisse der Literaturanalyse
3 ERKENNTNISINTERESSE UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT
3.1 Zielgruppen
3.2 Hybride Wettbewerbsstrategien
3.3 Auswirkungen der Digitalisierung auf die Marktpositionierung
4 FORSCHUNGSSTAND
4.1 Das vernachlässigte mittlere Marktsegment
4.2 Nichtmachbarkeit des Überlebens im mittleren Marktsegment
4.3 Nachteile einer Positionierung im mittleren Marktsegment
4.4 Kunden- und Unternehmensvorteile durch Produkte des mittleren Marktsegments
4.5 Unternehmensstärken bei Positionierung im mittleren Marktsegment
4.6 Untersuchung zur bewussten Positionierung von Lebensmittelherstellern im mittleren Marktsegment
4.7 Erfolgreiche Positionierung im mittleren Marktsegment
4.8 Zusammenfassung des Theorieteils
4.8.1 Zusammenfassung: Das vernachlässigte mittlere Marktsegment
4.8.2 Zusammenfassung: Nichtmachbarkeit des Überlebens im mittleren Marktsegment
4.8.3 Zusammenfassung: Nachteile einer Positionierung im mittleren Marktsegment
4.8.4 Zusammenfassung: Vorteile einer Positionierung im mittleren Marktsegment
4.8.5 Zusammenfassung: Unternehmensstärken bei Positionierung im mittleren Marktsegment
4.8.6 Zusammenfassung: Bewusste Positionierung im mittleren Marktsegment
4.8.7 Zusammenfassung: Erfolgreiche Positionierung im mittleren Marktsegment
4.9 Zusammenfassung
4.10 Zu erhebende Informationen
5 FORSCHUNGSFRAGE
5.1 Forschungsfrage
5.2 Thesen und Hypothesen
5.2.1 These und Hypothese 1
5.2.2 These und Hypothese 2
5.2.3 These und Hypothese 3
5.2.4 These und Hypothese 4
5.2.5 These und Hypothese 5
5.2.6 These und Hypothese 6
5.2.7 These und Hypothese 7
6 METHODISCHES VORGEHEN
6.1 Methodik
6.2 Begründung für die Auswahl des Verfahrens
6.2.1 Vorgehen für das mündliche Interview
6.2.2 Aufzeichnung und Transkription
6.2.3 Aufbau Fragenkatalog für Interview
6.2.4 Fragenkatalog
6.2.5 Auswahl der Experten
6.2.6 Kontakt zu Experten für die persönlichen Interviews
6.2.7 Übersicht über die Experten für das persönliche Interview
6.2.8 Vertraulichkeit der Interviews
6.2.9 Qualitätssicherung
6.3 Planung und Ablauf der Interviews
6.3.1 Interviewer
6.3.2 Ablauf der Interviews
6.3.3 Ziel der Befragung
6.3.4 Vertraulichkeit und Protokollierung
6.4 Testinterview
6.5 Qualitative Inhaltsanalyse
6.5.1 Strukturierende Inhaltsanalyse
6.5.2 Kategoriensystem
6.5.3 Textstellenbezeichnung
6.6 Zusammenfassung des formellen Vorgehens
6.7 Durchführung der Interviews
7 ERGEBNISSE
7.1 Beschreibung Kodierleitfaden
7.2 Fallstudie
7.3 These 1
7.4 These 2
7.5 These 3
7.6 These 4
7.7 These 5
7.8 These 6
7.9 These 7
8 DISKUSSION UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE
8.1 These 1 & Hypothesen 1.1, 1.2 und 1.3
8.2 These 2 & Hypothesen 2.1, 2.2 und 2.3
8.3 These 3 & Hypothesen 3.1, 3.2 und 3.3
8.4 These 4 & Hypothesen 4.1 und 4.2
8.5 These 5 & Hypothesen 5.1, 5.2 und 5.3
8.6 These 6 & Hypothesen 6.1 und 6.2
8.7 These 7 & Hypothesen 7.1 und 7.2
8.8 Abgrenzung
8.9 Beantwortung der Forschungsfrage
8.9.1 Teilfrage 1
8.9.2 Teilfrage 2
8.9.3 Teilfrage 3
8.9.4 Fünf Strategien für das mittlere Segment
8.9.5 1. Strategie: Opportunismus
8.9.6 2. Strategie: Abdeckung einer Marktnische
8.9.7 3. Strategie: Anpassung des Preis-Leistungs-Verhältnisses
8.9.8 4. Strategie: Kundenspezifische Produktion
8.9.9 5. Strategie: Symbiose mit anderen Segmenten und Geschäftsfeldern
8.10 Fallstudie Helvetic Waters AG
8.11 Kritische Würdigung
8.12 Anwendbarkeit und Restriktionen
9 ZUSAMMENFASSUNG
10 LITERATURVERZEICHNIS
11 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
12 TABELLENVERZEICHNIS
13 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
14 GLOSSAR
1 Einleitung
Das mittlere Marktsegment gilt ökonomisch betrachtet für Unternehmen allgemein als unattraktiv und wenig lohnend. Entsprechend finden sich dafür Beschreibungen wie „Mittelklasse", „eines von vielen" und „nicht differenziert".
Nach den Theorien von Michael E. Porter (2013), einem der führenden Wirtschafts- und Managementtheoretiker an der Harvard Business School, können Unternehmen nicht erfolgreich in der Mitte angesiedelt sein, sondern wollen (und sollen) sich langfristig in eine klare Positionierung als Kosten- oder Qualitätsführer bewegen.
Dennoch existieren Unternehmen, welche sich, ob absichtlich oder unbeabsichtigt, in diesem Segment positionieren und sich dort langfristig nachhaltig behaupten können. Offensichtlich verfügen daher Unternehmen in der mittleren Marktposition durchaus über eine oder mehrere Unique Selling Proposition (USP), die ihnen dort eine Existenz ermöglicht, was einen Widerspruch zur in der Wirtschaftstheorie verbreiteten Meinung darstellt. Gleiches trifft auch auf die Lebensmittelindustrie zu. Unter dem Begriff der Lebensmittelindustrie wird die - den Erzeugern von Lebensmitteln im primären Wirtschaftssektor nachgelagerte - Industrie bezeichnet, deren Produkte der menschlichen Ernährung dienen. Der Begriff Industrie als solches steht für verarbeitende Werke, welche durch die Transformation von Roh- und Hilfsstoffen unter Einbezug von Produktionsressourcen Produkte für die Nachfrager erstellen. Zu den wichtigsten Sparten gehören die Milch-, Fleisch-, Käse-, Backwaren-, Getränke- und Süsswarenindustrie.
Es soll das Phänomen der im mittleren Segment erfolgreichen Unternehmen der Lebensmittelindustrie betrachtet und dabei untersucht werden, ob und inwiefern eine Position in der Mitte langfristig nachhaltig sein kann.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang also die Frage, ob diese Positionierung lediglich auf eine bestimmte Zeitdauer beschränkt ist, da sich nach Michael E. Porter alle Unternehmen langfristig in eine klare Positionierung als Kosten- oder Qualitätsführer bewegen möchten (und sollen). Inwiefern wäre es für ein Unternehmen möglich, sich langfristig in der Mitte zu positionieren? Im Zuge der Formulierung der Problemstellung soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie eine Position in der Mitte auf Dauer nachhaltig sein kann.
2 Problemstellung
Michael E. Porter gilt als Vordenker und Wegbereiter moderner Managementmethoden und wird als einer der wichtigsten Theoretiker im Bereich der Wirtschaftswissenschaften bezeichnet. Seine Aussagen und Theorien bewegten seit den 1980er Manager weltweit zum Überdenken bzw. zur (Neu-) Definition ihrer Strategien. Seine Ansichten werden nach wie vor an unzähligen Businessschulen gelehrt und von Führungspersonen in der Praxis angewendet. Seine Schriften nehmen bis heute eine unangefochtene Vorrangstellung ein.
Die Anzahl der Werke, welche Michael E. Porter zitieren, wird gemäss der Statistik von Google Scholar (Stand 25.08.2017) mit rund 320'181 angegeben. Diese Zahl macht den enormen Einfluss seiner Überlegungen und Untersuchungen deutlich.
Aufgrund der Durchdringung der Wirtschaftswissenschaft mit seinen Theorien dienen diese als Basisliteratur für die vorliegende Arbeit und finden sich entsprechend prominent wieder. Zusätzliche Literatur anderer Autoren wurde gesichtet. Jedoch beschränkt sich die vorliegende Untersuchung zwecks Abgrenzung und Fokussierung auf die Faktoren der, von Porter geprägten Theorie der drei Wettbewerbsstrategien wie in Abb. 1 weiter beschrieben.
Für die Zwecke dieser Arbeit sollen seine Theorien aber nicht einfach rezipiert, sondern mithilfe aktueller Veröffentlichungen und eigener Untersuchungen kritisch hinterfragt werden. Dabei wird der Fokus auf diejenigen Unternehmungen der Lebensmittelindustrie gelegt, welche im Gegensatz zur heutigen - und entscheidend von Porter geprägten - Lehrmeinung erfolgreich im mittleren Marktsegment existieren.
Porters Theoriegebilde entstand hauptsächlich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Seine universell formulierten Marktgesetze gelten für jeden Markt und sollten daher grundsätzlich weltweit Bedeutung haben. In der vorliegenden Untersuchung werden primär die Gegebenheiten des Schweizer Lebensmittelmarktes untersucht. Der Markt und das Marktumfeld haben sich in den vergangenen Jahrzehnten generell mit zunehmender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Die Anforderungen der Kunden entwickeln sich ebenfalls rasant weiter; von Lieferanten und Dienstleistern erwarten diese ein immer umfangreicheres Angebot an Produkten und Dienstleistungen. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Unternehmen und fordert und fördert zum Teil ein verändertes Agieren vonseiten der Lebensmittelhersteller. In der Konsequenz muss der Markt zunehmend flexibel auf Veränderungen reagieren, was Auswirkungen auf Marktausrichtung und Marktstrategien hat.
Eine Antwort der Unternehmen auf den veränderten Markt ist häufig eine Produkt- oder Dienstleistungserweiterung, gezielt vorangetrieben oder auch sich zufällig ergebend. Eine fortlaufende Angebotsvergrösserung kann sich negativ auf die Unternehmung auswirken, indem eine allenfalls bestehende strategische Positionierung der Firma verwässert wird. Mit einem erweiterten Angebot steht eine Unternehmung nicht notwendigerweise in einer Preisführerschaft, noch bieten sich grosse Differenzierungsmöglichkeiten, was alles den Prinzipien erfolgreicher Unternehmen nach Porter entgegenläuft. Eine unkoordinierte und nicht auf strategischen Überlegungen beruhende Erweiterung des Portfolios kann dazu führen, dass die Kernkompetenzen durch Nebensächlichkeiten aus dem Blick geraten oder vernachlässigt werden. Dadurch können in der Lebensmittelindustrie Einbussen bei der Herstellung-, Beratung- und Servicequalität erfolgen, welche sich letztendlich negativ in der Produktqualität niederschlagen.
