Gruppenimprovisation

Unterrichtsmodelle für verschiedene Jahrgangsstufen


Hausarbeit, 2008

43 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse
2.1. Begriffsklärung
2.2. Didaktische Begründungen und Ziele
2.3. Methodische Empfehlungen

3. Unterrichtsmodelle in verschiedenen Jahrgangsstufen
3.1. Fünfte Klasse: John Cage: sixty-eight
3.1.1. Informationen zum Werk
3.1.2. Didaktisch-methodisch begründete Modifizierung.
3.1.3. Einordnung in den Lehrplan
3.1.4. Planung der zwei Stunden
3.1.4.1. Lernziele…..
3.1.4.2. Unterrichtsverlauf
3.1.4.2.1. Vorbereitungen
3.1.4.2.2. Erste Stunde
3.1.4.2.3. Zweite Stunde
3.2. Neunte Klasse: Raga
3.2.1. Informationen zum indischem Musiksystem
3.2.2. Didaktisch-methodisch begründete Reduktion
3.2.3. Einordnung in den Lehrplan.
3.2.4. Planung der Stunde
3.2.4.1. Lernziele
3.2.4.2. Unterrichtsverlauf
3.2.4.2.1. Vorbereitungen
3.2.4.2.2. Erste Stunde
3.2.4.2.3. Zweite Stunde
3.2.4.2.4. Dritte Stunde

4. Schluss: Eindrücke aus der Praxis

5. Literaturliste.

Anhang: Tabellarische Unterrichtsverläufe und Materialien

1. Einleitung

Als Ausformung eines handlungsorientierten Unterrichtes, welchen zahlreiche aktuelle musikpädagogische Konzepte empfehlen, wird die Gruppenimprovisation als etwas betrachtet, das sowohl Chancen als auch Schwierigkeiten bietet.

Oftmals wagen sich Musiklehrer selbst nicht an diese Musizierform heran, weshalb dieser Weg erst Recht nicht beim Klassenmusizieren gewählt wird. Dies scheint mit der Art der Ausbildung zusammenzuhängen. Durch Instrumentalunterricht und Studium vor allem in notengestützter Reproduktion von Musik geschult, herrscht bei ihnen wohl oft eine psychische Barriere vor. Diese Scheu vor musikalischer Improvisation kann schon bei Kindern beobachtet werden: „Bei der hier praktizierten Art des Musizierens fällt es erfahrungsgemäß in den meisten Fällen den „Nicht-Musiker“ leichter, sich auf diesen musikalischen Prozess einzulassen“[1], und „gerade Instrumentalschüler haben oft große Schwierigkeiten, frei zu spielen.“[2] Die Problematik wird allgemein als solche akzeptiert: „In der Ausgestaltung des hier thematisierten Bereichs liegt eine wichtige Zukunftsaufgabe und eine Herausforderung an die Musiklehrerausbildung“[3]

Konkrete Modelle für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurden publiziert (z.B. Schaarschmidt, Schneider/Niermann), jedoch sind diese meist nicht problemlos auf den schulischen Klassenunterricht zu übertragen. Im Gegenteil wird die „reale“ Situation, die sich durch hohe Schülerzahl und beschränkte zeitliche, räumliche und materielle Mittel auszeichnet, als Worst-Case-Szenario beschrieben: „Hohe Teilnehmerzahlen in Lerngruppen sind problematisch: Entweder verringert man durch wechselnde Teilung in Spieler und Beobachter die Stärke der aktuell musizierenden Gruppe auf Kosten der Spieldauer oder Spielhäufigkeit der einzelnen SchülerInnen. Oder aber die Möglichkeit zur Eigeninitiative und die Wahrscheinlichkeit, dabei Resonanz zu finden, werden stark eingeschränkt.“[4] Teilt der Lehrer die Klasse in zwei Gruppen auf, die in verschiedenen Räumen proben (räumlich so weit entfernt, dass sie sich nicht gegenseitig stören), verletzt er schlicht und ergreifend seine Aufsichtspflicht.

Die von mir vorgestellten Unterrichtsmodelle sind bewusst der suboptimalen Realsituation angepasst, in der 20 bis 30 Schüler gleichzeitig in einem Raum im zeitlichen Rahmen von maximal 45 Minuten musizieren sollen.

