Kundenseitige Wahrnehmung von Preiskomplexität


Bachelorarbeit, 2009

31 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Mehr Preisoptionen und weniger Zufriedenheit?

2. Verständnis für Preiskomplexität
2.1 Entstehung, Merkmale und Definition
2.2 Wahrnehmungspsychologische Theorien
2.2.1 Überblick
2.2.2 Theorie der kognitiven Dissonanz

3. Subjektive Wahrnehmung des Kunden
3.1 Überlastung und Folgen
3.2 Preisfairness- & Preisgünstigkeitsurteile
3.3 Kundenzufriedenheit

4. Implikationen für den Unternehmenserfolg

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wahrnehmung quantitativer Preiskomplexität bei gehobenen Preisen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Mehr Preisoptionen und weniger Zufriedenheit?

Mobilfunk-, Energie- und Finanzmarkt – Nur ein kleiner Ausschnitt der Branchen, in denen Konsumenten seit einigen Jahren mit äußerst komplexen Preissystemen konfrontiert sind. Die Angebote unterscheiden sich oft nur im Detail. Diverse Studien belegen den „Preisdschungel“ des Finanzmarktes, z. B. im Bereich der Investmentfonds (vgl. Hortaçsu/Syverson 2004) und Leibrenten (vgl. Mitchell et al. 1999). Auch Bahn-reisende sind schon seit langem über das undurchsichtige Preissystem der Deutschen Bahn verärgert (vgl. z. B. Reichardt 2009; Wieschowski 2008). Engelmann (2005, S. 137) stellte fest, dass man im September 2004 bei den vier Hauptanbietern auf dem deutschen Mobilfunkmarkt eine Kombination aus über 2000 Tarifen zusammenstellen konnte. Hier zeigt sich in den letzten Jahren allerdings eine gegenläufige Entwicklung, die Grund zur Annahme negativer Auswirkungen der Preiskomplexität gibt. So wirbt die E-Plus-Tochter simyo mit dem Slogan „Weil einfach einfach einfach ist“ und bietet SMS und Gespräche in sämtliche deutsche Netze für 9 Cent pro Minute an. Demgegenüber steht jedoch neben vielen Discounter-Angeboten die unüberschaubare Anzahl an Neugründungen von Unternehmen wie simyo.

Für den Verbraucher gilt es stets das für ihn optimale Tarifmodell zu finden. Nach der klassischen Mikroökonomie erhöht eine größere Auswahl den Nutzen und der Konsu-ment sollte zwischen einem gebündelten Gesamtpreis und der gleichwertigen Summe vieler Einzelpreise indifferent sein. Die Verhaltensforschung beweist jedoch, dass diese Vereinfachung keinesfalls immer angenommen werden darf (vgl. Estelami 1997; Maxwell 2005) und impliziert dabei die Wichtigkeit des Behavioral Pricing für die Unternehmensseite. Varian (1989, S. 647) erkennt schon früh komplexe Preissysteme als Ursache für falsche Entscheidungen. Auswirkungen auf die wahrgenommene Preisgünstigkeit und Preisfairness (vgl. Burmana/Biswas 2007) sind in diesem Kontext nicht zu vernachlässigen. Daneben macht sich auch die Überforderung der Konsu-menten, einhergehend mit psychischem Stress, bemerkbar. Folgen können u. a. eine geringe Kundenzufriedenheit und im folgenreichen Falle negatives Word of Mouth (~Mundpropaganda) – als wichtige Informationsgrundlage potenzieller Kunden – sein (vgl. Lehmann 1998; Turnbull/Leek/Ying 2000). Weitreichende Folgen (z. B. Word of Mouth) sollen hier jedoch nicht Gegenstand der Betrachtung sein.