Demnach müssten sich viele Firmen, besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU), häufig ungewollt in einer Position befinden, die als Stuck in the Middle bezeichnet wird. Dieses in der Mitte Gefangensein ist nach Porter (2013) die negative Konsequenz aus einer fehlenden Wettbewerbsstrategie und zeichnet sich durch den Verlust von Marktanteilen sowie eine sinkende Rentabilität aus (vgl. Porter, 2013). Für Porter führt der Ausweg aus dieser Situation einzig über die Handlungsoptionen „Kostenführerschaft" bzw. „Differenzierungsstrategie".
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Drei Wettbewerbsstrategien (Quelle: Porter 1983, S. 79)
Die nach Porter anzustrebenden strategischen Möglichkeiten für Unternehmen mit ihren Vorteilen, Zielobjekten und der Wahrnehmung der Konzentration auf ein Segment werden in Abbildung 1 grafisch dargestellt. In Abbildung 1 wird weiter der Bezug der Unternehmung auf strategische Vorteile sowie das strategische Zielobjekt aufgezeigt (Porter, 1983, S. 79). Anhand der Abbildung wird zudem erkennbar, dass die Möglichkeit einer Differenzierung gegenüber der Konkurrenz mittels eines branchenweiten Alleinstellungsmerkmals besteht. Mit einer grundsätzlichen Kostenführerschaft kann ein branchenweiter Kostenvorsprung zur Konkurrenz erreicht werden. Dazu muss der offerierte Zusatznutzen von den Kunden wahrgenommen und honoriert werden (vgl. Winkler & Slamanig, 2009). Als weitere strategische Option können sich Unternehmen auf jeweils eine der drei möglichen Marktsegmente Premium, Diversifikation oder die Marktmitte, vorgängig als Stuck in the Middle beschrieben, konzentrieren.
Mittelständische und damit kleine bis mittlere Unternehmen machen den grössten Anteil der Lebensmittelindustrie aus. Die Erlangung einer Preisführerschaft ist für diese Unternehmen unwahrscheinlich, denn Voraussetzung dafür wäre eine Marktmacht bei Einkauf und Vertrieb, was für kleinere Unternehmen nicht erreichbar ist.
Für die Möglichkeit der Nutzung einer Qualitätsführerschaft zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Die bei mittelständischen Unternehmen üblicherweise fehlenden Ressourcen erschweren das Erreichen und Erhalten eines entsprechend hohen Levels. Grundsätzlich ist unklar, ob es für Unternehmen, die sich nachhaltig am Markt behaupten wollen, tatsächlich nur die Handlungsoptionen nach Porter (2013) gibt.
Als verhältnismässige Neuerung findet sich seit 1995 in der Wirtschaftstheorie der Begriff der hybriden Wettbewerbsstrategien, die eine Kombination aus Kostenführerschaft und Differenzierungsstrategie beinhalten (vgl. Fleck, 1995). Durch die neuen und zukünftig zu erwartenden technologischen Entwicklungen und die sich daraus ergebenden flexiblen Wettbewerbsbedingungen erlangen diese hybriden Strategien zunehmend Bedeutung. (vgl. Fleck, 1995).
Aufgrund dieser Entwicklung wie von Fleck (1995) festgestellt, beschreibt Eckert (2014, S. 105) die Vorteile von hybriden Strategien wie folgt: „Strategische Überlegenheit bedeutet, dass ein Unternehmen die Kundenbedürfnisse bzw. die Nutzenkategorien kennt, die der Kunde derzeit bzw. zukünftig erwartet." (Eckert, 2014, S. 105). Es ist daraus zu schliessen, dass das Erkennen der Kundenbedürfnisse nach Eckert (2014) in einem Zusammenhang mit neuen, technologischen Entwicklungen nach Fleck (1995) stehen.
Weiter führt er zum Begriff der hybriden Strategien aus, „dass ein Unternehmen durch das gesteuerte Zusammenspiel von Kundenbedürfnissen/Nutzenkategorien, strategischer Kompetenz und strategischen Schlüsselprozessen schnell und überraschend am Markt agieren kann" (Eckert, 2014, S. 105). Wenn Firmen also nicht in engen Bahnen denken, sondern die komplexen Faktoren und Möglichkeiten aller Bereiche des Markts nutzen, können sie sich besser am Markt behaupten und dadurch Vorteile erlangen.
Der sich verändernde Markt bringt neue Strategien hervor, die auf neue Kompetenzen fokussieren und es Unternehmen ermöglichen könnten, mit innovativen Methoden, auch im mittleren Marktsegment, erfolgreich Fuss zu fassen, indem „der Kundennutzen, strategische Kompetenz der Kundennutzen, strategische Kompetenz und strategische Schlüsselprozessstellen den Kernbereich der strategischen Überlegenheit eines Unternehmens darstellen" (Eckert, 2014, S. 105). Wenn Eckerts Darlegungen zutreffen, dann würde dies dem in der Betriebswirtschaft herrschenden Konsens widersprechen, wonach lediglich Unternehmungen mit einer stringenten Positionierung langfristig überlebensfähig sind. Eckerts Überlegungen lassen darauf schliessen, dass sich aus diesen veränderten Kompetenzen neue hybride Geschäftsmodelle ergeben, welche sich nicht an die Definitionen Porters halten.
Porters Wettbewerbsstrategien werden als generisch gesehen, es existieren keine anerkannten Alternativen dazu. Die statisch formulierten Wettbewerbsstrategien Porters haben mittlerweile grosse Bedeutung erlangt und wurden von vielen Unternehmen mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt. Durch die starke Veränderung der Wettbewerbssituation sind nach Winkler und Slamanig (2009) solche statischen Wettbewerbsstrategien allerdings nur noch in wenigen Branchen wirksam (vgl. Winkler & Slamanig, 2009, S. 551).
Viele Branchen setzen heute von Porter abweichende Strategiekonzepte ein, mit welchen eine Erfolgsposition mittels einer überragenden Kosten- und Erlösposition erzielt werden kann. Nach Winkler und Slamanig (2009) handelt es sich dabei um die weiter oben erwähnten hybriden Wettbewerbsstrategien, welche den Unternehmen durch den Einsatz organisatorischer und technologischer Möglichkeiten Wettbewerbsvorteile verschaffen können (vgl. Winkler & Slamanig, 2009, S. 551).
Im Rahmen der der vorliegenden Untersuchung sollen Unternehmen der Lebensmittelindustrie im mittleren Marktsegment dahingehend untersucht werden, wie eine erfolgreiche strategische Positionierung in der Marktmitte eingenommen werden kann und welche generische Eigenschaften sich dabei feststellen lassen.
Wenn davon ausgegangen werden kann, dass in einer freien Marktwirtschaft mittelfristig nur solche Angebote bestehen, für welche es auch Abnehmer gibt, wird die von Porter (2013) formulierte Theorie dadurch in Frage gestellt, dass das Angebot von Produkten im mittleren Marktsegment in der Praxis existiert.
Im nachfolgenden Abschnitt wird die aktuell allgemein akzeptierte und auf Porters Theoriegebilde beruhende Sicht zur Marktposition von Unternehmen dargelegt und kritisch untersucht. Dabei werden unterschiedliche Thesen der Literatur vorgestellt und Aussagen beschrieben, welche sich positiv wie auch negativ mit Porters Theorien auseinandersetzen.
2.1 Generelle Ausgangslage
Wenn Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie sich, wie es der ökonomischen Theorie nach Porter entspricht, als Kostenführer, bzw. von den Mitbewerbern differenziert im Markt positionieren wollen, geraten sie durch andere Unternehmen, die ebenfalls eine klare Positionierung besitzen, unter Druck. Unter diesem Druck weichen die bedrängten Unternehmen in die weniger umkämpfte Mitte des Marktes aus. Sie besetzen dann die von Porter als „zwischen den Stühlen" (Porter, 2013, S. 83) bezeichnete, unattraktive, weil seiner Meinung nach erfolglose Lücke, und sind durch ihre wirtschaftlichen Voraussetzungen dort gefangen.
Laut Porter (2013) beinhaltet eine mittlere Marktposition das Risiko, dass die betroffenen Betriebe es versäumen, die Kundenbedürfnisse und die Marktanforderungen zu analysieren und zu erfüllen, weshalb sie langfristig ihr Potential nicht ausschöpfen und im Wettbewerb als Verlierer hervorgehen (vgl. Porter, 2013). Wenn Firmen keine Strategie haben, landen sie zur Strafe auf dem Verliererposten im mittleren Markt, wie sich nach Aussage Porters folgern lässt. Da die Position der Marktmitte laut Porters Definition nur negative Seiten hat, kann sie nicht wünschenswert sein und auch nicht gezielt eingenommen werden, sondern muss als unbeabsichtigtes Ergebnis fehlender Strategieplanung erfolgen. Die Betriebe in der Marktmitte tragen demnach also weder den Kundenbedürfnissen noch den Marktanforderungen mit klar definierten Leistungen und Produkten Rechnung.
Das können sie nach Porter in dieser mittleren Position ohnehin nicht, denn laut seinen Erkenntnissen existiert in diesem Segment kein Markt, weshalb es letztlich auch die dazu passenden Kundenbedürfnisse nicht geben kann. Das wiederum ist nach der Theorie mitverantwortlich für den als zwangsläufig gesetzten Nichterfolg im mittleren Segment. Dazu passt Malkis' (2014) Untersuchung im Bereich der Getränkeindustrie, in der er einen Rückgang der mittleren Schichten zugunsten der überoder untergelagerten Marktsegmente feststellt (vgl. Malkis, 2014, S. 54).
Als Zusammenfassung der etablierten Lehrmeinung nach Porter (2013) lässt sich feststellen, dass es keine Kundengruppe im mittleren Markt gibt, Unternehmen in diesem Bereich langfristig nicht erfolgreich sein können und sie in der Folge aus dem Markt gespült werden.
Diese Theorie wird in der Praxis durch eine Vielzahl an gerade in dieser Position erfolgreichen Unternehmungen widerlegt (vgl. Knudsen, Randel & Rugholm, 2005). Eigene Beobachtungen des Autors der vorliegenden Arbeit lassen vermuten, dass die Lebensmittelindustrie durchaus auch Kunden bedient, welche weder den Luxus eines Premium-Produktes (bzw. -marke) bevorzugen, noch unbedingt an einem Low-Price-Angebot interessiert sind. Da die Lebensmittelindustrie ein Produktsortiment im mittleren Segment erfolgreich anbietet, lässt dies daraus auf die Existenz einer solchen Käuferschaft schliessen.
