Am 31.01.2008 eröffnete im Amerika-Haus in der Bundeshauptstadt Berlin eine umfangreiche Ausstellung über die Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre. Genau 40 Jahre nach dem Mythosjahr zeigt „68 - Brennpunkt Berlin“ die ambivalente Einstellung des deutschen Volkes noch heute zu diesem Thema. Für die einen revolutionierte diese Zeit das politische Denken und die alltägliche Kultur des Landes und sind dessen Auswirkungen auch noch in heutigen Auseinandersetzungen spürbar. Für andere führte die Studentenbewegung nicht nur zu einem umfassenden Werteverfall, sondern lieferte direkt die Grundlagen für die Entstehung des linken Terrorismus, der die Bundesrepublik über ein Jahrzehnt erschütterte.
Weltweit gilt die Jahreszahl 1968 als Symbol für ein globales Phänomen: Der Protest der Jugendlichen und Studenten, die sich gegen die herrschende Gesellschaftsordnung lehnten und eine Revolte schufen, die die sozialen und kulturellen Begebenheiten der westlichen Industrienationen in den Mittelpunkt rückte und sozietäre Veränderungen einforderten. Vor allem in der deutschen Nachkriegsgeschichte nimmt „1968“ eine Schlüsselposition ein, da die deutschen Studenten durch lauten Protest die Aufarbeitung des Nationalsozialismus verlangten, dem viele öffentlich-tätige Personen sowie auch Eltern der Jugendlichen angehörten, und dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland demokratische Defizite und polizeistaatliche Tendenzen vorwarfen – wie zum Beispiel den Einsatz repressiver Mittel insbesondere gegen Demonstranten. Obwohl der Begriff „1968“ nicht akkurat als zeitgeschichtliches Synonym für die Studentenbewegung benutzt werden kann, da studentischer Protest schon in den Jahren zuvor entstand und Aufmerksamkeit erregte, soll er jedoch in dieser Arbeit als solches Synonym der Verständlichkeit halber weiterhin verwendet werden.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Studentenbewegung
2.1 Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)
2.2 Der 2. Juni 1967 – Wendepunkt in der Geschichte der Studentenbewegung
3. Die Gewaltfrage
3.1 Gewalt gegen Sachen und Personen
4. Entstehung der linksrevolutionären, gewaltbereiten Organisationen
4.1 Die Bewegung 2. Juni
4.2 Die Rote Armee Fraktion
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 31.01.2008 eröffnete im Amerika-Haus in der Bundeshauptstadt Berlin eine umfangreiche Ausstellung über die Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre. Genau 40 Jahre nach dem Mythosjahr zeigt „68 - Brennpunkt Berlin“ die ambivalente Einstellung des deutschen Volkes noch heute zu diesem Thema. Für die einen revolutionierte diese Zeit das politische Denken und die alltägliche Kultur des Landes und sind dessen Auswirkungen auch noch in heutigen Auseinandersetzungen spürbar. Für andere führte die Studentenbewegung nicht nur zu einem umfassenden Werteverfall, sondern lieferte direkt die Grundlagen für die Entstehung des linken Terrorismus, der die Bundesrepublik über ein Jahrzehnt erschütterte.
Weltweit gilt die Jahreszahl 1968 als Symbol für ein globales Phänomen: Der Protest der Jugendlichen und Studenten, die sich gegen die herrschende Gesellschaftsordnung lehnten und eine Revolte schufen, die die sozialen und kulturellen Begebenheiten der westlichen Industrienationen in den Mittelpunkt rückte und sozietäre Veränderungen einforderten. Vor allem in der deutschen Nachkriegsgeschichte nimmt „1968“ eine Schlüsselposition ein, da die deutschen Studenten durch lauten Protest die Aufarbeitung des Nationalsozialismus verlangten, dem viele öffentlich-tätige Personen sowie auch Eltern der Jugendlichen angehörten, und dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland demokratische Defizite und polizeistaatliche Tendenzen vorwarfen – wie zum Beispiel den Einsatz repressiver Mittel insbesondere gegen Demonstranten. Obwohl der Begriff „1968“ nicht akkurat als zeitgeschichtliches Synonym für die Studentenbewegung benutzt werden kann, da studentischer Protest schon in den Jahren zuvor entstand und Aufmerksamkeit erregte, soll er jedoch in dieser Arbeit als solches Synonym der Verständlichkeit halber weiterhin verwendet werden.
Als sich 1966 die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) dazu entschied, in eine Große Koalition mit der Christdemokratischen Union (CDU) einzugehen, fühlten sich viele Studenten vom politischen System der BRD betrogen, da die einzige Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, die Freidemokratische Partei (FDP), lediglich 49 im 496-Sitze starken Parlament besetzte. Eine effektive parlamentarische Opposition gab es daher nicht und somit mobilisierten sich die Studenten unter der Führung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) zur Außerparlamentarischen Opposition (APO).