Vielmehr soll dieser Bericht darlegen, welche Wirkung Preiskomplexität auf Kunden hat und ein Verständnis für diesen, in einer Wohlstandsgesellschaft wichtiger werdenden, Einflussfaktor schaffen. Durch die bisherigen Schilderungen und mediale Präsenz geht die praktische Relevanz der Preiskomplexität hervor. In diesem Bezug beschäftigte sich die Marketingforschung bislang aber nur unterproportional mit dem Sachverhalt. Stattdessen liegt der Fokus bspw. häufig auf Preisfairnessurteilen in Folge von Preiserhöhungen (vgl. z. B. Courty/Pagliero 2008, Homburg/Hoyer/Koschate 2005) oder auf der Annahme eines Preises und eines dazugehörigen Referenzpreises (vgl. z. B. Kahneman/Knetsch/Thaler 1986). Jene wichtigen Erkenntnisse tangieren zwar auch die Forschung zur Preiskomplexität, spiegeln jedoch bei weitem nicht die gesamte Bandbreite des Themas wider.

Ein komplexes Preissystem mit vielen Tarifen geht in der Regel mit gewissen Leistungsunterschieden einher, die sich nur marginal, aber auch spürbar, voneinander unterscheiden können (vgl. Carlin 2009). Wie gehen Kunden, die sich mit einer solchen Preiskomplexität und Leistungsvielfalt konfrontiert sehen, mit dieser Situation um? Wie lassen sich Merkmale von Preiskomplexität klassifizieren? Inwiefern spielen kundenspezifische Einflussfaktoren eine Rolle und gibt es auch positive Effekte einer verschachtelten, komplexen Preisgebung? Daneben soll diese Arbeit auch der Unternehmensseite helfen diese Determinante der Kundenbeziehung zu verstehen. So können unter Umständen latente Missstände aufgedeckt, Preissysteme verbessert, Kundeninformationsbedarf antizipiert und Chancen zur Steigerung der Unternehmens- bzw. Produktattraktivität und des Profits entdeckt werden. Eine weitere Zielkaskade ist es einen Anreiz zur weiteren Forschung auf diesem Gebiet zu geben. Besonders der Ein-fluss unterschiedlicher Persönlichkeitsmerkmale ist in diesem Zusammenhang noch kaum erforscht.

Im Detail beschäftigt sich die Arbeit im zweiten Kapitel zunächst mit den konzeptio-nellen Grundlagen. Hierbei wird zum Einen näher auf die Entwicklung und die Gründe für die Entstehung von Preiskomplexität eingegangen, zu der die Ergebnisse der bisherigen Konsumforschung, sowie die schlichte unternehmerische Gewinn-maximierung eine wichtige Rolle einnehmen. Zum Anderen wird die bis dato weder in einschlägig anerkannten, internationalen Journals noch in der Literatur definierte Preis-komplexität eingegrenzt und für die weitere Arbeit definiert. Im Anschluss seien Ausprägungen komplexer Preissysteme dargestellt, bevor dem Leser in diesem Kontext relevante Theorien zur Wahrnehmungspsychologie (z. B. Equity Theorie) näher gebracht werden. Diese sollen eine Basis zur Erklärung der betrachteten Ergebnisse schaffen. Im Folgenden wird näher auf die Theorie der kognitiven Dissonanz eingegangen, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass ein Individuum stets nach einem inneren Gleichgewicht seiner kognitiven Elemente strebt.

Das dritte Kapitel behandelt anschließend konkret den subjektiven Einflussfaktor Preis-komplexität auf die Wahrnehmung des Konsumenten. Hierbei wird auf den Stand der aktuellen Forschung eingegangen und es erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Wirkung verschiedener Komplexitätsmerkmale auf den Kunden. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei die kognitive Überlastung des Verbrauchers, Preisfairness- und Preisgünstigkeitsurteile sowie die Kundenzufriedenheit als unmittelbare Aus-wirkung von Komplexität. Nach Abschluss der Evaluation dieser Gesichtspunkte werden im vierten Kapitel Unternehmensimplikationen, die sich aus den Erkenntnissen ableiten lassen, erörtert.

2. Verständnis für Preiskomplexität

2.1 Entstehung, Merkmale und Definition

Im Folgenden wird zuerst die Entstehung der Preiskomplexität erläutert, die sich sowohl aus Preisdifferenzierung (PD) als auch einer immensen Angebotsfülle zur Abschöpfung von Zahlungsbereitschaften ergibt, bevor sich Preiskomplexität definitorisch erschließen lässt.

