Die Verfassungsreform in der Schweiz und ihre Auswirkung auf die Kantone


Trabajo, 2002

21 Páginas, Calificación: 2


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konzept der Verfassungsreform
2.1 Nachführungs- und Reformpfeiler
2.2 Zum Begriff und zur Idee der Nachführung
2.3 Funktionen der Verfassungsreform

3. Erneuerter Bundesstaat
3.1 Begriff der „Souveränität“
3.2 Begriff des „Schweizervolks“
3.3 Begriff der Halbkantone
3.4 Vielfalt und Zusammenhalt
3.5 Kultur und Sprachenrecht
3.6 Minderheitenschutz

4. Kompetenz- und Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen
4.1 Subsidiaritätsprinzip
4.2 Enumerationsprinzip
4.3 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts

5. Wahrung der Eigenständigkeit der Kantone durch den Bund
5.1 Organisationsautonomie
5.2 Aufgabenautonomie
5.3 Finanzautonomie
5.4 Umsetzungsautonomie
5.5 Außenpolitische Vertragsautonomie

6. Kooperativer Föderalismus
6.1 Grundsätze partnerschaftlichen Zusammenwirkens
6.2 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes
6.2.1 Das Vernehmlassungsverfahren
6.2.2 Weitere Mitwirkungsformen
6.3 Verträge zwischen Kantonen
6.4 Mitwirkung an der Außenpolitik des Bundes

7. Volksabstimmungen mit entscheidender kantonaler Beteiligung
7.1 Eidgenössische Volksinitiative ´Ja zu Europa`
7.2 Beitritt der Schweiz zur UNO
7.3 Volksabstimmung über die neue Bundesverfassung

8. Schlussbemerkungen

9. Quellenangaben
9.1 Literaturverzeichnis Internet
9.2 Literaturverzeichnis Print

1. Einleitung

Die Schweiz hat eine der ältesten Verfassungen der Welt. Die föderalistische Bundesverfassung von 1848 war „ein Kompromiss zwischen der Mehrheit der freisinnig-protestantischen Zentralisten und der Minderheit der konservativ-katholischen Föderalisten“[1]. Im Unterschied zu anderen Staaten hatte die Schweiz nie die Vision „eines Staatsvolks einer Sprache, Ethnie oder Kultur, sondern verfolgte von Anfang an die Idee einer multikulturellen Staatsgründung“ (Vatter 1999, 81).

Im Laufe ihrer über 150-jährigen Geschichte wurde die Verfassung nur ein Mal - im Jahre 1874- total revidiert, aber bereits mehr als 140 Mal teilrevidiert. Dadurch wurde der Verfassungstext „unübersichtlich und schwer verständlich“[2]. Viele Bestimmungen waren veraltet oder überflüssig. Manche Bestimmungen aus der Verfassung konnten auf Gesetzesstufe geregelt werden. Außerdem fehlte ihr -in den Augen vieler Politiker- grundlegendes Recht, welches durch Gerichtsentscheide, Behördenpraxis oder internationale Vereinbarungen Gültigkeit erlangt hatte. Aus diesen Gründen wurde ein Reformprozess gestartet, der eine „rund 35-jährige Phase der Initiierung, Vorbereitung und Ausarbeitung verschiedener Verfassungsentwürfe“[3] beinhaltete. Erst 1987 hatte das Schweizer Parlament den Bundesrat beauftragt, die geltende Verfassung durch eine umfassende Reform zu aktualisieren[4].

Am ersten Januar 2000 trat nach vielen Debatten und Abstimmungen die neue, total revidierte Verfassung in Kraft, nachdem sie am 18. August 1999 von Volk und Ständen angenommen worden war.

Die folgende Hausarbeit soll untersuchen, warum eine Totalrevision der Verfassung nötig geworden ist und welche Neuerungen sie mit sich bringt. Vor allem wird herauszufinden sein, welche Auswirkungen die neue Verfassung für die 26 Kantone der Schweiz hat und ob sie mit den Veränderungen zufrieden sein können. Die Ausarbeitung wird zeigen, dass die Stellung der Gliedstaaten erneut gestärkt worden ist und der Trend zusehends zu einem kooperativen Föderalismus geht, der die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen betont und nicht deren Distanz zueinander oder die Unterschiedlichkeit ihrer Interessen.

Abschließend wird analysiert, warum die Schweizer dem Beitritt zur UNO zugestimmt, aber zur EU bislang immer abgelehnt haben. Darüber hinaus wird geschaut, welche Kantone weitgehend gegen die neue Verfassung waren und welche sie vor allem begrüßten.

