Die Gründe bzw. die Motivation Anwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- oder sonstige Beratungsgesellschaften zu bewerten sind vielfältig. Nicht nur zu M&A-Zwecken, sondern auch bei der Nachfolgeregelung neuer Partner bzw. Buy-ins oder Squeeze-outs, sowie aus steuerlichen Bewertungserfordernissen stellt sich die Frage nach dem Wert einer solchen Praxis. Die Besonderheit in der Bewertung von Dienstleistungsunternehmen im Vergleich zur Bewertung von beispielsweise Industrie- oder Handelsgesellschaften liegt in dem relativ geringen Substanzwert und hohem Anteil immaterieller Werte am Gesamtunternehmenswert. Die Ermittlung dieses vom Goodwill getriebenen Unternehmenswertes einer Service firm stellt eine Herausforderung da, welche mit den üblichen Verfahren der Unternehmensbewertung kaum beizukommen ist. Getreu der von Moxter geprägten Devise "Bewerten heisst vergleichen" versucht die vorliegende Arbeit die in der Praxis üblichen Multiplikatorverfahren zu plausibilisieren und diesen heuristischen Ansatz durch eine vom Markt börsennotierter Beratungs- und Prüfungsgesellschaften abgeleitete Formel zu erweitern. Dabei soll das subjektiven Ermessens des Bewertenden durch die Objektivität des Marktes zumindest plausibilisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
Tabellen und Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bewertungsrelevante Charakteristika einer Professional Practice
3. Übliche Bewertungsverfahren (Zukunftserfolgswertverfahren)
4. Konzeption der Multiplikatormethode (Vergleichswertverfahren)
4.1. Auswahl der Referenzgrösse
4.2. Auswahl der Bezugsgrösse
5. Erweiterung der Multiplikatormethode durch ein Regressionsmodell
5.1. Operationalisierung der erklärenden Variablen
5.2. Erklärende Variable und Regressionsgleichung
5.3. Beschreibung des Datensatzes
5.4. Empirische Ergebnisse
6. Entwicklung einer approximativen Bewertungsgleichung .
7. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tab. 1: Operationalisierung
Tab. 2: Deskriptive Statistik
Tab. 3: Schätzergebnisse
Tab. 4: Güte des Modells
Abb.1: Zusammenhang von Goodwill und Grösse einer Professional Practice
1. Einleitung
Die Gründe bzw. die Motivation Anwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- oder sons-tige Beratungsgesellschaften zu bewerten sind vielfältig. Nicht nur zu M&A-Zwecken, son-dern auch bei der Nachfolgeregelung neuer Partner bzw. Buy-ins oder Squeeze-outs, sowie aus steuerlichen Bewertungserfordernissen stellt sich die Frage nach dem Wert einer solchen Praxis. Die Besonderheit in der Bewertung von Dienstleistungsunternehmen im Vergleich zur Bewertung von beispielsweise Industrie- oder Handelsgesellschaften liegt in dem relativ ge-ringen Substanzwert und hohem Anteil immaterieller Werte am Gesamtunternehmenswert. Die Ermittlung dieses vom Goodwill getriebenen Unternehmenswertes einer Service firm stellt eine Herausforderung da, welche mit den üblichen Verfahren der Unternehmensbewer-tung kaum beizukommen ist. Getreu der von Moxter geprägten Devise "Bewerten heisst ver-gleichen"[1] versucht die vorliegende Arbeit die in der Praxis üblichen Multiplikatorverfahren zu plausibilisieren und diesen heuristischen Ansatz durch eine vom Markt börsennotierter Beratungs- und Prüfungsgesellschaften abgeleitete Formel zu erweitern. Dabei soll das sub-jektiven Ermessens des Bewertenden durch die Objektivität des Marktes zumindest plausibili-siert werden.