Wenn jedem Kunden der Preis angeboten wird, den er maximal zu zahlen bereit ist, fällt der unternehmerische Gewinnanteil am größten aus. In Abwägung der Kosten ergab sich die schon seit langem praktizierte PD (vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 724 ff.). Am weitesten verbreitet ist die PD dritten Grades, bei der Kunden nach bestimmten Gesichtspunkten in verschiedene Segmente eingeteilt werden (z. B. West- und Ostdeutschland). Eigenständig in Segmente zuteilen (z. B. Zugfahrt in erster oder zweiter Klasse) können sich Kunden bei der PD zweiten Grades und von PD ersten Grades spricht man bei individuellen Preisen wie bspw. bei Auktionen (vgl. Pigou 1929). Als Folge der fortschrittlichen technischen Entwicklung, lässt sich im Internet-Marketing häufig PD ersten Grades beobachten (vgl. Haws/Bearden 2006, S. 304;).

Je höher der Differenzierungsgrad, desto komplexer wird das daraus resultierende Preissystem – eine Facette der Preiskomplexität (vgl. Engelmann 2005, S. 139 f.). An dieser Stelle sei jedoch bemerkt, dass der Kunde unter Umständen nicht weiß, dass eine PD vorliegt (z. B. räumliche Differenzierung) oder gewisse Arten der PD, wie z. B. Schülervergünstigungen und Mengenrabatte, gesellschaftlich anerkannt sind (vgl. Garbarino/Lee 2003, S. 496). Der Kunde nimmt ein in der Gesamtperspektive komplexes Preissystem möglicherweise nicht als komplex wahr, sodass hier definitorisch abgegrenzt werden muss (s.u.).

Die Erkenntnis, dass eine größere Auswahl, dessen Komplexität durchaus wahr-genommen wird, weitere Zahlungsbereitschaften des Verbrauchers abschöpfen kann (vgl. Kahn 1998), führte zu einer Vielzahl von Angeboten (vgl. Maxwell 2005, S. 448). In diesem wesentlichen Zusammenhang der Preiskomplexität ist es mitunter proble-matisch sie von der Produktkomplexität abzugrenzen, da mit einer großen offerierten Fülle an Preisoptionen häufig auch Leistungsunterschiede einhergehen bzw. Produkt-variationen überhaupt erst eine mehrgleisige Preisstrategie am Point of Sale (PoS) ermöglichen. Genau diese Vorgehensweise wird in einigen Märkten (z. B. Finanzsektor) sogar intensiv praktiziert um eine Vergleichbarkeit von Nettopreisen zu erschweren (vgl. Carlin 2009).

Während der Begriff Preiskomplexität in der Forschung wenig Erwähnung findet, wird Komplexität in der Literatur unterschiedlich definiert. Es lässt sich jedoch ein Konsens feststellen, der Komplexität als die Anzahl und Heterogenität der Elemente beschreibt (vgl. z. B. Bronner 1992, S.1122; Kieser 1974, S. 302). Unter Preiswahrnehmung versteht Monroe (1973) die Aufnahme von Preisinformationen, bei der objektive Preise und andere Preissignale in subjektive Preiseindrücke umgewandelt werden. Da es signifikante Wahrnehmungsunterschiede gibt, bietet es sich an zwischen objektiver und subjektiver Preiskomplexität zu differenzieren. Indem sie noch eine weitere, zeitbezogene Komplexitätsdeterminante hinzufügen, definieren Engelmann/Brudler/ Kantsperger (2007, S. 21 f.) den objektiven Preiskomplexitätsgrad als „Anzahl und Verschiedenartigkeit der Preiselemente und ihrer Relationen sowie deren Veränderungen im Zeitablauf“. Im Unterschied dazu entspricht „die subjektive Preiskomplexität der individuell empfundenen Schwierigkeit die Vorteilhaftigkeit des Preises eines Leistungsangebotes zu bestimmen“. Auch Homburg/Kebbel (2001, S. 481) nehmen eine ähnliche Unterscheidung für die Dienstleistungskomplexität vor. Aufgrund der unterschiedlichen Akzentuierungen wissenschaftlicher Studien bezüglich quanti-tativer (vgl. Maxwell 2005) und qualitativer (vgl. Carlin 2009) Preiskomplexität, ist ein weiterer Hinweis auf unterschiedliche Komplexitätsausprägungen gegeben, sodass also auch hier eine Unterscheidung nach diesen Variablen angebracht ist. Im qualitativ komplexen Falle steht die Kompliziertheit des Systems selbst im Vordergrund. Der potentielle Käufer muss zur Komplexitätsbewältigung arithmetische Rechnungen durchführen und ggf. mit dem jeweiligen Fachjargon vertraut sein. Bei quantitativer Komplexität geht es um die hohe Anzahl an Auswahlmöglichkeiten.