Zu dieser offenbar existenten Kundengruppe und ihren spezifischen Bedürfnissen lassen sich in der Fachliteratur zum aktuellen Stand der Recherche keine stichhaltigen Untersuchungen finden. Ebenso wie das mittlere Marktsegment scheint auch die dazugehörige Kundengruppe nicht im Fokus der Aufmerksamkeit der Fachwelt zu liegen.
Daher muss für die Zwecke dieser Arbeit ein subjektiver Versuch erfolgen, eine solche Zielgruppe zu beschreiben. Diese könnte wie folgt skizziert werden: mittelständisch, regional verankert, den Anbietern gegenüber loyal, kosten-nutzen-orientiert, empfänglich für Beratung, eher sachlich-praktisch als emotional. Die Kunden des mittleren Marktsegments lassen sich weniger von Marken und Status beeindrucken. Funktionalität und Nutzen stehen im Vordergrund. Zu günstige Produkte wecken Misstrauen und hinterlassen den Eindruck fehlender Seriosität. Bei zu teuren Angeboten sieht die Zielgruppe den Nutzen des Produktes im Vergleich zum Preis als zu gering.
Die Kriterien für einen Kaufentscheid verändern sich zurzeit wegen der durch die neuen technologischen Möglichkeiten veränderten Marktsituation massiv, wie im WEF-Report 2017 konstatiert ist: „Customers have developed an insatiable demand for speed, convenience and on-demand access" (Reports.weforum.org, 2017).
Weiter führt der Report aus: „Business models that have been successful for decades are being disrupted by digital innovation. [...] Few incumbents are being bankrupted by digital disruption but established companies may need to rethink every aspect of their business and operating models to thrive in the digital age" (Reports.weforum.org, 2017). Schlüsselbegriff ist hier "digital", also die technologische Entwicklung. Nach Einschätzung der Experten des WEF werden Unternehmen, welche sich im digitalen Zeitalter nach wie vor an der bisher gültigen, klassischen porter'schen Lehre orientieren, Probleme haben zu überleben. Dies betrifft auch die Lebensmittelindustrie.
Porter betrachtet den Einfluss der Technologien als eingeschränkt und schätzt daher ihre Bedeutung geringer ein als der WEF-Report. Für Porter ist Technologie lediglich ein Faktor unter vielen und für sich genommen ein nicht ausreichender Treiber dafür, eine Industrie attraktiver zu machen. „Advanced technology or innovations are not by themselves enough to make an industry structurally attractive (or unattractive). Mundane, low-technology industries with price-insensitive buyers, high switching costs, or high entry barriers arising from scale economies are often far more profitable than sexy industries, such as software and internet technologies" (Porter, 1996, S. 33).
Die technologische Weiterentwicklung, welche Porter auch im Vorwort der 12. Auflage seines Werkes für die Ausgabe 10 erwähnt (Porter, 2013, S. 19), wird von ihm nicht als eigenständige, weitere Marktkraft anerkannt. Im Widerspruch zu Porters Einschätzung muss festgehalten werden, dass sich heutzutage durch die Weiterentwicklung von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz Gefahren für Unternehmen ergeben können, wenn diese, im Gegensatz zur Konkurrenz, starr an bestehenden Geschäftsmodellen festhalten, nur langsam reagieren oder bevorzugt Bewährtes weiterentwickeln, anstelle etwas Neues zu schaffen.
In den folgenden Kapiteln wird das Umfeld der verschiedenen Marktsituationen definiert und dargestellt. Zuvor erfolgt die Klärung der in der Fachdiskussion wiederkehrenden und als Schlagwörter bekannten Begrifflichkeiten: Diversifikation, Stuck in the Middle und Marktmitte.
2.1.1 Definition mittleres Marktsegment
Märkte lassen sich in unterschiedlichster Weise beschreiben und einteilen. Aus dem Blickwinkel der Marktforschung etwa werden Märkte in unterschiedliche Segmente im Hinblick auf die Einordnung der Kunden und Erfassung von Zielgruppen eingeteilt. Dadurch sollen die Konsumenten in ihrer Unterschiedlichkeit erkannt und daraus Schlüsse auf deren Bedürfnisse und Anforderungen gezogen werden. Diese Unterschiede können zum Beispiel auf kaufverhaltensrelevante oder allgemeine Käufermerkmale hin untersucht werden. Eine dieser Einteilungen unterscheidet zwischen einem oberen, mittleren und unteren Segment.
Märkte für Konsumgüter können auch nach Preislage der Produkte in drei Ebenen eingeteilt werden: in eine gehobene, mittlere und tiefe Preisklasse, die entsprechend jeweils dem oberen, mittleren und unteren Marktsegment zugeordnet werden.
Der Preisunterschied zwischen den teuersten und den billigsten Produkten ergibt die sogenannte Preisspanne. Etwa in deren Mitte lässt sich das mittlere Marktsegment verorten.
Laut Wildner (2014) liegen Premiummarken preislich über dem Durchschnittspreis der Marken (vgl. Wildner, 2014, S. 81). Als bekannte Beispiele für Premiummarken können beispielsweise Lindt oder Barilla genannt werden.
Produkten im mittleren Marktsegment haftet in der Theorie ein negativer Ruf an. Zum einen wird ihnen ein fehlendes Profil zugeschrieben, d. h., ihnen fehlen Merkmale, die sie für Kunden interessant machen, wie bedeutende Markennamen oder andere spezifische Eigenschaften. Zum anderen werden sie im Vergleich zur Premiumware als billig, aber im Vergleich zu Billigprodukten als zu teuer eingeordnet.
2.1.2 Definition Stuck in the Middle
Der Ausdruck Stuck in the Middle - in der Mitte gefangen sein, bzw. zwischen zwei Stühlen sitzend - wurde vom Wirtschaftswissenschaftler Michael Porter 1983 geprägt. Gemeint ist damit eine Position im mittleren Markt, die laut Porter (2013) immer auch eine Ungewollte und Unrentable ist. Sie kann u. a. das Ergebnis einer fehlenden Wettbewerbsstrategie sein. Diese Einordnung kann beispielsweise zutreffen, wenn ein Lebensmittelhersteller seine Wettbewerbsstrategie nicht klar definiert. Wenn weder eine Qualitäts- noch eine Preisführerschaft angestrebt wird, hat dies nach Anschauung Porters (2013) einen Verlust von Marktanteilen und sinkende Rentabilität zur Folge (vgl. Porter, 2013).
2.1.3 Definition Diversifikation
Unter einer Diversifikation wird eine Erweiterung des Leistungsprogrammes eines Unternehmens auf neue Märkte oder Produkte verstanden. Diese Strategie ist wegen der vielen Unbekannten wie z. B. Kundenreaktion oder unbekannte Marktgegebenheiten riskant.
Es gibt drei Varianten der Diversifikation. Als horizontale Diversifikation bezeichnet man eine Erweiterung des Produkteportfolios, welche mit bestehenden Produkten in Beziehung steht.
Innerhalb einer vertikalen Diversifikation werden Produkte und Leistungen der vor- und nachgelagerten Produktionsstufen der eigenen Wertschöpfungskette in das Portfolio integriert.
Bei der dritten Möglichkeit, der lateralen Diversifikation, gibt es keinerlei Zusammenhänge zwischen den neuen Produkten und den bestehenden Angeboten (vgl. Markgraf, 2018).
2.1.4 Zusammenhänge der Begrifflichkeiten
Die vorgängig ab Kapitel 2.1.1 definierten Begrifflichkeiten werden in der betriebswirtschaftlichen Theorie nicht in einen zwingenden Zusammenhang gebracht. Da sich diese bei kritischer Betrachtung im Hinblick auf die Marktstrategien miteinander in eine interessante Verbindung setzen lassen, wird nachfolgend auf die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Begriffen näher eingegangen. Die drei bekannten und strategisch wichtigen Begrifflichkeiten Diversifikation, Stuck in the Middle und Marktmitte werden in diesem Kapitel in den Fokus gerückt und deren Beziehungen bzw.
Wechselwirkungen untereinander bildlich in der folgenden Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Stuck in the Middle, Diversifikation und mittlerem Marktsegment (Quelle: Eigene Darstellung).
In Abbildung 2 sind die möglichen Beziehungen der einzelnen Begriffe zueinander, wie bereits in Kapitel 2.1.1 bis 2.1.3 erläutert, bildlich aufgezeigt.
Diese Abbildung ist in zwei Bereiche unterteilt. Zum einen geht es um eine Betrachtungsweise aus Sicht der Produkte als solches. Dieser Bereich betrachtet lediglich die von den Unternehmen hergestellten Lebensmittel. Diese Lebensmittel werden entweder in der Marktmitte oder mittels USP diversifiziert positioniert. Die Diversifikation sowie Marktmitte beziehen sich dabei auf die Produkte, welche sich in einer solchen Positionierung befinden und nicht das Unternehmen.
Zum anderen beschreibt die Abbildung 2 die Unternehmenssicht. Stuck in the Middle bezieht sich darauf, dass es sich um eine Positionierung der Unternehmung als Ganzes handelt. Diese Unternehmenspositionierung leitet sich aus der Produktepositionierung ab, welche mit den Abläufen und der Vorgehensweise der Unternehmung nicht in einem direkten Zusammenhang stehen muss.
Die Abbildung lässt erkennen: Die pauschale Einordnung eines Unternehmens als Stuck in the Middle lässt die Komplexitäten ausser Acht, welche ein Unternehmen im Zusammenhang mit seiner Positionierung aufweist.
An der Abbildung lässt sich weiterhin ablesen, dass sich ein Unternehmen im Hinblick auf die Diversifizierung als Ganzes oder mit einzelnen Produkten in die Marktmitte entwickeln kann.
Zusammenfassung
Die Grafik zeigt, dass die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht so starr und simplifizierend sind, wie von Porter formuliert. Deshalb muss aufgrund der Abhängigkeiten der Frage nachgegangen werden, ob den Unternehmungen in der Marktmitte die möglichen Chancen dieser Position bewusst sind. In diesem Zusammenhang lässt sich untersuchen, ob sie diese Position strategisch zu ihrem Vorteil nutzen, oder ob sie sich notgedrungen in der Marktmitte wiederfinden - wie Porters Ansatz es definiert.
Möglicherweise bietet die Position in der Marktmitte den Unternehmen die Chance, sich über eine Diversifikation der Produkte beispielsweise im Premium- oder Niedrigpreissegment zu positionieren. Unklar ist, inwiefern es ein und derselben Firma gelingen kann, diese unterschiedlichen Positionierungen unter einen Hut zu bringen und den Kunden gegenüber glaubwürdig zu vertreten. Ebenfalls ist unklar, ob dies im Zuge eines strategischen Vorgehens erfolgt, im Bewusstsein dessen, dass mit der Marktmitte ein spannendes, neues Marktpotenzial erschlossen werden könnte.