Die Vielfalt in den hier vorgestellten Modellen soll sich in den Formen des Improvisierens (Improvisation über…) ausdrücken, nicht so sehr in den verwendeten Tonerzeugern (Improvisieren auf…). In den Modellen beschränke ich mich deswegen auf den Gebrauch akustischer Instrumente. So habe ich die vokale und elektronisch gestützte Improvisation, sowie solche mit Alltagsgegenständen auch in den folgenden Erläuterungen und Vorüberlegungen ausgespart.

2. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft

2.1.Begriffsklärung

Von einander zu unterscheiden sind die Begriffe Improvisation und Klangexperiment.

In der Avantgardemusik nach dem 2. Weltkrieg steht der Begriff Klangexperiment für einen unkonventionellen Einsatz der Instrumente und einen vom Zufall bestimmten Formablauf.[5]

Im unterrichtsbezogenen Klangexperiment geht es hingegen in erster Linie um (solistische) „Erkundung“, sowohl des Instrumentariums, als auch des musikalischen Materials und eventuell um die Auslotung gruppendynamischer Prozesse.

Im engeren Sinne des Begriffs „Experiment“ müsste dieser Vorgang mit gezielten Aufgaben- und Fragestellungen und einer kritischen Auswertung verbunden sein. Aber wohl auch ohne diese Konkretisierungen gewinnen die Schüler dadurch an den weiter unten ausgeführten Kompetenzen. Es geht also darum: „die Mittel zum Improvisieren zu erfahren und zunehmend zu beherrschen“[6] Um hierbei Zwänge und Hemmungen zu beseitigen, darf es auch zu „voraussetzungslosen Lärmorgien“ kommen.[7] Aus den besagten Gründen besteht in den meisten Veröffentlichungen Einigkeit darüber, dass zu Beginn von Gruppenimprovisationsstunden eine Phase mit den besagten Klangexperimenten zu erfolgen hat.

Improvisation gilt als die wohl älteste Musizierweise der Menschheit. Per Definition werden hierbei musikalische Gedanken, Ideen oder Vorstellungen im Moment ihrer Entstehung oder unmittelbar anschließend in klingende Musik umgesetzt. Diese Gedanken etc. werden wiederum durch diese eben erklungene selbst produzierte Musik sowie eventuell von Improvisationen der Mitspieler beeinflusst, so dass der improvisierende Musiker stets in Wechselwirkung mit sich selbst und seinen Kollegen tritt.

Zusätzlich sind die Improvisationen meist von vorher festgelegten Aufgaben und musikalischen „Regeln“ geprägt. (Die Ausnahme bildet die „Freie Improvisation“, die mit ihrem Prinzip der völligen „Voraussetzungslosigkeit“[8] auch für die Behandlung im Musikunterricht empfohlen wird; die Erstellung eines möglichst gut durchdachten und geplanten Unterrichtsmodells zu „Freier Improvisation“ erschien mir jedoch als etwas zu widersprüchlich und bizarr.) Diese oft tradierten Regeln können das Denksystem einer ganzen Musikkultur repräsentieren, wie es beim indischen Raga der Fall ist. Auch im Jazz bestimmen sie die Prinzipien der Gestaltung eines Standards, deren schematische Pole hierbei die Melodievariation und die Orientierung an den Begleitakkorden sind. Des Weiteren können diese Regeln eine so individuelle und konkrete Form aufweisen, dass sie wie bei Cages sixty-eight eine Komposition darstellen.

Ein weiterer Unterschied zum Klangexperiment liegt darin, dass der Improvisation immer eine Gestaltungsabsicht des Spielers voraus geht.

2.2. Didaktische Begründungen und Ziele unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse

Nach Eckhardt[9] liegt in der Tatsache, dass es sich bei Improvisation um eine heutzutage häufige und selbstverständliche Musizierpraxis handelt, schon genug Legitimation für die Behandlung im Unterricht.

