Wie kam es zum Holocaust? Welche Prozesse, Situationen und Entscheidungen haben zu einem Verbrechen geführt, das in der Geschichte der Menschheit singulär ist?
In der Forschung besteht mittlerweile Konsens darüber, dass das Jahr 1941 für die Genesis der „Endlösung“ zentral war: Im Jahr, in dem das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion überfallen hat, sind wichtige Weichen gestellt und Entscheidungen getroffen worden, die die Verfolgung der Juden erheblich beschleunigten und einen Prozess in Gang setzten, der schließlich zur „Endlösung“ führte. Nur sind der genaue Zeitpunkt und die einzelnen Motive für den Beginn des systematischen Tötens in der Forschung weiterhin umstritten.
Der vorliegenden Arbeit liegen zwei leitende Fragestellungen zugrunde:
1. Welche Bedeutung kam dem Krieg gegen die Sowjetunion für die Genesis der „Endlösung“ zu?
Schon in den Planungen für das „Unternehmen Barbarossa“ ist eine für die jüdische Bevölkerung Tod bringende Struktur angelegt, die dann während des Krieges ihr volles Potenzial entfalten sollte. Der Mord an den sowjetischen Juden ereignete sich im Rücken der Wehrmacht; entgegen den ursprünglichen Planungen wurde er noch während des Krieges vollstreckt. Worin liegen die Gründe für diesen Richtungswechsel? Welchen Einfluss hatte die militärische Entwicklung des Feldzuges auf die Radikalisierung der Judenverfolgung, die in einigen eroberten Gebieten bereits nach wenigen Wochen die Strategie einer vollständigen Ausrottung verfolgte?
2. Wodurch war das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie gekennzeichnet?
Welche Rolle spielte die NS-Führung, insbesondere Hitler und Himmler, für den Prozess der Eskalation, und welche Bedeutung kam den Entscheidungsträgern vor Ort zu? Gerade die Agierenden an der Peripherie, also die Einsatzgruppenleiter, Kommandoführer und Angehörigen der entstehenden Zivilverwaltungen, legten ein ehrgeiziges Engagement an den Tag und konnten sich dabei innerhalb eines erheblichen Handlungsspielraumes bewegen. Die mittlerweile als sicher geltende Annahme, dass es vor Beginn der Invasion keinen umfassenden „Judentötungsbefehl“ gegeben hat, rückt die Rolle gerade der lokalen Entscheidungsträger in ein besonders brisantes Licht.
Deckt man die Verbindungslinien zwischen dem „Unternehmen Barbarossa“ und der Ingangsetzung der „Endlösung“ auf, dann kann vielleicht mehr Licht auf das verstörende Dunkel dieses präzedenzlosen Verbrechens geworfen werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Die nationalsozialistische,,Judenpolitik" 1939-1941: Gescheiterte Konzepte im Spannungsfeld zwischen Zentrum und Peripherie
- 1. Der Auftrag der Einsatzgruppen in Polen...
- 2. Die Politik der Vertreibung bis zum „Unternehmen Barbarossa“.
- a) Das „Judenreservat".
- b) Der Niskoplan
- c) Himmlers Bevölkerungsverschiebungen
- d) Vom „Madagaskarplan“ zur „Territorialen Endlösung“.
- II. Planungen für „Barbarossa“: Entscheidungen im Zentrum.........
- 1. Entschlussbildung und Charakter des Krieges.
- 2. Wirtschaftliche und bevölkerungspolitische Planungen.
- 3. Vorbereitungen der Wehrmacht..
- a) Abstimmungen mit der SS.
- b),,Gerichtsbarkeitserlass“ und „Kommissarbefehl".
- 4. Vorbereitungen der SS
- a) Die Einsatzgruppen ...
- Einsatz- und Personalstruktur.
- Befehle an die Kommandoführer.
- b) Die Bataillone der Ordnungspolizei..
- c) Die SS-Brigaden unter den Höheren SS- und Polizeiführern
- a) Die Einsatzgruppen ...
- III. Der Massenmord an der jüdischen Bevölkerung: Entwicklungen an der Peripherie
- 1. Die erste Phase der Ermordung der Juden in der besetzten Sowjetunion.