Fazit
In Folge der Positionierung von Produkten in der Marktmitte ergibt sich nach geläufiger Theorie das Gefangensein in der Mitte für die Lebensmittelhersteller. Falls die Unternehmen sich tatsächlich in der Mitte gefangen befinden, können sie dieser Position einen zusätzlichen Nutzen abgewinnen, sich im Hinblick auf die Produkte diversifizieren und damit eine Option gegenüber Stuck in the Middle schaffen. Andererseits kann aber eine zu breite Diversifikation auch gerade dazu führen, dass sich Unternehmen in diese mittlere Position hineinmanövrieren.
2.1.5 Marktentwicklung im Bereich Consumer Goods
Unter Consumer Goods sind Produkte für den privaten Gebrauch zu verstehen. Hierbei wird unterschieden zwischen Produkten für den täglichen Bedarf (Schnelldreher oder Fast Moving Consumer Goods, FMCG), wozu auch Lebensmittel zählen, und den über einen längeren Zeitraum als Gebrauchsgüter verwendeten Produkten (Langsamdreher oder Slow Moving Consumer Goods, SMCG). Schnelldrehende Produkte werden im Gegensatz zu den Langsamdrehern vom Konsumenten aufgrund der tieferen Beträge ohne vorhergehende grosse Informationsbeschaffung eingekauft, wie angenommen werden kann. Die Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie werden der Gruppe der FMCG zugeordnet.
Der Begriff der Consumer Goods ist zwar sehr weit gefasst, jedoch bringt die Betrachtung dieses umfangreichen Produkteportfolios Erkenntnisse für die spezifische Entwicklung der Lebensmittelbranche und damit auch direkt für die Lebensmittelindustrie.
In einer Untersuchung von Trends im Bereich der Consumer Goods sagen Chatterjee et al. (2010) unter Berufung auf eine Studie von McKinsey (Consumer Sentiment Survey V, September 2010) ein Wachstum des Markts in den nächsten Jahren um rund eine Billion neuer Konsumenten in den aufstrebenden Märkten wie China, Indien und Indonesien voraus. In der logischen Folge wird die globale Mittelschicht dramatisch zunehmen (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 11).
Dass diese zusätzliche, in den Schwellenländern entstehende, Käuferschicht einen interessanten Markt darstellen wird, ist unbestritten. Zwar erwähnen Chatterjee et al. (2010) nicht explizit, was die Bedürfnisse dieser Kunden sein werden, doch konstatieren sie, dass die passende Auswahl von Kategorie und Markt für hergestellte Produkte der entscheidende Erfolgsfaktor für die Unternehmen sein wird (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 11). Als Beispiel für eine erfolgreiche Platzierung am Markt über den Faktor des Preises wird Chinas Markt für trinkfertigen Kaffee genannt, in welchem Nestlé die Preise für seine eigenen Produkte um 30 Prozent gesenkt hat. Diese radikale Preissenkung wurde durch drastische Umstellungen im Unternehmen möglich. Zudem durch den Aufbau einer lokalen Lieferbasis wodurch 99 % des Rohstoffs Kaffee aus dem chinesischen Markt beschafft werden können (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 11). Ebenfalls über den Preis geht Cadbury etwa in Indien vor. Um dort mehr Verbraucher für den Schokoladenmarkt zu gewinnen, hat Cadbury Produkte zu niedrigen Preisen eingeführt.
Eine durchdachte Segmentierung kann es den Unternehmen in Schwellenländern ermöglichen, wirtschaftlich zu agieren und somit Margen zu erzielen (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 11). Mit Produkten im mittleren Marktsegment werden mit einem angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis eine grosse Zielgruppe erreicht. Durch die grosse Masse können in der Folge hohe Mengen von Lebensmitteln abgesetzt werden, woraus sich ein Skaleneffekt ergibt. Chatterjee et al. (2010) sehen in dem Skaleneffekt durch gesteigerte Effizienz in der Herstellung eine Möglichkeit, in den erwähnten, wegen der zwar zahlreichen aber wenig kaufkräftigen Konsumenten schwierigen Absatzmärkten ansprechende Margen zu erzielen.
Chatterjee et al. (2010) erkennen nach der globalen Finanzkrise 2008 bei den Verbrauchern den Trend, Angebote vermehrt zu vergleichen. Es zeigt sich, dass preisgünstigere Marken einschliesslich Private Labels bei knapp der Hälfte der Verbraucher die Erwartungen übertreffen. Durch diese positiven Erfahrungen kommt es laut den Autoren zu einer spürbaren Verschiebung am Markt weg von Markenprodukten hin zu wertbasierten Produkten, was den vorhandenen Trend der Entwicklung von Private Labels von Retailer vorantreibt. Private Labels stellen somit eine ernstzunehmende Konkurrenz für Markenanbieter dar und machen einen erheblichen Teil des Gewinns der Konsumgüterindustrie aus (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 13). Hersteller von Consumer Goods wenden verschiedene Strategien an, um diesem Trend zu begegnen. Teilweise wird versucht, die Abhängigkeit von Einzelhändlern zu minimieren, indem etwa eigene Produktelabels produziert werden. Eine andere Taktik ist es, durch geschickte Reduktion von Packungsgrössen einen tieferen Marktpreis zu suggerieren (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 13).
Zukünftige Gewinnerunternehmen werden nach Chatterjee et al. (2010) diejenigen sein, welche starke Marken mit ausgezeichneten funktionalen Vorteilen und wettbewerbsfähigen Preisen auf den Markt bringen können. Die Verschiebung der Aufmerksamkeit der Kunden weg vom Fokus auf bekannte Marken- bzw. Firmennamen hin zur stärkeren Berücksichtigung des Wertes eines Produktes wird laut den Autoren zukünftig immer stärker zu erwarten sein (vgl. Chatterjee et al., 2010, S. 14).
2.1.6 Bedeutung und Kritik des Value- bzw. Wert-Begriffs
Value, wird für die vorliegende Arbeit gleichbedeutend mit dem deutschen Wort Wert verwendet und ist ein mehrdeutiger Begriff in der Betriebswirtschaftslehre bzw. Wirtschaftstheorie. Es wird damit zum einen der materielle Wert bezeichnet, der einem Produkt zugemessen wird. Zum anderen meint Value auch den wahrgenommenen, subjektiven Nutzen und die Wichtigkeit eines Produkts (vgl. Specht, 2018). Wert, bzw. Value, kann zudem synonym mit Preis verstanden werden. Zusätzlich findet der Begriff Wert auch auf Ebene moralischer Wertvorstellungen Verwendung, mit welchen sich Kunden identifizieren und über die sich die Herstellermarken in deren Wahrnehmung transportieren können (vgl. Specht, 2018).
Häufig wird in der Beschreibung von Produkten der Begriff Wert bzw. auf Englisch Value genannt, wenn vom Preis die Rede ist. Im nachfolgenden Abschnitt wird die Begrifflichkeit des Werts genauer definiert und untersucht. Einfachheitshalber wird anstelle des englischen Begriffes Value nur noch die deutsche Bezeichnung Wert verwendet.
Der Begriff Wert wird einesteils im wirtschaftlichem Zusammenhang als „Ausdruck der Wichtigkeit eines Gutes, die es für die Befriedigung der subjektiven Bedürfnisse besitzt, wie sie sich etwa in seinem Nutzen und in der betreffenden Präferenzordnung des Wirtschaftssubjektes widerspiegelt" definiert (vgl. Specht, 2018).
Posdorf (2014) spricht im Gegensatz dazu von Werten im Sinne der moralischen Haltung von Kunden. Diese Haltung spielt eine wachsende Rolle in der Lebensgestaltung der Menschen. Posdorf (2014) sieht dies als Folge des modernen Lebensstils, der sich durch einen Verlust traditioneller Wertvorstellungen wie Familie, Religion oder Tradition auszeichnet und von der Suche nach neuen Werten geprägt ist. Wo und was eine Person beispielsweise essen geht oder wo und was sie einkauft, sagt etwas über deren moralische Wertvorstellung aus (vgl. Posdorf, 2014, S. 122). Diese Werte werden häufig von der spezifischen Lebenssituationen eines Individuums mitbestimmt (vgl. Posdorf, 2014, S. 122).
Will ein Unternehmen die Kunden über moralische Werte erreichen, muss dieses wissen, wofür die eigene Marke steht. Wie Posdorf (2014) festhält, deckt sich dabei die Wahrnehmung des Kunden nicht immer mit dem Image, welches ein Unternehmen zu projizieren glaubt (vgl. Posdorf, 2014, S. 122). Unabhängig davon, ob ein Lebensmittelhersteller die eigenen Markenwerte kennt oder nicht: Konsumenten fühlen sich durch diejenige Produkte angesprochen, bei denen sie eine Übereinstimmung zwischen den aus ihrer Sicht von der Marke transportierten und ihren eigenen Werten zu erkennen glauben (vgl. Posdorf, 2014, S. 122).
Die Marke als solches „besteht nicht allein aus ihren Attributen oder dem, was den Kunden vermittelt wird - eine Marke wird durch die Menschen geprägt, die sie kaufen" (Posdorf, 2014, S. 123).
Im entscheidenden Augenblick, „dem Moment of Truth, in dem ein Kunde seine Gedanken in die Tat umsetzt und ein Produkt oder eine Dienstleistung erwirbt" (Posdorf, 2014, S. 123), ist es relevant, dass die Werte der Kunden mit den Werten übereinstimmen, welche er in einer Marke wahrnimmt, denn Kaufentscheidungen werden häufig unbewusst getroffen (vgl. Posdorf, 2014, S. 123).
Preis-Qualitäts-Relationen im Lebensmittelmarkt wurden von Böhm et al. (2007) empirisch in einer Studie zu preis- und qualitästtheoretischen Grundlagen untersucht, auf welche nachfolgend (in diesem Kapitel) im Detail eingegangen wird. Die Studie befasste sich tiefergehend mit der Bedeutung von Qualität und Preis für Verbraucherentscheidungen.
Insbesondere gehen Böhm et al. (2007) dem Begriff Wert näher nach. Dabei wird zu Beginn der Studie auf die Ansprüche der Verbraucher auf eine zum Preis der bezahlten Produkte in Relation stehende Qualität verwiesen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 1).
Qualität wird dabei als Übereinstimmung von Ansprüchen und Leistungen seitens der Anspruchssteller wie auch der Konsumenten oder Händler verstanden (vgl. Markgraf, 2018). Entscheidend dabei ist, „was die Anspruchsteller [sic] vor dem Hintergrund ihrer Anforderungen wahrnehmen und fürwichtig halten" (Markgraf, 2018).
