Neues Verkäuferverhalten. Warum lehnen Vertriebsmitarbeiter Technologien ab, die ihre Effektivität bei der Informationsverarbeitung steigern?


Seminararbeit, 2022

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und praktische Relevanz
1.2 Wissenschaftliche Relevanz und Zielstellung

2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Begriffliche Abgrenzung
2.1.1 Neue Vertriebstechnologien durch Digitalisierungswandel
2.1.2 Effektivität der Vertriebsmitarbeiter
2.2 Theoretische Grundlagen
2.2.1 Einstellungs- und verhaltensorientierte Akzeptanz
2.2.2 Grundlagen der Technologieakzeptanzforschung
2.2.3 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology

3 Determinanten des Verkäuferverhaltens
3.1 Prädiktoren der Verkäuferabsicht
3.1.1 Leistungserwartung, Aufwandserwartung und sozialer Einfluss
3.1.2 Skepsis durch Unsicherheit der Vertriebsmitarbeiter
3.2 Erleichternde Bedingungen für die Vertriebsmitarbeiter
3.2.1 Erleichternde Bedingungen durch die Vertriebsorganisation
3.2.2 Technologische Selbstwirksamkeit des Vertriebsmitarbeiters
3.3 Absicht der Vertriebsmitarbeiter zur Technologienutzung

4 Diskussion
4.1 Handlungsempfehlungen für die Praxis
4.2 Grenzen des Modells und Implikationen für zukünftige Forschung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

Der Digitalisierungswandel stellt Vertriebsorganisationen und deren Mitarbeiter vor große Herausforderungen, die vor allem den Technologieeinsatz innerhalb des Unternehmens betreffen. Die vorliegende Seminararbeit untersucht das Verhalten von Vertriebsmitarbeitern gegenüber Verkaufstechnologien auf der Grundlage der Unified Theory of Acceptance and Use of Technology. Das daraus entstandene Untersuchungsmodell ist ein Instrument, mit dem die wahrscheinliche Annahme oder Ablehnung einer Technologie vorhergesagt werden kann. Basierend auf den Erkenntnissen, dass neue Vertriebstechnologien widersprüchliche Reaktionen in Vertriebsmitarbeitern auslösen können, werden mögliche Einflüsse auf das technologische Verkäuferverhalten untersucht. Mittels einer Literaturanalyse der Akzeptanz- und Vertriebsforschung werden Faktoren untersucht, die nicht nur annehmendes, sondern auch ablehnendes Verhalten der Vertriebsmitarbeiter hervorrufen. Besonders die Selbstwirksamkeit und die Skepsis werden als neue Konstrukte untersucht und in das Untersuchungsmodell aufgenommen. Abschließend werden mögliche Implikationen für den Vertrieb einer Organisation und künftige Forschungsvorschläge abgeleitet.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Entwicklung der Vertriebstechnologien

Abb. 2: UTAUT

Abb. 3: Untersuchungsmodell zur Technologieakzeptanz

Abkürzungsverzeichnis

CRM Customer Relationship Management

KI Künstliche Intelligenz

MM Motivational Model

SFA Salesforce Automatisierung

SMT Social Media Technologie

TAM Technology Acceptance Model

TPB Theory of Planned Behavior

TRA Theory of Reasoned Action

UTAUT Unified Theory of Acceptance and Use of Technology

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und praktische Relevanz

In den letzten Jahren hat sich das Verkaufsumfeld stark verändert und ist dabei immer komplexer geworden (vgl. Ahearne et al. 2021, S. 25; Cuevas 2018, S. 198). Bspw. entwickeln sich Kundenbedürfnisse und -präferenzen schnell weiter, Verkaufsumgebungen werden dynamischer sowie anspruchsvoller und die technologischen Fortschritte nehmen stark zu (vgl. Ahearne et al. 2021, S. 31 ff.; Moncrief/Marshall/Rudd 2015, S. 46 f.). Gleichzeitig steigen die Erwartungen und Anforderungen an die Vertriebsmitarbeiter (vgl. Cuevas 2018, S. 199). Der Druck auf Vertriebsmitarbeiter umfasst die Notwendigkeit langfristige Kundenbeziehungen erfolgreich zu fördern und zu pflegen, die Bedürfnisse der Kunden genau zu identifizieren und darauf zu reagieren, adaptive Verkaufstechniken anzuwenden und Fortschritte bei Vertriebstechnologien und sozialen Medien zu nutzen (vgl. Limbu et al. 2016, S. 654 f.; Andzulis/Panagopoulos/Rapp 2012, S. 305; Homburg/Wieseke/Bornemann 2009, S. 77; Palmatier et al. 2008, S. 175 f.).