2. Bewertungsrelevante Charakteristika einer Professional Practice
Dienstleistungsunternehmen im Allgemeinen und Prüfungs- und Beratungsgesellschaften im Besonderen zeichnen sich durch ein geringes bilanziertes Anlage- und Umlaufvermögen aus. Die Erstellung des Produktes erfolgt durch die angestellten Mitarbeiter ohne besondere Hilfsmittel und Maschinen und ohne Zusatz weiterer Rohstoffe. Die Fähigkeit einer Professional Practice Umsatz zu generieren und somit Werte für die Eigentümer zu schaffen, findet dadurch keinen Eingang in die Bilanzen der Gesellschaften. Vielmehr wird der Wert für einen potentiellen Käufer durch immaterielle, nicht bilanzierte Vermögenswerte geschaffen, welche weitaus schwieriger zu identifizieren und zu messen sind. Kundenbeziehungen, Reputation, bestimmte Patente, Knowhow und Branchenexpertise sind dabei einige der klassisch genann-ten Werttreiber.[2] Bei einer Professional Practice, wie den hier untersuchten Law and Consulting firms, stehen darüber hinaus die Mitarbeiter der Firma im besonderen Blickfeld.[3] Der Erfolg des Unternehmens hängt im überwiegenden Masse von deren Fähigkeit und Leistung ab. Oftmals erfordert die Ausübung des Berufes eine besondere Ausbildung oder sogar eine staatliche Zulassung, was die Mitarbeiter schwieriger ersetzbar respektive wertvoll für das Unternehmen werden lässt. Auf der anderen Seite limitiert dies auch den potentiellen Käufer-kreis, wenn an das Betreiben einer solchen Praxis eine Berufsakkreditierung geknüpft ist.[4] Weiterhin ist der Dienstleistungsprozess bei Beratungsfirmen notwendigerweise durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem individuellen Berater und dem Mandanten gekennzeichnet.[5] Auch beruhen Auftragseingänge oftmals auf Empfehlungen, die weniger das Unternehmen an sich, als ein bestimmtes Betreuungsverhalten des individuellen Beraters betreffen.[6] All diese Gründe sprechen dafür, dass der Unternehmenswert in diesem Fall nicht unabhängig von den Mitarbeitern betrachtet werden kann, ja dieser sogar massgeblich von dem sogenannten Human Capital geprägt wird.
Somit wird der Wert einer Professional Practice hauptsächlich durch folgende Faktoren ge-prägt:
1. Mandantenstamm und langfristige Auftragsbeziehungen
2. Erfahrungsschatz und Branchenexpertise
3. Qualität und Ausbildung der Mitarbeiter
4. Organisationsstruktur und Effizienz der unternehmensinternen Prozesse
5. Standort und Wettbewerbsumfeld
6. Reputation
All diese Überlegungen müssen bei dem jeweiligen Einzelfall berücksichtigt werden und sind von den jeweiligen Umständen und der subjektiven Intention der Bewertung abhängig. Im Folgenden soll hier vielmehr eine zusätzliche Bewertungskonzeption zur Plausibilisierung des ermittelten Wertes entwickelt werden.
3. Übliche Bewertungsverfahren (Zukunftserfolgswertverfahren)
Der Wert einer Unternehmung ergibt sich aus den zukünftig zu erwartenden ökonomischen Rückflüssen, die sich aus dem Kauf oder der Beteiligung allein oder im Verbund generieren lassen. Zur Bestimmung des Unternehmenswertes werden in der Bewertungspraxis üblicher-weise Ertragswert- oder DCF-Verfahren, bei denen die erwarteten Erträge bzw. Kapitalrück-flüsse extrapoliert und auf den Bewertungszeitpunkt diskontiert werden, eingesetzt. Auf die genaue Vorgehensweise und die Diskussion der einzelnen Verfahren soll hier nicht weiter eingegangen werden.[7] Zumal auch hier das Grundproblem darin besteht, bei der Ermittlung der zukünftigen ökonomischen Gewinne die oben genannten immateriellen Werttreiber des Unternehmens zu identifizieren und ihre Fähigkeit nachhaltig Rendite zu erwirtschaften zu beurteilen. Hinzu kommt, dass viele der positiv zu bewertenden Aspekte eines Beratungsun-ternehmens fest an den Betreiber geknüpft sind (Vertrauensverhältnis mit dem Mandanten, Reputation etc.). Sofern mit einem Eigentümerwechsel auch ein Betreiberwechsel einhergeht, ist nicht garantiert, dass solche Werte übertragen werden können.[8] In diesem Fall kann der Erwerber des Unternehmens nicht von vergangenen Erfolgszahlen auf die Zukunft schliessen.
Vielmehr muss der Käufer bei der Bewertung des Zielunternehmens in verstärktem Masse seine eigene Leistungsfähigkeit einschätzen und in die Berechnung mit einfliessen lassen.[9]
Andere Bewertungsverfahren gehen von dem Buchwert des Unternehmenes aus und versu-chen durch eine marktnahe Bewertung der bilanzierten Vermögens- und Schuldpositionen und Addition der einzelnen identifizierten immateriellen Vermögenswerte, sowie durch einen Aufschlag für den Goodwill den Gesamtunternehmenswert zu ermitteln (Asset based appro-ach).[10] Die Methoden zur Bewertung der Bilanzpositionen zu Zeitwerten und zur Wertermitt-lung der immateriellen Vermögenswerte werden dabei u.a. in der Literatur zur Kaufpreisallo-kation (Purchase Price Allocation), d.h. der Verteilung der Anschaffungskosten einer Beteili-gung an einem Unternehmen, in der Rechnungslegung beschrieben.[11] Hier erfolgt die Wert-ermittlung allerdings ex post, d.h. nach Abschluss der Unternehmenstransaktion. Der Residu-albetrag nach Abzug der ermittelten Marktwerte vom gezahlten Kaufpreis wird schlicht als undefinierbare Grösse, dem sogenannten Goodwill, bilanziert. Dieser eben nicht in Bilanzpo-sitionen fixierbare Goodwill ist es jedoch, welcher den Wert einer Professional Practice aus-macht. Es sind schwer quantifizierbare Werte, wie die Mitarbeiter, die kumulierte Erfahrung der bestehenden Praxis und die Reputation, welche die Bewertung einer Beratungs-, Prü-fungs- oder Rechtspraxis so speziell werden lassen.