Eine ältere Untersuchung von Diller (1977) von über 4'000 Produkten ergab, dass „ein höherer Preis [...] nur ein schwacher Indikator für bessere Qualität" ist (ebd., 1977, S. 228), was mit der landläufigen Auffassung im Widerspruch steht, wonach ein höherer Preis eine höhere Qualität bedeutet.
Böhm et al. untersuchen kritisch die Hypothese, dass Anbieter von, aufgrund der aufwändigeren Produktionsverfahren, qualitativ hochstehenden Gütern bei einem funktionierenden Markt auch höhere Preise durchsetzen können (vgl. Böhm et al., 2007, S. 1).
Böhm et al. (2007) analysieren in ihrer Studie die Ergebnisse einer Warenprüfung von Lebensmitteln durch die Stiftung Warentest und setzen die Resultate mit den Preisen der jeweiligen Produkte in Beziehung (vgl. Böhm et al., 2007, S. 1). Sie kommen dabei zum Schluss, dass sich der Wertbegriff der Qualität auf ein von den Kunden subjektiv wahrgenommenes Preis-Leistungs-Verhältnis bezieht (vgl. Böhm et al., 2007, S. 7). Produkteigenschaften, die den Wert in der Kundenwahrnehmung mitbestimmen, sind die „Reinheit, Integrität der Zusammensetzung, Grösse, Erscheinungsbild, Geschmack sowie die Einfachheit der Zubereitung. Alles in allem nur sehr schwierig, wenn überhaupt messbare Sachverhalte" (vgl. Böhm et al., 2007, S. 7).
Zur Beurteilung der Produkte prüft die Stiftung Warentest Qualitätskriterien wie das Angebot, die Aufmachung und eine korrekte Inhaltsmenge. Auch finden chemisch-technische, mikrobiologische, sensorische sowie physikalische und ernährungsphysiologische Prüfungen statt (ebd., 2007, S. 12). Dabei wird jedoch von Aussenstehenden bemängelt, dass gerade sensorische Prüfungen nicht immer objektiv beurteilt werden können, diesen aber bei der Bewertung der Produkte eine hohe Gewichtung zufällt (vgl. Böhm et al., 2007, S. 6). Damit fliesst eine subjektive Bewertung von Produkten in eine, nach messbaren Daten und vorgeblich objektiv stattfindende Beurteilung, mit ein.
Die Prüfungen der Stiftung Warentest identifizieren zudem Merkmale und Qualitätsbegriffe, welche durch die Konsumenten nicht in vollem Umfang geprüft werden können.
Vor einem Kaufentscheid findet, bewusst oder unbewusst, eine von den Kunden selbst vorgenommene Qualitätsbeurteilung statt. Dabei zählt neben der Qualität für die Kunden als ausschlaggebender Faktor die relative, im Verhältnis zum Preis gesetzte, Qualitätsbeurteilung (vgl. Böhm et al., 2007, S .9).
Bei dieser Qualitätsbeurteilung im Hinblick auf Preis (Wert) und Leistung (Qualität) kommen die Preiserfahrung der Kunden und das Erkennen von Qualitätsunterschieden zum Tragen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 11). Letzteres ist aber insbesondere bei verarbeiteten Produkten schwierig und wird von vielen Faktoren beeinflusst. So kann etwa die Qualität beim Vergleich von einzelnen, wenigen Produkten besser eingeschätzt werden als bei einer grossen Auswahl. Böhm illustriert dies am Beispiel vom Einkauf von Wein, bei dem Kunden bei einer grossen Anzahl von Weinflaschen im Regal die Qualität der einzelnen Produkte schwerer einschätzen und miteinander vergleichen können (vgl. Böhm et al., 2007, S. 11). Auch hat die Bekanntheit von Marken einen Einfluss: Bekannte Marken werden als qualitativ höherwertig wahrgenommen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 11). Dadurch lässt sich nach Böhm et al. (2007) das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht pauschal zur Bewertung von Lebensmitteln heranziehen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 11).
Die Analyse der Preis-Qualitäts-Zusammenhänge von Böhm et al. (2007) mittels der Korrelation von Preis und der Gesamtbeurteilung durch die Stiftung Warentest ergab, dass teurere Produkte qualitativ nicht besser sind als günstige. Der Vergleich von Preis und Leistung zeigte auf, dass im Test mit sehr gut bewertete Produkte in der Tendenz etwas teurer sind, als mit sehr schlecht bewertete, diese aber unerwarteterweise zum Teil ebenfalls in die teure Kategorie fallen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 20). Hinzu kommt, dass einige der mit sehr gut bewerteten Produkte weniger als die Hälfte des Medianpreises der in der Untersuchung verwendeten Produkte kosteten (vgl. Böhm et al., 2007, S. 20). Böhm et al. (2007) folgern daraus, dass es für Kunden nicht sinnvoll sei, höhere Preise für Lebensmittel zu bezahlen (vgl. Böhm et al., 2007, S. 20). Was den Unterschied zwischen Handelsmarken und Markenartikeln betrifft, so stellen die Autoren ein schlechteres Preis-Qualitäts-Verhältnis von Markenartikeln im Vergleich zu Handelsmarken fest (vgl. Böhm et al., 2007, S. 23).
Als Fazit lässt sich festhalten: Es stimmt nicht, dass teure Lebensmittel eine höhere Qualität als günstige aufweisen. Somit kann das Preis-Qualitäts-Verhältnis nicht als ausschlaggebender Faktor für eine Positionierung des Produkts in der Marktmitte gelten. Leistung ist zudem relativ und nicht nur vom Preis abhängig. Bei näherer Betrachtung scheint es auch Unternehmen zu geben, welche das Unmögliche einer guten Preis- Leistung schaffen. Auch wenn die Massstäbe der Stiftung Warentest nicht gänzlich unkritisch zu sehen sind, so finden sich deren Testsieger-Produkte regelmässig als günstigstes Angebot beim Discounter Aldi wieder (vgl. Kreutzer & Land, 2016).
2.1.7 Kundenwahrnehmung der Qualität industriell hergestellter Lebensmittel
Heutzutage werden Lebensmittel zumeist industriell hergestellt, auch wenn es nach wie vor Manufakturen gibt. Da in einer Manufaktur hergestellte Lebensmittel durch die aufwändige handwerkliche Arbeit eine höhere Qualität, und damit einen höheren Wert suggerieren, wird nachfolgend speziell auf industriell hergestellte Lebensmittel eingegangen. Neben dem Begriff Wert spielt auch der Aspekt der Leistung eine grosse Rolle in der Kundenwahrnehmung von Lebensmitteln. Die im Folgenden beschriebene Nestlé-Studie „So is(s)t Deutschland" (2016) bezieht sich auf den deutschen Markt. Was für den deutschen Markt gilt, kann wegen der unterschiedlichen Demographie nicht direkt auf den Schweizer Markt übertragen werden. Trotzdem bietet die genannte Nestlé-Studie (2016) einige Erkenntnisse.
Die Studie stellt fest, dass die 2002 mit dem Werbeslogan einer Elektronikkette in die öffentliche Diskussion geratene Geiz-ist-geil-Mentalität bereits wieder im Niedergang begriffen ist (vgl. Nestlé, 2016). Ihr zufolge steigt der Anspruch an die Lebensmittelqualität und der Preis verliert als Entscheidungskriterium beim Einkauf seine dominierende Rolle (vgl. Nestlé, 2016). Konsumenten sehen die Aspekte Geschmack und hohe Lebensmittelsicherheit als wichtige Qualitätskriterien. Weiter werden als Qualitätsfaktoren der Verzicht auf „Geschmacksverstärker und [...] künstliche Aromen neben artgerechter Tierhaltung und gentechnikfreier Herstellung" genannt (Nestlé, 2016).
Konkret sind gemäss Nestlé (2016) immer mehr deutsche Kunden, die als sehr preissensitiv bekannt sind, bereit, für die als Qualitätskriterien genannten Produkteigenschaften durchaus mehr zu bezahlen (vgl. Nestlé, 2016).
Eine ältere Nestlé-Studie von 2012 geht auf dieses Thema vertiefter ein. Hier erkennen die Forscher den Aspekt, dass die Qualität eines Produktes für die Kunden ein noch wichtigerer Kaufentscheid ist als der Preis (vgl. Nestlé, 2012, S. 3). Dabei fällt die Beurteilung der Qualität von Lebensmitteln den Konsumenten eher schwer und wird geprägt von einem bei vielen Verbrauchern vorhandenem latenten Misstrauen gegenüber den Lebensmittelherstellern (2012, S. 5).
Nach der Verantwortung für Qualität gefragt, sehen sich die Konsumenten dabei an zweiter Stelle nach den Produzenten selbst in der Pflicht (vgl. Nestlé, 2012, S. 6). Da die Konsumenten keinen direkten Einfluss auf die Lebensmittelqualität nehmen können, ist diese Einschätzung erstaunlich. Die Verbraucher sehen die Möglichkeit einer Kaufverweigerung als wichtigstes Machtmittel zur Verbesserung der Lebensmittelqualität (vgl. Nestlé, 2012, S. 19).
2.1.8 Definition des Kundensegments von Produkten im mittleren Marktsegment
Um Kunden genauer verstehen, deren Bedürfnisse besser zu erfassen und damit einem wirtschaftlich begründeten Interesse der Lebensmittelhersteller nachzukommen, werden diese seitens der Marktforschung in einzelne Kundensegmente unterteilt. Die Klassifizierung der Kunden nach ihrem Kaufverhalten kann anhand verschiedener Merkmale (wie den sogenannten beobachtbaren und nicht beobachtbaren) und mittels unterschiedlich komplexer Konzepte erfolgen.
In der Vergangenheit waren eindimensionale Einordnungsverfahren üblich, was sich angesichts der zunehmenden Komplexität des Kundenverhaltens zwangsläufig ändert. Für Halfmann (2014) bringen eindimensionale Segmentierungsansätze, die sich an beobachtbaren Merkmalen wie Alter oder Geschlecht der Kunden orientieren, zwar starke Vorteile in Bezug auf die Erfassbarkeit der Daten mit sich (S. 5). Sie sind allerdings insgesamt für Marketingstrategien wenig aussagekräftig, da sie nicht die gesamte Kundenstruktur und die Komplexität der Zusammenhänge erfassen. Die zunehmende Mehrdimensionalität von Kundenforderungen, wie sie von Kreutzer und Land (2016) beschrieben wird, führt dazu, dass einfache Segmentierungskonzepte zur Beschreibung von Kundensegmenten nicht mehr greifen (vgl. Kreutzer & Land, 2016, S. 87). Mittels mehrdimensionaler Ansätze können, die in der Realität zumeist vielschichtigen Kundenpersönlichkeiten viel genauer erfasst und detailliert beschrieben werden (vgl. Halfmann, 2014, S. 6).