Darum investieren Vertriebsorganisationen in neue Vertriebstechnologien und bemühen sich darum ein digital fähiges Vertriebsteam aufzubauen, um wettbewerbsfähig zu bleiben (Guenzi/Habel 2020, S. 3 ff.). Trotz erheblicher Investitionen in den digitalen Verkauf, zahlt sich die überwiegende Mehrheit dieser Initiativen jedoch nicht aus (Guenzi/Habel 2020, S. 1). Ein Grund dafür ist, dass das Vorhandensein der Vertriebstechnologie nicht genügt, sondern das Vertriebspersonal auch Bereitschaft zeigen muss diese zu verwenden (vgl. Mullins/Agnihotri 2022; Ahearne/Hughes/Schillewaert 2007, S. 336 f.). Technologie ist von geringem Wert, wenn sie nicht akzeptiert und genutzt wird (vgl. Oye/A.Iahad/Ab.Rahim 2014, S. 252). Daher ist das Verständnis der Technologieakzeptanz von Vertriebsmitarbeitern von entscheidender Bedeutung, um Ansatzpunkte zu finden was Vertriebsmitarbeiter daran hindert neue Vertriebstechnologien zu verwenden. Nur so können sich Investitionen in neue Technologien auszahlen.

1.2 Wissenschaftliche Relevanz und Zielstellung

Die aktuelle Forschung zur digitalen Transformationen im Vertrieb konzentrierte sich bisher mehr auf Überlegungen und Maßnahmen der Führungsebene, als auf die individuellen Reaktionen von Vertriebsmitarbeitern auf Veränderungen durch neue Vertriebstechnologien (vgl. Cron/Baldauf 2021; Zoltners et al. 2021; Singh et al. 2019). Der individuumszentrierte Blickwinkel auf die Mitarbeiter hat jedoch den Vorteil, mehr Einblick in die unternehmensinternen Dynamiken zu erhalten, die die Implementierung der Vertriebstechnologien beeinflussen (vgl. Mullins/Agnihotri 2022).

In der Vergangenheit wurden viele verschiedene Forschungsansätze zum individuellen Annahmeverhalten von Technologien aufgestellt. Die dominantesten Theorien waren das Technology Acceptance Model (TAM) (Davis/Bagozzi/Warshaw 1989), das Model of Information Systems Success (Delone/McLean 1992) und die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) (Venkatesh et al. 2003). Der Schwerpunkt liegt hier auf Akzeptanzfaktoren wie Nützlichkeit, Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit eines Systems. Mit Hilfe dieser Theorien wurde im Vertriebskontext u. a. die Akzeptanz von Informationssystemen durch Vertriebsmitarbeiter untersucht (vgl. Avlonitis/Panagopoulos 2005, S. 356). Eine ähnliche Untersuchung von Buehrer, Senecal und Pullins (2005, S. 394), lieferte in ihrem Forschungsansatz nicht nur Gründe zur Steigerung der Nutzung, sondern auch Hindernisse für die Nutzung. Diese Herangehensweise an die Problematik ist relevant, weil der kognitive Prozess der Ablehnung eines neuen Systems nicht ausschließlich durch die gleichen Gründe beschrieben werden kann, die die Akzeptanz eines Systems rechtfertigen (vgl. Gatignon/Robertson 1989, S. 47). Akzeptanz und Ablehnung können gegenüber einem neuen System koexistieren und nicht einfach nur Gegensätze sein. D. h. Einzelpersonen können sowohl Wahrnehmungen von „Enablers“ als auch von „Inhibitors“ haben (vgl. Cenfetelli/Schwarz 2011, S. 811 f.). Der sogenannte „pro-innovation bias“ stellt den zentralen Kritikpunkt der Akzeptanzforschung dar, da die Modelle von einer grundlegenden positiven Haltung der potentiellen Nutzer einer Innovation ausgehen (vgl. Groß 2015, S. 232). Daher werden in dieser Arbeit Faktoren untersucht, die Vertriebsmitarbeiter nicht nur dazu veranlassen ein System anzunehmen, sondern auch dazu beitragen sich der Annahme einer Technologie zu widersetzen.