Daneben handelt es sich „um eine der besten Möglichkeiten, musikalische Primärerfahrungen zu sammeln.“[10] mit dem unschätzbaren Vorteil, dass „sie sich im Unterricht mit anderen Lernbereichen auf vielfältige Weise verknüpfen lässt (Musikhören, Analyse und Musiktheorie, Reflexion, Reproduktion, Komposition und Transposition) und außerdem die Überwindung der Grenzen zu den anderen ästhetischen Fächern nicht ausschließt“[11]

Der Nutzen dieses produktiven Musizierens für rein musikbezogene Lernprozesse und ästhetische Erfahrungen ist durch empirische Befunde gestützt; positive Effekte auf die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern, die die nicht-musikbezogene Kreativität, die soziale Kompetenz oder die psychische Gesundheit betreffen, gelten laut Eckhardt noch als Spekulation.[12]

Auch nach Meyer-Denkmann sind die emanzipatorischen und kreativen Ziele in der Improvisationspädagogik überbewertet; ihr Nutzen für eine musikbezogene Sozialisation,

besonders für ein Verständnis der Neuen Musik, sei hingegen unterschätzt.[13]

Durch eine bewusste Abgrenzung der Improvisation von einem Klangexperiment sollte beim Klassenmusizieren ein „Gestaltungsversuch“ das Endprodukt sein, nicht bloße „Klangbastelei“, wie Meyer-Denkmann bemängelt.[14]

Selbstverständliches Lernziel eines handlungsorientierten Ansatzes ist es, bei Schülern die Fähigkeit zu musikalischer Improvisation und einer Gestaltungsabsicht zu entwickeln und zu verfeinern.

Einen positiven Effekt auf das Gemeinschaftsgefühl der Klasse vermag ich nicht durch wissenschaftliche Befunde zu belegen, halte sie jedoch für nahe liegend.

Konkrete Ansatzpunkte einer Förderung bieten die von Eckhardt vorgelegten

sechs Aspekte musikalischer Kompetenz und deren Differenzierung[15].

1) Gedächtnisrepertoires; diese betreffen die:

a) Hörvorstellung
b) die spielerische Technik
c) strukturelle Schemata (hoch/tief, laut/leise, Imitation/Kontrast….)
d) Begriffe zur sprachlichen Vergegenständlichung (forte, accelerando ,…)

2) Improvisatorische Phantasie; diese wird bestimmt durch:

a) Spontaneität
b) Differenziertheit der Gestaltung (Vielfalt und Verfeinerung)
c) Originalität
d) Qualitätsbewusstsein

3) Hörfähigkeiten

4) Handlungskontrolle und Selbstbewertung

5) Soziale Kompetenz; die hier angesprochenen Fähigkeiten sind:

a) Empathie (Einfühlungsvermögen in die Mitspieler)
b) Ambiguitätstoleranz (Teilnahme ohne Gewähr künstlerischer Befriedigung)
c) Rollendistanz (Kein zu verbissener Umgang mit seiner Funktion in der Gruppe)
d) Identitätspräsentation durch kommunikative Kompetenz

6) Motivation und Konzentration

Meyer-Denkmann betont bei der Förderung der Hörvorstellung und der spielerischen Technik durch Klangexperimente vor allem die Dimension der Klangfarbe:

Kaum andere musikalische Lernvorgänge, als fundiert vollzogene Klangexperimente können den Bedingungszusammenhang zwischen einer instrumentalen Klangerzeugung und den resultierenden Klangeigenschaften erfahrbar machen, und zwar als Abhängigkeit des Klangs vom Material und von der Bauart eines Instruments- vom Spiel an den diversen Klangorten eines Instruments - von den angewandten Aktionsmitteln sowie den Formen der Aktionen und Artikulationen.[16]

Neben der pädagogischen Aufgabe, die Gedächtnisrepertoires reichhaltig auszustatten geht es auch darum, dass die Schüler diese flexibel einsetzen können. Auch zu diesem Zweck gilt es, die improvisatorische Phantasie zu fördern.

Die Hörfähigkeiten bestimmen die Möglichkeiten des Vergleichs zwischen der geplanten, bzw. erwarteten Musik und der tatsächlich erklungenen. Somit sind sie Voraussetzung für die Handlungskontrolle und Selbstbewertung und die Interaktion.

