Kafkas Roman Der Prozeß ist ein Text, der es seinen Rezipienten verbietet, ihn bloß passiv-konsumierend zu lesen. Der Prozeß ist ein Werk, in dem das Thema Angst allgegenwärtig ist und auch der Leser sich dieser dort beschriebenen Angst nicht entziehen kann. In dieser Arbeit soll die Angst im Zusammenhang mit Wissen und Unwissen dargestellt werden. Dabei wird sich der erste Teil der Arbeit mit der Angst der Hauptfigur Josef K., der zweite Teil mit der Angst des Lesers auseinandersetzen und das immer auch im Hinblick darauf, wie sich ein Mangel an Wissen oder das Vorhandensein bestimmter Informationen auf die Angst des Protagonisten und des Lesers auswirkt.
Vor einer Untersuchung des Romans unter dem Aspekt der Angst ist zunächst zu klären, wie der Begriff Angst verstanden werden soll. Hier eine klare Definition der Angst voranzustellen, wäre auf den ersten Blick ein sinnvoller Anfang einer solchen Arbeit, erweist sich jedoch als sehr problematisch. Zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen haben sich der Untersuchung der Angst angenommen, allen voran natürlich die Psychologie, aber auch die Biologie, Medizin, Philosophie und Medizin beschäftigen sich schon viele Jahre mit den Gründen und Auswirkungen der Angst.
Bei meinen Überlegungen will ich aber von einem Angstbegriff ausgehen, der vor allem Angst als Ergebnis von Unsicherheit, Ambivalenz und Orientierungslosigkeit begreift, die wiederum in einem engen Zusammenhang mit Wissen und Unwissen stehen. Dabei soll die Angst Josef K.s zunächst vor dem Hintergrund einer kognitiven Angsttheorie von Martin E. P. Seligman untersucht werden. Im Anschluss daran folgt eine Auseinandersetzung mit einem existenzphilosophischen Ansatz, der Josef K.s Angst als eine Angst vor der eigenen Erkenntnis erscheinen lässt.
Die Arbeit schließt damit ab, die Wirkung des Romans auf den Leser näher zu untersuchen. Dabei ist zu zeigen, dass Franz Kafka mit seinem Roman bewusst einen verunsichernden Effekt erzielen wollte, die Wirklichkeitswahrnehmung des Lesers sollte bewusst erschüttert werden. In diesem Aspekt eröffnen sich einige Parallelen zu E. T. A. Hoffmanns Der Sandmann, auf den deshalb am Ende noch eingegangen und dem Prozeß gegenübergestellt werden soll.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Hauptteil
- 1. Die Angst des Josef K.
- 1.1. Die Benennung der Angst in Kafkas Der Prozeß
- 1.2. Angst und Unwissen – Theoretische Grundlagen
- 1.2.1. Psychologischer Ansatz
- 1.2.2. Philosophischer Ansatz
- 2. Die Angst des Lesers
- 2.1. Übertragung der Angst auf den Leser durch personales Erzählen
- 2.2. Angst durch Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Textes
- 1. Die Angst des Josef K.
- III. Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Rolle der Angst im Zusammenhang mit Wissen und Unwissen in Franz Kafkas Roman Der Prozeß. Sie untersucht die Angst der Hauptfigur Josef K. sowie die Angst des Lesers, wobei der Fokus auf der Frage liegt, wie sich ein Mangel an Wissen oder das Vorhandensein bestimmter Informationen auf die Angst des Protagonisten und des Lesers auswirkt. Die Arbeit beleuchtet die erzähltechnischen Aspekte des Romans, insbesondere die personale Erzählhaltung, die eine Verschwimmen der Grenzen zwischen Figuren- und Leserangst bewirkt.
- Die Angst des Protagonisten Josef K. im Kontext von Wissen und Unwissen
- Die Übertragung der Angst auf den Leser durch die personale Erzählhaltung
- Die Rolle der Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Textes in der Entstehung von Angst beim Leser
- Die Analyse der Angst im Roman im Kontext psychologischer und philosophischer Ansätze
- Die vergleichende Betrachtung von Kafkas Der Prozeß und E. T. A. Hoffmanns Der Sandmann im Hinblick auf die Verunsicherung des Lesers
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Angst in Kafkas Der Prozeß ein und stellt die zentrale These der Arbeit vor: Die Angst ist im Roman allgegenwärtig und beeinflusst sowohl die Hauptfigur Josef K. als auch den Leser. Die Arbeit untersucht die Angst im Zusammenhang mit Wissen und Unwissen und beleuchtet die erzähltechnischen Aspekte, die zur Entstehung der Angst beitragen.
Der erste Teil der Arbeit konzentriert sich auf die Angst des Protagonisten Josef K. und analysiert die Benennung der Angst im Roman. Es wird gezeigt, dass die Angst in Kafkas Werk zwar nicht explizit benannt wird, aber durch die Handlung und die Reaktionen des Protagonisten deutlich wird. Die Arbeit untersucht die Angst Josef K.s vor dem Hintergrund einer kognitiven Angsttheorie von Martin E. P. Seligman und setzt sich anschließend mit einem existenzphilosophischen Ansatz auseinander, der Josef K.s Angst als eine Angst vor der eigenen Erkenntnis erscheinen lässt.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der Angst des Lesers. Es wird gezeigt, dass Franz Kafka mit seinem Roman bewusst einen verunsichernden Effekt erzielen wollte, die Wirklichkeitswahrnehmung des Lesers sollte bewusst erschüttert werden. Die Arbeit untersucht die Übertragung der Angst auf den Leser durch die personale Erzählhaltung und analysiert die Rolle der Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Textes in der Entstehung von Angst beim Leser. Im Zusammenhang mit dieser Absicht der Verunsicherung wird auch danach gefragt, inwiefern dies als eine Kritik gegen ein bestimmtes Lesepublikum zu sehen ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Angst in Kafkas Der Prozeß, Wissen und Unwissen, die Angst des Protagonisten Josef K., die Angst des Lesers, die personale Erzählhaltung, die Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Textes, die kognitive Angsttheorie von Martin E. P. Seligman, der existenzphilosophische Ansatz, die Verunsicherung des Lesers, die Kritik an einem bestimmten Lesepublikum und der Vergleich mit E. T. A. Hoffmanns Der Sandmann.
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- Christine Beier (Autor), 2005, Angst und Unwissen in Kafkas "Der Prozess", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128803