Im Fokus der Untersuchung steht dabei die Frage, warum ein Vertriebsmitarbeiter neue Vertriebstechnologien ablehnt, selbst dann, wenn diese Technologien von hohem Nutzen für ihn wären und dadurch seine Effizienz steigern könnten. Ziel ist es darüber hinaus Erkenntnisse zu gewinnen, wie die individuelle Nutzung der Vertriebstechnologie gesteigert werden kann. Anhand einer umfangreichen Literaturanalyse werden sozialpsychologische und wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zum Kontext der Technologieakzeptanz zusammengetragen, um ein Untersuchungsmodell zu erstellen. Als Grundlage dieses Modells dient das kognitive Akzeptanzmodell UTAUT, welches auf seine Anwendbarkeit für das Forschungsfeld geprüft und durch weitere Einflussfaktoren erweitert wird. Im Anschluss werden die identifizierten Determinanten des technologischen Nutzungsverhaltens von Vertriebsmitarbeitern daraufhin untersucht, inwiefern sie durch künftige Managementmaßnahmen gezielt beeinflusst werden können. Abschließend wird das konzeptionelle Modell diskutiert und zukünftige Forschungsrichtungen vorgeschlagen.

2 Konzeptionelle Grundlagen

2.1 Begriffliche Abgrenzung

2.1.1 Neue Vertriebstechnologien durch Digitalisierungswandel

Technologische Fortschritte der Digitalisierung wie maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) läuten die vierte industrielle Revolution ein (vgl. Syam/Sharma 2018, S. 135 f.). Speziell für den Vertrieb bedeutet das tiefgreifende Änderungen der Rahmenbedingungen (vgl. Niehaus/Emrich 2020, S. 402). Kurz gesagt, die neuen Technologien verändern langfristig die Art und Weise, wie Verkäufer arbeiten und interagieren (vgl. Syam/Sharma 2018, S. 145).

Die vorherige industrielle Zeitenwende wurde durch die Rechenleistung von Computern und dem zunehmenden Speicherzugriff geprägt. So konnten standardisierte und wiederholende Aufgaben automatisiert werden, um so die Effizienz und Effektivität der Verkäufer zu erhöhen (vgl. Ahearne/Jelinek/Rapp 2005, S. 379). Während diese Form der Informationstechnologie bei der Kommunikation und Verarbeitung von Daten half, verblieb die Entscheidungsfindung beim Vertriebsmitarbeiter. D. h. die Technologie übernimmt in diesem Fall nur eine unterstützende Rolle, um die Verkaufsfunktionen effizienter zu gestalten (vgl. Syam/Sharma 2018, S. 136 ff.).

Der technische Fortschritt zeigt sich auch durch den Einfluss auf die Aktivitäten, die der Analyse des Kundenverhaltens dienen, um hochgradig maßgeschneiderte Angebote zu entwerfen und bereitzustellen (vgl. Syam/Sharma 2018, S. 139). In Zukunft wird die Digitalisierung im Vertrieb durch Technologien geprägt werden, die entweder selbst als aktiver Entscheidungsträger fungieren oder zuverlässig angemessene Entscheidungen in enger Zusammenarbeit mit dem Verkäufer treffen (vgl. Binckebanck 2020, S. 169; Syam/Sharma 2018, S. 145). Abbildung 1 bietet einen Überblick über die kontinuierliche Entwicklung dieser Vertriebstechnologien.