2.2 Wahrnehmungspsychologische Theorien

2.2.1 Überblick

Um das Verständnis für die im nächsten Kapitel dargelegte Kundenwahrnehmung zu verbessern und einen intuitiven Zugang zu legen, sollen zunächst einige wichtige Theorien zur Verhaltensforschung aufgezeigt werden. Von zentraler Bedeutung ist das Stimulus-Organismus-Reaktion-Paradigma (Stimulus-Organism-Response, S-O-R). Dabei handelt es sich um ein Grundgerüst zum modernen Verständnis eines Handlungsablaufs, das den vom Organismus – hier der Konsument – verarbeiteten und interpretierten Stimuli Rechnung trägt (vgl. Bruhn/Homburg 2004, S. 763 f., Pepels 2002, S. 758). Für viele Jahrzehnte erklärten sog. Stimulus-Reaktion (S-R) -Modelle das Konsumverhalten. Diese „Black Box“-Betrachtungsweise bezog die subjektiven Verarbeitungsprozesse des Konsumenten (Organismus) also nicht mit ein, bis etwa Mitte der sechziger Jahre auch dieser wichtige Bestandteil in das Modell integriert wurde. Der Erläuterung des Organismus-Faktors wurde gleichzeitig deutlich mehr Beachtung geschenkt als den Stimuli und Reaktionen (vgl. Jacoby 2002, S. 51 f.). Den neobehavioristischen Erklärungen liegt die Annahme von sog. „intervenierenden Variablen“ (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 29 f.) zugrunde, die die Stimuli in unterschiedlicher Art und Weise abwandeln (vgl. Behrens 1991, S. 18). So kann bspw. eine große Anzahl an Auswahlmöglichkeiten an Tarifen und Optionen der Stimulus, die Überforderung des einen und Freude des anderen Kunden die „intervenierende Variable“ darstellt und die Ablehnung bzw. der Kauf die Reaktion sein.

Die nun folgenden Theorien beziehen sich auf die im Individuum ablaufenden Prozesse (vgl. hierzu auch Bruhn/Homburg 2004, S. 844 ff.). In der Risikotheorie (vgl. Bauer 1960, S. 389 ff., Bruhn/Homburg 2004, S. 736 f.) geht es um das subjektiv wahrge-nommene Risiko. Das Risiko ergibt sich als Produkt aus den möglichen, als nachteilig empfundenen Folgen des Verhaltens und deren persönliche Gewichtung, zu der der unzulängliche Informationsstand des Konsumenten und das Bewusstsein über die Komplexität (vgl. Turnbull/Leek/Ying 2000) maßgeblich beitragen. Hinzu kommt die empirisch vielfach nachgewiesene menschliche Risiko- bzw. Verlustaversion (vgl. z. B. Guiso/Paiella 2008), nach der ein positives Resultat von einem negativen gleichen Ausmaßes überkompensiert wird. Eine schlechte Entscheidung wird folglich als schwerwiegender empfunden. Kaplan/Szybillo/Jacoby (1974) klassifizieren folgende Risiken, die Konsumenten beim Kauf erwarten: Leistungsrisiko (erfüllt das Produkt die funktionalen Anforderungen?), Finanzielles Risiko (Ist der Preis angebracht?), Psychologisches Risiko (Kann sich der Konsument mit dem Produkt identifizieren?), Physisches Risiko (Können gesundheitliche Schäden entstehen?), Soziales Risiko (Ist das Produkt sozial akzeptiert?) und Zeitrisiko (Wieviel Zeit muss für den Kauf oder Gebrauch eines Produktes aufgewendet werden?). Es ist unverkennbar, dass ein immenser Aufwand bei der Abwägung von Risiken einer komplexen Kaufentscheidung entsteht.

