Die Schweiz hat eine der ältesten Verfassungen der Welt. Die föderalistische Bundesverfassung von 1848 war „ein Kompromiss zwischen der Mehrheit der freisinnig-protestantischen Zentralisten und der Minderheit der konservativ-katholischen Föderalisten“. Im Unterschied zu anderen Staaten hatte die Schweiz nie die Vision „eines Staatsvolks einer Sprache, Ethnie oder Kultur, sondern verfolgte von Anfang an die Idee einer multikulturellen Staatsgründung“ (Vatter 1999, 81).
Im Laufe ihrer über 150-jährigen Geschichte wurde die Verfassung nur ein Mal - im Jahre 1874 - total revidiert, aber bereits mehr als 140 Mal teilrevidiert. Dadurch wurde der Verfassungstext „unübersichtlich und schwer verständlich“. Viele Bestimmungen waren veraltet oder überflüssig. Manche Bestimmungen aus der Verfassung konnten auf Gesetzesstufe geregelt werden. Außerdem fehlte ihr - in den Augen vieler Politiker - grundlegendes Recht, welches durch Gerichtsentscheide, Behördenpraxis oder internationale Vereinbarungen Gültigkeit erlangt hatte. Aus diesen Gründen wurde ein Reformprozess gestartet, der eine „rund 35-jährige Phase der Initiierung, Vorbereitung und Ausarbeitung verschiedener Verfassungsentwürfe“ beinhaltete. Erst 1987 hatte das Schweizer Parlament den Bundesrat beauftragt, die geltende Verfassung durch eine umfassende Reform zu aktualisieren. Am ersten Januar 2000 trat nach vielen Debatten und Abstimmungen die neue, total revidierte Verfassung in Kraft, nachdem sie am 18. August 1999 von Volk und Ständen angenommen worden war.
Die folgende Hausarbeit soll untersuchen, warum eine Totalrevision der Verfassung nötig geworden ist und welche Neuerungen sie mit sich bringt. Es wird evaluiert, welche Auswirkungen die neue Verfassung für die 26 Kantone der Schweiz hat und ob sie mit den Veränderungen zufrieden sein können. Die Ausarbeitung wird zeigen, dass die Stellung der Gliedstaaten erneut gestärkt worden ist und der Trend zusehends zu einem kooperativen Föderalismus geht, der die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen betont - nicht deren Distanz zueinander oder deren Unterschiedlichkeit.
Abschließend wird analysiert, warum die Schweizer dem Beitritt zur UNO zugestimmt, aber zur EU bislang immer abgelehnt haben. Darüber hinaus wird geschaut, welche Kantone weitgehend gegen die neue Verfassung waren und welche sie vor allem begrüßten. An geeigneten Stellen wird der Schweizer Bundesstaat mit dem deutschen Bundesstaat verglichen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konzept der Verfassungsreform
- Nachführungs- und Reformpfeiler
- Zum Begriff und zur Idee der Nachführung
- Funktionen der Verfassungsreform
- Erneuerter Bundesstaat
- Begriff der „Souveränität“
- Begriff des „Schweizervolks“
- Begriff der Halbkantone
- Vielfalt und Zusammenhalt
- Kultur und Sprachenrecht
- Minderheitenschutz
- Kompetenz- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen
- Subsidiaritätsprinzip
- Enumerationsprinzip
- Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts
- Wahrung der Eigenständigkeit der Kantone durch den Bund
- Organisationsautonomie
- Aufgabenautonomie
- Finanzautonomie
- Umsetzungsautonomie
- Außenpolitische Vertragsautonomie
- Kooperativer Föderalismus
- Grundsätze partnerschaftlichen Zusammenwirkens
- Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes
- Das Vernehmlassungsverfahren
- Weitere Mitwirkungsformen
- Verträge zwischen Kantonen
- Mitwirkung an der Außenpolitik des Bundes
- Volksabstimmungen mit entscheidender kantonaler Beteiligung
- Eidgenössische Volksinitiative 'Ja zu Europa'
- Beitritt der Schweiz zur UNO
- Volksabstimmung über die neue Bundesverfassung
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit zielt darauf ab, die Notwendigkeit einer Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung zu beleuchten und die Neuerungen der 2000 in Kraft getretenen Verfassung zu analysieren. Im Zentrum steht die Frage, welche Auswirkungen die neue Verfassung auf die 26 Kantone der Schweiz hat und ob diese mit den Veränderungen zufrieden sein können.
- Die Geschichte der Schweizer Bundesverfassung und die Gründe für die Revision
- Die wichtigsten Neuerungen der neuen Bundesverfassung
- Die Auswirkungen der Verfassungsreform auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen
- Die Rolle des kooperativen Föderalismus in der neuen Verfassung
- Die Bedeutung von Volksabstimmungen für die Kantone
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Schweizer Bundesverfassung von 1848 als einen Kompromiss zwischen verschiedenen politischen Strömungen vor und beschreibt die Geschichte der Verfassungsänderungen bis zur Totalrevision im Jahr 2000.
- Konzept der Verfassungsreform: Dieses Kapitel beleuchtet die Gründe für die Reform und die Ziele, die mit der neuen Verfassung verfolgt werden.
- Erneuerter Bundesstaat: Hier werden die grundlegenden Konzepte des Schweizer Bundesstaates, wie die Begriffe der Souveränität, des Schweizervolks und der Halbkantone, sowie Themen wie Kultur, Sprachenrecht und Minderheitenschutz erläutert.
- Kompetenz- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen: Dieses Kapitel erklärt die Prinzipien der Kompetenzverteilung, wie das Subsidiaritätsprinzip und das Enumerationsprinzip, und beleuchtet die Bedeutung des Bundesrechts.
- Wahrung der Eigenständigkeit der Kantone durch den Bund: Hier werden die verschiedenen Formen der Autonomie der Kantone, wie Organisationsautonomie, Aufgabenautonomie und Finanzautonomie, sowie die Umsetzungsautonomie und die außenpolitische Vertragsautonomie betrachtet.
- Kooperativer Föderalismus: Dieses Kapitel behandelt die Prinzipien des kooperativen Föderalismus, die Mitwirkung der Kantone an der Willensbildung des Bundes und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Kantonen.
- Volksabstimmungen mit entscheidender kantonaler Beteiligung: Dieses Kapitel stellt Beispiele für Volksabstimmungen vor, an denen die Kantone maßgeblich beteiligt waren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Schweizer Bundesverfassung, der Verfassungsreform, dem Föderalismus, der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, der Autonomie der Kantone, dem kooperativen Föderalismus und der Bedeutung von Volksabstimmungen.
- Arbeit zitieren
- Tanja Prinz (Autor:in), 2002, Die Verfassungsreform in der Schweiz und ihre Auswirkung auf die Kantone, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12895