Digitalisierung und KI-Technologien stellen aufgrund ihrer Wissens- und Lernfähigkeit eine disruptive Kraft dar, die bedeutender sein dürfte als bisherige Vertriebstechnologien (vgl. Singh et al. 2019, S. 2). Diese disruptiven Technologien haben das Potenzial Marktverhältnisse nachhaltig zu verändern und sind nicht nur eine große Chance für Vertriebsorganisationen, sondern bringen auch Herausforderungen mit sich (vgl. Junker/Baaken/Riemenschneider-Greif 2021, S. 2 ff.). So eröffnen sich durch die schnellen Fortschritte digitaler Vertriebstechnologien neue innovative und kreative Möglichkeiten, die den Arbeitsalltag der Vertriebsmitarbeiter erleichtern und Wettbewerbsvorteile ermöglichen können (vgl. Baabdullah et al. 2021, S. 256; Singh et al. 2019, S. 6). Allerdings verlieren bisherige Verkaufsstrategien ihre Effektivität, was mit einem sofortigen und zumindest zeitweise andauernden Abfall der Verkäuferleistung verbunden sein kann (vgl. Ahearne et al. 2021, S. 39; Ahearne et al. 2010, S. 66).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entwicklung der Vertriebstechnologien (in Anlehnung an Mullins/Agnihotri 2022)

2.1.2 Effektivität der Vertriebsmitarbeiter

Die Definition des Effektivitätsbegriffes ist in der Verkäuferforschung nicht eindeutig abgegrenzt. Insbesondere die Leistung und die Effektivität werden selten deutlich unterschieden (vgl. Bolander et al. 2021, S. 463 f.). Churchill et al. (1985, S. 116) trennen jedoch die beiden Begriffe insofern, das Effektivität im Gegensatz zur Leistung, über das Verhalten des Verkäufers hinaus von weiteren Faktoren wie bspw. Managemententscheidungen beeinflusst wird. Bei der Betrachtung der Vertriebseffektivität sollte zudem der Begriff Vertriebseffizienz klar abgegrenzt werden. So definiert Kühnapfel (2017, S. 155) die Vertriebseffizienz als “…den Wirkungsgrad der Organisationseinheit, die für den Absatz der Produkte verantwortlich ist…“ während die Vertriebseffektivität den Verkaufserfolg wiederspiegelt. Auf das Individuum übertragen beschreibt die Effizienz also die optimale Nutzung der Arbeitszeit des Vertriebsmitarbeiters. Der Schwerpunkt der individuellen Vertriebseffektivität bezieht sich hingegen darauf, ob die richtigen Aufgaben mit den verfügbaren Ressourcen erfüllt werden und dadurch der Erfolg des Mitarbeiters (z. B. durch Steigerung der Absatzmenge) erhöht werden kann (vgl. Mullins/Agnihotri 2022). Die Steigerung der Effektivität der Vertriebsorganisation kann durch die strukturelle Optimierung des Vertriebssystems, bspw. durch entsprechende technische Ausstattung der Mitarbeiter, erreicht werden (vgl. Heaton 2009, S. 72).

Zur Erfolgsmessung und -prognose der Effektivität ist das Akzeptanzkonstrukt von besonderer Bedeutung, was der Tatsache geschuldet ist, dass die Einführung neuere Technologien nicht gleichbedeutend mit der Akzeptanz durch deren potentiellen Nutzer ist, „…so dass nicht alles, was technisch möglich scheint, auch unmittelbaren ökonomischen Gewinn verspricht.“ (Kollmann 1998, S. 2 f.).

2.2 Theoretische Grundlagen

2.2.1 Einstellungs- und verhaltensorientierte Akzeptanz

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es verschiedene Auffassungen über das Verständnis des Akzeptanzbegriffes (vgl. Lucke 1995, S. 45 ff.). Eine Gegenüberstellung der dazu bestehenden Literatur verdeutlicht, dass Akzeptanz entweder als Einstellung oder als Verhalten definiert werden kann (vgl. Arndt 2011, S. 33; Müller-Bölling 1987, S. 19).