Die Anker- und Anpassungsheuristik (Anchoring and Adjustment Theory) kommt im Marketing verbreitet zum Einsatz (vgl. z. B. Hoyer/MacInnis 2003, S. 225; Kahneman/Tversky 1973; Park/Jun/MacInnis 2000), um zu erläutern wie Konsumenten ihre Preiserwartung aktualisieren bzw. einen Preis wahrnehmen. Es wird erst eine Grundbewertung („Anker“) vorgenommen, die dann durch weitere Informationen ständig angepasst wird. Im Bezug auf komplexe Preise handelt es sich dementsprechend um eine spezifische Bewertungsheuristik, bei der die wichtigste Information – in der Regel der Grundpreis – den „Anker“ darstellt, der durch die Prüfung der weiteren Bedingungen bzw. Preise im Sinne der Preisfairness und Preisgünstigkeit auf- oder abgewertet wird (vgl. Yadav 1994). Genau diese Anpassung wird regelmäßig unzureichend durchgeführt oder findet unter Umständen überhaupt nicht statt (Morwitz/Greenleaf/Johnson 1998).

In engem Zusammenhang zur Anker- und Anpassungsheuristik steht die Theorie des Mental Accounting (vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 90 ff.; Thaler 1985). Die Theorie behauptet, dass Menschen Zahlungen und Nutzen in gewissen gedanklichen „Konten“ klassifizieren und diese sogar saldieren, nachdem das Gut konsumiert wurde. Dabei handelt es sich um eine Erklärung, warum Konsumenten bei der Kalkulation eines Gesamtpreises scheitern (siehe Anpassungsheuristik) – manche Kosten (z. B. Bereitstellungskosten einer Mobilfunkkarte) werden auf anderen Konten verrechnet als der Basispreis mit der Folge einer unterschiedlichen Wahrnehmung zwischen einem komplexen Preissystem und einem einfachen (vgl. Schindler/Morrin/Bechwati 2005).

Die Equity Theorie nach Adams (1963) postuliert, dass Individuen nach Gerechtigkeit bzw. Gleichverteilung in Austauschbeziehungen streben (vgl. auch Pepels 2002, S. 207). Erträge bzw. Konsequenzen (Outcome) werden als fair wahrgenommen, wenn sich das Verhältnis zwischen Aufwendungen (Input, z. B. Informationssuche und Geld) und Erträgen (z. B. ein einfacher Vertrag, der zum Konsumverhalten passt) die Balance hält. Sollte eine Person ein Ungleichgewicht feststellen, geht man davon aus, dass daraus Unzufriedenheit oder ähnliche Emotionen wie bspw. Unmut, Abneigung, Ärger oder Schuld resultieren und in Folge dessen die Person motiviert ist wieder eine Balance herzustellen. Balance kann darin zu finden sein, dass man den Input in die Wechselbeziehung verändert (z. B. einen einfachen, günstigen Vertrag finden), die Wahrnehmung des Outcomes anpasst (z. B. zusätzliche Konditionen nutzen und wertschätzen) oder sich gänzlich aus der Beziehung zurückzieht (z. B. Kündigung). Unzufriedenheit tritt im Besonderen dann auf, wenn sich die Betroffenen – wie in der Equity Theorie angenommen – mit anderen Menschen vergleichen und für sie nachteilige Unterschiede feststellen (z. B. ein Freund des Betroffenen, ein Student, hat die gleichen Vertragskonditionen zu einem günstigeren Preis erhalten). Adams (1965) fand des Weiteren heraus, dass der Zustand gefühlter Ungleichheit große Ähnlichkeit mit den emotionalen Spannungen, die ein Individuum bei kognitiver Dissonanz (s.u.) erfährt, aufweist.