Nach Halfmann (2014) lassen sich beobachtbare Kriterien der Kunden objektiv bewerten und einfach feststellen. Diese betreffen „vorrangig (sozio-)demografische Aspekte wie Alter, Einkommen, Geschlecht oder auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht" (Halfmann, 2014, S. 6). Nach Halfmann (2014) können solche Merkmale bei höchst unterschiedlichen Kundenpersönlichkeiten grosse Parallelen aufweisen, „die sich jedoch keinesfalls in vergleichbaren Produktinteressen oder ähnelndem Kommunikationsverhalten niederschlagen" (Halfmann 2014, S. 6). Halfmann (2014) bezeichnet solche Personen als „soziodemographische Zwillinge" (S. 6).
Trotz vieler Gemeinsamkeiten können sich die individuellen Personen als komplett unterschiedlichen Zielgruppen zugehörig herausstellen. Als Beispiel zieht Halfmann (2014) den „Vergleich von Prince Charles und Ozzy Osbourne, die hinsichtlich Geburtsjahr (1948), Wohnort (England), Familienstand (geschieden und wieder verheiratet, erwachsene Kinder), Vermögenssituation (sehr wohlhabend) und beruflichem Status (beruflich erfolgreich)" (Halfmann 2014, S. 6), massgebliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Halfmann geht davon aus, dass deren Konsumgewohnheiten dennoch nicht vergleichbar sind (vgl. ebd., 2014, S. 6).
Nicht beobachtbare Segmentierungskriterien wie beispielsweise die Persönlichkeit der Konsumenten sind dagegen schwerer einer Kategorie zuzuordnen, wie Halfmann (2014) festhält. „Psychographische Segmentierungsansätze", wie Halfmann diese auf nicht beobachtbaren Eigenschaften beruhenden Segmentierungsansätze nennt, können sich auf „generelle Einstellungen, Werte und Motivationen beziehen" (ebd., 2014, S. 6).
Gegenüber den allgemeinen Segmentierungskriterien, welche sich auf die Eigenschaften der Käufer selbst beziehen, beschreiben kaufspezifische Segmentierungskriterien den Kaufakt betreffende Merkmale (vgl. Halfmann 2014, S. 8). Kaufspezifische Segmentierungskriterien greifen auf Faktoren wie das Informations-, Kauf- und Verwendungsverhalten der Konsumenten zurück (ebd., S. 8) und werden aus der Auswertung von Daten, wie sie beispielsweise per Kundenkarten gesammelt werden, zu Preisverhalten, Mediennutzung sowie zur Wahl der Einkaufsstätten und der Produkte (S. 8) der Käufer erstellt, welche nach einem Kaufakt erkennbar werden. Diese Daten ergeben ein sehr komplexes Bild der Kundensegmente, was eine althergebrachte Klassifizierung nach eindeutigen Käufersegmenten immer schwieriger macht und „nicht homogene Teilsegmente" ergibt (Halfmann, 2014, S. 8).
Neben den persönlichen Merkmalen beeinflusst die Situation, in welcher sich die Kunden befinden, die Kaufbereitschaft und ist damit ein weiterer Faktor, der zur zusätzlichen Segmentierung der Kundengruppen beiträgt (vgl. Halfmann, 2014, S. 11).
All diese Ausführungen zeigen, dass man nicht von einem homogenem Segment von Kunden ausgehen kann, sondern dass diese letztendlich individuelle Einzelkunden sind.
In der Theorie der Marktforschung und Wirtschaft weit verbreitet ist die eindeutige Zuordnung der Konsumenten per stark vereinfachter Kategorien, die zwangsläufig die Realität nur unzureichend widerspiegeln. Das ergeben neben den Untersuchungen von Halfmann (2014) Auswertungen zum Kaufverhalten von Produkten aus dem mittleren Marktsegment in Bezug auf die soziokulturelle Entwicklung, Ein- und Vorstellungen und die hinter ihren Werten stehenden Konsummotive der Kunden (vgl. Kreutzer & Merkle, 2008, S. 270). Nach Kreutzer und Merkle (2008) zeigt sich in gesellschaftlichen Analysen und wissenschaftlichen Befunden „eher eine zunehmende Dynamik in der Entstehung der verschiedensten, nebeneinander existierenden Lebensstile und einer damit direkt einhergehenden vielfältigen Zersplitterung der Gesellschaft in unterschiedlichste Zielgruppen" (Kreutzer & Merkle, 2008, S. 270). Man könnte sagen, mit einer modernen, fragmentierten Gesellschaft und mit zunehmenden Produktangebot wachsen und divergieren ebenso die Kundengruppen. Es scheint demnach eine riesige Bandbreite an unterschiedlichen Kunden zu geben.
In der Regel wird für Marktstrategien auf marktübliche Konzepte zur Kundenklassifizierung zurückgegriffen. Vielfach sind die Segmentierungen zu generisch und berücksichtigen ausschlaggebende Faktoren wie beispielsweise die Lebensumstände nur wenig im Detail. Fasst man die in diesem Kapitel bisher dargestellten Erkenntnisse zur Kundensegmentierung zusammen, ist daher unklar, inwiefern Segmentierungen für Marketingzwecke oder als Marktausrichtungshilfe zutreffend sind und für Unternehmen sinnvolle Informationen liefern können. Auch geht die Literatur nicht darauf ein, inwieweit sich Lebensmittelhersteller für ihre Produktgestaltung an dieser generischen Klassifizierung orientieren und welche Bedeutung die Erkenntnisse der Marktforschung im Hinblick auf Kundensegmente in der Lebensmittelindustrie einnehmen.
Barth und Flaig (2014) erkennen bei Konsumenten einen Wandel der Sozialstrukturen und damit einhergehend Verschiebungen in der Wahrnehmung von Werten. Dabei beeinflussen die „Suche nach Anker, Halt und Geborgenheit, Nachhaltigkeit und Entschleunigung sowie Neuinterpretation traditioneller Werte, neue Wertesynthesen, selektiver Idealismus" (Barth & Flaig, 2014, S.109) zunehmend den Kaufentscheid für ein Produkt. Zusammengefasst spielen bei Konsumenten neue Gesichtspunkte wie Beständigkeit, Nachhaltigkeit oder ideelle Überzeugungen eine zunehmend wichtigere Rolle für einen Kaufentscheid. Die Autoren beobachten dabei „eine Abnahme weltanschaulich geprägter und eine Zunahme pragmatischer Haltungen" (Barth & Flaig, 2014, S. 109). Dabei nennen sie als Beispiel einen Wandel hin zum bewussten Konsum statt demonstrativer Konsumkritik (vgl. Barth & Flaig, 2014, S. 109).
Eine detaillierte Analyse der Kundengruppen und der Versuch, diese konkret für das mittlere Marktsegment zu definieren, bietet die Untersuchung „Roper Consumer Styles", welche durch das Marktforschungsunternehmen GfK erhoben wurde (vgl. Peichl, 2014).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: GfK Roper Consumer Styles im Überblick (Quelle: Zielgruppen im Konsumentenmarketing, S. 143)
Basierend auf der in diesem Kapitel erfolgten Beschreibung der entsprechenden Kundensegmente können aus der Abbildung 3 verschiedene Konsumentenstile für das jeweilige Marktsegment definiert werden. Im Folgenden wird auf die Kundengruppen fokussiert, welche sich am ehesten dem mittleren Marktsegment zuordnen lassen.
Zum einen ist hier die Gruppe der Bodenständigen zu nennen, die einen bewusst einfachen Konsumstil pflegt, und 16 % des Volumens ausmacht. Die häuslichen Kunden bevorzugen preiswerte Marken und machen einen Anteil von 15 % aus. Weiter lassen sich die Realisten mit 8 % wegen ihrer auf regionale Produkte ausgerichteten Konsumhaltung dem mittleren Segment zuordnen. Als letzte Gruppe zählen die Anspruchsvollen mit 13 % durch die Forderung nach Qualität und Werthaltigkeit dazu.
Zusammengenommen ergibt sich ein Anteil von 52 % potentiellen Kunden für Produkte aus dem mittleren Marktsegment.
Mit Hilfe dieser Kundensegmentierung lassen sich Muster erkennen und daraus Erkenntnisse dahingehend gewinnen, wie Konsumenten von Produkten der Marktmitte beschrieben werden können. Jedoch ist schnell feststellbar, dass sich Zielgruppen für Produkte aus dem mittleren Marktsegment - wie weiter oben im vorliegenden Text ausgeführt - dennoch nicht objektiv und sachlich beschreiben lassen, da diese jeweils unterschiedlichste Eigenschaften in den bewerteten Bereichen von Persönlichkeit, Lebenssituation und Einkommen mit sich bringen. In diesem Zusammenhang wird erkennbar, dass das mittlere Marktsegment durch die heutigen sehr vielfältigen Lebens- und Konsumstile von neuen Konsumentenmustern geprägt wird. Diese Entwicklung scheint bei Kunden von Produkten der Marktmitte noch stärker zum Tragen zu kommen. „Während oben und unten noch am ehesten so etwas wie ein typischer Lebensstil identifizierbar ist, kann davon in der Mitte keine Rede sein" (Rodenhäuser et al., 2005, S. 40).
Schlussendlich kann angesichts der Ausführungen in diesem Kapitel festgehalten werden, dass sich Charakteristika für Kunden im mittleren Marktsegment fast nicht identifizieren lassen.
Dadurch können verhaltensorientierte Merkmale der entsprechenden Zielgruppe, die Lebensmittel aus dem mittleren Marktsegment kauft, nur schwer beschrieben werden.
2.1.9 Fazit der generellen Ausgangslage
Zum Erhalt oder Ausbau der eigenen Position ist für Unternehmen die regelmässige und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Marktsituation mittels einer systematischen Marktbeurteilung sinnvoll. Aus den Ergebnissen dieser Analyse lassen sich generische Ansätze für eine Legitimierung der mittleren Marktposition für Lebensmittelhersteller ableiten, deren Fokus stets auf die Konsumentenbedürfnisse und Marktanforderungen gerichtet sein sollte.
Besonders wichtig ist eine Betrachtung der Marktentwicklung auf Basis neuer Ansätze für Geschäftsmodelle, wie sie beispielsweise von Osterwalder et al. (2015) genannt werden. Aus den Erkenntnissen von Osterwalder et al. lassen sich konkrete Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen der Lebensmittelindustrie im mittleren Marktsegment ableiten. Es können beispielsweise sinnvolle Angebote mit regionaler Verankerung geschaffen werden. Besser anstatt billiger, kann eine weitere Devise lauten.
Diversifizierung ist eine weitere Option und lässt sich am Markt bei Premiumanbietern beobachten, welche sich vermehrt auch Firmen im mittleren Marktsegment einverleiben oder für das mittlere Marktsegment (unter anderen Namen) produzieren. Wenn beispielweise deren eigene Nische zu wenig Marktvolumen bietet, kann dadurch weiteres Wachstum oder Profitabilität erreicht werden.