In der einstellungsorientierten Begriffsbestimmung wird die Akzeptanz mit der Einstellung gleichgesetzt (vgl. Arndt 2011, S. 34). Eine Einstellung ist definiert als innerer Zustand gegenüber einem bestimmten Zielobjekt, welcher durch eine positive oder negative Bewertung ausgedrückt wird (vgl. Eagly/Chaiken 1993, S. 1). Demzufolge wäre die Akzeptanz als die positive Einstellung eines Individuums oder einer Gruppe gegenüber eine, bestimmten Objekt zu verstehen. Gründe für diese theoretische Einordnung liegen in der Annahme eines gerichteten und dynamischen Einflusses von Einstellungen auf das Verhalten (vgl. Ajzen 2001, S. 37). Die Einstellung allein kann das Verhalten jedoch nicht vorhersagen (vgl. Armitage/Conner 2001, S. 481; Wicker 1969, S. 75). Eine Fokussierung der Akzeptanz auf die Einstellungsebene ist im Kontext dieser Arbeit zudem nicht sinnvoll. Von Bedeutung ist das technische Nutzungsverhalten eines Vertriebsmitarbeiters. Zudem greift ein Akzeptanzverständnis mit der Beschränkung auf eine ausschließlich intentionale Ebene in Hinblick auf die zukünftig noch stärker steigende Verbreitung moderner Verkaufstechnologien zu kurz. Der Verkaufserfolg hängt entscheidend von der Nutzung innovativer Verkaufstechnologien ab, weshalb auch die Analyse des Nutzungsverhaltens von Bedeutung ist (vgl. Ahearne/Jelinek/Rapp 2005, S. 386; vgl. Sun/Bhattacherjee/Ma 2009, S. 355). Ein weiterer Erklärungsansatz der daher geeigneter erscheint ist das verhaltensorientierte Akzeptanzkonzept.

Die Auffassung einer verhaltensorientierten Akzeptanz ist die Verbindung von Akzeptanz mit der Nutzung eines Objektes (vgl. Arndt 2011, S. 35 f.). Im Gegensatz zur Einstellungsakzeptanz ist die Verhaltensakzeptanz direkt beobachtbar, da sich diese Form der Akzeptanz auf die Nutzung von technischen Innovationen fokussiert (vgl. Ginner 2018, S. 147). Die Akzeptanz von Verkaufstechnologien ist mit tatsächlichen Handlungen verbunden, die sich in der konkreten Nutzung der Technologie manifestieren. Deshalb wird die Akzeptanz als das Ausmaß definiert, in dem ein Vertriebsmitarbeiter Verkaufstechnologien tatsächlich in seine Verkaufsaktivitäten integriert (vgl. Ahearne/Hughes/Schillewaert 2007, S. 336). Die fehlende Akzeptanz drückt demzufolge eine geringe Integration vorhandener Verkaufstechnologien aus.

2.2.2 Grundlagen der Technologieakzeptanzforschung

Frühere Forschungen haben eine Vielzahl von Theorien verwendet, um die Benutzerakzeptanz von Technologien zu untersuchen (vgl. Speier/Venkatesh 2002, S. 99). Bereits seit den 60er Jahren gilt das Akzeptanzkonstrukt als Erklärungsansatz für den technischen Wandel und damit einhergehende gesellschaftliche Veränderungen (vgl. Kollmann 1998, S. 54). Wissenschaftler haben zu dieser Thematik in unterschiedlichen Feldern geforscht. Im betriebswirtschaftlichen Sinne bezieht sich die Akzeptanz häufig auf die Einführung von Produktinnovationen und die Organisationsentwicklung durch Einführung neuer Informationssysteme (vgl. Ginner 2018, S. 145 f.; Arnold/Klee 2016, S. 9). In der betriebswirtschaftlichen Akzeptanzforschung gibt es viele unterschiedliche theoretische Modelle zur Untersuchung dieses Phänomens, deren Ursprünge in der Psychologie, Soziologie und der Informatik liegen (vgl. Arnold/Klee 2016, S. 9 ff.). Die Akzeptanzforschung im Bereich der Informationssysteme, kurz Technologieakzeptanz, hat eine Vielzahl theoretischer Modelle hervorgebracht. Das führt dazu, dass sich Wissenschaftler bei der Untersuchung spezifischer Technologien und Anwendungssituationen mit einem Auswahlproblem konfrontiert sehen (vgl. Blut/Wang/Schoefer 2016, S. 397). Zu den bedeutendsten Rahmenkonzeptionen, die die Grundlagen dieser Forschungsrichtung bilden, gehören:

- die Theory of Reasoned Action (TRA) nach Fischbein und Ajzen (1975)
- das Technology Acceptance Model (TAM) nach Davis (1989) und
- das Motivational Model (MM) nach Davis, Bagozzi und Warshaw (1992).

