Unternehmenskultur im Homeoffice. Wie Unternehmen aktiv eine digitale Unternehmenskultur gestalten


Masterarbeit, 2022

115 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

I Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Lesehinweise

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Hinführung zum Thema
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
1.3 Struktur der Arbeit

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Covid-19 als Treiber der digitalen Transformation
2.2 Homeoffice als flexible Arbeitsform
2.2.1 Definition und Entwicklung
2.2.2 Homeoffice in Zeiten von Covid-19
2.2.3 Auswirkungen und Folgen
2.2.4 Homeoffice als Arbeitsform der Zukunft?
2.3 Unternehmenskultur
2.3.1 Definition und Entwicklung
2.3.2 Funktionen der Unternehmenskultur
2.3.3 Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg
2.4 Unternehmenskulturmodelle
2.4.1 Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein
2.4.2 Modell der kulturellen Dynamik nach Hatch
2.5 Unternehmenskultur im Wandel
2.5.1 Digitale Unternehmenskultur
2.5.1.1 Beispiele für die praktische Anwendung
2.5.2 Virtuelle Unternehmenskultur

3 Methodik
3.1 Experteninterviews
3.1.1 Experteninterviews als Methode der qualitativen Sozialforschung
3.1.2 Wahl der Erhebungsmethode
3.1.3 Möglichkeiten und Grenzen
3.2 Forschungsdesign
3.2.1 Datenerhebung
3.2.1.1 Entwicklung des Interviewleitfadens
3.2.1.2 Auswahl der Experten und Stichprobenbeschreibung
3.2.1.3 Interviewdurchführung
3.2.2 Datenaufbereitung und -auswertung
3.2.2.1 Transkriptionsverfahren
3.2.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse und Kategoriensystem

4 Ergebnisse
4.1 Kategorie 1: Verständnis des Forschungsgegenstandes
4.2 Kategorie 2: Arbeitsformen vor und während der Covid-19-Pandemie
4.3 Kategorie 3: Chancen und Risiken vom Homeoffice
4.4 Kategorie 4: Erleben der Kommunikation
4.5 Kategorie 5: Unternehmenskultur
4.5.1 Kategorie 5.1: Artefakte vor der Covid-19-Pandemie
4.5.2 Kategorie 5.2: Artefakte während der Covid-19-Pandemie
4.5.3 Kategorie 5.3: Werte während der Covid-19-Pandemie

5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Interpretation der Ergebnisse
5.2.1 Interpretation des Verständnisses des Forschungsgegenstandes
5.2.2 Interpretation der Entwicklung der Arbeitsform
5.2.3 Interpretation der Chancen und Risiken vom Homeoffice
5.2.4 Interpretation der Kommunikation als zentrale Erfolgsgröße
5.2.5 Interpretation der Veränderung der Unternehmenskultur

6 Handlungsempfehlungen

7 Fazit
7.1 Limitationen
7.2 Implikationen für weitere Forschung

IV Literaturverzeichnis

V Anhangsverzeichnis

Zusammenfassung

In Folge der weltweiten Covid-19-Pandemie war eine Vielzahl von Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, die Arbeitsplätze zahlreicher Arbeitnehmer im Rahmen der staatlich beschlossenen Schutzmaßnahmen ins Homeoffice zu verlagern. Das Homeoffice hat sich als Arbeitsform während der Covid-19-Pandemie etabliert und es zeichnet sich ab, dass dieses auch nach der Pandemie im Rahmen hybrider Arbeitsmodelle angeboten werden wird. Auf Grund der neuen Bedingungen, die aus der Arbeitsform des Homeoffice resultieren, entstehen gleichzeitig neue Anforderungen an Unternehmen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Unternehmenskultur. Zusätzlich gewinnt die Diskussion vor dem Hintergrund an Relevanz, dass die Unternehmenskultur eine zentrale Schlüsselrolle für den Unternehmenserfolg darstellt. Inwieweit die Veränderung der Arbeitsform die Unternehmenskultur beeinflusst und welche Folgen für die Gestaltung einer digitalen Unternehmenskultur resultieren, wird im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit untersucht. Es wird die Frage gestellt, wie Arbeitnehmer die Unternehmenskultur im Homeoffice erleben und welche Faktoren als relevant für eine erfolgreiche Unternehmenskultur im Homeoffice erachtet werden. Zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes wurden vier Experteninterviews geführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Veränderung der Arbeitsform nicht nur einen Wandeln der Unternehmenskultur bedingt, sondern den ersten Prozessschritt bei der Transformation der Unternehmenskultur darstellt. Seine Grenzen findet der Transformationsprozess der Unternehmenskultur in der eingeschränkten Kommunikation und Interaktion im Homeoffice, weshalb die Reduzierung der Barrieren bei der Transformation als ein zentraler Erfolgsfaktor für die Entstehung einer digitalen Unternehmenskultur zu verstehen ist.

Abstract

As a result of the global Covid-19 pandemic, many companies were confronted with the challenge of relocating the workplaces of numerous employees to their respective home offices as a part of the government's protective measures. During the Covid-19 pandemic working from home has become an established form of work and it seems obvious that remote work will be continuously offered as part of hybrid work models after the pandemic. Due to the new conditions resulting from working remotely, new demands are simultaneously being placed on companies with regards to preserving corporate culture. This discussion is gaining additional relevance because corporate culture plays a vital role in any company's success. The extent to which changes in the form of work influence corporate culture and what the consequences might be when designing a digital corporate culture is examined in this academic paper. The question is posed as to how employees experience corporate culture while working from home and which factors are considered relevant for a successful corporate culture while telecommuting. Four expert interviews were conducted to explore the research subject. The results show that the change in the form of work not only requires a change in the corporate culture, but also represents the first process step in the transformation of the corporate culture. The process of transforming corporate culture is limited by restricted communication and interaction while working from home, which is why reducing these transformation barriers will be a key factor for the emergence of a digital corporate culture.

II Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zusammenspiel des Ebenen-Modelles der Unternehmenskultur nach Schein 29

III Lesehinweise

Zur Steigerung der Lesbarkeit der Arbeit sowie des Online Fragebogens wird das generische Maskulinum verwendet. Damit sind weibliche und anderweitige Geschlechter Identitäten ausdrücklich mitgemeint, insofern es für die Aussage erforderlich ist.

1 Einleitung

Die Einleitung soll einen Überblick über das Thema geben und die wissenschaftliche Relevanz der Forschung verdeutlichen. Basierend auf der existierenden Forschungslücke in der wissenschaftlichen Literatur dient die Einleitung der Darstellung der Zielsetzung der Arbeit und der Ableitung der Forschungsfrage.

1.1 Problemstellung und Hinführung zum Thema

Der Beginn der Covid-19-Pandemie im März 2020 führte dazu, dass das Szenario der Weltgesundheitsorganisation eintrat, welches bisher auf der Prioritätenliste für globale Gesundheitsfälle an oberster Stelle als Krankheit X geführt wurde und stellvertretend für eine Pandemie von globaler Tragweite mit massiven Auswirkungen auf die Gesellschaft stand (Haas, 2020). Der neu aufgetretene Krankheitserreger SARS-CoV-2 oder umgangssprachlich Coronavirus, welcher sich mittels Tröpfcheninfektion verbreitet und bei infizierten Personen zu einem schweren akuten Atemwegssyndrom führt, infizierte in kürzester Zeit eine breite Masse an Menschen in 187 Nationen und hatte die weltweite Covid-19-Pandemie zur Folge (A. Singh & Agarwal, 2021). Zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie stellte der Deutsche Bundestag am 22.März 2020 eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest, welche weitgehende Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens ermöglicht (Albrecht, Kellner, & Löffl, 2020). Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit wurden fortan Einschränkungen in Form von Corona-Schutzmaßnahmen, Ausgangsbeschränkungen, Kontaktbeschränkungen und Grenzkontrollen veranlasst, um die Bevölkerung und insbesondere vulnerable Personengruppe vor einer lebensbedrohlichen Infektion mit dem Coronavirus zu schützen.

Dabei stellte die Covid-19-Pandemie eine nie zuvor dagewesene Krise dar, welche neben der Bedrohung für die Gesundheit der Weltbevölkerung nie zuvor erlebte Einschränkungen im Sozialleben von Individuen mit sich brachte und einen exogenen Schock für die Weltwirtschaft auslöste (Goudz & Erdogan, 2021). Neben der sinkenden Nachfrage nach Dienstleistungen mussten sich Unternehmen aufgrund der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zeitgleich der Herausforderung stellen, den physischen Arbeitsort von Millionen von Arbeitnehmern in den digitalen Raum zu verlagern (Albrecht, Kellner, & Löffl, 2020). Eine Situation, welche an Unternehmen über Nacht die Anforderung stellte, einen fundamentalen Wandel hinsichtlich der Art und Weise der Zusammenarbeit durch die flächendeckende Einführung des Homeoffice zu bewältigen, um so die Wertschöpfung während der Covid-19-Pandemie aufrecht erhalten zu können (Kniffen et al., 2021). Dabei zeigte sich vor allem, dass die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen an Faktoren der externen Umwelt die wichtigste Kompetenz für Unternehmen während der Covid-19-Pandemie darstellte und zu einem Gradmesser für das Fortbestehen von Unternehmen avancierte (C. A. Liedtke, 2020). Der griechische Begriff für Krise steht der Wortbedeutung nicht ausschließlich für eine Bedrohung, sondern inkludiert zeitgleich die Bezeichnung einer Chance (V. Liedtke, 2020). Die Covid-19-Pandemie bietet Unternehmen die Chance, die erzwungene Dekonstruktion des Arbeitsalltages von Millionen von Arbeitnehmern und die Disruption des wirtschaftlichen Wirkungsgeflechts als einen konstruktiven Auftakt in eine neue Arbeitswelt zu nutzen. Im Sinne des Frameworks des Adaptiven Cycle stellt die Covid-19-Pandemie das Erreichen eines kritischen Grenzwertes dar, welcher aufgrund der Parameteränderung den Übergang in einen neuen Systemzustand bedeutet. An diesem Punkt können Unternehmen einer drohenden Marktbereinigung nur entgehen, indem neue Marktpotenziale durch Innovationen gezielt erschlossen werden. Unternehmerischer Erfolg wird zukünftig weniger stark durch klassische Key Performance Indikatoren bestimmt, sondern wird entscheidend von der Fähigkeit der Adaption der Unternehmen abhängig sein (Zukunftsinstitut, 2020). Eine Möglichkeit zur Innovation für Unternehmen läge darin, die digitale Transformation im Unternehmen aktiv voranzutreiben und die Digitalisierungsimpulse im Zuge der Covid-19-Pandmie auszunutzen (Commerzbank, 2020). Die Gesamtheit der Entwicklungen in der Umwelt der Unternehmen während der Covid-19-Pandemie führten dazu, dass die Unternehmenskultur an Popularität gewinnt. Insbesondere der mannigfaltige, positive Einfluss der Unternehmenskultur auf verschiedene Faktoren ist hierbei ausschlaggebend (Herget, 2021). Einerseits kann die Unternehmenskultur ein wichtiger Begleiter und Treiber der digitalen Transformation im Unternehmen sein (Capgemini Consulting, 2017) und andererseits trägt die Unternehmenskultur zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit im Unternehmen bei (Ernst, 2003). Darüber hinaus zeigt sich in verschiedensten Studien ein signifikanter Einfluss der Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg (Herget, 2021). In der Unternehmenskultur läuft die Fähigkeit der Adaption an die externe Umwelt und die Sicherung des internen Zusammenhalts in einem Unternehmen zusammen (Homma, 2014), sodass die Unternehmenskultur das Potenzial eines nachhaltigen und nicht imitierbaren Wettbewerbsvorteils besitzt (Barney, 1986). Insbesondere durch die Covid-19-Pandemie und die daraus resultierenden Herausforderungen gewinnt die Unternehmenskultur an Bedeutung für Unternehmen (Spicer, 2020). Eine Befragung von 532 Beschäftigen aus verschiedensten Unternehmen und Abteilungen zeigt übereinstimmend, dass die Weiterentwicklung der eigenen Unternehmenskultur als wichtigste Aufgabe für die Zukunft eingeschätzt wird (Eilers, Möckel, Rump, & Schabel, 2016).