2.2.2 Theorie der kognitiven Dissonanz

Eng mit der Equity und Risikotheorie verknüpft ist die Theorie der kognitiven Dissonanz (vgl. Festinger 1957). Seit den siebziger Jahren wird sie auch verstärkt in Bezug auf das Konsumentenverhalten angewendet (vgl. Cummings/Venkatesan 1976), da bei einer stärkeren Kundenausrichtung die mit der kognitiven Dissonanztheorie eng korrelierte Kundenzufriedenheit in den Fokus rückt. Die Theorie erklärt (vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 61 ff.), wie Kunden mit widersprüchlichen Informationen umgehen und warum sie dazu neigen Anbieter bzw. Produkte zu bevorzugen, bei denen sie auf Basis ihres Wissens, Erfahrung, Erwartung, Einstellung und Meinung keine Dissonanzen, also ein Ungleichgewicht kognitiver Elemente des Individuums, vermuten. Je intensiver die Dissonanz ausgeprägt ist, desto belastender empfindet die Person den Zustand und desto stärker werden dissonanzreduzierende Maßnahmen ergriffen. Homburg/Krohmer (2006, S. 62) erkennen diverse Möglichkeiten zur Vermeidung von „Nachkaufdissonanz“. So sucht der Kunde tendenziell nach konsonanten Informationen wie bspw. gute Testberichte oder dem Produkt wohl gesonnene Personen. Auf der gleichen Ebene versucht er dissonante Informationen zu vermeiden. Die Autoren zeigen außerdem eine dissonanzvermeidende Interpretation von Informationen auf, die Kieser eine „Wahrnehmungswahlmöglichkeit“ (1992, S. 1770) nennt, nach der sich Menschen die Frage stellen können: „Soll ich etwas anderes wahrnehmen, oder etwas anderes übersehen, nachdem ich das weiß, was ich nun an Wissen habe?“ (S. 1770) Der Konsument kann außerdem, wie im Rahmen der Equity Theorie erwähnt, eine Einstellungsänderung zum erworbenen Produkt vornehmen oder handeln (z. B. verstärkte Informationssuche, Anbieter wechseln). Kognitives Ungleichgewicht tritt mit höherer Wahrscheinlichkeit auf, wenn mehrere Alternativen für den Konsumenten als attraktiv gelten (vgl. Cummings/Venkatesan 1976; Frey/Rosch 1984; Kapitel 3.3).

Kognitive Dissonanz kann z. B. vorliegen, wenn ein Kunde einen einfachen (Erwartung) Vertragswechsel für sein Mobiltelefon anstrebt, durch das komplexe Preissystem des möglicherweise günstigeren (Meinung oder Wissen) Anbieters überfordert und frustriert (Dissonanz) ist und zur Dissonanzreduktion bei seinem alten Anbieter bleibt. Entscheidet sich der Kunde doch zu einem Vertragsabschluss und musste zwischen vielen Entscheidungsalternativen wählen, so gerät er schnell in Dissonanz, da ein anderer Tarif unter Umständen vorteilhafter gewesen sein könnte.

3. Subjektive Wahrnehmung des Kunden

3.1 Überlastung und Folgen

Preisinteresse wird von Diller (2008) definiert als „das Bedürfnis eines Nachfragers bei Kaufentscheidungen den Preis sowie alle verfügbaren Kaufalternativen hinreichend zu berücksichtigen und entsprechend nach geeigneten Preisinformationen zu suchen“ (S. 100). Die Intensität des Preisinteresses ist von vielen Faktoren wie bspw. dem Involvement abhängig. Ist ein Preis- oder Produktsystem[1] – in Annahme eines Mindest-grades an Preisinteresse – zu komplex für den Konsumenten, tritt bei diesem am Anfang einer Reaktionskette Verwirrung und Überlastung ein (vgl. Monroe 2003, S. 438; Schiller 1996). Die Ökonomie konstatiert, dass eine größere Auswahl den Nutzen vergrößert, da Konsumenten ihren Nutzen der einzelnen Alternativen errechnen und sich dann entsprechend entscheiden. Das widerlegt jedoch die Verhaltensforschung, wo von einer invertiert „U“-förmigen Reaktion (mit den ersten Alternativen in der Attraktivität bis zu einem Maximum steigend, danach fallend) ausgegangen wird (vgl. Mick/Broniarczyk/Haidt 2004).