4. Konzeption der Multiplikatormethode (Vergleichswertverfahren)
Folgt man einem markttheoretischen Ansatz ergibt sich der Preis und somit auch der Wert eines Unternehmens aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für vergleichbare Firmen. Entsprechende Transaktionen in der unmittelbaren Vergangenheit und Umgebung stellen dabei auch den objektivsten Wertmassstab für eine Kaufpreisermittlung dar. Aufgrund der bereits genannten Restriktionen liegt bei Rechts- und Beratungsgesellschaf-ten jedoch oftmals ein limitierter Käufermarkt vor. Die überwiegende Gesellschaftsform die-ser Unternehmen ist eine Privat- bzw. Partnergesellschaft. Der Markt für solche Gesellschaf-ten ist damit grundsätzlich intransparent, und es lassen sich schwerlich vergleichbare Transak- tionsdaten finden, welche unmittelbar zur Kaufpreisfi]ndung beisteuern könnten. Dennoch existieren in der Praxis übliche Bewertungshilfen, die sich an dem Markt für Law and Consulting firms als Benchmark orientieren. Diese sogenannten Multiplikatorverfahren, versuchen anhand bestimmter Grössen vergleichbarer Unternehmen eine relativ allgemeingültige Formel für die Bewertung von Unternehmen einer Branche herzuleiten. Es handelt sich hierbei also um eine relative Bewertung, welche auf der Annahme basiert, dass der Wert einer Unterneh-mung direkt vom Wert eines Vergleichsunternehmens abgeleitet werden kann. Es müssen lediglich die Grössenunterschiede der Unternehmen Berücksichtigung finden.[12] Aus dieser Annahme ergibt sich, dass die Unternehmenswerte von dem Bewertungsobjekt (Va) und ei-nem Vergleichsunternehmen (Vb) und deren Wertreibern (xa) und (xb) in einem linearen Zu-sammenhang, der durch den Faktor 8 dargestellt wird, stehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Daraus folgt, dass der Wert (V) eines Unternehmens (a) im Jahr (t) direkt proportional zu ei-nem Werttreiber ist:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei stellt x den identifizierten Werttreiber und gleichzeitig die Bezugsgrösse für das Unter-nehmen u im Jahr t und β den Multiplikator (Multiple), mit welchem der Werttreiber ange-wendet wird, dar.
Die Vorgehensweise bei der Bewertung durch Multiplikatoren lässt sich in vier Schritte unter-teilen:
1. Auswahl der Referenzgrösse und Auswahl der Bezugsgrössen
2. Bestimmung der Vergleichsunternehmen (Peer-Group)
3. Berechnung der entsprechenden Peer-Group-Multiples
4. Bestimmung des Unternehmenswertes aus dem Produkt aus Bezugsgrösse und Peer-Group-Multiple.
[...]
[1] Moxter (1983), S. 123.
[2] Vgl. bezgl. der Determinanten des Intellectual Capital. Singh/Van der Zahn (2008).
[3] Vgl. Pratt/Reilly/Schweihs (1993), S. 411.
[4] Vgl. Baczkiewicz (2005), S. 2.
[5] Vgl. Pratt/Reilly/Schweihs (1993), S. 390.
[6] Vgl. Rose (1999), S. 3.
[7] Vgl. zu den einzelnen Verfahren bspw. Ruhnke (2002) oder auch Kruschwitz (2006).
[8] Vgl. Malak (2008), S. 3, sowie Kohn (2004), S. 23-24.
[9] So wird in der Literatur zur Bewertung kleinerer Rechtsanwalts- und sonstiger Beratungskanzleien teilweise die Meinung vertreten eine solche Praxis habe überhaupt keinen über die materiellen Vermögensgegenstände hinausgehenden Wert: "without me, it`s worthless". Pratt/Reilly/Schweihs (1993), S. 410.
[10] Vgl. Willard (2006).
[11] Vgl. IFRS 3.
[12] Vgl. Barker (1999a), S. 395.
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