Jedoch stellt die Definition der Unternehmenskultur für viele Unternehmen die erste Hürde dar. Die Schwierigkeiten bei der Definition sind auf die Emergenz der Unternehmenskultur zurückzuführen, welche ursächlich dafür ist, dass jede Unternehmenskultur auf einem einmaligen Prozess beruht, welcher sich von Unternehmen zu Unternehmen stark unterscheiden kann und dessen Resultat sich mitunter in unterschiedlichsten Verhaltensweisen, Regeln sowie Artefakten manifestiert (Herget & Strobl, 2018). Die umgangssprachliche Definition von Brain Chesky, dem Geschäftsführer von Airbnb, verdeutlicht den Facettenreichtum des Begriffes der Unternehmenskultur, welche er beschreibt als: “Culture is a thousand things, a thousand times. It´s living the core values when you hire; when you write an email; when you are working on a project; when you are walking in the hall“ (Herget & Strobl, 2018, S.15). Die definitorischen Schwierigkeiten bei der Unternehmenskultur zeigen vor allem dann Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis, wenn Unternehmen die eigene Unternehmenskultur bestimmen müssen, sodass diese weder die eigene Unternehmenskultur beschreiben noch Parameter oder Anforderungen an eine zukünftige Unternehmenskultur festlegen können. Das hat zur Folge, dass der zentrale Wettbewerbsfaktor der Unternehmenskultur für eine Vielzahl von Unternehmen nicht zu erschließen ist (Herget, 2021). Und das obwohl Peter Drucker den Begriff Unternehmenskultur und dessen Bedeutung für den Unternehmenserfolg durch seinen Grundsatz: “Culture eats strategy for breakfast” vor dem 21. Jahrhundert fest in der Managementliteratur verankerte (Herget & Strobl, 2018). Erschwerend kommt hinzu, dass der Mikrokosmus Unternehmenskultur, welcher das Erleben und Verhalten der Arbeitnehmer grundlegend prägt (Herget & Strobl, 2018), durch die Covid-19-Pandemie eine radikale Veränderung erfahren hat (Kniffen et al., 2021). Tausende Arbeitnehmer führen seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie die bisherige Tätigkeit aus dem Homeoffice weiter. Die Geschäftsführerin eines deutschen Unternehmens beschreibt die Veränderung wie folgt: “Ich bin im März in Zoom eingezogen und wohne da” (Bickmeyer, 2021, S. 461). Die einsetzende Zoomification während der Covid-19-Pandemie, welche stellvertretend für den starken Anstieg der Homeoffice-Tätigkeit steht, ersetzt die analoge Begegnung zwischen Arbeitnehmer in einem Büro teilweise vollständig. Deshalb ist fraglich, welche bisherigen Rituale im Unternehmen fortgeführt werden können und ob die Kommunikation eine Reduktion der Qualität in Folge der Verlagerung in den virtuellen Raum erlebt (Bickmeyer, 2021). Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Covid-19-Pandemie die Unternehmenskultur in einen fundamentalen Wandel versetzt hat. Dabei verloren Symbole an Bedeutung, welche bisher jahrelang grundlegende Säule der Unternehmenskultur vieler Unternehmen darstellten. Ein Dresscode als deutlich sichtbares Symbole einer Unternehmenskultur verzeichnete einen Bedeutungsverlust durch die Tätigkeit von zu Hause. Der sogenannte Kaffee-Klatsch oder Flurfunk, welcher vor allem der Kommunikation unter Kollegen diente und dessen Funktion vorrangig darin bestand, durch Interaktion einen Konsens hinsichtlich der Unternehmenskultur herzustellen oder neue Unternehmensmitglieder in Form eines Sozialisationsprozesses mit der Unternehmenskultur vertraut zu machen, wurde in einer Vielzahl an Unternehmen während der Pandemie nur marginal praktiziert. Der Bedeutungsverlust im Hinblick auf der bisherigen Säulen der Unternehmenskultur wurde begleitet durch die Entstehung neuer Symbole und Rituale, wie z.B. Video-Konferenz-Tools, welche zum Zeitpunkt des Einsatzes jedoch nicht vollumfänglich verstanden wurden und deren Auswirkungen für die Unternehmenskultur nicht abzusehen waren (Spicer, 2020). Die Tätigkeit im Homeoffice und deren Auswirkungen auf die Unternehmenskultur werden von Zwei-Dritteln der Arbeitnehmer in Umfragen als eine Entwicklung beschrieben, welche die Aufrechterhaltung der Unternehmenskultur erschwert (Wissens Management, 2021). Ursächlich für die Schwierigkeiten ist die Einschränkung der wichtigen Steuerungsgrößen der Kommunikation und Interaktion für die Unternehmenskultur, da die Tätigkeit im Homeoffice zu einer Isolierung am Arbeitsplatz, einer Reduzierung der Frequenz der Kommunikation, einer Reduzierung der informellen Kommunikation, einer Einschränkung der Gruppenprozesse führt und zeitgleich den Spielraum für Missverständnisse vergrößert (Herget, 2021). Das mangelhafte Erleben der Unternehmenskultur von Arbeitnehmern während der Homeoffice-Tätigkeit steht in einem konträren Bezug zur steigenden Relevanz der Unternehmenskultur für den Unternehmenserfolg (Wissens Management, 2021).

An kritischer Relevanz gewinnt der Diskurs um die Aufrechterhaltung einer Unternehmenskultur im virtuellen Raum vor dem Hintergrund, dass die Covid-19-Pandemie als größtes Experiment in Bezug auf eine Tätigkeit aus dem Homeoffice verstanden werden kann, welches einen nachhaltigen Effekt auf die Gestaltung der Arbeit der Zukunft haben wird (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Zwar konnte eine groß angelegte Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigen, dass unter über tausend Arbeitnehmern bei jedem Zweiten im Unternehmen derzeit eine Ungewissheit hinsichtlich der zukünftig angebotenen Arbeitsformen besteht (Feinstein, Habich, & Spilker, 2021). Jedoch besteht Einigkeit im Hinblick auf die grundsätzlichen Veränderungen, welche durch die Covid-19-Pandemie angestoßen wurden und von Experten wie folgt beschrieben werden: „Die Welt wird nach der Corona Krise nicht mehr so sein wie zuvor“ (Rump, Brandt, & Eilers, 2020, S. 2). In der Diskussion um die Homeoffice-Tätigkeit und dessen Zukunft muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Homeoffice-Tätigkeit keine grundsätzlich neue Arbeitsform ist, sondern die Covid-19-Pandemie den Trend einer Zusammenarbeit im virtuellen Raum beschleunigt hat (Kniffen et al., 2021), sodass sich von einigen Ausnahmen abgesehen, eine Vielzahl an Unternehmen der Herausforderung stellen muss, eine Zusammenarbeit in Präsenz und eine phasenweise Tätigkeit aus dem Homeoffice in Form eines hybriden Arbeitsmodelles in Einklang zu bringen (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Eine Frage in diesem Zusammenhang bleibt unbeantwortet, wie die Unternehmenskultur den Weg ins Homeoffice findet (Krämer & Pfizermayer, 2020). Die Gestaltung einer digitalen Unternehmenskultur liegt außerhalb des Kompetenzbereiches vieler Führungskräfte von Unternehmen und stellt gleichzeitig neues Terrain dar, welches im Anbetracht der definitorischen Probleme der Unternehmenskultur und des Verständnisses der eigenen Unternehmenskultur für viele Unternehmen schwer zu schließen ist (Herget, 2021).

Eine Forschungslücke besteht im Hinblick auf die Wahrnehmung der Unternehmenskultur während der Covid-19-Pandemie sowie bezüglich der Veränderung der Unternehmenskultur durch die Covid-19-Pandemie. Hierbei wäre von Interesse herauszufinden, welche Elemente der Unternehmenskultur weiterhin fortbestehen können und welche Elemente explizit an die digitale Umgebung angepasst werden müssen. Aber auch die Möglichkeit der zukünftigen Gestaltung einer digitalen oder hybriden Unternehmenskultur angesichts der Tendenz des anhaltenden Homeoffice muss Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Eine Herangehensweise wäre die Nachverfolgung der Unternehmenskultur mit den dazugehörigen Symbolen und Artefakten sowie Werten und Normen vor, während und nach der Covid-19-Pandemie, um einen Eindruck von der Wahrnehmung und der Veränderung der Unternehmenskultur zu erhalten, welche in Kombination mit den zukünftigen Anforderungen wiederum konkrete Implikationen für die Ausgestaltung einer digitalen oder hybriden Unternehmenskultur zulassen würden (Spicer, 2020).

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage

Die zuvor erläuterten Bedingungen lassen sich zusammenfassend beschreiben als eine Entwicklung für Unternehmen, welche in vielen unterschiedlichen Bereichen einen sehr hohen Transformationsdruck aufbaut. Zum einen sind Unternehmen zur Transformation gezwungen, um weiterhin eine wettbewerbsfähige Marktpositionierung anzustreben. Zum anderen sind Unternehmen mit der Situation konfrontiert, die Arbeitsmethoden und die zwischenmenschliche Interaktion im Unternehmen an die neuen Umweltbedingungen anzupassen. Eine Möglichkeit zur erfolgreichen Bewältigung der Transformation in beiden Bereichen liegt in der Unternehmenskultur eines Unternehmens begründet. Jedoch stehen der aktiven und effizienten Nutzung der Unternehmenskultur für den Unternehmenserfolg immer noch ein schlechtes Verständnis und Unklarheiten rund um die Unternehmenskultur gegenüber. Eine kritische Dimension erreicht der Diskurs um die Unternehmenskultur vor dem Hintergrund, dass die bisher ausbaufähige Unternehmenskultur durch die Homeoffice-Tätigkeit unter zusätzlichen Druck gerät und viele Arbeitnehmer das Erleben der Unternehmenskultur im Homeoffice als deutlich schlechter beurteilen. Die Tendenz, dass nach der Covid-19-Pandemie vor allem hybride Arbeitsmodelle die unternehmerische Landschaft bestimmen werden, verleiht der Thematik noch zusätzliche Relevanz. Vor diesem Hintergrund sollen mit dieser wissenschaftlichen Arbeit zwei Ziele verfolgt werden, erstens das Erleben der Unternehmenskultur von Arbeitnehmern während der Homeoffice-Tätigkeit zu untersuchen und zweitens festzustellen, wie die Transformation der Unternehmenskultur aktiv gestaltet werden könnte. Bei der Gestaltung der Transformation liegt der Fokus darauf, herauszufiltern, welche Elemente der Unternehmenskultur an den virtuellen Raum angepasst werden müssen und neue Elemente der Unternehmenskultur im virtuellen Raum zu identifizieren, umso erste Handlungsempfehlungen zur Aufrechterhaltung und Transformation der Unternehmenskultur in einer hybriden Arbeitswelt geben zu können. Hierbei ist der Anspruch durch die Untersuchung der Artefakte, Rituale und Werte als Bestandteile der Unternehmenskultur im Verlauf der Pandemie eine Grundlage für eine weitere Betrachtung der Unternehmenskultur im virtuellen Raum zu begründen. Zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes wird ein qualitatives Forschungsdesign gewählt, da einerseits das subjektive Erleben der Arbeitnehmer im Vordergrund steht und andererseits die Unternehmenskultur im virtuellen Raum einen kaum erforschten Gegenstand darstellt. Mittels offener und halbstrukturierter Interviews nach Mayring soll ein tieferes Verständnis für die Notwendigkeit der Transformation der Unternehmenskultur erreicht werden und dienen der Analyse der Artefakte, Rituale und Werte der Unternehmenskultur, welche an die neuen Bedingungen der Homeoffice-Tätigkeit angepasst werden müssen. Im zweiten Teil des Interviews liegt der Schwerpunkt darauf, gemeinsam mit den Interviewpartnern erste praktische Ansätze der Transformation der Unternehmenskultur aus der zuvor durchgeführten Literaturanalyse zu reflektieren und darüber hinaus, die Interviewpartner zur Formulierung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung und Transformation der Unternehmenskultur im virtuellen Raum anzuregen. Vor dem erläuterten Hintergrund lautet die Forschungsfrage der wissenschaftlichen Arbeit wie folgt: Wie erleben Arbeitnehmer die Unternehmenskultur im Homeoffice während der Covid-19 Pandemie und welche Faktoren erachten Arbeitnehmer in Zeiten von Homeoffice als relevant für eine erfolgreiche Unternehmenskultur?