Die TRA ist die erste theoretische Perspektive, die sich in der Technologieakzeptanzforschung durchgesetzt hat (vgl. Samaradiwakara/Gunawardena 2014, S. 24). Sie besagt, dass das individuelle Verhalten im Wesentlichen von der Absicht vorhergesagt werden kann. Die Absicht wird wiederrum von der Einstellung eines Individuums und der sozialen Norm bestimmt (vgl. Madden/Ellen/Ajzen 1992, S. 3 f.). Durch die Änderung dieser Prädiktoren kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass eine bestimmte Handlung von einer Person ausgeführt wird (vgl. Ajzen/Fishbein 2005, S. 193). Ein zentraler Kritikpunkt dieses Modells ist jedoch, dass es nur dann Aussagekräftig ist, wenn die Handlung eines Individuums unter dessen eigener Kontrolle steht (vgl. Ajzen 1991, S. 182). Deshalb wurde die TRA zur Theory of Planned Behavior (TPB) (Ajzen 1991) weiterentwickelt, welche die TRA um die Determinante der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle erweitert. Diese Determinante beschreibt die internen und externen Hindernisse, die die Ausführung des Verhaltens behindern können (vgl. Ajzen 2002, S. 668).

Ein weiteres technologiebasiertes Modell, welches in der Verkaufsliteratur große Beachtung gefunden hat, ist das TAM (vgl. Ahearne/Rapp 2010, S. 112). Das Modell basiert auf Grundlagen der TRA (vgl. Davis/Bagozzi/Warshaw 1989, S. 984). Es erklärt warum Nutzer Technologien akzeptieren (vgl. Davis 1989, S. 320). Der wahrgenommene Nutzen und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit der Technologie sind demnach die beiden Einflussfaktoren der Nutzungsabsicht bzw. der Akzeptanz. Auch die spätere Weiterentwicklung des Modells postuliert, dass andere Determinanten die Technologieakzeptanz nur über diese beiden Hauptfaktoren beeinflussen können (vgl. Venkatesh/Bala 2008, S. 276 f.).

Das psychologische Schlüsselkonzept des MM bildet die Motivationstheorie. Das Modell führt die Übernahme und Nutzung neuer Technologien auf die beiden Faktoren extrinsische und intrinsische Motivation zurück (vgl. Davis/Bagozzi/Warshaw 1992, S. 1112). Demnach ist eine als nützlich wahrgenommene Technologie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extrinsische Motivation eine bestimmte Technologie zu verwenden. Eine intrinsische Motivationsquelle wird hingegen über den mit der Nutzung verbundenen Spaß und unabhängig von den erzielten Leistungsergebnissen deutlich (vgl. Davis/Bagozzi/Warshaw 1992, S. 1112 ff.).

Mehrere Studien haben diese theoretischen Modelle untersucht und an spezifische Kontexte angepasst, um die Adaption neuer Technologien zu verstehen (vgl. Zoltners et al. 2021; Hansen/Levin 2016; Lacka/Chong 2016; Siamagka et al. 2015; Venkatesh/Speier 1999).

2.2.3 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology

Venkatesh et al. (2003, S. 467) versuchen dem im Kapitel 2.2.2 beschriebenen Auswahlproblem aus der Vielzahl möglicher Untersuchungsmodelle entgegenzuwirken indem Sie Elemente aus insgesamt acht Akzeptanzmodellen, darunter auch die drei bereits vorgestellten Modelle, zusammenführen. Sie entwickelten die UTAUT, welches in Abbildung 2 dargestellt ist. Ziel der Autoren war es, einen vereinheitlichten Erklärungsansatz zur individuellen Technologieakzeptanz zu erarbeiten und praktisch zu evaluieren (vgl. Venkatesh et al. 2003, S. 426). UTAUT kann daher als ein Metamodell bisheriger Akzeptanzmodelle bezeichnet werden (vgl. Reichardt 2008, S. 84).