An geeigneten Stellen wird der Schweizer Bundesstaat mit dem deutschen Bundesstaat verglichen.

2. Konzept der Verfassungsreform

2.1 Nachführungs- und Reformpfeiler

Die Reform der schweizerischen Verfassung beruhte auf zwei Pfeilern: dem Nachführungs- und dem Reformpfeiler. Deshalb musste der Bundesrat am Ende der Beratungen drei Vorlagen vorlegen: einen Bundesbeschluss über eine nachgeführte Bundesverfassung, einen Bundesbeschluss über die Reform der Volksrechte und einen Bundesbeschluss über die Reform der Justiz. Die nachgeführte Verfassung sollte das „erneuerte, ausgebesserte Fundament darstellen, auf dem eigentliche Reformen [...] <<step by step>> verwirklicht“ (Rhinow 2000, 5) werden sollten. Dieses Baukastensystem war nötig, weil alle drei Reformen für sich schon eine Totalrevision nach sich gezogen hätten.

An dieser Stelle soll hauptsächlich auf die Nachführungs- oder Aktualisierungsreform der Verfassung eingegangen werden und nicht auf die Reform der Volksrechte, die am Schluss scheiterte und die Reform der Justiz, die „von den Räten mit (bedauerlichen) Abstrichen verabschiedet“ (Rhinow 2000, 10) wurde.

2.2 Zum Begriff und zur Idee der Nachführung

Die Stände-Räte haben 1987 dem Bundesrat den Auftrag erteilt, der Verfassungsentwurf solle <<das geltende geschriebene und ungeschriebene Verfassungsrecht nachführen, es verständlich darstellen, systematisch ordnen sowie Dichte und Sprache vereinheitlichen>> (Rhinow 2000,11). Dies fasste der Bundesrat so auf, dass er sich einerseits daran machte, herauszufinden, was geltendes Verfassungsrecht darstellt. Dies war keineswegs einfach, da die Interpretation von Verfassungsfragen nicht immer einheitlich ist und der Verfassungsgeber somit wertend sein muss oder bewusst auf eine entsprechende Klärung verzichten muss. Besonders in den Bereichen der Ziel- und Programmbestimmungen, den staatsleitenden Grundprinzipien, der ungeschriebenen Grundrechte, dem Richterrecht und der Aufnahme völkerrechtlicher Prinzipien oder internationaler Vertragsbestimmungen war dies schwierig. Andererseits musste der Bundesrat bestimmen, was verfassungswürdiges Recht darstellt und welches verfassungsgeeignet ist. Ferner musste geprüft werden, ob es auch <<nachführungsresistentes>> Recht gibt, welches möglichst unverändert in die neue Verfassung aufgenommen werden sollte. Dies war z.B. bei sogenannten Traditionsanschlüssen oder „bei besonders emotionsgeladenen Begriffen wie der Neutralität“ (Rhinow 2000,15) der Fall.[5]

2.3 Funktionen der Verfassungsreform

Durch die Verfassungsreform sollten verschiedene Funktionen erfüllt werden. Einerseits wollten die Schweizer Verfassungsgeber die unübersichtlich gewordene Verfassung transparenter und verständlicher gestalten um wieder mehr Bürgernähe herzustellen. Andererseits sollte der Verfassungstext die Schweiz als einen rechtsstaatlich-demokratischen, liberalen, sozialen und nach außen hin offenen und nachhaltigen Staat darstellen und ausweisen (Integrationsfunktion), sowie die „staatliche Macht begrenzen und den [...] Prozess der Rechtsverwirklichung [...] inhaltlich und im Ablauf steuern (Begrenzungs- und Steuerungsfunktion) “ (Rhinow 2000,12). Außerdem sollte die neue Verfassung die Eidgenossenschaft als Willensnation zusammenhalten und den <<Verfassungspatriotismus>> stärken (Integrationsfunktion) (Kap. vgl. mit Rhinow 2000,11/12).

3. Erneuerter Bundesstaat

3.1 Begriff der „Souveränität“

Ziel der Reform war es, „die Bundesstaatlichkeit der Eidgenossenschaft im Sinne einer zeitgemässen Aktualisierung zum Ausdruck zu bringen“ (Rhinow 2000, 65) und auf tradierte Elemente der Bundesstaatlichkeit Rücksicht zu nehmen.