1.3 Struktur der Arbeit

Die Masterthesis ist in sieben Kapitel gegliedert. Hierbei hat die Einleitung das Ziel, die Relevanz des Forschungsgegenstandes aufzuzeigen und unter Berücksichtigung aktueller Literatur und Studien die Forschungslücke darzustellen, welche sich für die Unternehmenskultur im digitalen Raum ergibt. Basierend hierauf erfolgt, die Ableitung der Forschungsfrage, wonach einerseits grundsätzlich das Erleben der Unternehmenskultur im Homeoffice während der Covid-19-Pandemie untersucht werden soll und andererseits Faktoren identifiziert werden sollen, welche Arbeitsnehmer unter diesen Umständen als zielführend für das Gelingen einer digitalen Unternehmenskultur erachten. Im Rahmen des zweiten Kapitels soll durch die Betrachtung des theoretischen Hintergrundes ein Verständnis für den Forschungsgegenstand geschaffen werden. Hierzu werden die thematische Schwerpunkte der Arbeitsform des Homeoffice, der Unternehmenskultur und der Unternehmenskulturmodelle sowie der Unternehmenskultur im Homeoffice angeführt. Die empirische Untersuchung wird in dritten Kapitel erläutert. In diesem Kontext wird das Befragungsinstrument der Experteninterviews in die qualitative Sozialforschung eingeordnet und die Wahl des Befragungsinstrumentes begründet. Außerdem wird die Datenaufbereitung in Form des Transkription dargelegt sowie die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring zu Datenauswertung erläutert. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse aus dem Kategoriensystem vorgestellt, welche im fünften Kapitel unter Berücksichtigung des theoretische Hintergrundes aus dem zweiten Kapitel interpretiert werden. Basierend auf der Interpretation werden Handlungsempfehlung im Hinblick auf die Transformation der Unternehmenskultur abgeleitet sowie Maßnahmen zur aktiven Gestaltung der digitalen Unternehmenskultur benannt. Abschließend erfolgt im siebten Kapitel die Beantwortung der Forschungsfrage in einem Fazit sowie die Betrachtung der Einhaltung der Gütekriterien der qualitativen Sozialforschung im Rahmen der Limitationen. Zuallerletzt wird im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur im digitalen Raum der weitere Forschungsbedarf auf diesem Themenfeld verdeutlicht.

2 Theoretischer Hintergrund

In diesem Kapitel erfolgt die theoretische Hinführung zum Forschungsgegenstand, welche dem Gesamtziel der Beantwortung der Forschungsfrage dient. Hierzu werden die relevante Theorie des Forschungsgebietes dargestellt und entscheidende Modelle und Konzepte erklärt sowie einheitliche Definition der Schlüsselbegriffe für die Forschungsarbeit festgelegt.

2.1 Covid-19 als Treiber der digitalen Transformation

Die Hälfte der Weltbevölkerung hat derzeit die Möglichkeit, auf das Internet zuzugreifen. Insbesondere private Nutzer nutzen verstärkt die digitale Welt und so haben sich bereits mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung bei mindesten einem Anbieter der sozialen Medien registriert. Die Nachfrage der Kunden im Bereich soziale Medien, E-Commerce und anderen digitalen Dienstleistungen haben dazu geführt, dass sich um den Kunden herum eine virtuelle Infrastruktur entwickelte, welche eine Art Parallelwelt im virtuellen Raum erschaffen hat (Capgemini Consulting, 2017). Die Digitalisierung erfasste dabei nicht alle Unternehmen, sondern wurde insbesondere im Mittelstand kritisch betrachtet und galt lange Zeit als Phänomen, welches sich lediglich auf Informations- und Kommunikationstechnologien, Werbewirtschaft sowie den Einzelhandel erstreckt, aber nicht die Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe von Klein- und Mittelständischen Unternehmen betraf (Trautmann, 2015). Zudem wurde die Digitalisierung in klein- und mittelständischen Unternehmen aus einer Mischung von Angst vor Veränderungen und Arbeitsplatzverlust bei den Arbeitnehmern, der drohenden Gefahr der Entwertung der Kernkompetenz (Herget, 2021) und einer fehlenden Investitionsbereitschaft gebremst, weshalb sie insbesondere im deutschen Mittelstand bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie nicht als strategisches Thema behandelt wurde, sodass die Digitalisierung im Vergleich zu anderen EU-Ländern bei uns nur im Mittelfeld rangiert. Somit muss Deutschland im Gegensatz zu Finnland und Schweden ein Nachholbedarf bei der Einführung digitaler Technologien attestiert werden (Commerzbank, 2020). Die technologischen Entwicklungen in den letzten Jahren verleihen der Digitalisierung zusätzlich Nachdruck, da mobile Internetgeräte, die Verarbeitung von großen Datenmengen und die Nutzung von Algorithmen dazu führen, dass die Digitalisierung nicht auf einzelne Bereiche begrenzt ist, sondern im Stande ist, ganze Geschäftsmodelle in allen wirtschaftlichen Sektoren grundlegend zu verändern (Trautmann, 2015) und eine Notwendigkeit darstellt, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben (Dahm, Holst, & Schmitz, 2020). Aufgrund dessen kann die Digitalisierung als eine zentrale Herausforderung im 21 Jahrhundert beschrieben werden, welcher sich Unternehmen mittlerweile branchenübergreifend stellen müssen (Capgemini Consulting, 2017). Die Digitalisierung kann im engeren Sinne verstanden werden als: „ die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherung und den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen“ (Bengler & Schmauder, 2016, S.75). Im weiteren Sinne umfasst die Digitalisierung auf der individuellen Ebene eine Veränderung der Arbeitsweise und auf einer organisatorische Ebene die Vernetzung entlang der Wertschöpfungskette. Jedoch beruht die Veränderung im weiteren Sinne immer auf dem Grundprozess der Überführung von Information von einer analogen in eine digitale Speicherung und den dadurch ausgelösten Prozess (Bengler & Schmauder, 2016).

Die Digitalisierung ist ein Veränderungsprozess, dessen Ursprung deutlich vor der Covid-19-Pandemie liegt (Brenner & Fahse, 2020). Bis ins Jahr 1890 waren die Sektoren der sogenannten Urproduktion, bestehend aus der Landwirtschaft und der handwerklichen Produktion, die Bereiche, in denen die meisten Arbeitnehmer vor der Industrialisierung beschäftigt waren. Die einsetzende Industrialisierung und der Übergang von der Manufaktur zur Massenfertigung führten dazu, dass die Beschäftigung zunehmend in den Bereich der Industrie verschoben wurde (Lippe-Heinrich, 2019). Die Computerisierung von 1950 bis in die 1990er Jahre war der größte Wegbereiter der späteren Digitalisierung und kann definitorisch von dieser dahingehend abgegrenzt werden, dass die Computerisierung den Einsatz des Computers zur Unterstützung bei der Abwicklung von betrieblichen Aufgaben meint (Herget, 2021). Die Computerisierung ermöglichte in der Nachkriegszeit zunehmend die Bereitstellung von Einzelplatzsysteme in Fertigung und Verwaltung sowie die Möglichkeit der Vernetzung und Automatisierung von Arbeitsprozessen. Am Ende dieser Phase stand die Ablösung der industriellen Fertigung durch eine Dominanz von Dienstleistungen im Bereich der Wertschöpfung (Lippe-Heinrich, 2019). Die Digitalisierung und die damit verbundene Entmaterialisierung von Produkten (Herget, 2021) sowie der disruptiven Wandel von Geschäftsmodellen bildet den Übergang in die digitalisierte Welt welche durch die Vernetzung und Integration von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit gekennzeichnet ist (Lippe-Heinrich, 2019). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Informationstechnologie zu Beginn ausschließlich Prozesse automatisieren konnte, aber mittlerweile das Potenzial hat, Märkte disruptiv zu verändern und es zu erwarten ist, dass die Informationstechnologien zukünftig auf der Grundlage von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen das Potenzial besitzen, selbst zum Markt und der Lebenswelt zu avancieren, sodass die Schaffung einer neuer Realität am Ende der Entwicklung stehen könnte (Herget, 2021).

Die Covid-19-Pandemie kann als zentraler Treiber der Digitalisierung betrachtet werden und war imstande, die bisherigen Widerstände und Missstände bei der Digitalisierung zu brechen (Brenner & Fahse, 2020). Eine repräsentative Befragung unter deutschen Unternehmen konnte zeigen, dass circa drei Viertel der befragten Unternehmen aufgrund der Covid-19-Pandemie das Investitionsvolumen in die digitale Transformation des eigenen Unternehmens deutlich erhöht haben (Commerzbank, 2020). Die Wechselwirkungen zwischen Digitalisierungsimpulsen aufgrund der Covid-19-Pandemie und dem aufkommenden Wettkampf um Technologieführerschaft, Innovationen und eine zukunftsfähige Positionierung verstärken sich gegenseitig und führen zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel mit disruptiven Veränderungen in vielen Bereichen der Wertschöpfung (Dahm, Holst, & Schmitz, 2020). Darüber hinaus schätzen die meisten Unternehmen weltweit die eigene Digitalisierung noch in einem Anfangsstadium ein (Cisco, 2019), wobei für Deutschland festzuhalten ist, dass die Medien- und Telekommunikationsbranche den größten Fortschritt bei der Digitalisierung zeigen, wohingegen der Automobil- und Versicherungssektor mit circa. 30% einen niedrigen Digitalisierungsfortschritt aufweisen. Branchenübergreifend zeigt sich, dass vor allem in den Bereichen Kundenorientierung und Geschäftsmodelle sich derzeit die größten Digitalisierungsaktivitäten abspielen. Im Vergleich dazu zeigt sich bei der Innovationsfähigkeit und den Geschäftsprozessen mit einem prozentualen Digitalisierungsfortschritt von circa 38% eine Differenz zu den anderen Aspekten von über 10%. Jedoch besteht bei allen Aspekten und in allen Branchen noch deutlich Potenzial, den Digitalisierungsfortschritt zu steigern bzw. in vielen Fällen besteht die Chance einer Verdopplung der Digitalisierungsaktivitäten (KPMG, 2014). Die Aufgabe der Digitalisierung gewinnt an Bedeutung, weil sich im Sinne der kreativen Zerstörung etablierte Unternehmen zunehmend mit Innovationen von Wettbewerbern konfrontiert sehen, sodass bereits im Jahr 2013 über die Hälfte der insgesamt 350 befragten Unternehmen neue Konkurrenten in den bisherigen etablierten Märkten erwarteten (KPMG, 2013). Beispielhaft zum damaligen Zeitpunkt war der Eintritt von Google in den Automobilmarkt mit dem Konzept des fahrerlosen Fahrzeugs, welcher erst aufgrund der Digitalisierung und Vernetzung möglich wurde und die ansonsten hohen Markteintrittsbarrieren des bestehenden Marktes außer Kraft setzte (Trautmann, 2015). Vor der Covid-19-Pandemie wagten Experten die Prognose, dass die Digitalisierung nicht nur die Wertschöpfung in einzelnen Teilbereichen zu verändern vermag, sondern auch imstande ist, den Zusammenhang zwischen Berufs- und Privatleben auf revolutioniere Art und Weise zu verändern (Widuckel, 2015). Schlussendlich führte die Covid-19-Pandemie dazu, den prognostizierten Paradigmenwechsel sowohl im Wirtschafts- als auch Arbeitsleben nachhaltig und dauerhaft zu etablieren (Fink, Jürgensmeier, Ohse, & Kuhle, 2021).

Eine entscheidende Rolle hatten Technologie und Digitalisierung während der Covid-19-Pandemie für Unternehmen, denn erst durch den Einsatz von Technologien und der Digitalisierung von Arbeitsprozessen war es Unternehmen trotz der Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie möglich, die Wertschöpfung aufrecht zu erhalten (Sapta, Muafi, & Setini, 2021) (Herget, 2021). Die zentrale Entwicklung im Rahmen der Covid-19-Pandemie war die Digitalisierung des Arbeitsalltags vieler Arbeitnehmer und die damit verbundene Verschiebung des Arbeitsortes vom Büro in das Homeoffice (Herget, 2021). Die Anzahl der Unternehmen, die die Zusammenarbeit virtuell organisierten, stieg im Zuge der Pandemie signifikant an. Zwangsweise führte die Tätigkeit aus dem Homeoffice auch zu einem Anstieg beim Einsatz digitaler Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten, welche benötigt wurden, um die virtuelle Zusammenarbeit zu gewährleisten (Meifert & Bruch, 2020).