Im Hinblick auf die Einschätzung der Konsumentenbedürfnisse, bzw. Konsumenteneigenschaften, ist davon auszugehen, dass bisherige Segmentierungsansätze für heutige Bedürfnisse zu generisch sind und sich entsprechend wenig Handlungsempfehlungen für eine sinnvolle Marktbearbeitung daraus ableiten lassen. Die Beschreibung der Kundengruppen dient dabei mehr als Grundlage zur besseren Ausleuchtung der Kundenbasis und damit erkennen derer Bedürfnisse. „Kunden verstehen statt zerlegen" (Sander et al., 2009) lautet ein pragmatischer Lösungsansatz. Eine endgültige, zuverlässig zutreffende Einteilung der Kunden existiert nicht.
2.2 Spezifische Ausgangslage von Lebensmittelmarkt und -industrie
Die Lebensmittelindustrie wird dem zweiten, verarbeitenden, Wirtschaftssektor zugeteilt. Die diesem Sektor zugeordneten Unternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die in der Landwirtschaft gewonnenen Rohstoffe zu Endprodukten verarbeiten, die sie an den Einzel- und Grosshandel sowie in den Export absetzen (vgl. Leinert et al., 2016, S. 6).
Die für die Untersuchung beigezogenen Subkategorien der Lebensmittelindustrie betreffen die Verarbeitung von Fleisch und Fisch, Obst, Gemüse und Milch sowie die Herstellung von pflanzlichen Fetten und Ölen, Back- und Teigwaren und sonstigen Nahrungsmitteln und Getränken. Futtermittel fallen in eine gesonderte Kategorie und werden hier nicht weiter untersucht.
In den nachfolgenden Abschnitten werden die Ausgangslage sowie der Markt der Lebensmittelindustrie definiert und genauer untersucht. In diesem Zusammenhang wird vielfach auch der Lebensmitteldetailhandel mitbeleuchtet. Dieser ist als primärer Kunde und Inverkehrbringer der Produkte, welche von der Lebensmittelindustrie erzeugt werden, zu verstehen. Die Bedürfnisse der sekundären Kunden, sprich Konsumenten, zu erkennen, ist für die einzelnen Unternehmen der Lebensmittelindustrie überlebenswichtig. Werden Trends oder Veränderungen der Kundenbedürfnisse verpasst, kann das schwerwiegende wirtschaftliche Folgen haben.
Der Lebensmittelmarkt darf durchaus als überquellend charakterisiert werden, wie dies Stiess und Hayn (2005) beschrieben haben. So sind allein auf dem deutschen Markt mehr als 100.000 Artikel (vgl. Eberle et al., 2011, S. 1) verfügbar. Diese hohe Produktezahl lässt auf einen regen Wettbewerb zwischen den Anbietern schliessen (vgl. Nitzko & Spiller, 2014, S. 315).
Eine Studie der BVE (Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie) von 2016, welche von Ebner Stolz als Beratungshaus mit Fokus auf die Lebensmittelindustrie durchgeführt wurde (vgl. BVE 2017, S. 5), vermittelt stellvertretend für weitere Industrieländer einen eher pessimistischen Eindruck der Situation der deutschen Lebensmittelindustrie. 71 führende Vertreter aus verschiedenen Teilbranchen der deutschen Ernährungsindustrie nahmen an der Studie teil und wurden mithilfe eines Online-Tools befragt (vgl. BVE, 2017). Neben der quantitativen Erhebung wurden zudem Experteninterviews mit Unternehmensvertretern zu einzelnen Schwerpunkten durchgeführt, deren Ergebnisse in die Studiendokumentation einflossen (vgl. BVE, 2017).
Die Untersuchung stellt einen zunehmenden Ertragsdruck für die deutsche Ernährungsindustrie fest und erwartet für die drei, auf die Erhebung folgenden Jahre, ein nur mässiges Umsatzwachstum mit tendenziell stagnierender Rendite (vgl. BVE, 2017, S. 11). Da ein gesteigerter Umsatz keinen deutlichen Renditeschub erwarten lasse (S. 11), seien die Unternehmen gezwungen, „Lösungen zur Beherrschung des Ertragsdrucks zu entwickeln" (BVE, 2017, S. 11). Das Zurückgreifen auf die klassische Kostenkontrolle gilt gemäss den Autoren der Studie des BVE (2017) weiterhin als wichtiges Instrument, um mit dem Kostendruck umzugehen. In der Vergangenheit konnten Kostensteigerungen über die Steigerung der Effizienz ausgeglichen werden (vgl. BVE, 2017, S. 11). Mittlerweile ist dieses Potenzial an vielen Stellen ausgereizt und der Spielraum für Investitionen zur Optimierung und Kostensenkung sinkt (vgl. BVE, 2017, S. 11).
Alles in allem zeichnet sich in Zusammenhang mit der Marktattraktivität der Lebensmittelindustrie ein eher düsteres Bild ab. Zum einen steigt der Druck des Detailhandels auf die Lebensmittelindustrie in Bezug auf Lieferbereitschaft und Preissenkungen. Zum anderen fehlen weitere Optimierungsmöglichkeiten auf der Kostenseite, welche den Unternehmen wieder Margen mit Gewinnpotential ermöglichen würden. Solche Margen wären dringend notwendig, damit sich die Unternehmen erneuern und sie Investitionen zur Steigerung der Effizienz realisieren könnten.
2.2.1 Ausgangslage US-amerikanischer Lebensmittelindustrie und -markt
Durch einen Blick in den US-amerikanischen Lebensmittelmarkt lassen sich zusätzlich interessante Faktoren für den Lebensmittelmarkt der DACH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) erschliessen. Ein Vergleich mit diesem Markt als einem der grössten Absatzmärkte der Welt mit einer hohen Kaufkraft und enormen Produktsegmentierung bietet aufschlussreiche Erkenntnisse und sollte daher nicht vernachlässigt werden. Als Quintessenz aus dem Vergleich der internationalen Märkte lassen sich wertvolle Entwicklungen aufgrund verschiedener Perspektiven für den DACH- Raum gewinnen. Diese dürfen nicht vernachlässigt werden, um ein umfassendes Bild der Branche und deren strategischen Optionen zu erhalten welche damit als Untersuchungsgrundlage für eine mögliche Positionierung im mittleren Markt genutzt werden können.
Eine Einschätzung zum US-amerikanischen Lebensmittelmarkt, bzw. -industrie, findet sich im Report „The U.S. Food Marketing System: Recent Developments, 1997-2006" des United States Department of Agriculture (USDA) von 2007. Der Verfasser des Reports, Martinez, beschreibt die Lebensmittelindustrie auf dem US-amerikanischen Markt wie folgt: „Although industry structure limits the range of approaches, different strategies can successfully coexist in many industries. There may also be variations in how to focus or differentiate within the same strategy" (Martinez, 2007, S. 4). Weiter erkennt er: „[...] industry structure, or developments that establish new bases for competing, offer firms opportunities to substantially shift their competitive position" (Martinez, 2007, S. 4). Hier ist also die Rede von hybriden Strategien, welche Martinez (2007) im Lebensmittelmarkt erkennt.
Im nachfolgenden Absatz wird damit wieder auf die Aussage von Porter (1990) zurückgegriffen. Martinez führt aus: „ [...] a stuck in the middle strategy refers to companies that follow all positioning strategies simultaneously. These companies are destined to fail because the incompatible nature of the different strategies will result in below-average performance" (Martinez, 2007, S. 4). Die kompetitiven Strategien im Lebensmittelmarkt sieht Martinez (2007) nach wie vor unter den klassischen Aspekten einer Positionierung als Kosten- oder Qualitätsführer (vgl. Martinez, 2007, S. 4).
Martinez' Studie (2007) bezieht sich auf die Lebensmittelhändler und lässt sich nicht direkt auf die Lebensmittelindustrie übertragen. Trotzdem lassen sich hier relevante Punkte für die Produzenten aus dem Markt, bzw. deren Abnehmer, erkennen. Martinez (2007) beschreibt die Situation der Lebensmittelhändler weiter wie folgt: „Traditional food retailers that follow a "stuck-in-the-middle" strategy will likely continue to lose market share to nontraditional retail outlets and foodservice companies. Traditional outlets that have higher costs than Wal-Mart [sic], fail to differentiate from the competition, and fail to compete in a narrower market segment lack any competitive advantage" (Martinez, 2007, S. 10).
Einen Aspekt der Differenzierung als weitere Möglichkeit der Positionierung benennt Martinez (2007) folgendermassen: „Some supermarkets are opening their own organic and natural food stores and [are, d. Verf.] producing their own corporate-brand organics. For example, Supervalu recently opened its first Sunflower Market banner store that features organic, minimally processed products with no preservatives. [...]. Other companies [are, d. Verf.] offering their own corporate-brand organic products" (Martinez, 2007, S. 10). In der Herstellung und Positionierung von Private Labels sieht Martinez (2007) die Möglichkeit, sich von den Mitbewerbern wie auch Herstellern zu emanzipieren. Diese „store-brand products" (S. 11) bieten nach Martinez (2007) oftmals einen besseren Wert als Markenprodukte, wobei Martinez nicht darauf eingeht, in welchem Sinn er den Begriff Wert verwendet.
Laut Martinez (2007) bietet die Produktesparte der Private Labels ein nennenswertes Wachstum und Möglichkeit zur Kooperation mit spezialisierten Herstellern. Hersteller bekannter Marken treten aber nach Aussage Martinez (2007) nicht in solche Geschäftsbeziehungen ein, aus Angst, sich selbst zu kannibalisieren (vgl. Martinez, 2007, S. 11). Martinez (2007) sah eine Ursache für die zunehmende Suche der Konsumenten nach neuen Erlebnissen und Geschmäckern in den zur Zeit der Entstehung seiner Studie steigenden Einkommen. Daraus schliesst Martinez (2007), dass zunehmender Wohlstand einen zunehmenden Markt eröffnet „for new niche products that allow consumers to signify their independence and social position" (ebd., 2007, S. 38).
2.2.2 Lebensmittelindustrie und -markt in Deutschland
Wunder und Bausch (2014) von Bausch Food Consulting konstatieren für die deutsche Lebensmittelindustrie eine signifikante Stagnation. Nach den Erhebungen der beiden Autoren wächst seit über 5 Jahren vor dem Zeitpunkt der Untersuchung durch die Autoren „die deutsche Ernährungsindustrie preisbereinigt nicht mehr" (Wunder & Bausch, 2014), also spätestens seit 2009. 2016 waren in Deutschland rund 580.000 Menschen in 5.940 Lebensmittelbetrieben beschäftigt. Die Branche wird durch kleine und mittelständische Betriebe geprägt. Rund 90 % fallen in diese Sparte (vgl. BVE 2017, S. 5). Für den Grossteil dieser Unternehmen ist aufgrund ihrer geringen Grösse „die Erschliessung globaler Absatzmärkte nur eingeschränkt möglich" (Wunder & Bausch, 2014). Um ein Wachstum herbeizuführen, erkennen Wunder und Bausch (2014) zwei primäre Handlungsoptionen. Wachstumsmöglichkeiten wären denkbar „zum einen über konkurrenzfähige Preise, die wiederum auf exzellenten operativen Prozessen der Unternehmen basieren, zum anderen über die Differenzierung im Geschäftsmodell oder den Produkten [sic], was durch effektive Strategiearbeit und einen effizienten Innovationsprozess erreicht werden kann" (Wunder & Bausch, 2014).