Venkatesh et al. (2003, S. 446 ff.) identifizieren vier Kerndeterminanten, die die individuelle Nutzungsabsicht bzw. das Nutzungsverhalten direkt beeinflussen. Dazu gehört die Performance Expectancy, also die erwartete Leistung der Technologie. Er ist definiert als das Ausmaß, in dem eine Person glaubt, dass die Nutzung des Systems helfen kann, Leistungssteigerungen zu erzielen (vgl. Davis/Bagozzi/Warshaw 1989, S. 985). Eine weitere Determinante ist die Effort Expectancy, die eine Einschätzung des Schwierigkeitsgrades der Nutzung des Systems darstellt. Es beschreibt daher die individuelle Aufwandserwartung, die zur Nutzung der Technologie vermeintlich erforderlich ist (vgl. Davis/Bagozzi/Warshaw 1989, S. 985). Die dritte Determinante Social Influence verdeutlicht den sozialen Druck, der durch das Umfeld einer Person ausgelöst werden kann. Die letzte Determinante beschreibt die Facilitating Conditions, also erleichternden Bedingunge, welche in der Organisation vorherrschen. Es handelt sich hierbei um die Einschätzung der potentiellen Nutzer, dass organisatorische und technische Unterstützung existiert (vgl. Venkatesh et al. 2003, S. 453).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 : UTAUT (in Anlehnung an Venkatesh et al. 2003, S. 447)

Während die Leistungs- bzw. Nutzenerwartung, die Aufwandserwartung und der soziale Einfluss die Absicht eine Technologie zu nutzen determinieren, haben hingegen die Nutzungsabsicht und die erleichternden Bedingungen direkten Einfluss auf das Nutzungsverhalten. Das Besondere an dem Modell ist, dass es neben technologiebezogenen Determinanten auch benutzerbezogene soziodemografische Faktoren mit einbezieht. D. h., dass UTAUT davon ausgeht, dass auch individuelle Unterschiede wie Alter, Geschlecht, Erfahrung und Freiwilligkeit die Technologieakzeptanz indirekt beeinflussen (vgl. Blut/Wang/Schoefer 2016, S. 397). Während die Determinanten der Absicht bereits in verschiedenen Kontexten empirische Bestätigung gefunden haben, konnten die moderierenden Effekte bisher nicht empirisch bestätigt werden (vgl. Venkatesh/Thong/Xu 2016, S. 331 f.).

Das Modell erwies sich nach Venkatesh et al. (2003, S. 467 ff.) aber insgesamt als besser geeignet für die Vorhersage der Technologieakzeptanz, als die acht grundlegenden Modelle einzeln betrachtet. Zudem wurde die Anwendbarkeit des Modells sowohl außerhalb als auch innerhalb des organisatorischen Umfeldes in Bezug auf technische Innovationen mehrfach empirisch bestätigt (vgl. Venkatesh/Thong/Xu 2016, S. 331; Venkatesh/Thong/Xu 2012, S. 171). Daher dient UTAUT dieser Arbeit als konzeptionelle Grundlage weiterführender Forschung zur Erklärung des Verkäuferverhaltens, um konkrete Antworten auf die Frage zu erhalten, weshalb Verkäufer eine bestimmte Technologie in ihren Arbeitsalltag übernehmen oder nicht. Um ablehnendes Verhalten über die fehlende Akzeptanz hinaus erklären zu können, werden zusätzlich Faktoren betrachtet, die eine negative Kognition aufweisen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Neues Verkäuferverhalten. Warum lehnen Vertriebsmitarbeiter Technologien ab, die ihre Effektivität bei der Informationsverarbeitung steigern?
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Marketing
Note
1,0
Autor
Jahr
2022
Seiten
33
Katalognummer
V1289049
ISBN (Buch)
9783346747358
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vertrieb, Unified Theory of Acceptance and Use of Technology, Künstliche Intelligenz, Technology Acceptance Model, Theory of Planned Behavior, Theory of Reasoned Action, Vertriebsmitarbeiter
Arbeit zitieren
B.Sc. Kerstin Bergmann (Autor:in), 2022, Neues Verkäuferverhalten. Warum lehnen Vertriebsmitarbeiter Technologien ab, die ihre Effektivität bei der Informationsverarbeitung steigern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1289049

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