Eine Krise, wie die Covid-19-Pandemie kann in drei Phasen unterteilt werden, wobei die erste Phase das Krisenmanagement in der Krise an sich umfasst, die in dieser Phase getroffenen Sofortmaßnahmen dienten dazu, dass Überleben zu sichern. Die folgenden Phasen zwei und drei im Anschluss an die Krise haben die Stabilisierung nach der Pandemie sowie die aktive Gestaltung der neuen Strukturen zum Ziel (Brenner & Fahse, 2020). Eine Befragung von 37 Managern auf dem Level eines Chief Digital Officers mit der Verantwortung für die digitale Transformation zeigte, dass in der Phase der Stabilisierung die Digitalisierung von Prozessen unbedingt umgesetzt werden sollte. Mit geringfügig weniger, aber insgesamt mit hoher Zustimmung wird erwartet, dass das Homeoffice nach der Covid-19-Pandemie nicht verschwinden wird, sondern sogar anzunehmen ist, dass diese Form des Arbeitens zum Normalfall wird. Dies erklärt im Umkehrschluss die Annahme, dass gleichzeitig ein Rückgang bei den Bürokapazitäten erwartet wird. Insgesamt wird die Covid-19-Pandemie als wichtiger Impuls für die Digitalisierung der Unternehmen bewertet und die Rückkehr zu vermeintlich alten Werten als sehr unwahrscheinlich eingestuft (Brenner & Fahse, 2020). Ein maßgeblicher Faktor, welcher die Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice ermöglicht und zukünftig die Zusammenarbeit weiter bestimmen wird, ist die Integration und Vernetzung, die seit dem Jahr 2010 kontinuierlich fortschreitet. Die Unabhängigkeit von Ort und Zeit bringt ungeahnte Chancen und Risiken im Hinblick auf die Zusammenarbeit in Unternehmen mit (Lippe-Heinrich, 2019). Die Notwendigkeit des Homeoffice während der Pandemie wird auf der einen Seite die digitale Transformation antreiben und die Veränderung in der Arbeitsumwelt stark beschleunigen. Die Anwendung des Homeoffice während der Pandemie half dabei, eine kritische Schwelle der Digitalisierung zu überwinden und die IT-Kapazität der Unternehmen nachhaltig steigern. Jedoch sind diverse Kurz- und Langzeitfolgen der Veränderung nicht absehbar, die sich im Nachgang unweigerlich ergeben werden (Savic, 2020). Die erfolgreiche Bewältigung der digitalen Transformation hängt maßgeblich von der Unternehmenskultur ab. Deshalb ist mittlerweile eine Abkehr von einer technologischen Perspektive auf die digitale Transformation und die zusätzliche Betrachtung der Verhaltensweisen von Arbeitnehmern in Unternehmen erforderlich (Lauruschkus, Guttschuß, Zschoche, & Shah, 2019). Die wissenschaftlichen Annahmen gehen derzeit soweit, dass zur Erschließung des vollen Potenzials der Digitalisierung die Berücksichtigung der Unternehmenskultur als entscheidender Faktor unabdingbar ist. Eine Befragung von 340 Unternehmen weltweit konnte zeigen, dass bei 62% der befragten Unternehmen die derzeitige Unternehmenskultur die größte Barriere auf dem Weg zu einem virtuellen Unternehmen darstellt. Aufgrund dessen müssen Digitalisierung und Unternehmenskultur in Zukunft im Zusammenspiel betrachtet werden und die Auseinandersetzung mit der eigenen Unternehmenskultur stärker berücksichtigt werden (Capgemini Consulting, 2017).

2.2 Homeoffice als flexible Arbeitsform

2.2.1 Definition und Entwicklung

Während der Covid-19-Pandemie avancierte das Homeoffice von einer Randarbeitsform zu der am häufigsten genutzten Arbeitsform, sodass vom Vorschüler bis hin zum Software-Entwickler fast alle die täglichen Aufgaben in allen Lebensbereichen von zu Hause verrichteten (Suresh, 2020). Die derzeitige Popularität des Homeoffices lenkt von der Tatsache ab, dass die Arbeit aus dem Homeoffice keine grundsätzlich neue Arbeitsform ist (Kaushik & Guleria, 2020). Die Idee des Homeoffices existiert seit den 1950er Jahren. Der erste Versuch der Realisierung geht auf Jack Nilles von der NASA zurück, welcher erstmalig im Jahr 1973 ein Telekommunikation-System dafür einsetzte, seine Arbeit von zu Hause aus zu erledigen und den englischen Begriff des Telecommuting prägte (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Im späteren Verlauf ergänzte Jack Nilles den Begriff des Telecommuting um den Begriff der Telework, wobei Telecommuting den Begriff der Telework inkludiert und sich die Begriffe darin voneinander unterscheiden, dass Telecommuting im Gegensatz zur Telework, den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Vermeidung von Reisetätigkeiten meint, während sich hingegen Telework auf die Flexibilisierung des physischen Arbeitsortes bezieht (Nilles, 1997). Derzeit existieren verschiedene Begriffe in der wissenschaftlichen Literatur und dem alltäglichen Sprachgebrauch parallel nebeneinander, wie z.B. Telecommuting, Remote Work, Work from Home (Kaushik & Guleria, 2020). Die Idee der Flexibilisierung des Arbeitsortes wurde von Reilly beschrieben als: „the various ways of using employees outside the normal workplace, from mobile through partly home based, to full outworkers or teleworkers“ (Reilly, 1998, S.12). Im englischsprachigen Raum sind die Begriffe Telecommuting, Remote Work sowie Work from Home geläufig und bezeichnen einen Arbeitnehmer, welcher seine Arbeit von außerhalb des physischen Arbeitsorts verrichtet, wobei alle Begriffe als synonym füreinander verstanden werden können (Savic, 2020). Im Gegensatz dazu wird im deutschsprachigen Raum der Begriff des Homeoffice als Oberbegriff verwendet, unter dem die Konzepte der Telearbeit, alternierenden Telearbeit und dem mobilen Arbeiten subsumiert werden. Die Unterscheidung zwischen Telearbeit und der alternierenden Telearbeit liegt darin, dass zwar beide Arbeitsformen auf Informations- und Kommunikationstechnologien zurückgreifen, um den Arbeitnehmer mit dem Unternehmen zu verbinden, jedoch wechselt bei der alternierenden Telearbeit der Arbeitsort in zeitlichen Abschnitten zwischen der Arbeit von zu Hause und der physischen Arbeit in einem Büro. In Abgrenzung hierzu stellt die mobile Arbeit, die Verrichtung der Aufgaben von einem beliebigen Ort aus dar, somit entfällt die Bindung an die häusliche Umgebung zur Verrichtung der Arbeitstätigkeit (Albrecht, Kellner, & Löffl, 2020). Im alltäglichen Sprachgebrauch überwiegt die Verwendung des Begriffes Homeoffice und eine weitere Differenzierung der Begrifflichkeiten bleibt häufig unberücksichtigt (Spielberger, 2019). Aufgrund der großen Spannweite des Begriffes ist die Beschreibung ebenfalls sehr weitläufig und wird lediglich im allgemeinen beschrieben als: „die Verrichtung von Arbeit außerhalb der Gebäude des Arbeitgebers“ (Lindner, 2020, S. 2). Grundsätzlich gilt, dass Homeoffice zu einer Steigerung der Flexibilität zwischen Arbeits- und Privatleben führt. Diese Entwicklung wird in der wissenschaftlichen Literatur als eine Entgrenzung der Arbeit beschrieben, welche sowohl auf beruflicher als auch privater Ebene gewisse Chancen und Risiken für ein Individuum mit sich bringen (Grunau, Ruf, Steffes, & Wolter, 2019). Eine Befragung von 800 Arbeitnehmern im Zeitraum von 2014 bis 2018 konnte zeigen, dass eine stetig wachsende Anzahl an Unternehmen den Arbeitnehmern die Option einer Homeoffice-Tätigkeit einräumt. Dennoch steht der hohen Anzahl von Unternehmen, die die Nutzung des Homeoffice anbieten, eine niedrige Quote von Arbeitnehmern gegenüber, welche die Möglichkeit des Homeoffice aktiv nutzen (Lindner, 2020). Die eingeschränkte Nutzung des Homeoffice vor der Covid-19-Pandemie wurde durch eine weitere Studie bestätigt, welche zum Ergebnis gekommen ist, dass nur 2% der Unternehmen das Homeoffice intensiv genutzt haben. Trotz des entsprechenden Angebots vonseiten der Unternehmen wurde Homeoffice nur in geringen Maße in Anspruch genommen. Im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern scheint die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht mit 81% in einem überwiegenden Teil der Unternehmen dominant zu sein (Bruch, Block, & Färber, 2016). Die Covid-19-Pandemie stellte für die Nutzung des Homeoffice eine Trendumkehr dar und führte teilweise gezwungenermaßen zu Homeoffice-Quoten von 76% in klein- und mittelständischen Unternehmen, in Großkonzernen betrug der Homeoffice-Anteil sogar über 90%. Langfristig erfolgte durch die konsequente Nutzung des Homeoffice während der Pandemie ein nachhaltigen Impuls für die Popularität der Arbeit von zu Hause aus, weshalb in einer Befragung von über 1000 Arbeitnehmern über 65% angaben, eine stärkere Nutzung des Homeoffice für die Zeit nach der Pandemie zu erwarten (Demmelhuber et al., 2020). Vor und insbesondere während der Covid-19-Pandemie wurde die Nutzung des Homeoffice durch die Weiterentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologie zusätzlich begünstigt (Putri & Irwansyah, 2020).

2.2.2 Homeoffice in Zeiten von Covid-19

Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie führte aufgrund der Globalität zu einem rasanten Anstieg von Krankheitsfällen und vor allem lebensgefährlichen Krankheitsverläufe weltweit. Die Verbreitung der Covid-19-Pandemie gipfelte nach wenigen Monaten in steigenden Todesraten unter den infizierten Personen, sodass sich Regierungen weltweit gezwungen sahen, die zwischenmenschlichen Kontakte einzuschränken, um einer Ausbereitung des Coronavirus präventiv entgegenzuwirken. Das äußerste Mittel zur Bekämpfung der Pandemie waren die sogenannten Lockdowns, bei denen die Regierung das Privat- und Berufsleben der Bevölkerung mit Restriktionen belegte, um zwischenmenschliche Begegnung zu begrenzen und so die Infektionsketten des Coronavirus zu unterbrechen (Kaushik & Guleria, 2020). Alle staatlichen Maßnahmen hatten ein gemeinsames Ziel, welches darin bestand, dass die meisten Bürger für eine gewisse Zeit zu Hause bleiben sollten, sodass 60% der Weltbevölkerung kurzfristig die Hauptaktivitäten von zu Hause durchführten (Suresh, 2020). Außerdem forderten Regierungen Unternehmen dazu auf, wann immer es möglich sei, den Arbeitnehmern die Option des Homeoffice anzubieten. Somit waren Unternehmen gezwungen das Homeoffice zu implementieren und flächendeckend anzuwenden, um so einerseits die eigenen Arbeitnehmer vor einer Infektion am Arbeitsplatz zu schützen und andererseits den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten, um eine Infektion auf dem Arbeitsweg zu vermeiden (Kaushik & Guleria, 2020). Viele Unternehmen erkannten nach der Überwindung der ersten Hürden bei der Implementierung schnell, dass mehr berufliche Tätigkeiten als bisher angenommen aus dem Homeoffice umzusetzen sind (Sytch & Greer, 2020). Aufseiten der Arbeitnehmer stellte sich zeitnah nach der Umsetzung der Effekt ein, dass bisherige Vorbehalte und Hindernisse gegenüber dem Homeoffice durch die aktive Nutzung entkräftet werden konnten, sodass negative Aspekte in den Hintergrund rückten. Nun führten sogar viele Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Homeoffice eine Vielzahl an positiven Effekten anführten, wie z.B. eine gesteigerte Effizienz (Frodermann, Grunau, Haas, & Müller, 2021). Ermöglicht wurde die Nutzung des Homeoffice durch die voranschreitende Digitalisierung und die entsprechenden Informations- und Kommunikationstechnologien, welche sich vor allem auch darin ausdrückten, dass die meisten Arbeitnehmer im Privaten über die notwendige Informationstechnologie verfügten. Eine Voraussetzung war die Anbindung der Haushalte der Arbeitnehmer an das Internet, wobei die Bereitstellung von Breitband Netzwerken weltweit eine wichtige Grundvoraussetzung darstellte- Hilfreich war dabei, dass eine Großzahl der Bevölkerung bereits als Privatperson das Internet nutzte und dementsprechend die Anbindung des Homeoffice problemlos möglich war. Weitere Wegbereiter des Homeoffice waren der Fortschritt im Bereich der Sicherheit für den Zugriff auf Unternehmensressourcen von außerhalb des Unternehmens bzw. von außerhalb des unternehmensinternen Netzwerkes und die Weiterentwicklung von Kollaborationsplattformen sowie Tools zur Kommunikation zwischen Arbeitnehmern, welche für die Zusammenarbeit von Arbeitnehmern im Homeoffice einen gleichwertigen Rahmen zur physischen Zusammenarbeit vor Ort im Unternehmen bieten konnten (Herget, 2021). Zum jetzigen Zeitpunkt ist ersichtlich, dass die neue Vielfalt an Arbeitsformen weiterer Forschung bedürfen, um das Homeoffice vollumfänglich bewerten zu können. Zudem besteht Forschungsbedarf im Hinblick auf eine hybride Arbeitswelt, in welcher verschiede Arbeitsformen parallel existieren, ob eine Tätigkeit aus dem Homeoffice einen Effekt auf die Motivation von Arbeitnehmern hat oder Arbeitnehmer aufgrund dessen weniger mit dem eigenen Unternehmen identifizieren (Kniffen et al., 2021). Derzeit ist festzuhalten, dass spätestens seit der Covid-19-Pandemie die breite Masse von Unternehmen über die technischen Vorrausetzungen verfügen, dauerhaft die Arbeit aus dem Homeoffice zu ermöglichen. Nachdem die technischen Herausforderungen des Homeoffice teilweise bewältigt wurden und eine Vielzahl von Unternehmen aktiv an einer stabilen digitalen Infrastruktur arbeiten, treten in Verbindung mit Homeoffice zunehmend soziale und kulturelle Herausforderungen für die Unternehmen in den Vordergrund, welche für den Übergang in die sogenannte neue Arbeitswelt der Zukunft entscheidend ist (Kaushik & Guleria, 2020).