So heißt es in der Verfassung in Art. 3: „Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; [...]“[6]. Damit wurde der Begriff der Souveränität bereits an prominenter vorderer Stelle in den Verfassungstext eingefügt, womit keine Souveränität im Sinne des Völkerrechts intendiert ist, aber für die Kantone eine hohe „programmatisch-symbolische Bedeutung“ (Rhinow 2000,66) hatte und hat. Sie können laut Verfassung nur die Aufgaben erfüllen, die nicht dem Bund übertragen wurden, was ihnen somit auch in binnenstaatlicher Hinsicht keine Souveränität verleiht. Trotzdem wird von der Souveränität der Kantone gesprochen um ihre Staatsqualität anzuerkennen und auf ihr „neu belebtes Selbstbewusstsein [...] Rücksicht“ (Rhinow 2000,67) zu nehmen, sowie ihrer „Empfindlichkeit [...] Rechnung zu tragen.“[7]

3.2 Begriff des „Schweizervolks“

Gleich in der zweiten Zeile der Präambel der neuen Verfassung ist vom „Schweizervolk“ die Rede, was eine Neuerung bedeutet. Denn 1848 gab es noch kein Schweizervolk, das den Bund bildete, sondern nur die Völkerschaften der Kantone. Der Begriff des Schweizervolks lehnt sich nunmehr an „den von Ernst Renan eingeführten Begriff der Nation als ein durch <<gemeinsame geschichtliche Erfahrung>> und durch den <<freien Willensentscheid für die gemeinsame politische Gestaltung der Zukunft>> geprägtes Volk an.“ (Rhinow 2000, 68) Die Schweiz ist somit die Summe der Völker der Kantone und stellt Einheit und Vielfalt (s. Präambel) zugleich dar. Die Formulierung „Schweizervolk“ ist ein Bekenntnis zur Willensnation und somit auch zur Verfassungsnation.

3.3 Begriff der Halbkantone

Die Schweiz besteht aus 20 Kantonen und sechs Halbkantonen, wobei der Begriff der Halbkantone vollkommen aus der aktuellen Verfassung verschwand. Diese behandelt die Halbkantone gemäß dem Grundsatz der Gleichstellung der Kantone gleich wie alle anderen, außer bei den Bestimmungen, (z. B. Zahl der Ständeräte) für die eine einschränkende Regulierung getroffen wurde. Geklärt wurde diesbezüglich auch, dass bei einem fakultativen Referendum von acht Kantonen die Stimmen von Halbkantonen als ganze und nicht als halbe Stimme zählen (vgl. Rhinow 2000, 69).

Dies führte alles in allem zu einer Aufwertung der Halbkantone, auch wenn die Verfassung „nirgends ausdrücklich die Gleichheit der Kantone“ (Häfelin/Haller 2001, 275) anerkennt. Die betroffenen Kantone dürften diesen Artikel wahrscheinlich als positiv empfunden haben und möglicherweise als Schritt in Richtung vollwertigen Kanton gesehen haben. Letzteres hatten z. B. die Kantone Basel Stadt und Basel-Landschaft vorher schon öfter vergeblich mit parlamentarischen Vorstößen und Standesinitiativen zu erreichen versucht.

[...]


[1] Vatter, Adrian. Föderalismus. in: Handbuch des politischen Systems der Schweiz. Bern, 1999. S.81. Im Folgenden abgekürzt mit (Vatter 1999, S. xx)

[2] www.admin.ch Das Wichtigste in Kürze.

[3] Rhinow, René. Die Bundesverfassung 2000. Eine Einführung. Basel, Genf, München 2000. Im Folgenden abgekürzt mit (Rhinow 2000, S. xx)

[4] s. www.admin.ch

[5] vgl. dieses Kapitel mit Rhinow, René. Die Bundesverfassung 2000. Eine Einführung. Basel, Genf, München 2000. S. 11-16

[6] Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 18. September 2001), alle zitierten Artikel werden hieraus entnommen.

[7] Häfelin, Ulrich/Haller, Walter. Schweizerisches Bundesstaatsrecht. Die neue Bundesverfassung. 5., völlig neu bearb. Aufl. Schulthess, Zürich. 2001, S. 269. Im Folgenden abgekürzt mit (Häfelin/Haller 2001, S. xx)

Final del extracto de 21 páginas

Detalles

Título
Die Verfassungsreform in der Schweiz und ihre Auswirkung auf die Kantone
Universidad
University of Bremen  (Institut für vergleichende Politikwissenschaft)
Curso
Föderalismus im internationalen Vergleich
Calificación
2
Autor
Año
2002
Páginas
21
No. de catálogo
V12895
ISBN (Ebook)
9783638186834
ISBN (Libro)
9783638771238
Tamaño de fichero
513 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Verfassungsreform, Schweiz, Auswirkung, Kantone, Föderalismus, Vergleich
Citar trabajo
Tanja Prinz (Autor), 2002, Die Verfassungsreform in der Schweiz und ihre Auswirkung auf die Kantone, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12895

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