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) beschreibt in ihrem Jahresbericht 2017 wie bereits angesprochen die Wachstumschancen der deutschen Lebensmittelindustrie als begrenzt. Die BVE (2017) erkennt dabei seitens der Verbraucher hohe Ansprüche an Unternehmen und einen harten Wettbewerb innerhalb der Industrie, was beides hohe Herausforderungen an die Konkurrenzfähigkeit der Lebensmittelhersteller stellt (vgl. BVE, 2017).
Die steigenden Produktionskosten und Preise für nachhaltige Agrarrohstoffe bedingen höhere Herstellungspreise für die Lebensmittelindustrie. Durch die zunehmenden Lohnkosten bleibt die Ertragslage in der Branche angespannt (vgl. BVE, 2017).
Bei steigendem Konkurrenzdruck „können sich die Hersteller nur durch Qualität, Produktinnovationen und eine effizientere Gestaltung von Produktionsprozessen gegenüber ihren Wettbewerbern durchsetzen" (BVE, 2017, S. 18), was ebenso von Wunder und Bausch (2014) festgestellt wird. Der dazu benötigte finanzielle Spielraum ist jedoch gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen wenig gegeben.
Parallel steigen die Anforderungen der Konsumenten an ihre Ernährung und Lebensmittel. „Die Einkaufsmenge wird bewusster gewählt, die Sensibilität gegenüber Preis, Qualität und Service steigt" (BVE, 2017, S. 23). Dies setzt die Lebensmittelindustrie weiter unter Druck.
2.2.3 Ausgangslage Schweizerische Lebensmittelindustrie und -markt
Unternehmen der Lebensmittelindustrie in der Schweiz haben eine Versorgungsfunktion für die Bevölkerung und stellen nach der Metallindustrie und dem Maschinenbau die drittgrösste Industriebranche dar (Branchenhandbuch, 2017, S. 11).
In der Schweiz erbringt diese Branche mit rund 74'400 Beschäftigten eine Bruttowertschöpfung von rund 11 Mrd. SFr. (Branchenhandbuch, 2017, S. 12).
Aufgrund eines gesättigten Lebensmittelmarkts in der Schweiz wie auch in Europa ist dieser Markt von einem grossen Verdrängungswettbewerb geprägt (vgl. Leinert et al., 2016). Dabei unterteilt sich die Schweizer Lebensmittelindustrie in verschiedene Subbranchen, wie z. B. Kaffee-, Schokolade- oder Getränkeindustrie, welche kompetitive Treiber eines starken Industriewachstums sind, und andere Subbranchen, die überwiegend im Inland tätig sind, wie z. B. die Fleisch- und Milchverarbeitung (vgl. Leinert et al., 2016, S. 3).
Eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts von Bosshart und Staib aus dem Jahr 2005 hat Zukunftsszenarien für den Schweizer Detailhandel 2015 erarbeitet. Einige in der Studie getroffene Voraussagen treffen für die Lebensmittelindustrie heute (2020) zu. Da der Detailhandel der primäre Kunde der Lebensmittelindustrie ist und sich Veränderungen in diesem Markt unweigerlich auf die Produzenten auswirken, sind diese Entwicklungen für die Lebensmittelindustrie relevant.
Die Autoren beschreiben, dass Kunden eine viel grössere Auswahl an Produkten und Kanälen haben werden als je zuvor (vgl. Bosshart & Staib, 2005, S. 4). Kunden werden wählerischer, kaufen wechselnd emotional oder ethisch bewusst ein und sind dabei aber „überforderter denn je. Reich und Arm kaufen Produkte in allen Preislagen, je nach ganz persönlichem Lebensstilmuster einmal teuer und einmal billig" (Bosshart & Staib, 2005, S. 5). Das kann so weit gehen, dass die Konsumenten letzten Endes gar nicht wirklich erkennen können, ob die Produkte ihre gewünschten Kriterien erfüllen oder nicht.
Als Entwicklung sehen die Autoren, dass im Food-Bereich die Nähe, Frische und Freude den Erfolg ausmache. Der Preis scheint wichtig, sei aber nicht prioritäres Kriterium für einen Kauf von Lebensmitteln (vgl. ebd., 2005, S. 5).
2.2.4 Heutiges Marktumfeld der Lebensmittelindustrie
Durch die zunehmende Transparenz von Preis und Leistung von Produkten aufgrund ubiquitärer Informationstechnologien wird es für die Kunden zunehmend einfacher, Preisvergleiche vorzunehmen. Silverstein und Butman (2009) beschreiben auch die aus den Vergleichsmöglichkeiten resultierenden Problematiken von Produkten und Firmen im mittleren Marktsegment, welche nach den Autoren rückläufige Absatzzahlen zu verzeichnen haben.
Wunder und Bausch (2014) sehen die Lebensmittelindustrie „seit Jahren mit einer drastischen Reduktion ihrer Umsatzrendite konfrontiert" (Wunder & Bausch, 2014). Die Herausforderung erkennen Wunder und Bausch (2014) in vergleichbaren Strategien, bei welchen sich die Produzenten nicht mehr wesentlich unterscheiden. Und „nur wenigen gelingt es, sich über Grössenvorteile als Kosten- bzw. Preisführer zu positionieren" (Wunder & Bausch, 2014). Als einziger Ansatz zur Differenzierung bleibe dabei der Versuch, mittels Kosteneinsparungen auf operativer Seite konkurrenzfähige Preise zu erzielen. Dies ist nach Wunder und Bausch (2014) jedoch nur ein kurzfristiger Vorteil, da die Konkurrenten langfristig dieselben Massnahmen umsetzen und damit der Wettbewerbsvorteil wieder hinfällig wird (vgl. ebd., 2014).
Zur Erreichung nachhaltig profitablen Wachstums sehen die beiden Autoren die Erforderlichkeit, bewusst Aktivitäten in Angriff zu nehmen und etwa „andere Produkte, einzigartige Geschäftsmodelle, besondere Kundenbeziehungen etc. zu entwickeln als die Konkurrenz" (Wunder & Bausch, 2014).
In ihrer Studie zum Markt für Lebensmittelhersteller erkennt die BVE (2017) das Vorhandensein einer hohen Mindestqualität von Handelsmarken, wobei es den Herstellern aber auch grosse Anstrengungen abverlangt, „dem Kunden das Produktversprechen wahrnehmbar zu kommunizieren" (BVE, 2017, S. 20), wohl auch aufgrund fehlender Investitionen der Retailer in Aufbau und Positionierung einer eigentlichen Marke.
Zudem schliesst sich die Qualitätslücke zwischen den einzelnen Lebensmitteln und Unterschiede zwischen den Angeboten werden immer seltener zu finden sein (vgl. BVE, 2017, S. 20). Dazu steigt die Imitationsgeschwindigkeit von Handelsunternehmen laufend an und der Preis allein verfügt nur noch über eine geringe Signalfunktion (ebd., S. 20).
Die veränderten Konsumgewohnheiten und die zunehmend heterogenen Kundensegmente bedingen für die Unternehmen eine Planungsunsicherheit, denn Kundenbedürfnisse und Absatzmengen lassen sich dadurch immer schwieriger prognostizieren (vgl. BVE, 2017, S. 22).
2.2.5 Zukünftiges Marktumfeld der Lebensmittelindustrie
Zum Erhalt oder Ausbau der eigenen Position ist es wichtig, sich individuell periodisch und kritisch mit einer systematischen Marktbeurteilung und der eigenen Situation auseinanderzusetzen, um aus den gezogenen Schlüssen konstruktive Ideen und Ansätze für eine mögliche Positionierung abzuleiten und sich wandelnde Konsumentenbedürfnisse und Marktanforderungen zu erkennen.
In Entwicklungsländern, in welchen sich mit steigendem Lebensstandard die Ansprüche der Bevölkerung weiterentwickeln, können dabei, wie in Industrieländern bereits der Fall, „ein wachsendes Qualitätsbewusstsein, der Wunsch nach einer proteinreicheren Ernährung, weniger Zeit für die Essenszubereitung und zunehmend auch ethische Überlegungen" (Leinert et al., 2016, S. 43) als steuernde Faktoren für den Konsum beobachtet werden.
Leinert et al. (2016) erkennen, dass Konsumenten in Industrieländern ihren Bedarf an Lebensmitteln nach anderen Gesichtspunkten als nur finanziellen Überlegungen decken. Lifestyle und Ernährungstrends beeinflussen das Kaufverhalten. Schlagworte für Produkte sind dabei Functional-, Bio-, Vegan- oder Convenience-Food. Laut Leinert et al. (2016) steigt das verfügbare Einkommen in Industrieländern, wodurch Konsumenten in der Entscheidung freier seien, welche Güter sie konsumieren. Mit der steigenden Forderung nach anderen Produkten verbreitere sich auch das zur Verfügung stehende Produkteportfolio (vgl. Leinert et al., 2016, S. 44), mit welchem sich Unternehmen auf die Nachfrage einstellen.
Dabei erkennen Leinert et al. (2016) eine wachsende Abneigung der Kunden gegenüber Produkten, welche mittels intransparenten und damit anonymen Wertschöpfungsketten produziert werden. Dieser Trend wird nach Hauser et al. (2015) mit dem Schlagwort „Romance vs. Science" bezeichnet. Hauser et al. (2015) beschreiben Romance versus Science so, dass Kunden, die „es sich leisten können, Lebensmittel regional und lokal und direkt vom Bauern kaufen" (vgl. Hauser et al., 2015).
Laut Hauser et al. legten Konsumenten in der Schweiz zunehmend Wert darauf, dass Lebensmittel „dem Ursprung nahe" sind (ebd., S. 14). Sie beschreiben die damit einhergehenden, entstehenden emotionalen Aspekte als „Gemütlichkeit, Geborgenheit, Entspannung" (ebd., S. 14).
Die nachfolgende Abbildung 4 zeigt weltweite Trends und Entwicklungen der Lebensmittelbranche in übersichtlicher Form (Leinert et al., 2016, S. 42).
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- Citation du texte
- Michael Fuchs (Auteur), 2020, Generische Unternehmenseigenschaften der Lebensmittelindustrie im mittleren Marktsegment, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1282010