2.2.3 Auswirkungen und Folgen

Die Implementierung des Homeoffice während der Covid-19-Pandemie war gezwungener Maßen notwendig, um die Wertschöpfung überhaupt aufrecht erhalten zu können. Jedoch bestand insbesondere im Anfangsstadium des Homeoffice bei Unternehmen eine große Unsicherheit hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Produktivität (Möllering, Schuster, & Spilker, 2020). Rund um das Thema Homeoffice stehen sich neue Erkenntnisse bezüglich der Chancen und Risiken konträr gegenüber. Während viele Arbeitnehmer den Einfluss des Homeoffice auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben positiv bewerten, so berichten wiederum andere Arbeitnehmer über eine steigende Anzahl von Überstunden aufgrund der Entgrenzung der Arbeit (Frodermann, Grunau, Haas, & Müller, 2021). Die massive Ausweitung des Homeoffice bringt die Notwendigkeit, die Auswirkungen dessen näher zu erforschen (Kniffen et al., 2021). Eine groß angelegte Befragung von über 1000 Arbeitnehmern konnte zeigen, dass sowohl zu Beginn der Pandemie eine generell hohe Zufriedenheit unter Arbeitnehmern im Hinblick auf das Homeoffice herrschte als auch noch nach einem halben Jahr die Zustimmung auf einem unverändert hohen Niveau stabilisierte (Feinstein, Habich, & Spilker, 2021). Insbesondere die große Unsicherheit hinsichtlich der Produktivität im Homeoffice wurde schnell entkräftet. Eine Befragung von 500 Unternehmen im dritten Quartal 2020 lieferte den Nachweis, dass eine Mehrheit der Unternehmen nach kurzer Zeit im Homeoffice eine Steigerung der Produktivität verzeichnen konnte (Crummenerl et al., 2020). Die Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen einer Tätigkeit aus dem Homeoffice und einer damit verbundenen erhöhten Produktivität werden durch eine weitere Studie gestützt, in der 2000 Angestellte aus insgesamt 319 Unternehmen befragt wurden. Es konnte gezeigt werden, dass 28% der Befragten die Produktivität im Homeoffice identisch zu der Produktivität an einem physischen Arbeitsort einschätzen und sogar 41% der Befragten die Produktivität im Homeoffice als deutlich gesteigert im Vergleich zu einer Tätigkeit beim Arbeitgeber vor Ort wahrnahmen (Boland, Smet, Palter, & Sanghvi, 2020). Ein ähnliches Bild ergab sich bereits vor der Pandemie in einem großen Betriebspanel mit über 6000 Beschäftigen aus mehr als 700 Unternehmen, wobei die Mehrheit der Befragten berichtete, dass die Ausführung vieler Aufgaben von zu Hause besser als im Betrieb zu bewältigen sei (Grunau, Ruf, Steffes, & Wolter, 2019). Gleichzeitig ist durch die Tätigkeit aus dem Homeoffice die Realisierung flexibler Arbeitszeitmodelle leichter als bisher und die Zeiten für das Pendeln zum Arbeitsplatz entfallen restlos, sodass neben der erhöhten Produktivität auch eine höhere Arbeitgeberbindung aufgrund des Homeoffices entstehen kann (Bonin et al., 2020). Die bessere Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben durch das Homeoffice schlägt sich in einer höheren Lebenszufriedenheit nieder, welche wiederum in einem positiven Zusammenhang mit der Performance von Arbeitnehmer steht (Bruch, Block, & Färber, 2016). Die Digitalisierung ist einerseits der Wegbereiter des Homeoffice und andererseits der Stützpfeiler, um auch zukünftig die Digitalisierung weiter voranzutreiben, weshalb das Homeoffice in einer Wechselwirkung mit der Digitalisierung steht (Robert Half, 2021). Das Homeoffice birgt nicht nur auf individueller Ebene diverse Chancen, sondern bietet darüber hinaus die Möglichkeit auf die Erweiterung der internationalen Präsenz des Unternehmens ohne Mehrkosten für Reisetätigkeiten. Zudem können Unternehmen durch ein Homeoffice-Angebot für die Arbeitnehmer im schwierigen Fachkräfteumfeld trotzdem wichtige Fachkräfte rekrutieren und dabei auf Spezialisten aus einem größeren Radius als bisher zurückgreifen (Lindner, 2020).

Der allgemein hohen Zufriedenheit von Arbeitnehmern im Homeoffice und der gestiegenen Produktivität stehen vor allem Nachteile im Bereich des sozialen Miteinanders von Arbeitnehmern gegenüber (Koch & Harnack). Eine Befragung von 37 Managementkräften ergab, dass die größte Herausforderung im Homeoffice soziale Probleme darstellen. Direkt als zweite große Herausforderung wurden die Aspekte genannt, dass es einerseits im Homeoffice schwieriger sei, eine Unternehmenskultur aufrecht zu erhalten und andererseits, dass die Führung von Mitarbeitern im Homeoffice aufgrund der Bedingungen deutlich schwerer wäre (Brenner & Fahse, 2020). Die Schwierigkeiten bei der Erhaltung der Unternehmenskultur sind dabei auf eine stark eingeschränkte Kommunikation und weniger Feedback zwischen den Mitarbeitern im Homeoffice zurückzuführen (Wissens Management, 2021). In verschiedenen Studien manifestierten sich immer wieder dieselben Sachverhalte, weshalb auch größere Studien die qualitativen Ergebnisse der Expertenbefragung replizieren konnten, sodass in einer quantitativen Umfrage mit einer Stichprobengröße von 600 Arbeitnehmern, welche sich abermals in 100 Manager und 500 Angestellte untergliederte, ein ähnliches Ergebnis zum Tragen kam. In dieser Studie beklagten die Arbeitnehmer das komplette Fehlen einer Unternehmenskultur im Homeoffice sowie eine sinkende Kohäsion im Team (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Insbesondere die eingeschränkte Kommunikation scheint für soziale Probleme und die Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Unternehmenskultur ursächlich zu sein (Möllering, Schuster, & Spilker, 2020). Die Wichtigkeit der Unternehmenskultur und des sozialen Austausches unter Arbeitnehmern verdeutlicht sich an den Studienergebnissen einer Untersuchung hinsichtlich der Belastung von Arbeitnehmern in der aktuellen Arbeitssituation, wobei von den 307 Befragten in der neuen Arbeitssituation im Homeoffice ca. ein Fünftel an die Grenzen der Belastbarkeit stoßen. Die Rückführung der hohen Belastung auf technische Aspekte greift zu kurz und zum ersten Mal konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass die hohe Belastung maßgeblich auf die fehlenden sozialen Beziehungen zurückzuführen ist (Meifert & Bruch, 2020). Grundsätzlich funktioniert die Zusammenarbeit und Kommunikation im Homeoffice aufgrund der Vielzahl an Tools relativ gut, jedoch ist in einer virtuellen Umgebung die Kommunikation oder Zusammenarbeit noch limitiert. Die virtuelle Zusammenarbeit gelangt bei steigender Teamgröße an Grenzen und ermöglicht bisher keinen informellen Austausch zwischen Angestellten über verschiedene Unternehmensbereiche hinweg (Havranek et al., 2020). Virtuelle Meetings über verschiedenste Konferenztools stellen zwar die Kommunikation sicher, dennoch ergeben sich hierbei diverse Schwierigkeiten. In einer qualitativen Befragung in Bezug auf die Kommunikation im Homeoffice wurde der Aufwand im Zusammenhang mit der virtuellen Form der Kommunikation als eine hohe Barriere benannt und als Ursache dafür, dass kaum noch spontane Gespräche stattfinden. Zur Kommunikation im virtuellen Raum müssen Einladungslinks verschickt werden, die Konferenz ist auf die eingeladenen Teilnehmer begrenzt und der Kommunikationsumfang eines virtuellen Meetings ist um ein Vielfaches höher. Im Kontrast dazu stehen spontane Konversationen im Büro, bei denen verschiedene Akteure partizipieren können und der Kommunikationsumfang geringer ausfallen darf. Zudem werden sogenannte Webmeetings zur virtuellen Kommunikation von Arbeitnehmern als geradliniger beschrieben, weil der Raum für Humor, Kreativität und Diskussion geringer ausfällt. Die Befragten beschreiben die Geradlinigkeit von Webmeetings als das Gefühl einer verlorengegangenen Dynamik in der Kommunikation (Thaler & Anslinger, 2020). Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommunikation im virtuellen Raum im Verlauf der Pandemie mehreren Veränderungen unterlag, sodass zu Beginn noch regelmäßig mittels virtuellen Meetings via Videoübertragung kommuniziert wurde. Die Nutzung der Videoübertragung war im Verlauf der Pandemie schnell wieder rückläufig. Vermehrt griffen die Nutzer auf die reine Audioübertragung für Webmeetings zurück. In Verbindung mit dem rückläufigen Nutzungsverhalten bei Videoübertragungen in virtuellen Konferenzen stieg die Wahrnehmung eines Isolationsgefühls bei den Arbeitnehmern an. Im weiteren Verlauf der Pandemie berichten immer mehr Arbeitnehmer, dass in den Unternehmen teilweise nur noch unregelmäßig auf Webmeetings zurückgegriffen werde, sondern die Mehrheit der Kommunikation zwischen Arbeitnehmern mittels E-Mails stattfände. Alle Kollegen, welche sich außerhalb des eigenen Arbeitsumfeldes vieler Arbeitnehmer bewegten, würden aufgrund des begrenzten Teilnehmerkreises bei Webmeetings und der aufgabenbezogenen Email-Kommunikation nicht mehr durch die Kommunikation adressiert, sodass die Wahrnehmung der Kollegen außer der eigenen Arbeitssphäre deutlich unter der eingeschränkten und veränderten Kommunikation leide(Seinsche et al., 2021). Die Kommunikationsstörungen im virtuellen Raum bedingten mehr Irritationen und Missverständnisse, sodass eine vermehrte Anzahl an Führungskräften in einer quantitativen Befragung von über 700 Vorgesetzten einen Anstieg bei den Konflikten im Team angegeben haben (Janssen, 2021).

Die Schwierigkeiten bei der Kommunikation spiegeln sich bei der Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte im Unternehmen wieder, wobei in einer Befragung des Ipsos Institutes von den 600 Teilnehmern, welche regelmäßig im Homeoffice arbeiten, nahezu die Hälfte angab, dass die Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte im Homeoffice als schwierig empfunden werde. Hierbei ist jedoch zu differenzieren zwischen dem unmittelbar eigenen Team und denjenigen Kollegen, welche außerhalb des unmittelbaren Arbeitsumfeldes liegen. Im nähren Arbeitsumfeld hat sich der persönliche Kontakt intensiviert, während hingegen im weiteren Arbeitsumfeld der Kontakt zu anderen Kollegen und Führungskräften abgenommen hat. Deshalb wird eine dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice mit einem ansteigenden Silo-Denken im Unternehmen in Zusammenhang gebracht (Feinstein, Habich, & Spilker, 2021). Im wissenschaftlichen Diskurs zeichnet sich derzeit das Bild ab, dass die Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte und eine qualitativ hochwertige Kommunikation sich zunehmend als zentrale Herausforderungen zu verstehen ist, welche Anstrengungen auf allen Ebenen erfordert, um diese Rahmenbedingungen gewinnbringend gestalten zu können (Seinsche et al., 2021). Zwar gelang den Unternehmen die Verlagerung der Tätigkeit ins Homeoffice während der Pandemie, dennoch verloren viele Unternehmen den Umstand aus den Augen, dass die wenigsten Berufe für eine langfristige Ausführung im Homeoffice geeignet sind und zur Umsetzung einer permanenten Tätigkeit eine Optimierung vieler Berufe notwendig ist. Die Kommunikation im virtuellen Raum erfordert eine Anpassung an eine Form der asynchronen Kommunikation ohne sozio-emotionale Untertöne, da nonverbale Hinweise in der Kommunikation zunehmend verschwinden und die Wahrnehmung von paralinguistischen Signalen der Kommunikation im virtuellen Raum drastisch erschwert ist (Sytch & Greer, 2020). Besondere Bedeutung gewinnt die Herausforderung im Zusammenhang mit dem Homeoffice vor dem Hintergrund, da gezeigt werden konnte, dass die Entkopplung von sozialen Verbindungen das psychische und physische Wohlbefinden von Arbeitnehmern negativ beeinflusst (Mogilner, Whillans, & Norton, 2018). Die Ergebnisse konnten durch eine aktuelle Untersuchung bestätigt werden, welche negative Nebeneffekte einer dauerhaften Tätigkeit im Homeoffice sowohl für die mentale als auch physische Gesundheit von Arbeitnehmern nachweisen konnte (Brooks et al., 2020). Im Gegensatz zu den bisher positiven Zusammenhängen zwischen dem Homeoffice und der Leistung der Arbeitnehmer, bedingt die einhergehende Isolation am Arbeitsplatz eine schlechtere Arbeitsleistung (Ozcelik & Barsade, 2018).