Ebenfalls entscheidend für die Interaktion in musikalischen Prozessen sind die genannten Aspekte sozialer Kompetenz. „Der Versuch, rollendistantes Verhalten vor der Pubertät zu fördern, wird jedoch auch als verfrüht kritisiert“[17]

Motivation und Konzentration sind natürlich die Voraussetzungen dafür, dass die Kompetenzen optimal genutzt werden und dass eine Gestaltungsabsicht vorhanden ist.

2.3. Methodische Empfehlungen

Klangexperimente

Wie schon weiter oben angesprochen, werden Klangexperiment und Improvisation musikdidaktisch nicht gleichwertig behandelt.

Vielmehr stellen Klangexperimente lediglich die beste Methode dar, die für die Kunstform Gruppenimprovisation nötigen Kompetenzen bei den einzelnen Schülern zu fördern. Wie bereits beschrieben darf oder soll es dabei gern auch mal lauter werden; „hier kann der einzelne auch Schutz finden, sich vorübergehend ein bisschen im Gesamtklang „verstecken“, um hinterher um so besser wieder allein präsent zu sein.“[18]

Beschränkung

Bei einer eventuell als nächsten Schritt erfolgenden Lenkung dieser Experimente ist das Prinzip der Reduktion angebracht: „Unwiderlegt ist die These, anfangs sei dem „Prinzip der weisen Beschränkung des zu verwendenden Materials“ – statt „einer unbeschränkt gegebenen Materialmenge“ – zu folgen, weil sich „die Kräfte der Phantasie“ so besser anregen ließen“[19]

Werkbezug

In der didaktisch-methodischen Literatur zum Thema Improvisation wird auffallend oft eine Verbindung aus Klangexperimenten und Werkhören empfohlen:

„In enger Verbindung mit dem Hören musikalischer Vorbilder ist dem Ausprobieren der verfügbaren Musikinstrumente (…) ein breiter Raum zu gewähren.“[20]

Dasselbe gilt für die späteren Gestaltungsversuche: „Derlei Versuche können durch Hörvergleiche und Analysen von entsprechenden Kompositionen abgeleitet oder aus vorangegangenen Klangexperimenten selbständig entwickelt werden.“[21]

In den Modellen von Schneider/Niermann wird das Werk sogar zu einem didaktischen Mittelpunkt:

Das als Impuls und zur Konfrontation angebotene Musikwerk steht am Anfang, in der Mitte und am Ende. Durch die eigene Arbeit hindurch wird es aktiv und zunehmend differenzierter wahrgenommen, durch die praktische Erfahrung erhält es seine -stets subjektive- Bedeutung[22]

Aufzeichnungen

Neben dem „Vorbild“ sollen auch Aufnahmen der eigenen Gruppenproduktion zwischen den Gestaltungsversuchen vorgespielt werden. Deren positiver Einfluss wurde wissenschaftlich bestätigt:

In einer Studie verbesserten diejenigen SchülerInnen, denen vor ihrem jeweils nächsten Versuch die vorausgegangene eigene Improvisation vom Tonband vorgespielt wurde, ihre Melodie-Improvisationen auf Xylophonen stärker als Parallelgruppen, die ihre Neuversuche im Anschluss an das Hören vorbildlicher Modelle unternahmen oder einfach nur mehrfach improvisierten[23]

Reflexion

Das nochmalige Anhören der eigenen Musik und die gemeinsame kritische Auswertung sind Bestandteil der wichtigen Reflexionsphase, denn „Im Rahmen handlungsorientierten Unterrichts (…) bedarf die I. nicht nur der Planung und Ausführung, sondern ebenso der reflexiven Auseinandersetzung mir dem Ergebnis“[24] um die Kompetenzen optimal zu fördern. Dabei muss, wie weiter unten ausgeführt, nicht der Lehrer der „Hauptkritiker“ sein.

Vorstellungshilfen

Kontrovers wird der Einsatz von Vorstellungshilfen diskutiert. Eckhardt betont eher den Nutzen:

Außermusikalische Vorstellungsinhalte können in Musik transponiert werden und das musikalische Vorstellungsvermögen anregen: Farbstimmungen, Graphiken, Dias oder andere Bilder, Filme, kommunikative Situationen, emotionale Befindlichkeiten und Alltagserlebnisse, Rollen und Szenen sowie Gedichte, Geschichten, Märchen und Theaterstücke. Solche Anregungssituationen und –inhalte einschließlich Musikalischer Graphik und graphisch notierter Vorlagen unterstützen die ikonische Vorstellungsebene. Deswegen sind sie für den Aufbau von Klangvorstellungen möglicherweise geeigneter als traditionelle Notationen.[25]

Meyer-Denkmann sieht hingegen die Gefahr einer falschen Zielsetzung:

Die Schülerinnen und Schüler bestimmen selbst, was sie beim Hören oder Spielen von Musik assoziieren. Falsch wäre es, ihnen durch die von uns vorgegebenen Bilder und Geschichten ihre Fantasie und Klangvorstellungen einzuengen oder umzupolen. Hiervon abgesehen, entfernen Bildvergleiche und Gefühlsanalogien uns eher von der Musik, als dass sie auf die konkreten Vorgänge und Strukturen der Klänge selbst verweisen. (…) Auch beim Improvisieren geht es nicht vordringlich um die Frage, was die Klänge darstellen, beschreiben, bedeuten etc., sondern ganz konkret um den Vorgang der Klangprozesse selbst.[26]

Imitation vs. Exploration

Die Funktion des Lehrers wird mitbestimmt durch die Frage, ob die Kompetenzen besser durch ungeleitetes Experimentieren oder durch Vor- und Nachspielen gefördert werden können. „Solange noch Unsicherheit in der Frage besteht, welches Verhältnis entdeckender und imitativer Zugänge das I.-Lernen begünstigt, sind ihre Kombinationen schülerbezogen zu

erproben.“[27] Zu Beginn sollte jedoch eine explorative Phase stehen:

Beginnt das Lernen mit Übungen zur Imitation, besteht die Gefahr, dass eine Furcht vor Fehlern hervorgerufen wird, der die Entwicklung von Spontaneität abträglich ist. Demgegenüber könne eine anfängliche Konzentration auf exploratives Musizieren zu höherer Flexibilität und größerer Fähigkeit führen, ungünstige Ergebnisse der Handlungskontrolle erst einmal als solche zu akzeptieren und in plandifferenzierende oder –modifizierende Ideen zu überführen.[28]

Die Funktion des Lehrers

Generell bedeutet die Thematik Improvisation also nicht, dass sich der Lehrer so weit wie möglich aus dem Geschehen heraushalten sollte:

Aber die Tatsache der Einflussnahme ist keineswegs ein Problem -in der Tat ist sie unvermeidbar. Wichtiger ist es, dass sich der

Aktionsleiter dessen bewusst ist und um so mehr darauf achtet, dass er keine Vorgaben von „richtig“ und „falsch“ oder von „besser“ und „schlechter“ im Schlepptau hat; dass seine Hilfestellungen und Hinführungen vielmehr als solche verstanden und aufgegriffen werden können.[29]

In Bezug auf Kritik des Lehrers oder gar Leistungserhebung sollte die folgende Devise eine gewisse Tragweite bekommen: „Hab keine Angst, einen Fehler zu machen; scheue dich lediglich davor, uninteressant zu sein.“, ein Spruch der als Merksatz vielleicht sogar einen Platz an der Tafel verdient hat.

Offenbar kann auch ganz auf Lehrerkritik verzichtet werden: „Der Verzicht auf Bewertungen seitens der Leiter beeinträchtigt in dem untersuchten Musikkurs nicht die Ausprägung musikalischen Problembewusstsein, musikalischer Originalität und differenzierter Ausarbeitung musikalischer Ideen“[30]

Geregelte Improvisation

Wie oben ausgeführt beschränke ich mich in meinen Modellen auf Formen der „geregelte Improvisation“. Zu dieser Einschränkung schreibt Meyer-Denkmann: „Es wären solche Aufgabenstellungen zu bevorzugen, deren struktureller Rahmen zwar (…) geplant wird, aber dessen detaillierte Organisation den Beteiligten genügend Freiraum lässt.“[31], und im Kompendium der Musikpädagogik liest man:

„Nun wird eine sinnvolle Improvisation nur dann stattfinden, wenn die Fantasie der Spieler durch zuvor verabredete „Spielregeln“ in Gang gesetzt wird.“[32]

Aufbauend auf diese Empfehlungen und Befunde möchte ich nun die Fixpunkte meiner Methodik formulieren, die sich in variabler Gewichtung in beiden Modellen finden werden:

1. Einleitende Klangexperimente
2. „Geregelte“ Improvisation mit Werkbezug
3. Reflexionsphasen mit Präsentation von Aufzeichnungen der vorausgegangenen Improvisation

3. Unterrichtsmodelle in verschiedenen Jahrgangsstufen

3.1. 5. Klasse: John Cage: Sixty-eight

3.1.1. Informationen zum Werk

Die Komposition Sixty-eight schrieb Cage in seinem Todesjahr 1992.

Sie gehört in die Reihe der "Zahlenstücke", die als sein Alterswerk bezeichnet wird.[33]

Die Zahlenangabe im Namen bezieht sich hierbei stets auf die Anzahl der Spieler. Bei diesem Stück hat Cage eine genaue Besetzung angegeben: 3 Altflöten, 3 Englischhörner, 5 Klarinetten, 5 Trompeten, 4 Schlagwerker, 2 Klaviere und Streicher (14-12-10-10-0).

In diesem Werk zeigt sich der für John Cage typische "Kompromiss zwischen Komposition und Improvisation."[34] Jeder Spieler hat eine festgelegte Reihe von fünfzehn Tönen im Ambitus von (klingend) g bis cis´´ zu spielen. Wann und wie lange diese Töne erklingen sollen ist nicht genau festgelegt. Stattdessen verwendet Cage das System der "Zeitklammern" (time-brackets) (siehe Anhang). Oberhalb jeden Tones, der in einem eigenen System in ganzen Noten notiert ist, finden sich links und rechts Zeit- bzw. Zeitraumangaben. Bei Zeitraumangaben handelt es sich wieder um zwei Zeitangaben, die mit einem in beide Richtungen weisenden Pfeil verbunden sind. Die links aufgeführten Zahlen geben Aufschluss darüber, in welchem zeitlichen Rahmen ein Ton erklingen soll, die rechten darüber, wann der Ton enden darf. Diese zwei Zeiträume überschneiden sich um einige Sekunden und genauso überschneiden sich der rechte (End-) Zeitraum eines Tones und der linke (Start-) Zeitraum des nächsten Tones.

[...]


[1] Schneider/Niermann (108)

[2] Dethlefs (27)

[3] Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (107)

[4] Eckhard (7)

[5] Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (131)

[6] Eckhard (5)

[7] Siehe Helms/Schneider/Weber (131)

[8] Helms/Schneider/Weber: Kompendium der Musikpädagogik (251)

[9] siehe: Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (107)

[10] Schneider/Niermann (108)

[11] Schneider/Niermann (108)

[12] siehe: Eckhardt (9)

[13] siehe: Meyer-Denkmann (32)

[14] siehe: Meyer-Denkmann 32

[15] siehe Eckhardt (5-8) und Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (107)

[16] Meyer-Denkmann (32)

[17] Eckhardt (7)

[18] Schneider/Niermann (111)

[19] Eckhardt (6)

[20] Eckhardt (5)

[21] Meyer-Denkmann (33)

[22] Schneider/Niermann (100)

[23] Eckhardt (7)

[24] Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (108)

[25] Eckhardt (5)

[26] Meyer-Denkmann (33)

[27] Helms/Schneider/Weber: Lexikon der Musikpädagogik (108)

[28] Eckhardt (39)

[29] Schneider/Niermann (11)

[30] Eckhard (9)

[31] Meyer-Denkmann (33)

[32] Helms/Schneider/Weber: Kompendium der Musikpädagogik (250)

[33] siehe: Schädler

[34] Schultz (26)

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Gruppenimprovisation
Untertitel
Unterrichtsmodelle für verschiedene Jahrgangsstufen
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
43
Katalognummer
V129524
ISBN (eBook)
9783640392087
ISBN (Buch)
9783640391943
Dateigröße
1066 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zum Unterrichtsentwurf gehörte ursprünglich eine CD - diese kann hier nicht mitgeliefert werden.
Schlagworte
Gruppenimprovisation, Unterrichtsmodelle, Jahrgangsstufen
Arbeit zitieren
Dominik Hogl (Autor:in), 2008, Gruppenimprovisation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129524

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Titel: Gruppenimprovisation



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