Zunehmend befürworteten die Studenten den lautstarken Protest, um sich Gehör in der deutschen Öffentlichkeit zu verschaffen und tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaft einzufordern, wodurch sie kontinuierlich in Konflikte mit der Polizei und aufgebrachten Bürgern gerieten, die die Revolte der Studenten nicht nachvollziehen konnten. Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurde am 2. Juni 1967 erreicht, als am Tag des Besuchs des iranischen Schahs, die außerparlamentarischen Oppositionellen sich nicht nur Straßenschlachten mit der örtlichen Polizei, sondern auch mit iranischen Schah-Anhängern lieferten. Es kam zum Tod eines demonstrierenden Studenten durch die Kugel eines Polizisten. Der Tod Benno Ohnesorgs und der 2. Juni wurden zu Symbolen der Studentenbewegung für die unverhältnismäßig harten Mittel des Staates gegen Protest.
Die Außerparlamentarische Opposition übte nach dem Ereignis zunehmend heftige Kritik an der Justiz, der Politik und der Presse und gab der Studentenbewegung neuen Antrieb, Kampagnen gegen den Springer-Konzern, der zu der Zeit die Presse dominierte, und gegen die Notstandsgesetze der schwarz-roten Bundesregierung zu führen. Es rückten dadurch auch alternative Widerstandsmittel in den Vordergrund und der SDS, unter Führung von Rudi Dutschke, forderte die Studenten zu zivilem Ungehorsam auf. Unter vielen verbreitete sich zudem die Idee der Gewaltakte gegen Sachen, die primär symbolischen Hintergrund haben. So kam es am Tag nach dem Attentat auf Dutschke vom 11. April 1968 vor den Springer-Verlagsgebäuden in Berlin zu den bis dahin schwersten Auseinandersetzungen zwischen APO-Demonstranten und der Polizei, bei denen die Situation eskalierte und die Gewalt erheblich zunahm.[1] Teile der Verlagsgebäude wurden zerstört und Auslieferungsfahrzeuge für Zeitungen angezündet. Doch im SDS und der APO formierten sich vermehrt konkurrierende Gruppen, die ihren Widerstand in gegensätzlichen Formen fortführen wollten – Splittergruppen erklärten, dass der zivile Ungehorsam und die Gewaltakte gegen Sachen nicht ausreichten, um ihren Forderungen angemessenen Nachdruck zu verleihen. Mehrheitsfähig wurden diese Appelle unter den Studenten jedoch nicht.
Es folgten die Gründungen verschiedener anarchistischer und kommunistischer Gruppen, wie beispielsweise die „Kommune 1“, die für viele Linksradikale zur Anlaufstelle der gewaltbereiten Bewegung wurde. Kurze Zeit darauf war die Zersplitterung des SDS soweit vorangeschritten, dass dieser sich letztendlich am 21. März 1970 mit dem Frankfurter Beschluss als letztes offizielles Dokument auflöste.[2] Die Mehrheit der protestierenden Studenten schloss sich friedlich-gesonnenen neuen Sozialbewegungen an, wie der Frauen-, Schwulen- und Umweltbewegung – einige fanden ihren Weg zurück zur Sozialdemokratie. Jedoch fand sich unter der Vielzahl revolutionsbegeisterter Jugendlicher auch eine Minorität, die bereit war ihre gesellschaftsverändernden Ansprüche ebenso mit gewalttätigen Aktionen einzufordern. So schlossen sich Anfang der 1970er Jahre linke Studenten zu militanten Gruppen zusammen und formten unter anderem die „Bewegung 2. Juni“ sowie die „Rote Armee Fraktion“, die die Bundesrepublik im folgenden Jahrzehnt mit verschiedenen terroristischen Aktionen in Atem hielten.
Diese Hausarbeit befasst sich zunächst mit den friedlichen Studentenprotesten Ende der 60er Jahre und hebt die große Bedeutung hervor, die dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund dabei zukommt. Es wird analysiert, wie die Bewegung bis zum 2. Juni 1967 agierte und in welchem Ausmaß sich eine Wandlung der Proteste nach diesem Tag, der „schlagartig alles veränderte“[3], vollzog. Folgend werden die unterschiedlichen Diskussionsansätze zur Gewaltfrage differenziert und ausgelotet, wie sich die Meinungen der Studenten im Laufe der Ereignisse des 2. Juni und des Dutschke-Attentate veränderten. Schließlich steht die Entstehung der linksrevolutionären, gewaltbereiten Organisationen im Mittelpunkt, die sich zwar selbst als Konsequenz der Bewegung sehen. Ob man jedoch eine direkte Verbindung zwischen den Studentenprotesten der 1968er und die Terroraktionen der militanten Gruppen „Bewegung 2. Juni“ sowie „RAF“ argumentativ begründen kann, ist noch immer umstritten in der politikwissenschaftlichen Literatur.
Diese Arbeit soll dazu einen kleinen Beitrag leisten.