- a) Einsatzgruppe A: Pogrome und Exekutionen im Baltikum...
- b) Einsatzgruppe B: Koordinierte „Großaktionen“ in Weißrussland.
- c) Einsatzgruppe C: Pogrome und Erschießungen in Ostgalizien und der Westukraine.
- d) Einsatzgruppe D: Pogrome und Massaker in Bessarabien und der Bukowina
- 2. Die Ausweitung der Massenmorde - Der Übergang zur ethnischen Vernichtung.
- a) Einsatzgruppe A: Vollständige Vernichtung im Baltikum......
- b) Einsatzgruppe B: Initiativen „von unten“ und Nachsteuerungen „von oben“
- c) Einsatzgruppe C: Massaker der SS-Brigaden und die Radikalisierung des Tötens
- d) Einsatzgruppe D: Vertreibungen und lokale Initiativen.....
- 3. Überregionale Faktoren der Eskalation.......
- 1. Die erste Phase der Ermordung der Juden in der besetzten Sowjetunion.
- IV. Der Kriegsverlauf und die Ingangsetzung der „Endlösung“: Entscheidungen im Zentrum ..
- 1. Die militärische Situation im Hochsommer und der Mord an den sowjetischen Juden
- 2. Die Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung im Reich.....
- 3. Die militärische Situation im Frühherbst und der Beginn der Deportationen.....
- V. Der Krieg und die Eskalation der Judenverfolgung...
- Literatur....
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende wissenschaftliche Hausarbeit befasst sich mit der Genesis der „Endlösung der Judenfrage“ im Kontext des „Unternehmens Barbarossa“. Sie analysiert die Entwicklung der nationalsozialistischen Judenpolitik von 1939 bis 1941 und untersucht, wie die Planungen für den Krieg gegen die Sowjetunion die Eskalation der Judenverfolgung und schließlich die systematische Vernichtung der europäischen Juden einleiteten.
- Die Rolle der Einsatzgruppen im Kontext der nationalsozialistischen Judenpolitik
- Die Entwicklung der Vertreibungspolitik und die Entstehung des „Madagaskarplans“
- Die Planungen für „Barbarossa“ und die Entscheidungen im Zentrum
- Die Eskalation der Judenverfolgung an der Peripherie und die Rolle der SS-Brigaden
- Der Einfluss des Kriegsverlaufs auf die „Endlösung“ und die Bedeutung der Deportationen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die nationalsozialistische Judenpolitik in den Jahren 1939 bis 1941. Es analysiert die gescheiterten Konzepte der Vertreibung und Ghettoisierung im Spannungsfeld zwischen Zentrum und Peripherie. Dabei werden die Aufgaben der Einsatzgruppen in Polen, die Politik der Vertreibung und die Entwicklung des „Madagaskarplans“ untersucht.
Das zweite Kapitel widmet sich den Planungen für „Barbarossa“ und den Entscheidungen im Zentrum. Es analysiert die Entschlussbildung und den Charakter des Krieges, die wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Planungen sowie die Vorbereitungen der Wehrmacht und der SS.
Das dritte Kapitel untersucht die Entwicklungen an der Peripherie und die Eskalation der Judenverfolgung. Es analysiert die erste Phase der Ermordung der Juden in der besetzten Sowjetunion, die Ausweitung der Massenmorde und die Rolle der Einsatzgruppen.
Das vierte Kapitel beleuchtet den Einfluss des Kriegsverlaufs auf die „Endlösung“ und die Entscheidungen im Zentrum. Es analysiert die militärische Situation im Hochsommer 1941 und die Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung im Reich.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das „Unternehmen Barbarossa“, die „Endlösung der Judenfrage“, die nationalsozialistische Judenpolitik, die Einsatzgruppen, die Vertreibungspolitik, der „Madagaskarplan“, die Planungen für den Krieg gegen die Sowjetunion, die Eskalation der Judenverfolgung, die Rolle der SS-Brigaden und die Deportationen.
- Citar trabajo
- Roman Shahriari (Autor), 2005, Das "Unternehmen Barbarossa" und die Genesis der "Endlösung der Judenfrage", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129713