Es gibt mehrere Einflussfaktoren. Schon früh beschäftigten sich Wissenschaftler mit dem Phänomen der Informationsüberlastung (vgl. z. B. Wilkie 1974; Malhotra 1984). Malhotra (1982) wies den Wendepunkt der invertierten „U“-Kurve bei spätestens zehn Entscheidungsalternativen bzw. bei Informationen mit 15 Attributen nach. Neben dieser quantitativen Komplexität trägt auch die qualitative Komplexität maßgeblich zur Überforderung bei. Besonders auf dem Finanzmarkt kann man einen hohen Grad dieser Preiskomplexität feststellen. Trotz homogener Güter ist eine signifikante Preisstreuung zu beobachten. Neben der schon überaus komplizierten Errechnung von Preisen kommt ein von Unternehmensseite mitunter erwünschter Komplexitätsbaustein hinzu – Preis-übersichten und Preissysteme werden in technischem Fachjargon dargeboten. Die Kenntnis dieser Fachtermini, die von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich lauten können bzw. unterschiedliche Komponenten enthalten, ist oft Voraussetzung zur Bewältigung der Preiskalkulation. Damit wird es für Verbraucher signifikant schwieriger Angebote zu vergleichen (vgl. Carlin 2009). Aber auch auf anderen Märkten (z. B. Telekommunikation) sind komplizierte Preissysteme, mit dem Ziel den objektiven Preis zu verstecken, keine Seltenheit. Komplizierte Darstellungsformen oder komplexe arithmetische Operationen entmutigen den Verbraucher unter Umständen den korrekten Nettopreis zu errechnen (vgl. Estelami 2003).

Die Intensität der Überlastung wird laut Engelmann (2005, S. 141 f.) von diversen Persönlichkeitsfaktoren bestimmt. Hierunter fallen u. a. soziodemografische Eigen-schaften, die individuelle Fähigkeit zur Informationsverarbeitung, Erfahrung, Risiko-bereitschaft, Involvement, Preisinteresse, Preiswissen und need for cognition (NFC, Erkenntnisbedürfnis). Verschärfend zu einer Überlastung wirkt, dass der zeitliche Aufwand, den Menschen investieren können oder wollen, begrenzt ist (vgl. Diller 2008, S. 114 f.). Die Nachteile liegen auf der Hand – Informationssuche und -verarbeitung werden eingeschränkt. In der Folge führt dies zu einer Verminderung der relevanten Alternativen (relevant set), einer stärkeren Bewertung negativer Informationen und letztendlich mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer unausgeglichenen bzw. falschen Bewertung und Entscheidung (vgl. Ariely/Zakay 2001). Swait/Adamowicz (2001) bestätigen das Ergebnis einer suboptimalen Entscheidung, indem sie zeigten, dass bei zunehmender Komplexität die Entscheidungen willkürlicher ausfallen. Engelmann (2005, S. 141 f.) fügt noch weitere situative Determinanten des Überlastungsgrads wie soziale Einflussfaktoren und physische Kaufumgebung hinzu. Er macht auch deutlich, dass die Kommunikation (Art und Weise, Verständlichkeit) des Preissystems einen direkten Einfluss auf die subjektive Preiskomplexität hat.

[...]


[1] Es geht hier allgemein um die Folgen einer zu großen Auswahl bzw. komplexen Systems, die Schwartz (2004) „The paradox of choice“ nennt. Ob es sich dabei um Preis- oder Produktkomplexität handelt, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Korrelation wurde in Kapitel 2.1 verdeutlicht.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Kundenseitige Wahrnehmung von Preiskomplexität
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
31
Katalognummer
V128821
ISBN (eBook)
9783640345991
ISBN (Buch)
9783640345830
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kundenseitige, Wahrnehmung, Preiskomplexität
Arbeit zitieren
Sebastian Winkler (Autor:in), 2009, Kundenseitige Wahrnehmung von Preiskomplexität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128821

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kundenseitige Wahrnehmung von Preiskomplexität



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden