Lessings „Emilia Galotti“ und Schillers „Kabale und Liebe“ gehören nicht gerade zu den wenig beachteten Werken der deutschen Literatur. [....]
Die Basis für einen Vergleich der beiden Dramen bietet ihre gemeinsame Zuordnung zur Gattung des bürgerlichen Trauerspiels. Zwar trägt nur Schillers Stück diese Bezeichnung explizit im Untertitel, doch wird die Zuordnung der „Emilia Galotti“ zu dieser Gattung kaum ernsthaft bestritten. Die beiden Stücke bilden dabei Anfang und Ende jener Untergattung des bürgerlichen Trauerspiels, die in Abgrenzung zum „empfindsamen“ Typus durch Ständekonflikt und Gesellschaftskritik gekennzeichnet ist. In der Zeit zwischen diesen Dramen wird der Konflikt zwischen den Ständen zum zentralen Thema des bürgerlichen Trauerspiels. Die Empfindsamkeit, vorher ein allgemeinmenschliches Ideal, wurde nun immer mehr dem Bürger in Abgrenzung zum „gefühllosen“ Adel zugesprochen. Lässt sich dieser Befund, der zunächst einmal die zwischen diesen Werken der ‚Höhenkammliteratur’ liegenden trivialliterarischen bürgerlichen Trauerspiele betrifft, auch auf „Emilia Galotti“ und „Kabale und Liebe“ selbst übertragen?
Zweifellos ist auch in diesen beiden Werken ein Konflikt zweier Wertegemeinschaften angelegt. Doch ist die Forschung längst von dem Paradigma vom „Dolchstoss ins Herz des Absolutismus“ abgerückt, das einst in Bezug auf „Kabale und Liebe“ geäußert wurde. Ich spreche dabei bewusst von „Wertegemeinschaften“ statt von „Ständen“, da meiner Meinung nach für die zu betrachtenden Trauerspiele keinesfalls feststeht, ob die Frontlinie zwischen den opponierenden Gruppen tatsächlich entlang der Standesgrenzen verläuft: Man denke an „Überläuferfiguren“ wie den Sekretär Wurm, welche von einer Gemeinschaft in die andere wechseln (oder sich bemühen dies zu tun).
Im Folgenden soll versucht werden, den Gegenstand von Lessings und Schillers Gesellschaftskritik an Hand des dramatischen Personals herauszuarbeiten. Dieses soll vor der Folie des Rollenrepertoires des bürgerlichen Trauerspiels betrachtet werden, denn eine Bewertung des kritischen Potentials der Stücke ist meiner Meinung nach nur vor diesem Hintergrund möglich. Daher soll an Hand typischer Rollenmuster untersucht werden, inwiefern Lessing und Schiller vom trivialdramatischen Muster abweichen und welche Differenzen sich wiederum zwischen beiden Stücken ergeben.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG: ZWEI BÜRGERLICHE TRAUERSPIELE
- ,,EMILIA GALOTTI“, „KABALE UND LIEBE“ UND DAS ROLLENREPERTOIRE DES BÜRGERLICHEN TRAUERSPIELS
- TUGENDHAFTE TÖCHTER? EMILIA GALOTTI UND LUISE MILLER.
- HÖFISCHE VERFÜHRER? HETTORE GONZAGA UND FERDINAND VON WALTER.
- ZÄRTLICHE VÄTER? ODOARDO GALOTTI UND DER MUSIKER MILLER
- FAZIT
- LITERATURVERZEICHNIS
- PRIMÄRTEXTE
- SEKUNDÄRLITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die beiden bürgerlichen Trauerspiele „Emilia Galotti“ von Lessing und „Kabale und Liebe“ von Schiller, um die Darstellung von „höfischen“ und „bürgerlichen“ Werten in beiden Werken zu analysieren. Die Arbeit zielt darauf ab, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung dieser Werte in den beiden Dramen aufzuzeigen und die Rolle des Rollenrepertoires des bürgerlichen Trauerspiels in der Gestaltung der Figuren und Konflikte zu beleuchten.
- Die Darstellung von „höfischen“ und „bürgerlichen“ Werten in den beiden Dramen
- Die Rolle des Rollenrepertoires des bürgerlichen Trauerspiels in der Gestaltung der Figuren und Konflikte
- Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von „höfischen“ und „bürgerlichen“ Werten in den beiden Dramen
- Die Bedeutung des Ständekonflikts in den beiden Dramen
- Die Rolle der „tugendhaften Tochter“ und des „Verführers“ in den beiden Dramen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die beiden Dramen „Emilia Galotti“ und „Kabale und Liebe“ als Vertreter des bürgerlichen Trauerspiels vor und beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen der beiden Werke. Sie stellt die Frage, ob sich die Unterschiede zwischen den beiden Dramen auch auf die Darstellung von „höfischen“ und „bürgerlichen“ Werten übertragen lassen.
Das zweite Kapitel analysiert das Rollenrepertoire des bürgerlichen Trauerspiels und untersucht, inwiefern Lessing und Schiller von diesem Muster abweichen. Es werden die Figuren der „tugendhaften Tochter“, des „Verführers“ und des „zärtlichen“ Vaters in beiden Dramen miteinander verglichen.
Das dritte Kapitel, das Fazit, fasst die Ergebnisse der Analyse zusammen und zieht Schlussfolgerungen über die Darstellung von „höfischen“ und „bürgerlichen“ Werten in den beiden Dramen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das bürgerliche Trauerspiel, „Emilia Galotti“, „Kabale und Liebe“, Lessing, Schiller, „höfische“ Werte, „bürgerliche“ Werte, Rollenrepertoire, Ständekonflikt, „tugendhafte Tochter“, „Verführer“, „zärtlicher Vater“, Gesellschaftskritik.
- Citation du texte
- Alexander Winnefeld (Auteur), 2008, Zwischen Hofkritik und bürgerlicher Selbstkritik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128296