2. Die Studentenbewegung
Die Ursprünge der deutschen Studentenbewegung lassen sich zum einen auf die US-amerikanischen Proteste an den Universitäten zurückführen, die erstmals 1960 mit einem Sit-in auf die Rassendiskriminierung in der amerikanischen Kultur aufmerksam machen wollten.[4] Die theoretische Basis für die Forderungen der 68er Bewegung war jedoch größtenteils die Frankfurter Schule, die schon in den 30er Jahren die Idee der „Kritischen Theorie“ hervorbrachte. Vor allem durch Theoretiker wie Herbert Marcuse und Jürgen Habermas erreichte die „Kritische Theorie“ die Universitäten und wurde zur Grundlage der Neuen Linken. Kern der Theorie ist die gesellschaftskritische Auseinandersetzung und die Weiterentwicklung neomarxistischer Veränderungen unter neuen geschichtlichen Bedingungen.[5]
Letztendlich beteiligten sich auch deutsche Studenten an internationalen Bewegungen aufgrund mehrerer Anlässe: Zum einen hat der Vietnam-Krieg die demokratische Vorbildrolle der Vereinigten Staaten erheblich diskreditiert, ferner führte das Ausbleiben einer Hochschulreform in Deutschland zur weiteren Verschlechterung der Situation an den Universitäten und die fehlende Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit vieler Funktionäre in Machtpositionen erweckte bei den Studenten den Eindruck der übergangslosen Machtübernahme der sogenannten Tätergeneration des Dritten Reiches in der westdeutschen Bundesrepublik.
Eine gewisse Vorreiterrolle in der Bewegung in Westdeutschland, vor allem im Zentrum des studentischen Protests – Westberlin – übernahm der Sozialistische Deutsche Studentenbund.
2.1 Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS)
Obwohl der SDS erst Ende der 60er Jahre bundesweite Bedeutung erlangte, gründete er sich schon im September 1946 in Hamburg als erster politischer Studentenverband nach der Kapitulation 1945. Dieser Studentenbund bestand aus sozialdemokratischen sowie antifaschistischen Studenten und Hochschullehrern, die sich zwar zur Nähe der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bekannten, jedoch ihre organisatorische Unabhängigkeit von der SPD unterstrichen und somit nicht als Arbeitsgemeinschaft der Partei existierten. Diese Selbstständigkeit war entscheidend für die Entwicklung des Verbands, da sie gewisse Freiräume und Minderheitspositionen garantierte, die die Partei offiziell nicht vertrat.[6]
Jedoch schon in den 1950er Jahren entfernte sich der SDS zunehmend von der SPD aufgrund von Standpunktdifferenzen zu verschiedenen Gegenständen, wie zum Beispiel die Frage der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, der Umgang mit der „Kampf dem Atomtod“-Kampagne bis letztendlich zum Godesberger Programm der SPD. Bis schließlich der SPD-Parteivorstand am 6. November 1961 folgenden Entschluss fasste:
„Die Mitgliedschaft in dem Verein ‚Sozialistische Förderergemeinschaften der Freunde, Förderer und ehemalige(n) Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes e.V.‘ ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wie es ebenso unvereinbar ist, Mitglied des SDS und der SPD zu sein.“[7]
Notwendig geworden war die Trennung vom SDS für die SPD vor allem deshalb, weil sie als politische Volkspartei des linken Spektrums eine Abgrenzung des Demokratischen Sozialismus von den Ideen des Kommunismus vertrat, um somit potenzielle Wähler nicht abzuschrecken. Für den SDS folgte aus der unfreiwilligen Trennung von der Partei eine Intensivierung ihrer Bemühungen um eine „demokratische Hochschulreform“[8] und eine offensivere Repräsentation ihrer sozialistischen Ansichten. Im Mai 1964 nahm der Bund als erster Studentenverband mit einer offiziellen Delegation am Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend in Ostberlin teil.
[...]
[1] Vgl. Donatella della Porta, Gewalt und die Neue Linke, in: Wilhelm Heitmeyer/John Hagan (Hrsg.), Internationales Handbuch der Gewaltforschung, Opladen 2002, 487f.
[2] Willy Albrecht, Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) Vom parteikonformen Studentenverband zum Repräsentanten der Neuen Linken, Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger, Bonn 1994, S. 470
[3] Butz Peters, Tödlicher Irrtum – Die Geschichte der RAF, Veröffentlicht im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2007, urspr. veröffentlicht im Argon Verlag Berlin 2004, S. 89
[4] Susanne Kailitz, Von den Worten zu den Waffen? Frankfurter Schule, Studentenbewegung, RAF und die Gewaltfrage, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 64
[5] Siehe hierzu: Max Horkheimer, Traditionelle und kritische Theorie. Fünf Aufsätze, Frankfurt am Main 1992 und Max Horkheimer / Theodor Adorno, Die Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt am Main 1988
[6] Tilman Fichter / Siegward Lönnendonker, Kleine Geschichte des SDS. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund von 1946 bis zur Selbstauflösung, Rotbuch Verlag, Berlin 1977, S. 15
[7] Zitiert nach ebd., S. 70
[8] Dieter Sterzel im Bericht über die Delegiertenkonferenz des SDS, nk Nr. 13 v. Nov. 1962, zitiert nach Willy Albrecht, Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) Vom parteikonformen Studentenverband zum Repräsentanten der Neuen Linken, Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger, Bonn 1994, S. 447
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