Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, und Kalliope, ihre Schwester und Muse der Philosophie und der Wissenschaften, haben sich in den letzten Jahren zunehmend voneinander distanziert. Während sich Klio immer weiter von dem Anspruch der Objektivität und Wahrheit in ihren Aussagen und Erkenntnissen entfernt hat, so entstand Skepsis und Unmut über die metatheoretische Reflexion der historischen Disziplinen sowie ihrer Selbst- und Fremddarstellungen.
Welchen Beitrag zur metatheoretischen Reflexion der modernen und bereits lange institutionalisierten Geschichtswissenschaften kann die Wissenschaftsphilosophie heute noch leisten? Ein erneuter Dialog zwischen beiden Schwestern mit dem Ziel der Klarheit und des Konsenses sollte angestrebt werden.
So kann die Wissenschaftsphilosophie zum Beispiel einen Entscheidungsbaum für die methodologische Orientierung und Reflexion in der desorientierten metatheoretischen Reflexion der Geschichts- und Sozialwissenschaft liefern.
Oliver R. Scholz hat dieses Vorhaben in seinem 2018 verfassten Aufsatz „Klio am Scheideweg – Ein Entscheidungsbaum für Historiker“ umgesetzt. Die drei zentralen Leitfragen dieses Entscheidungsbaumes, gewissermaßen die Weggabelungen, werden dabei wie folgt definiert:
1. Ist Geschichtsforschung wissenschaftlich?
2. Wenn ja, sollen die beschriebenen Geschehnisse mit wissenschaftlichen Erklärungen verständlich gemacht werden?
3. Greifen diese Erklärungen auf Gesetze zurück?
Inhaltsverzeichnis
- WISSENSCHAFT – ERKLÄRUNGEN – GESETZTE
- KUNST ODER WISSENSCHAFT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay analysiert Oliver R. Scholz' Aufsatz „Klio am Scheideweg - Ein Entscheidungsbaum für Historiker“ (2018) und untersucht die Rolle der Wissenschaftsphilosophie in der metatheoretischen Reflexion der Geschichtswissenschaften. Der Fokus liegt auf der Klärung, ob und wie sich geschichtliche Ereignisse mit wissenschaftlichen Erklärungen verstehen lassen, und welche Rolle dabei Gesetze spielen.
- Die Wissenschaftlichkeit der Geschichtswissenschaft
- Das deduktiv-nomologische Erklärungsmodell und seine Grenzen in der Geschichtsforschung
- Die Relevanz von Generalisierungen und normischen Gesetzen für die Erklärung geschichtlicher Ereignisse
- Die Rolle von Intuition, kritischem Hinterfragen und Interpretation in der historischen Forschung
- Die Frage, ob Geschichtsforschung eher Wissenschaft oder Kunst ist
Zusammenfassung der Kapitel
WISSENSCHAFT – ERKLÄRUNGEN – GESETZTE
Dieser Abschnitt diskutiert die Frage, ob die Geschichtswissenschaft als Wissenschaft betrachtet werden kann und welche Rolle Erklärungen und Gesetze dabei spielen. Es wird argumentiert, dass die Geschichtswissenschaft zwar nach Erklärungen für zeitlich-räumliche Ereignisse sucht, jedoch nicht über strikte Naturgesetze verfügt. Stattdessen werden Generalisierungen und ceteris paribus-Klauseln verwendet, die empirischen Gehalt besitzen müssen. Verschiedene Lösungsansätze wie Tendenz- bzw. Dispositionsaussagen und normische Gesetze werden vorgestellt und diskutiert. Der Abschnitt betont, dass das Endprodukt geschichtlicher Forschung die historische Darstellung ist, die sich durch ihre Gesamtplausibilität und Kohärenz auszeichnet.
KUNST ODER WISSENSCHAFT
Dieser Abschnitt befasst sich mit der Frage, ob die historische Darstellung eher als Kunst oder Wissenschaft betrachtet werden kann. Es wird argumentiert, dass Faktoren wie Intuition, kritisches Hinterfragen und Interpretation eine wichtige Rolle in der historischen Forschung spielen. Es wird jedoch auch betont, dass wissenschaftliche Erklärungen einzelner Annahmen innerhalb der Fachdisziplin diskutiert werden. Es wird schließlich geschlossen, dass die historische Forschung möglicherweise eine Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft darstellt, indem sie sowohl wissenschaftliche Ansätze als auch künstlerische Interpretationsmöglichkeiten vereint.
Schlüsselwörter
Geschichtswissenschaft, Wissenschaftsphilosophie, metatheoretische Reflexion, deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell, Generalisierungen, normische Gesetze, historische Darstellung, Kunst, Wissenschaft, Interpretation.
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- Fabian Meiners (Autor), 2020, Wissenschaft oder Kunst? Kurzessay zu „Klio am Scheideweg – Ein Entscheidungsbaum für Historiker“ von Oliver R. Scholz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1290064