Die aktive Gestaltung des Homeoffice und der Kommunikation im virtuellen Raum ist ein zentraler Erfolgsfaktor, der aber in der Vergangenheit häufig auf der Strecke blieb (Thaler & Anslinger, 2020). Die besondere Relevanz des wissenschaftlichen Diskurses rund um die Unternehmenskommunikation ergibt sich aus der Tatsache, dass ohne Kommunikation das Bestehen eines Unternehmens nicht möglich wäre. Die Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor eines jeden Unternehmens und in einem sehr großen Ausmaß ist die Kommunikation der Faktor, welcher die Unternehmenskultur eines Unternehmens mitbegründet (Sinha, 2021). Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie können nicht vollständig benannt werden, trotzdem erfordern viele Aspekte der neuen Arbeitswelt eine proaktive Herangehensweise vonseiten der Unternehmensführung (Janssen, 2021). Der derzeitige wissenschaftliche Forschungsstand in Bezug auf das Homeoffice und seine Auswirkungen zeigt sich in einer Studie aus Indonesien, welche zu dem Ergebnis kommt, dass eine Tätigkeit aus dem Homeoffice mit signifikanten Veränderungen der Unternehmenskultur und der Produktivität verbunden sind (Mustajab et al., 2020).

2.2.4 Homeoffice als Arbeitsform der Zukunft?

Zukunftsprognosen deuten darauf hin, dass der reale Ort der Wertschöpfung und der physische Ort des Unternehmens ausschließlich im Sektor der Rohstoffverarbeitung noch identisch sein werden, wohingegen mindestens eine temporäre Trennung vom Ort der Wertschöpfung und dem physischen Ort des Unternehmens im Bereich der Dienstleistungen zu erwarten ist (Herget, 2021). Klassische Arbeitsmodelle haben seit der Covid-19-Pandemie ausgedient. Dennoch birgt eine ausschließlich virtuelle Zusammenarbeit im Homeoffice auf Dauer noch Herausforderungen, weshalb das Büro nicht vollständig seinen Stellenwert verliert, sondern sich vielmehr zu einem Ort der Begegnung zwischen Arbeitnehmern entwickelt. Während der Pandemie haben sowohl Führungskräfte als auch die Mitarbeiter die Flexibilität, welche mit einer Tätigkeit aus dem Homeoffice verbunden ist, zunehmend schätzen gelernt, weshalb eine Mehrheit aller Arbeitnehmer derzeit davon ausgeht, dass flexible Arbeitsformen auch nach der Pandemie weiterhin fortbestehen werden. Im Fokus der aktuellen Debatte hinsichtlich der Arbeitsformen rücken zunehmend hybride Arbeitsmodelle in den Vordergrund, welche dadurch charakterisiert sind, dass sich Homeoffice- und Präsenzphasen im Unternehmen abwechseln (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Hybride Arbeitsformen sind spätestens seit der Pandemie in der Arbeitswelt etabliert und spiegeln sich im Arbeitsmarkt-Report 2021 wieder, denn derzeit stimmen 86% der 1500 befragten Manager der Etablierung von hybriden Arbeitsformen zu. Insgesamt zeichnet sich eine hohe Zustimmung hinsichtlich des zukünftigen Angebots von flexiblen Arbeitsformen ab, sodass mindestens 59% der Befragten auch nach der Pandemie die Aufrechterhaltung von flexiblen Arbeitsformen in den Unternehmen erwarten. Eine Tendenz, weshalb Unternehmen gezwungen sind, verschiedene Arbeitsformen nebeneinander oder in Kombination anbieten müssen, ist dem Sachverhalt geschuldet, dass eine große Mehrheit an Arbeitnehmern die Freiheit haben möchte, selbst über die Arbeitsform entscheiden zu dürfen. Zahlentechnisch lässt sich die beschriebene Entwicklung zum jetzigen Zeitpunkt im Anstieg der Stellenausschreibungen mit einer Homeoffice-Option feststellen. Im Gegensatz zu vor der Pandemie ist ein Zuwachs bei den Stellenausschreibungen mit der Option auf Homeoffice von 54% zu verzeichnen (Robert Half, 2021). Weitere Studien zeichnen ein ähnliches Bild und unterstützen die Ergebnisse des Arbeitsmarktberichtes von 2021, wie z.B. die repräsentative Befragung des Ifo-Instituts, an welcher 7300 Unternehmen teilgenommen haben, wobei 54% der Befragten einen Anstieg der Arbeitsform des Homeoffices erwarten (Commerzbank, 2020). Getragen wird die Ausweitung des Homeoffice durch die Erwartung der Unternehmen, dass Arbeitnehmer nach der Pandemie weiterhin das Homeoffice nutzen wollen (Havranek et al., 2020). Aus unternehmerischer Sicht birgt das Homeoffice sowie eine hybride Arbeitsform eine Vielzahl an Vorteilen, weshalb Unternehmen trotz Homeoffice die Erwartungshaltung haben, die Produktivität des Unternehmens steigern zu können (Crummenerl et al., 2020). Zugleich ergeben sich für Unternehmen auch weitere Chancen, wie z.B. die Ersparung von Kosten aufgrund geringer Reisetätigkeiten und der Reduzierung von Büroflächen. Aber auch im Wettkampf um Talente kann das Offerieren des Homeoffice den Radius ausweiten, in dem Unternehmen rekrutieren könnten und somit den Unternehmen den Zugriff auf mehr Talente als bisher ermöglichen (Ferreira, Claver, Pereira, & Boston, 2020). Die Risiken in Verbindung mit dem Homeoffice treten vor allem arbeitnehmerseitig auf und manifestieren sich im fehlenden persönlichen Kontakt und der schwierigen Teamarbeit, welche zwar vordergründig Arbeitnehmer betreffen, jedoch auf Dauer imstande sind, die Chance des Homeoffice zu relativieren (Moser, Andermatt, & Hegele, 2021). Das ausgewogene Verhältnis von Chancen und Risiken wird unterstützt vom Ergebnis, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer zwei oder drei Tage in der Woche zukünftig aus dem Homeoffice arbeiten wollen, weshalb die Arbeitsform der Zukunft vor allem hybrid sein wird. Wobei in einer hybriden Arbeitswelt das Homeoffice einen beträchtlichen Anteil ausmachen wird, wenn nicht sogar zukünftig den größeren Anteil haben wird (Crummenerl et al., 2020).

Im Umkehrschluss bedeutet dieses zeitgleich, dass das Management für die virtuelle Zusammenarbeit neue Kommunikationstechniken und Tools finden muss, welche Webmeetings einfacher gestalten und genügend Raum für informelle Kommunikation in virtuellen Teams bieten. Ansonsten droht die Gefahr, dass die Unternehmenskultur und die Identifikation der Mitarbeiter mit der Unternehmenskultur zunehmend leidet, denn eine starke Unternehmenskultur wird durch Kommunikation und Interaktion der Mitarbeiter begründet und manifestiert sich in sichtbaren Symbolen und Artefakten, welche im Homeoffice für viele Arbeitnehmer nur schwer wahrnehmbar sind (Newman & Ford, 2021). Schlussendlich zeigen neueste Studienergebnisse hinsichtlich der Unternehmenskultur im Homeoffice ein vergleichbares Bild, wobei 90% der 200 Befragten antworteten, dass die Unternehmenskultur im Homeoffice für Arbeitnehmer nicht wahrnehmbar sei und die Unternehmenskultur vor dem Hintergrund des Homeoffice einen kritischen Zustand erreiche (Kansal, 2021). Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit der Arbeitsform der Zukunft besteht nicht im Bereich der technologischen Voraussetzungen, sondern in der Aufrechterhaltung der Unternehmenskultur, damit Arbeitnehmer im Homeoffice nicht die Verbindung zur Unternehmenskultur verlieren (Commerzbank, 2020).

2.3 Unternehmenskultur

2.3.1 Definition und Entwicklung

Spätestens seit den 1980er Jahren ist das Konstrukt der Unternehmenskultur ein Gegenstand der wissenschaftlichen und praktischen Betrachtung. Dennoch ist dieses Konstrukt selbst zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig ausgeleuchtet und die praktische Instrumentalisierung der Unternehmenskultur nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Gleichzeitig ist es erstaunlich, welcher Popularität sich das Konstrukt der Unternehmenskultur erfreut (Herget & Strobl, 2018). Festzuhalten bleibt, die Unternehmenskultur ist ein fester Bestandteil der Managementliteratur und wird im organisationalen Sprachgebrauch regelmäßig angewendet (Homma & Bauschke, 2015). Allerdings ist zu beobachten, dass der Begriff der Unternehmenskultur für alles und jeden verwendet wird, eine definitorische Trennschärfe fehlt völlig. Vielmehr beherbergt der Begriff der Unternehmenskultur einen großen Interpretationsspielraum und subsumiert viele unterschiedliche Bedeutungen, weshalb Missverständnisse in Bezug auf die Unternehmenskultur unausweichlich sind. Im Gegensatz zum unklaren definitorischen Spielraum ist das semantische Potenzial des Begriffes der Unternehmenskultur eindeutig (Herget & Strobl, 2018). Mittlerweile wird im wissenschaftlichen Diskurs hinsichtlich des Begriffes der Unternehmenskultur von einer Art der Verwässerung gesprochen, da unter dem Dach der Unternehmenskultur verschiedenste Managementkonzepte und unterschiedlichste Führungsstile über die Jahre subsumiert wurden, sodass in vielen Fällen unklar ist, was im Kern mit dem Begriff der Unternehmenskultur gemeint ist. Weshalb es zur wissenschaftlichen Durchdringung des Begriffes der Unternehmenskultur unbedingt erforderlich ist, zum Ursprung des Begriffes zurückzukehren und sich die verschiedensten wissenschaftlichen Kulturkonzepte zu vergegenwärtigen (Schreyögg & Geiger, 2016).

Der Wortstamm des Begriffes Unternehmenskultur hat seinen Ursprung in der Römerzeit, wobei der Begriff der Kultur hauptsächlich für den Prozess der Kultivierung in der Landschaftspflege verwendet wurde (Reisyan, 2013). Nach einer langen Epoche in welcher der Begriff Kultur in einem landwirtschaftlichen Sinn interpretiert wurde, erfuhr der Begriff zu Beginn des 20. Jahrhunderts diverse Erweiterungen und Umdeutungen, sodass er einerseits zu verstehen war als die anzustrebende Lebensführung der Gesellschaft und andererseits als eine intellektuelle Aktivität und somit eine Begrenzung auf den wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich erlebte (Ettl, 2018). Eine letztmalige Umdeutung erfuhr der Kulturbegriff in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei Kultur beschrieben wurde als: „spezialisiertes, soziales System, das zum Bestand der modernen Gesellschaft bestimmte funktionale Leistungen erbringt“ (Ettl, 2018, S. 40). Eine entscheidende Erweiterung der Definition ist die Ergänzung eines Verständnisses der Kultur als ein kollektives Gedächtnis, wobei insbesondere die letzte Erweiterung des Begriffes für die inhaltliche Durchdringung des Terminus der Unternehmenskultur ausschlaggebend ist (Ettl, 2018). Der Begriff der Unternehmenskultur ist im Gegensatz zur Kultur ein junger Begriff, welcher seinen Ursprung zu Beginn des 20. Jahrhundert hat. Eine intensive betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Unternehmenskultur begann erst in den 1970er Jahren (Sackmann, 2017). Die Entwicklung war zurückzuführen, auf die Verschiebung des unternehmerischen Schwerpunktes auf die sogenannten weichen Faktoren, weil Unternehmen zunehmend feststellten, dass der unternehmerische Erfolg von den Handlungen im Unternehmen beeinflusst wird und die Handlungen wiederum mit der grundlegenden Werthaltung der Arbeitnehmer korrespondiert, weshalb die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen nicht uneingeschränkt an die harten Faktoren gekoppelt ist (Schmitt, 2015).

Grundsätzlich können vier Hauptperspektiven bei der semantischen Betrachtung des Begriffes der Unternehmenskultur eingenommen werden, welche unterschieden werden können in eine betriebswirtschaftliche, psychologische, systemtheoretische und eine anthropologische Sichtweise der Unternehmenskultur. Nichtsdestotrotz bestehen in Erweiterung der vier Perspektiven noch vielfältige weitere Herangehensweisen, welche aber im Gegensatz zu den vier Hauptperspektiven ein Randdasein pflegen (Ilic, 2018). Die anthropologische Perspektive bezieht sich zwar nicht direkt auf die Unternehmenskultur, sondern beschäftigt sich vielmehr mit den Merkmalen von Volksgruppen, welche sich in einem jahrelangen Prozess herausgebildet haben. Zur Betrachtung der Unternehmenskultur wird das Konzept der Merkmale von Volksgruppen auf Unternehmen angewendet, weshalb diese Sichtweise vor allem die Denkweise prägt, dass sich alle Unternehmen durch eine unternehmensspezifische Kultur voneinander unterscheiden. Zu berücksichtigen ist, dass die Kulturanthropologie ein Teilbereich der Ethnologie ist, weshalb in der wissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur beide Begrifflichkeiten für ein und dieselbe Perspektive verwendet werden (Ilic, 2018) (Schreyögg & Geiger, 2016). Hingegen stellt die betriebswirtschaftliche Perspektive die Normen und Werte in einem Unternehmen in den Vordergrund, welche eine zentrale Funktion bei der Steuerung der Handlungen und des Verhaltens der Angestellten übernehmen. Die betriebswirtschaftliche Perspektive ist hierbei vor allem von der Besonderheit gezeichnet, dass die Beeinflussungsrichtung entgegen aller weiterer Perspektiven das Unternehmen als Ausgangspunkt sieht, welches über die vorgegebenen Normen und Werte den Arbeitnehmer leitet, wohingegen alle anderen Ansätze der Unternehmenskultur den Arbeitnehmer als Ursprung der Unternehmenskultur betrachten und sich übergeordnete Werte und Normen aus den Handlungen von Individuen begründen (Ilic, 2018). Für eine systemtheoretische Betrachtung der Unternehmenskultur gilt die Prämisse, das Unternehmen als soziale Systeme zu verstehen sind, welche wiederum aus verschiedenen Merkmalen bestehen. Dementsprechend relativiert die systemtheoretische Perspektive die Frage, ob Unternehmen über unterschiedliche Kulturen verfügen, sondern betrachtet die Unternehmenskultur als ein Mittel zum Vergleich zwischen Unternehmen. Die Unternehmenskultur fungiert unternehmensintern als ein Ordnungsrahmen, welcher die Handlungen der Arbeitnehmer lenkt und stellt unternehmensextern einen Deutungsrahmen für die Anforderungen an das Verhalten der Arbeitnehmer dar. Die Systemtheorie begründet im Hinblick auf die Unternehmenskultur die Idee der Passung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen, wobei sowohl das Unternehmen als auch der Arbeitnehmer als System zu verstehen ist, welches bei entsprechender Passung einerseits die Zugehörigkeit zum System und damit die Einhaltung des Ordnungsrahmens fördert und andererseits die Identität des Arbeitnehmers stärken kann (Ilic, 2018). Hervorzuheben ist die besondere Bedeutung der Kommunikation und Interaktion innerhalb eines Unternehmens, da ohne Kommunikation kein soziales System entstehen kann, in welchem wiederum die Kommunikation ein elementarer Bestandteil für die Bildung der Unternehmenskultur darstellt (Herget, 2021). Mit der systemtheoretischen Perspektive wird die Wichtigkeit der Kommunikation zur Bildung einer Unternehmenskultur noch einmal besonders hervorgehoben. Aber auch abseits der Systemtheorie wird im wissenschaftlichen Diskurs seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts die Kommunikation als ein zentraler Faktor zur Entstehung einer Unternehmenskultur und einer Unternehmensidentität betont (Walker, 2021). Demgegenüber steht in der psychologischen Perspektive vor allem der Mensch im Zentrum, welcher in einer wechselseitigen Beeinflussung mit der Kultur steht (Ilic, 2018). Deshalb gibt Edgar Schein bei der Herleitung einer psychologischen Definition der Unternehmenskultur zu bedenken, dass die Unternehmenskultur grundsätzlich alles umfasst, was eine Gruppe von Menschen im Laufe ihrer Entwicklung gelernt haben (Schein & Schein, 2018). Hiermit greift Edgar Schein den Gedanken des kollektiven Gedächtnisses aus der bisherigen Definition des Kulturbegriffes wieder auf (Ettl, 2018). Unter Berücksichtigung des Gedankens, die Unternehmenskultur als Summe des gemeinsamen Lernens zu verstehen (Schein & Schein, 2018), erschließt sich auch die Grundlage für Definitionsversuche, welche die Unternehmenskultur definieren als „This is how we do things around here“ (Bright & Parkin, 1997, S.13). Eine auf Edgar Schein zurückgehende Definition, welche vor allem den wissenschaftlichen Diskurs dominiert, beschreibt Unternehmenskultur wie folgt:

Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird (Schein, 1995, S. 25).

Im Sprachgebrauch besteht ein semantischer Unterschied zwischen den Begriffen der Unternehmenskultur und der Organisationskultur, vielmehr können diese Begriff als Synonym füreinander verstanden werden (Trautmann, 2015). Dieser wissenschaftlichen Arbeit wird die Definition der Unternehmenskultur von Edgar Schein zugrunde gelegt und die Betrachtung der Unternehmenskultur erfolgt im Weiteren aus einer psychologischen Perspektive.

Ein zentrales Merkmal der Unternehmenskultur ist, dass die Entstehung derselben auf einem langwierigen Entwicklungs- und Lernprozessprozess beruht, welcher in vielen Teilen bewusst abläuft, jedoch vereinzelt bewusst geschieht, wobei insbesondere der bewusste Teil der Entstehung einer Unternehmenskultur die Grundlage für die Argumentation der aktiven Beeinflussbarkeit einer bestehenden Unternehmenskultur bildet (Dahm, Holst, & Schmitz, 2020). Sobald sich eine Unternehmenskultur in einem Betrieb etabliert hat, ist der Rückgriff auf die bestehende Unternehmenskultur völlig unbewusst, sodass eine unbewusste Beeinflussung der Wahrnehmung der Arbeitnehmer und deren Entscheidungsverhalten durch die Unternehmenskultur erfolgt. Zudem ist ein weiteres Merkmal der Unternehmenskultur, dass diese nicht auf einzelne Individuen zurückzuführen ist, sondern als kollektives Gedächtnis die Grundprämissen einer Gruppe abbildet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Änderung der Unternehmenskultur nur unter der Prämisse möglich ist, dass die Veränderung von einem Großteil der Gruppe bzw. des Kollektives getragen wird (Sackmann, 2017).

Die große Tragweite der Unternehmenskultur resultiert daraus, dass diese imstande ist, das gesamte Innenleben eines Unternehmens zu beeinflussen. Von zentraler Bedeutung für die Einflussnahme der Unternehmenskultur sind die sogenannten Kulturträger. Dabei handelt es sich um jene Arbeitnehmer, die einen erfolgreichen Sozialisationsprozess im Unternehmen durchlaufen haben und sich selbst als ein Teil der Gemeinschaft erachten. Über die Kulturträger beeinflusst die Unternehmenskultur die Strategie, Führungsprozesse, Organisationsdesign sowie die Führungssysteme und -instrumente. Hierbei gilt zwar, dass die Unternehmenskultur essential für die Funktionsfähigkeit eines Unternehmens ist, der Einfluss der Unternehmenskultur aber nicht per se positiv sein muss. Inwieweit die Unternehmenskultur die unternehmerische Aktivität unterstützt, hängt maßgeblich vom Grad der Passung der beiden Aspekte ab. Unabhängig von der Passung kann eine einmal etablierte Unternehmenskultur hinsichtlich notwendiger Veränderungsprozesse der Auslöser von Widerständen gegen unternehmerische Änderungen oder Neuerungen sein und kann somit auch in spezifischen Situation als ein Hindernis interpretiert werden (Sackmann, 2017). Die Unternehmenskultur an sich kann in eine starke und in eine schwache Unternehmenskultur differenziert werden. Ausschlaggebend für die Unterscheidung sind die Kriterien der Prägnanz, des Verbreitungsgrades und der Verankerungstiefe. Die Prägnanz meint die Eindeutigkeit der Orientierungsmuster und der Werthaltung, welche durch die Unternehmenskultur transportiert werden, wohingegen eine geringe Ausprägung der Prägnanz vor allem durch ein Durcheinander gekennzeichnet ist und keine klare Orientierung bietet, sondern vielmehr ein Ausdruck von Ambiguität ist (Schreyögg & Geiger, 2016). Das zweite Kriterium des Verbreitungsgrades erfasst die Reichweite der Unternehmenskultur und meint damit, auf welchen verschiedenen Hierarchieebenen oder Unternehmensbereichen die Unternehmenskultur von den Arbeitnehmern geteilt wird. Anzumerken bleibt, dass nach Edgar Schein die drei Kriterien unabhängig voneinander zu betrachten sind, da eine große Reichweite als ein Merkmal für eine starke Kultur gesehen werden kann, jedoch durch die Teilung der Werte über viele Hierarchieebenen hinweg mit einer geringen Prägnanz einhergeht, welches wiederum ein Kennzeichen für eine schwache Unternehmenskultur darstellt (Fallgatter, 2020). Das dritte Kriterium der Verankerungstiefe beschreibt, inwieweit die Arbeitnehmer die Unternehmenskultur in das eigene Handeln und Denken aufnehmen und somit inwieweit eine Sozialisation von Arbeitnehmern zu Kulturträgern erfolgt (Schreyögg & Geiger, 2016). Zusammenfassend können die Bestimmungsgrößen der Unternehmenskultur beschrieben werden als das Wechselspiel zwischen dem Arbeitnehmerverhalten und der Unternehmenskultur. Hierbei gilt, je stärker das Verhalten der Arbeitnehmer durch die Unternehmenskultur beeinflusst wird, desto stärker auch die Unternehmenskultur des Unternehmens (Scholz, 2000). Eine starke oder schwache Unternehmenskultur ist mit individuellen Chancen und Risiken behaftet, deshalb finden sich in der Literatur wenige Angaben über den optimalen Grad einer Unternehmenskultur. Aufgrund dessen sollte die Betrachtung getrennt voneinander erfolgen und keine pauschalisierenden Aussagen getroffen werden (Schreyögg & Geiger, 2016). Während eine starke Unternehmenskultur einen positiven Effekt auf das Commitment der Arbeitnehmer hat und somit die Identifikation mit der Organisation unterstützen kann (Eberhardt, 2013) (Schreyögg & Geiger, 2016), kann eine zu starke Unternehmenskultur ein Hindernis für Veränderungen darstellen (Sackmann, 2017). Des Weiteren kann eine starke Unternehmenskultur einen positiven Effekt auf die Handlungsorientierung, Kommunikation, Entscheidungsfindung, geringen Kontrollaufwand, Motivation und Stabilität haben, da die Unternehmenskultur als ein gemeinsamer Rahmen für alle Arbeitnehmer fungiert. Weitere negative Effekte sind im Bereich eines entstehenden Silodenkens im Unternehmen und der Fixierung auf traditionelle Erfolgsmuster festzustellen (Schreyögg & Geiger, 2016) Darüber hinaus können verschiedene Marktgegebenheiten mitunter unterschiedliche Anforderungen an eine erfolgreiche Unternehmenskultur stellen. Eine Unternehmenskultur, die in einem stabilen Markt zum Erfolg führt, kann in einem agilen Markt untauglich sein (Herget & Strobl, 2018). Dementsprechend ist eine Beurteilung der Chancen und Risiken in Abhängigkeit zu den angestrebten Unternehmenszielen und den gegebenen Umweltbedingungen vorzunehmen (Schein, 2010). Obwohl die Unternehmenskultur für Unternehmen ein entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen kann, steht diesem Gedanken der Mangel an Schritten einer aktiven Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur konträr gegenüber, welche sich auch darin wiederspiegelt, dass die wenigsten Führungskräfte die eigene Unternehmenskultur verstehen. Der Aspekt, dass die Unternehmenskultur kein klassisches Management-Konzept und nur schwer steuerbar ist, erschwert mitunter das Verständnis der Unternehmenskultur und macht ihre Ausgestaltung schwierig, obwohl die Einflussnahme über kulturbildende Maßnahmen durchaus im Rahmen des Möglichen liegt (Herget & Strobl, 2018).

2.3.2 Funktionen der Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist ein wesentliches Element für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, da die Anpassung an externe Umweltbedingungen und der internen Integration als zentrale unternehmerische Herausforderung durch die Unternehmenskultur unterstützt werden können (Homma & Bauschke, 2015). Eine Unternehmensumwelt, welche durch permanente Veränderungen geprägt ist, erfordert von Unternehmen die Fähigkeiten Veränderungen rechtzeitig zu erkennen, richtig zu beurteilen und als Unternehmen auf die Veränderung eine adäquate Reaktion zu finden, um die Anpassung an externe Umweltbedingungen als Unternehmen gewährleisten zu können. Zudem bedarf es innerhalb eines Unternehmens eines Wir-Gefühls oder eines umgangssprachlich bezeichneten sozialen Klebstoffes, welcher isolierte Bestandteile des Unternehmens miteinander verbindet und es so zu einem homogenen Gefüge werden lässt (Sackmann, 2017). Die umfangreichste Darstellung der Funktionen der Unternehmenskultur zur Unterstützung der Bewältigung zentraler unternehmerischer Herausforderungen geht auf Sackmann (2017) zurück. Sackmann unterscheidet vier Primärfunktionen, welche wiederum vier Sekundärfunktion bedingen. Dabei sind die Funktionen an sich erstmal aus einer neutralen Sicht zu betrachten, da, wie bei der Unterscheidung einer starken und einer schwachen Unternehmenskultur, vor allem der Kontext bei der Betrachtung und Beurteilung der Funktionen entscheidend ist. Die Ordnungsfunktion beschreibt den Einfluss der Unternehmenskultur auf die Ordnung und Strukturen innerhalb eines Unternehmens. Insbesondere das Organigramm steht dabei als ein wahrnehmbares Artefakt für die Manifestierung der Ordnung und Struktur, welche auf Unternehmenskultur zurückzuführen ist und ist zudem eine Abbildung der Weisungsbefugnisse und des Machtgefüges zwischen Arbeitnehmern eines Unternehmens. Neben der Struktur eines Unternehmens ist die Unternehmenskultur imstande eine wichtige Orientierungsfunktion für die Arbeitnehmer zu übernehmen, sodass diese nach dem Durchlaufen des Sozialisationsprozesses innerhalb eines Unternehmens in der Lage sind, zwischen einem kulturadäquaten und einem nicht zur Kultur passenden Verhalten zu differenzieren. Die daraus resultierende Orientierung ermöglicht es den Arbeitnehmern, beginnend bei der täglichen Begrüßung bis hin zur Bearbeitung von Fragestellungen, den richtigen Ausdruck im Sinne des Unternehmens zu finden und anzuwenden. Die Unternehmenskultur stellt gleichzeitig die Quelle von Stabilität und Kontinuität dar, welche insbesondere durch die Rituale, Feiern und Zeremonien innerhalb eines Unternehmens hergestellt wird. Die Rituale, Feiern und Zeremonien sind der Ausdruck eines jahrelangen Entstehungsprozesses der Unternehmenskultur und sorgen für das Aufkommen einer Tradition, die darüber hinaus im Zusammenhang mit der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit eines Unternehmens über Generationen hinweg steht. Die letzte Primärfunktion der Unternehmenskultur ist die, dass über die Unternehmenskultur die Existenzberechtigung eines Unternehmens vermittelt werden kann, welche auf individueller Ebene einen erheblichen Einfluss darauf hat, welchen Sinn die Arbeitnehmer in der Tätigkeit des Unternehmens sehen. Obwohl die Sinnvermittlungsfunktion häufig unterschätzt wird, hat sie einen signifikanten Einfluss auf die Motivation der Arbeitnehmer. Die Primärfunktionen der Unternehmenskultur bilden das Fundament der Sekundärfunktion, sodass von einer Ableitung der Sekundärfunktion aus den Primärfunktionen gesprochen werden kann. Die Sekundärfunktion der Motivations- und Identifikationsfunktion basiert zu Teilen auf der Motivation, welche aus der Sinnvermittlungsfunktion resultiert, inkludiert hierbei in einem größeren Umfang die Identifikation mit verschiedenen Zielen des Unternehmens auf der Ebene des Individuums, während die Primärfunktion einen stärkeren Fokus auf die gesellschaftliche Sinnstiftung durch die unternehmerische Wertschöpfung im Sinne einer übergeordneten Ebene legt. Alle vier Primärfunktion bedingen in der Gesamtsumme die Komplexitätsreduktion durch die Unternehmenskultur, da Arbeitnehmer nicht mehr gezwungen sind, Informationen aus der Umwelt immer wieder neu aufzunehmen und zu interpretieren, sondern die Unternehmenskultur im Sinne einer Brille fungiert und den Blick der Arbeitnehmer auf die relevanten Informationen lenkt und die Interpretation der Informationen erleichtert. Die gewaltige Komplexität im Arbeitsalltag, welche durch eine Vielzahl an Informationen mit unterschiedlichsten Verbindung gekennzeichnet ist, würde ohne einen Reduktionsmechanismus zur einer Handlungsunfähigkeit von Arbeitnehmern führen, da die Verarbeitung und die Bewertung jeder einzelnen Information an die Grenzen der menschlichen Informationsverarbeitung stieße, weshalb verkürzte kognitive Wege, welche ermöglicht werden durch den Wahrnehmungs- und Interpretationsrahmen der Unternehmenskultur, zur Bewältigung der Informationsflut unbedingt erforderlich sind. Alle bisherigen Primärfunktionen und Sekundärfunktionen im Verbund schaffen im übertragenen Sinne eine Art kognitive Landkarte, die die Handlungen der Arbeiternehmer unternehmensintern koordiniert, weshalb die Unternehmenskultur die interne Koordinationsfunktion ebenfalls inkludiert. Die organisationale Anpassung an externe Umweltbedingungen ist die letzte Sekundärfunktion, welche eng an die Orientierungsfunktion geknüpft ist und Arbeitnehmer dazu befähigt, Veränderungen in einer dynamischen Unternehmensumwelt zu erkennen. Damit die Anpassung gewährleistet werden kann, muss die Unternehmenskultur eines Unternehmens eine Wandlungswilligkeit einschließen. Ansonsten droht die Kultur in einem kontraproduktiven Sinne den Blick auf externe Veränderungen zu verhindern (Sackmann, 2017). In weiteren wissenschaftlichen Quellen sind zwei Funktionen zur Anpassung an die externe Umwelt zu finden, welche bisher nicht betrachtet wurden - jedoch ohne Kategorisierung in Primär- und Sekundärfunktion. Die Sensibilisierungsfunktion der Unternehmenskultur schärft die Wahrnehmung für Veränderungen im Unternehmensumwelt, und die Abgrenzungsfunktion versteht die gemeinsamen internen Werte als Möglichkeit zur Abgrenzung eines Unternehmens auf Märkten gegenüber Wettbewerbern (Homma, 2014). Zusammenfassend zeigt sich, dass die vielfältigen Funktionen der Unternehmenskultur eine zentrale Rolle für Unternehmen auf verschiedensten Ebenen haben (Dahm, Holst, & Schmitz, 2020).

2.3.3 Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg

Der Einfluss der Unternehmenskultur auf den unternehmerischen Erfolg ist auf die Steigerung der internen Integration und die Verbesserung der externen Anpassung zurückzuführen. Vereinfacht ausgedrückt, die Unternehmenskultur beeinflusst das Verhalten der Arbeitnehmer eines Unternehmens, welche wiederum mittels ausgeführter Handlungen maßgeblich darüber bestimmen, ob ein Unternehmen erfolgreich ist. Die Unternehmenskultur ist als Rahmen zu verstehen, welcher über die verankerten Werte und Normen einen signifikanten Anteil des Verhaltens der Arbeitnehmer determiniert und somit in einem Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg steht (Homma, 2014). Im Zeitraum von 1990 bis ins Jahr 2010 sind 65 Studien zu verzeichnen, die die Korrelation zwischen der Unternehmenskultur und dem Unternehmenserfolg untersuchten (Sackmann, 2017). An ausgewählten wissenschaftlichen Studien soll der Stand der Forschung hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg dargestellt werden. Eine der ersten Studien mit dem Titel Corporate Culture and Performance führten Kotter und Heskett im Jahr 1992 durch, wobei die beiden Autoren einen der ersten empirischen-quantitativen Nachweise für den Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg erbrachten, indem sie die Stärke der Unternehmenskultur in einen Index operationalisierten, welcher auf den Daten von 207 Unternehmen beruhte. Mittels eines Vergleiches zwischen der Stärke der Unternehmenskultur, basierend auf dem konstruierten Index und den Leistungskennziffern des Unternehmens, könnten die beiden Forscher einen Zusammenhang zwischen einer starken Unternehmenskultur und einer signifikant höheren Leistung des Unternehmens zeigen (Homma & Bauschke, 2015). Die höhere Leistung manifestiert sich über einen Zeitraum von elf Jahren in einem um 682% gesteigerten Umsatz, eine 282% Steigerung der Anzahl der Mitarbeiter, einer Anhebung des Aktienkurses um 901% sowie einer Erhöhung des Nettogewinns um 756% (Kotter & Heskett, 1992). Einen weiteren Nachweis für den Zusammenhang erbrachten die Forscher Collins und Porras im Jahr 1994 mit der Studie Built to last, wobei der Unterschied zu bisherigen Studien in der Operationalisierung der Unternehmenskultur als gemeinsame Werte bestand. Infolge der Unternehmenskultur stellte sich in der Studie eine höhere Stringenz bei den Handlungen der Arbeitnehmern ein, sodass die Handlungen insgesamt zielgerichteter wurden und gleichzeitig den unternehmerischen Erfolg positiv beeinflussten (Homma & Bauschke, 2015). Beide Forscher korrigierten im Jahr 1997 aufgrund neuer Ergebnisse dahingehend, dass bei einer starken Unternehmenskultur das Risiko der Erstarrung besteht. Dadurch wäre die wichtige Funktion der externen Anpassung durch die Unternehmenskultur nicht mehr gewährleistet, sondern die Unternehmenskultur könnte sich zu einem Hindernis für die externe Anpassung entwickeln (Homma, 2014). Der aktuellste Nachweis geht auf ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zurück, welcher den interferenzstatistischen Nachweis erbringen konnte, dass die Varianz des Unternehmenserfolges zu 31% durch die Unternehmenskultur zu erklären ist (BMAS, 2008). Der aggregierte Forschungsstand der Studien kann dahingehend zusammengefasst werden, dass die Unternehmenskultur einen Einfluss auf das Verhalten der Arbeitnehmer hat, wodurch wiederum ein Einfluss auf die Strategie, Organisationsdesign, Führungskräfte, Mitarbeitersysteme und die Führungssysteme besteht. Somit kann die Unternehmenskultur einen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg, Marktanteile, Schnelligkeit, Innovation, Qualität und Attraktivität ausüben, welche zusammengefasst werden können in der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und der Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. Neueren Erkenntnissen nach ist der Einfluss der Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg nicht unidirektional reglementiert, sondern beide Faktoren stehen in einer Wechselwirkung und der Unternehmenserfolg kann in Form eines Regelkreises zur Verstärkung der Unternehmenskultur beitragen (Sackmann, 2017). In diesem Wirkungsgeflecht zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg darf nicht vernachlässigt werden, dass die Kommunikation als Mediator und Moderator eine entscheidende Größe darstellt und einerseits existentiell für die Entstehung einer Unternehmenskultur ist und andererseits die Vermittlung zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg übernimmt (Garnett, Marlowe, & Pandey, 2008). Die empirischen Nachweise der Vergangenheit und die Unternehmenskultur an sich haben sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch in der unternehmerischen Praxis noch höchste Relevanz, sodass eine deutliche Mehrheit an Führungskräften und Mitarbeitern in der Unternehmenskultur einen Schlüssel für den unternehmerischen Erfolg sieht. Auffällig bleibt vor allem in der unternehmerischen Praxis, dass die wenigsten Manager davon überzeugt sind, über eine adäquate Unternehmenskultur zu verfügen und erschwerend hinzukommend häufig die Ansatzpunkte zur Definition einer zukunftsfähigen Unternehmenskultur in den Unternehmen fehlen (Herget, 2021). Dabei kann die Unternehmenskultur eines Unternehmens nur schwer imitiert werden, sodass sie gegenüber Produkteigenschaften und Fertigungsfahren einen um das doppelte längeren Zeitraum an Imitationsschutz bei einem zentralen Wettbewerbsfaktor bieten kann (Janke, 2015). Alle bisherigen Untersuchungen hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg unterliegen Grenzen, wobei die Schwerpunkte der kritischen Betrachtung auf der geringen Vergleichbarkeit der Studien liegen, da die Unternehmenskultur häufig unterschiedlich operationalisiert wird. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Unschärfe bei der Operationalisierung des Einflusses auf den unternehmerischen Erfolg, weil die ausschließliche Betrachtung des Aktienkurses und weniger Kennzahlen eine relativ einfache Untersuchungsmethodik darstellen und verzerrt sein könnte (Baetge, Schewe, Schulz, & Solmecke, 2007).

[...]

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Unternehmenskultur im Homeoffice. Wie Unternehmen aktiv eine digitale Unternehmenskultur gestalten
Note
1,3
Autor
Jahr
2022
Seiten
115
Katalognummer
V1282186
ISBN (Buch)
9783346752543
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
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Schlagworte
Unternehmenskultur, organizational culture, Home-Office, Covid-19, Pandemie, digitale Unternehmenskultur, virtuelle Unternehmenskultur, remote, mobiles Arbeiten, Mobile Office, Mitarbeitermotivation, Mitarbeiterbindung
Arbeit zitieren
Dennis Geese (Autor:in), 2022, Unternehmenskultur im Homeoffice. Wie Unternehmen aktiv eine digitale Unternehmenskultur gestalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1282186

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